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Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

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„Ob der Mensch, in bösem Übermut „Krone der Schöpfung“ geheißen, nicht eher<br />

deren Krebsgeschwür ist, dessen Metastasen den Planeten durchsetzen?“ fragt sich der<br />

„spectateur engagé“. Es geschehe ihm recht, wenn die Erde, nach der er sich nicht umsah,<br />

demnächst ihn ausscheiden wird, beschleicht es den unbefangenen Betrachter.<br />

Und wäre er befangen? Dächte er dann nicht daran, dass Gier wohl dem Menschen,<br />

so wie jedem Lebewesen, angeboren ist, doch, wie bei Gewächs und Getier wäre dieser<br />

Lebenstrieb durch die natürlichen Schranken in Grenzen gehalten. Moderne sprechen<br />

dabei von ökologischem Gleichgewicht. Störungsfaktor an dieser natürlichen Waage von<br />

Anspruch und Erfüllung wäre in der Besonderheit des Menschen zu suchen und zu finden,<br />

der in (vor)geschichtlicher Zeit damit begonnen habe, vom Baume der Erkenntnis zu<br />

naschen. Der Mensch merkte daraufhin, dass er nackt in die Existenz geworfen war und<br />

auf den eigenen Tod hin lebe – keine paradiesische Aussicht. Doch hat er darob seinem<br />

Wissensdrang, dieser teuflischen Eingabe, nicht widersagt, sondern in seinem Fehl perseveriert.<br />

Statt Hirt und Hüter von Schafen (und Sein) zu bleiben, hat er die kainitische Kultur<br />

und Agrikultur erfunden, bei Rodung des Ur-Waldes und Ausrottung des sog. Unkrautes,<br />

der Artenvielfalt. Er hat Städte und Staat gegründet. Später wagte er sich auf miteinander<br />

verzahnten Schiffsplanken aufs hohe Meer und brachte Goldkörner in Schafsfellen, nebst<br />

fremden Frauen, mit nach Haus; Hirten aber starben aus, wie Abel.<br />

Der unaufhörliche Ausbau von Wissen, gepaart mit einsatzfreudiger Technik erlaubt<br />

Globalisierung bei Sektorialisierung der Produktion und freien Geldverkehr in realer<br />

Zeit rund um den Erdball. Seither wissen (und wollen?) wir, softe Nazis, dass alles zur<br />

Disposition steht: ungeborenes Leben am Anfang und lebensunwertes zum Schluss – so<br />

darf der befangene Beobachter meinen.<br />

Der Ausweg in dieser Aporie kat’exochen menschlicher Existenz, bestünde darin, sich<br />

von der Geste Evas zu lösen, die als erste erkennen wollte. Der Ausweg bestünde darin, das<br />

total Unerkennbare demütig hinzunehmen, nämlich, dass nicht nur immer ein Rest unverfügbar,<br />

unangreifbar und unbegreiflich übrig bleibt, sondern dass das ganz Unerkennbare<br />

uns übersteigt, wahr ist und unseres Wissens und Wähnens spottet.<br />

In religiöse Worte gefasst, kommt diese Haltung darauf hinaus, dass man, wider besseres<br />

Wissen daran festhält, die Indisponibilität selbst sei Fleisch geworden, habe eine Weile<br />

unter uns gewohnt, um uns beim Abschied nach der Weltkrise seinen heiligen Geist zu<br />

hinterlassen…<br />

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