Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
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Dies Ganze nennt man (der Mann von der Straße, nicht der in der Chef-Etage): Krise.<br />
„Krise“ ist griechisch – o je: die Griechen, jetzt, heute oder, der neue Sokrates, jetzt, heute<br />
(z.Z. in Portugal)! – „Krise“ heißt: Entscheidung. Entscheidung aber ist immer ein Scheiden<br />
und ist Abschied.<br />
Thomas, der heilige, nicht der ungläubige, würde, hier angekommen, nach der „Ratio“<br />
fragen „secundum qualem“, laut welcher dies sich so zutragen konnte, und welches seine<br />
Zu- und Verträglichkeit wäre.<br />
Greifen wir vorläufig (definitiv) auf das dreifaltige Menschenbild zurück, dessen der<br />
Hl. Thomas sich immer wieder bedient, von Aristoteles geerbt, von Platon entworfen.<br />
Der dreieinige Mensch ist Pflanze, Tier und schließlich Mensch. Er ist Pflanze: er<br />
wird geboren, wächst, ernährt sich, zeugt und stirbt. Er ist Tier: er vernimmt Sichtbares,<br />
Hörbares, Fühlbares, und regt und bewegt sich, kämpft. Er ist Mensch: er erkennt, er weiß<br />
um sich und er weiß für sich; schließlich wähnt er in sich die Spur Dessen zu entdecken,<br />
Der unser aller Herr ist. – Wo in diesem Menschen(Bild) soll nun die Ratio zu finden sein,<br />
die als Auslöser für die Krise stehen darf?<br />
Von denen, die sich dazu geäußert haben, wurde die Krise ausgelöst durch, wie es hieß,<br />
„verantwortungslose“ Spekulation zwecks Einheimsens schnellen Geldes. Dies Benehmen<br />
wurde der schieren Gier zugeschrieben, dem platonischen Motor des niederen Ess-, Trinkund<br />
Zeugungsvermögens. Erinnern wir daran, dass der Hl. Thomas, 1800 Jahre nach<br />
dem Oberdenker, der Ratio, dem Logos die Aufgabe zuerteilt, die Gier zur Besonnenheit<br />
anzuhalten. Erinnern wir weiter daran, dass den (Philosophen)Königen die Aufgabe auf<br />
den Leib geschrieben wurde, den staatlichen Organismus vernünftig d.h. vernunftgerecht<br />
zu leiten. Wieso haben unsere Politiker dabei „versagt“ – wie ihnen häufig vorgeworfen<br />
wurde? – Weil sie den Durchblick, leider, nicht hatten. Weil sie der, vor zwei Jahren weit<br />
verbreiteten Mär – wer hat sie weit verbreitet? Etwa besoldete Schreiberlinge? Von wem<br />
besoldet? – aufgesessen seien, die Neue Ökonomie könne es auch anders als bieder buchhalterisch<br />
altväterlich! Nicht doch! – Sie, die Herren, wussten oder ahnten, was kommen<br />
würde. Bloß wollten sie bis dahin vom Boom profitieren. Wenn’s dereinst mit dem Krach<br />
krachen sollte, werde „man das auch noch hinkriegen“. So geschah es…<br />
Soll hier eine These gewagt werden? – Sie heiße: die These der Allmacht des unteren<br />
Begehrens-Vermögens. Zumal heiße sie dessen Vormacht über die glatte Aggressivität,<br />
über den Thymos, also über das tierische Regen, Rennen, Hauen und Stoßen, und es<br />
heiße: Herrschaft über die Ratio (alias Logos), die zum bloßen Instrument wissenschaftlich-technischer<br />
Leistungen herabgestuft wird zwecks steter Vergrößerung der<br />
Einwirkungsmöglichkeiten auf die umfassende Umwelt, und das im Dienste einer zügellosen,<br />
vielgestaltigen Begierde, deren Zahlungsmittel Geld, bezahlte Mafioso-Gewalt und<br />
eine postmoderne „List der Vernunft“ sind, wobei letztere besser den veralteten Namen<br />
„Arglist“ trüge.<br />
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