Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

Sozialalmanach - Caritas Luxembourg Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

19.07.2014 Views

tive und inklusive Sozialpolitik gebraucht werden. Dazu müssen, wie der Premierminister es in seiner Regierungserklärung 14 angekündigt hat, breite Schultern mehr tragen als schmale. 3.5 Fazit Als Fazit 15 aus all diesen Überlegungen lässt sich nunmehr folgendes festhalten: Ein Indikator beschreibt keine Wirklichkeit, sondern er gibt Hinweise darauf, wo die Probleme in der Realität liegen. Bei aller berechtigten Kritik und allen Vorbehalten sind Indikatoren dennoch sehr wertvoll. –– Ein Indikator allein (Armutsrisikoquote) reicht nicht aus, um die reale Situation zu erfassen; auch die anderen Indikatoren sind zu berücksichtigen. –– Bei allen Überlegungen über Armut muss immer berücksichtigt werden, dass Armut nicht nur monetär ausgeprägt ist, sondern mehrdimensional ist 16 . –– Alle hier angestellten Überlegungen deuten darauf hin oder weisen sogar nach, dass Familien mit Kindern trotz allem weiterhin benachteiligt sind. Daher herrscht hier ein eindeutiger Handlungsbedarf. –– Ein Ausgleich dieser Ungerechtigkeiten sollte über die Steuerpolitik erfolgen, die dafür geeigneter ist als das System der Sozialtransfers. Kindergeld und Kinderbonus sind hier mit einzubinden. –– Soziale Gerechtigkeit muss das Leitmotiv der Politik, auch und gerade in Krisenzeiten, sein. Neben der generellen Schieflage bei der Verteilungsgerechtigkeit müssen alle Ungerechtigkeiten auf den Tisch: die zwischen Luxemburgern und Ausländern (die wir offensichtlich akzeptieren) und diejenigen zwischen Jung und Alt (die wir offensichtlich auch akzeptieren unter der Annahmen, dass „Alt Jung hilft“, was aber dann wiederum dort nicht zutreffen kann, wo „Alt dazu nicht in der Lage ist“). Wenn auch unsere Regierung den Handlungsbedarf erkannt hat und mit den Maisons relais (zusammen mit den chèques-service) sowie dem Kinderbonus in die richtige Richtung 14 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2009). 15 Vergessen wir nicht, darauf hinzuweisen, dass die Umfrage die die Daten für diese statistischen Berechnungen liefert, sich nur auf klassische Haushalte bezieht. Nicht erfasst sind also Bevölkerungsgruppen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben und oft schlechter dastehen als die „gewöhnlichen Haushalte“: Obdachlose, Kinder in Kinderheimen, Ältere in Altenheimen etc. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass das rein monetäre Einkommen Materialleistungen (wie z.B: chèques-service) nicht berücksichtigt, aber auch gegebenenfalls schwierige Ausgabensituationen (Miete, Überschuldung etc.) keine Rolle in diesen Betrachtungen spielen. 16 Siehe dazu Kapitel 2 des analytischen Teils des „Poverty Paper“ von Caritas Europa (2010). 57

eagiert hat, so bleibt dennoch mehr zu tun, um die Benachteiligung von Familien mit Kindern auszugleichen 17 . Stattdessen machte in politischen Kreisen vor den Tripartite-Verhandlungen (die bei Drucklegung dieses Bandes erst zur Hälfte vorbei sind, sodass wir hier nicht auf die Ergebnisse eingehen können) das Unwort der „selektiven Sozialpolitik“ die Runde. Abgesehen davon, dass dies nur Sozialabbau bedeuten kann, sind wir der Meinung dass eher von „sozialer Gerechtigkeit“ wie oben gezeigt oder auch von „Investitionen in die Zukunft“ gesprochen werden sollte 18 . Aus der Politik hat bisher niemand einen konkreten Vorschlag in Richtung „selektive Sozialpolitik“ gemacht. Einzig aus Gewerkschaftskreisen kam einerseits der Vorschlag, die Wohnungsbeihilfen stärker vom Einkommen abhängig zu machen (was sie aber schon sind), sowie andererseits nach dem Motto „reiche Leute brauchen kein Kindergeld“ letzteres einkommensabhängig zu gestalten, beispielsweise dadurch, dass es mit dem gesamten Einkommen zusammen besteuert würde. Hierzu sowie zu anderen Überlegungen, die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie Arbeitslosengeld und garantiertes Mindesteinkommen betreffen, siehe das Kapitel 5 dieses Bandes 19 . Dort gezogenes Fazit ist, dass man den Begriff der Selektivität aufgeben sollte, er führe höchstens zu Neid und der Jagd auf so genannte Faulpelze, was sicherlich dem sozialen Zusammenhalt nicht förderlich wäre. Demgegenüber sei gerade in Krisenzeiten Solidarität notwendig und die Beachtung der sozialen Gerechtigkeit umso wichtiger. Außerdem helfen heutige Sozialausgaben, zukünftige zu vermeiden. Im Grossen und Ganzen also wird die Diskussion um Selektivität der Realität nicht gerecht. Deswegen: betrachten wir die Sozialausgaben nicht weiter als unproduktive Kosten, die erst mal verdient werden müssen, sondern als Investitionen in die Zukunft20, die verhindern, dass Armut intergenerationell vererbt wird, die dadurch zukünftige Sozialausgaben reduzieren und die vor allem durch die solidarische Einbindung der Schwächeren in die Gesellschaft, durch ihre Teilhabe und ihre Befähigung ein Zusammenleben ermöglichen. Literaturverzeichnis ALLEGREZZA, SERGE (2010): Croissance économique et cohésion sociale: un choix éminemment politique. In: Schronen, Danielle & Urbé, ROBERT (Hrsg.): Sozialalmanach 2010. Schwerpunkt: Aus der Krise in die Armut? Confédération Caritas Luxembourg. 17 Für etwaige Vorschläge der Caritas siehe Schronen & Urbé (2007, 2008 und 2009) sowie an anderer Stelle in diesem Band. 18 Vgl. Delors & Dollé (2009). 19 Urbé (2010). 58

tive und inklusive Sozialpolitik gebraucht werden. Dazu müssen, wie der Premierminister es<br />

in seiner Regierungserklärung 14 angekündigt hat, breite Schultern mehr tragen als schmale.<br />

3.5 Fazit<br />

Als Fazit 15 aus all diesen Überlegungen lässt sich nunmehr folgendes festhalten:<br />

Ein Indikator beschreibt keine Wirklichkeit, sondern er gibt Hinweise darauf, wo die<br />

Probleme in der Realität liegen. Bei aller berechtigten Kritik und allen Vorbehalten sind<br />

Indikatoren dennoch sehr wertvoll.<br />

––<br />

Ein Indikator allein (Armutsrisikoquote) reicht nicht aus, um die reale Situation zu<br />

erfassen; auch die anderen Indikatoren sind zu berücksichtigen.<br />

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Bei allen Überlegungen über Armut muss immer berücksichtigt werden, dass Armut<br />

nicht nur monetär ausgeprägt ist, sondern mehrdimensional ist 16 .<br />

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Alle hier angestellten Überlegungen deuten darauf hin oder weisen sogar nach, dass<br />

Familien mit Kindern trotz allem weiterhin benachteiligt sind. Daher herrscht hier ein<br />

eindeutiger Handlungsbedarf.<br />

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Ein Ausgleich dieser Ungerechtigkeiten sollte über die Steuerpolitik erfolgen, die dafür<br />

geeigneter ist als das System der Sozialtransfers. Kindergeld und Kinderbonus sind<br />

hier mit einzubinden.<br />

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Soziale Gerechtigkeit muss das Leitmotiv der Politik, auch und gerade in Krisenzeiten,<br />

sein. Neben der generellen Schieflage bei der Verteilungsgerechtigkeit müssen alle<br />

Ungerechtigkeiten auf den Tisch: die zwischen Luxemburgern und Ausländern (die wir<br />

offensichtlich akzeptieren) und diejenigen zwischen Jung und Alt (die wir offensichtlich<br />

auch akzeptieren unter der Annahmen, dass „Alt Jung hilft“, was aber dann wiederum<br />

dort nicht zutreffen kann, wo „Alt dazu nicht in der Lage ist“).<br />

Wenn auch unsere Regierung den Handlungsbedarf erkannt hat und mit den Maisons<br />

relais (zusammen mit den chèques-service) sowie dem Kinderbonus in die richtige Richtung<br />

14 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2009).<br />

15 Vergessen wir nicht, darauf hinzuweisen, dass die Umfrage die die Daten für diese statistischen Berechnungen<br />

liefert, sich nur auf klassische Haushalte bezieht. Nicht erfasst sind also Bevölkerungsgruppen,<br />

die in Gemeinschaftsunterkünften leben und oft schlechter dastehen als die „gewöhnlichen Haushalte“:<br />

Obdachlose, Kinder in Kinderheimen, Ältere in Altenheimen etc. Außerdem muss darauf hingewiesen<br />

werden, dass das rein monetäre Einkommen Materialleistungen (wie z.B: chèques-service) nicht berücksichtigt,<br />

aber auch gegebenenfalls schwierige Ausgabensituationen (Miete, Überschuldung etc.) keine<br />

Rolle in diesen Betrachtungen spielen.<br />

16 Siehe dazu Kapitel 2 des analytischen Teils des „Poverty Paper“ von <strong>Caritas</strong> Europa (2010).<br />

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