Sozialalmanach - Caritas Luxembourg
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3. Arbeit teilen Vollbeschäftigung ist seit Jahrzehnten ein Trugbild zu dem wir Alternativen entwickeln müssen. Wenn wir wollen, dass alle am Wohlstand unserer Gesellschaft teilhaben können, müssen wir bereit sein, auch die Erwerbs-Arbeit so aufzuteilen, dass alle für diesen Wohlstand arbeiten können. Wenn es möglich ist mit weniger Arbeitszeit dieselbe Menge an Gütern zu produzieren, sollte dies doch eigentlich unser Leben vereinfachen, anstatt es durch Arbeitslosigkeit zu zerstören oder? – Wir müssen also Arbeitszeitmodelle entwickeln mit weniger Lebenserwerbsarbeitszeit. Dies kann bedeuten, dass die Wochen-Arbeitszeiten kürzer werden oder, dass während verschiedener Lebensabschnitte die Menschen unterschiedliche Wochen- Arbeitszeiten wählen können. Eine allgemeine 35 Stunden-Woche scheint derzeit zum Schimpfwort geworden zu sein. Aber solche Modelle wären ein erster Schritt in Richtung Vollbeschäftigung bei niedrigerer Arbeitszeit, die nicht zu unmenschlichen Flexibilisierungsmaßnahmen in den Betrieben führen muss. 4. Talente tauschen Nur der geringere Teil der gesamten Arbeit, die die Menschen leisten, ist Erwerbsarbeit. Der größere Teil ist die unbezahlte Arbeit der Lebenswelt-Ökonomie. Der Tausch der Früchte der Erwerbsarbeit wird durch die Existenz des Geldes ermöglicht. Für die Arbeit der Lebenswelt-Ökonomie fehlt ein solches Tauschmittel, denn hierfür bräuchten wir andere Formen des Tausches. – Wir müssen also Tauschmöglichkeiten schaffen, die es den Menschen ermöglichen, ihre Talente in diese Gesellschaft einzubringen. Hierzu braucht es Orte und Mittel den Tausch zu vereinfachen. In Europa sind auf diese Weise bereits zahlreiche Lokalwährungen entstanden. Eine Lokalwährung wäre leicht verfügbar, zinsfrei und auf den Markt der Großregion ausgerichtet. Es hätte zum Ziel, eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaft zu fördern ohne Zins und Wachstumszwang. Getauscht wird auf Internetbörsen oder auf einem wöchentlichen Stand am Markt. Teilen will gelernt sein Ein wichtiges Argument des Wachstumsglaubens besagt, dass nur mit Wachstum die sozialen und die ökologischen Probleme zu lösen wären. Aber wenn Wachstum mehr Kosten verursacht als Nutzen, wie kann dann noch mehr Wachstum zur Lösung beitragen? Dies wird besonders augenfällig, wenn es darum geht, durch Wachstum den Reichtum gerechter zu verteilen. Anscheinend ließe sich wenigstens das Wachstum gerecht verteilen und dadurch könnten soziale Unterschiede auf lange Sicht abgebaut werden. Tatsächlich aber verhält es sich genau andersrum. Zwischen 1990 und 2001 erreichten nur 0,6% des Wachstums der globalen Wirtschaft jene Menschen, die täglich mit weniger als einem US- 251
Dollar auskommen müssen. Mit anderen Worten, für einen US-Dollar Armutsreduzierung bräuchten wir Produktion und Verbrauch im Werte von 166 US-Dollar. 3 Der damit einhergehende Ressourcenverbrauch geht jedoch größtenteils zu Lasten eben jener Bevölkerung, die von ihm nicht profitiert, die Armen sind also doppelt geschädigt. Sie erhalten erstens nur einen verschwindend geringen Anteil vom Nutzen des Wachstums, müssen aber mit seinen negativen Folgen leben (Klimawandel, Ressourcenschwund, Wassermangel...). Dasselbe gilt übrigens auch für Luxemburg, auch hier wächst der Anteil der Ausgeschlossenen mit unserem wachsenden BIP. So wird Wachstum zum Substitut für eine gerechte(re) Einkommensverteilung. Solange die Wirtschaft wächst, brauchen die Armen die Hoffnung nicht aufzugeben, dass sie nächstes Jahr – vielleicht – ein größeres Stück vom stets wachsenden Kuchen bekommen könnten. Also glauben wir an das Wirtschaftswachstum, weil wir unserem hohen Wohlstand und Reichtum derart verfallen sind und die Ärmeren damit vertrösten können? Wenn wir jedoch einen gerechteren Zugang zu Wohlstand nicht über Wirtschaftswachstum erreichen können und wenn wir eh den Ressourcenverbrauch reduzieren müssen, bleibt dann nicht nur der Weg, das bereits existierende Einkommen gerechter zu verteilen? 5. Konsum begrenzen und Einkommen umverteilen Wenn wir für die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen plädieren, ist natürlich das Mindesteinkommen ein wichtiger und richtiger Schritt. Aber reicht dies? Wie lässt sich relative Armut abschaffen, wenn die Löhne nach unten gestützt werden, sich aber nach oben in Schwindel erregende Höhen schrauben? Wie können wir dem Drang nach unaufhaltsam steigendem Einkommen und Reichtum Einhalt gebieten und ein etwaiges Wachstum wirklich verteilen? Wenn wir für die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen plädieren, müssen wir auch Obergrenzen für den Konsum und damit für das Einkommen akzeptieren. Anders können wir nicht glaubwürdig werden – und nicht effizient. Die Bedürfnisse der Menschen sind zwar begrenzt, ihre Wünsche jedoch nicht. Angesichts der Begrenztheit der Ressourcen und der extremen Schieflage in der Verteilung, müssen wir uns daher nicht nur fragen lassen, was wir mit unserem angehäuften Reichtum anstellen (ökologisch und sozial bewusst konsumieren), wir müssen uns auch die Frage gefallen lassen: „Wie um alles in der Welt kommen wir zu diesem Reichtum?“. Für Luxemburg bedeutet dies: – Wir können unsere Steueroase nicht weiter mit einer notwendigerweise großzügigen Entwicklungszusammenarbeit und der regen Beteiligung an internationalen 3 Woodward & Simms (2006). 252
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– Wir müssen also Arbeitszeitmodelle entwickeln mit weniger Lebenserwerbsarbeitszeit.<br />
Dies kann bedeuten, dass die Wochen-Arbeitszeiten kürzer werden oder, dass<br />
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Nur der geringere Teil der gesamten Arbeit, die die Menschen leisten, ist Erwerbsarbeit.<br />
Der größere Teil ist die unbezahlte Arbeit der Lebenswelt-Ökonomie. Der Tausch der<br />
Früchte der Erwerbsarbeit wird durch die Existenz des Geldes ermöglicht. Für die Arbeit<br />
der Lebenswelt-Ökonomie fehlt ein solches Tauschmittel, denn hierfür bräuchten wir<br />
andere Formen des Tausches.<br />
– Wir müssen also Tauschmöglichkeiten schaffen, die es den Menschen ermöglichen, ihre<br />
Talente in diese Gesellschaft einzubringen. Hierzu braucht es Orte und Mittel den Tausch<br />
zu vereinfachen. In Europa sind auf diese Weise bereits zahlreiche Lokalwährungen<br />
entstanden. Eine Lokalwährung wäre leicht verfügbar, zinsfrei und auf den Markt<br />
der Großregion ausgerichtet. Es hätte zum Ziel, eine sozial und ökologisch nachhaltige<br />
Wirtschaft zu fördern ohne Zins und Wachstumszwang. Getauscht wird auf<br />
Internetbörsen oder auf einem wöchentlichen Stand am Markt.<br />
Teilen will gelernt sein<br />
Ein wichtiges Argument des Wachstumsglaubens besagt, dass nur mit Wachstum die<br />
sozialen und die ökologischen Probleme zu lösen wären. Aber wenn Wachstum mehr<br />
Kosten verursacht als Nutzen, wie kann dann noch mehr Wachstum zur Lösung beitragen?<br />
Dies wird besonders augenfällig, wenn es darum geht, durch Wachstum den Reichtum<br />
gerechter zu verteilen. Anscheinend ließe sich wenigstens das Wachstum gerecht verteilen<br />
und dadurch könnten soziale Unterschiede auf lange Sicht abgebaut werden. Tatsächlich<br />
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