Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

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19.07.2014 Views

1. Die Rede zur Lage der Nation am 21. April 2009 R o b E R t U r b é 1.1 Von einer Bilanz, die keine sein wollte… Am 21. April 2009 hat der Premierminister vor dem Parlament seine alljährliche Rede zur Lage der Nation gehalten 1 , die eine Vorschau auf die kommenden 12 Monate geben soll. Dies ist traditionell die Gelegenheit, dem Parlament und darüber hinaus dem ganzen Land mitzuteilen, welche Arbeiten die Regierung in nächster Zukunft anzugehen gewillt ist. Es ist daher auch der Moment, wo Parlament und Gesellschaft erfahren, was Neues auf sie zukommen wird. Dies war nun 2009 eher anders. Der Premier hielt eine unübliche Rede, etwas mehr als 6 Wochen vor den Wahlen, am Ende einer Mandatsperiode, und wie er sich ausdrückte, ohne Mandat für die Zeit bis 2014. Während wir an dieser Stelle die Rede zur Lage der Nation vom 9. Mai 2007 2 im Sozialalmanach 2008 als „verpasste Chance“ charakterisiert hatten 3 , und jene vom 22. Mai 2008 mit einer Fülle von neuen Vorhaben und Vorschlägen aufwartete 4 , so war diese Rede vom 21. April 2009 wiederum eine eher nichts sagende Angelegenheit, aus den eben genannten Gründen. Als solches wurde sie denn auch vielfach kritisiert, wogegen der Premier betonte, als austretende und sich knapp 6 Wochen später zur Wahl stellende Regierung sei es nicht an der Zeit, zukünftige Vorhaben anzukündigen; das sollte erst wieder einer neu installierten Regierung überlassen bleiben. Der Premier war sich unschlüssig, ob er eine Bilanz der abgelaufenen Legislaturperiode ziehen sollte, meinte aber, dass er einerseits dafür genauso kritisiert werden würde wie für das Fehlen eines Ausblicks. Zum anderen argumentierte er, dass es angesichts der Krise weniger auf eine Bilanz denn auf zukunftsgerichtete Aktionen ankäme. So liest sich denn die Regierungserklärung zu großen Teilen als eine Bilanz, die aber keine sein will, mit einigen Einsprengseln von gemachten guten Erfahrungen, die es fortzusetzen 1 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2009). 2 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2007). 3 Vgl. Schronen & Urbé (2008). 4 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2008). 21

gelte. Zur effektiven Zukunftsbewältigung gab es darüber hinaus nur Beschwörungen der nationalen Solidarität sowie das Bekenntnis, niemand, auch er, wisse nicht was komme. Dies mag man als Opposition gerne kritisieren, und man ist dabei ja auch durchaus in seiner Rolle, allerdings muss man nüchterner Weise sagen, dass eigentlich nichts anderes zu erwarten war. Die Akzente für die Zukunft würden einige Wochen später durch das neue Regierungsprogramm für die Periode 2009 bis 2014 gesetzt werden; dem wollte und konnte der Premier nicht vorgreifen. 1.2 …über positive Erfahrungen, die beibehalten werden sollen… Diese betreffen an erster Stelle die Sozialpolitik, wo der Premier auf die vielen gesetzlichen Neuerungen im Ausländerbereich hinwies: Immigrationsgesetz, Integrationsgesetz, Asylgesetz, neues Staatsbürgerrecht und Gesetz über die doppelte Nationalität sowie Gesetz über den Sprachenurlaub. Sodann wies er auf die Wichtigkeit der Kinderbetreuung und deren massiven Ausbau hin, stellte der mancherseits geäußerten Kritik an der Einführung der Dienstleistungsschecks deren großen Erfolg gegenüber, betonte aber diesmal nicht die an anderer Stelle in Aussicht gestellte gratis Kinderbetreuung für die Zukunft, an der aber wohl, im Rahmen der budgetären Möglichkeiten festgehalten werden soll. Nach dem Hinweis auf die Zuerkennung der steuerlichen Gleichstellung hetero- und homosexueller Paare, die unter der Formel des Partenariats zusammenleben, kam er sodann auf die großen Anstrengungen im Bildungsbereich zu sprechen: Reform der Grundschule und der Berufsausbildung, Neueinführung des „Neie Lycée“ und der „Nei Schoul“, Diversifizierung der Bildungswege und Reduzierung des schulischen Misserfolgs. Unter dem Stichwort „Modernisierung des Landes“ wurde die Modernisierung der Wirtschaft präsentiert, insbesondere was den Kommunikations- und Medienbereich anbelangt, sowie die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 5,2% seit 1990. Ebenso kamen die Anstrengungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs zur Sprache: um 179% höhere Investitionen in den Schienenverkehr während der letzten 5 Jahre und damit 25% mehr Fahrgäste sowie ein höheres Frachtvolumen, 14,3% Passagiere mehr im Busverkehr und insgesamt im öffentlichen Personenverkehr ein Anstieg der Fahrgäste um 20,6%. Erwähnt wurden dann noch das neue Agrargesetz und der Fünfjahresplan für den Tourismus, administrative Vereinfachungen besonders durch das Mittelstandsministerium, die Einführung des „Pacte Logement“ und des neuen Mietgesetzes, die fertigen und unfertigen sektoriellen Pläne im Rahmen der Landesplanung und insbesondere das Erfolgskapitel „Site Belval“. Ausgehend von den getroffenen Vereinbarungen im öffentlichen Sektor und der Wichtigkeit des sozialen Dialogs widmete der Premier sodann ein längeres Kapitel dem 22

1. Die Rede zur Lage der Nation<br />

am 21. April 2009<br />

R o b E R t U r b é<br />

1.1 Von einer Bilanz, die keine sein wollte…<br />

Am 21. April 2009 hat der Premierminister vor dem Parlament seine alljährliche Rede<br />

zur Lage der Nation gehalten 1 , die eine Vorschau auf die kommenden 12 Monate geben<br />

soll. Dies ist traditionell die Gelegenheit, dem Parlament und darüber hinaus dem ganzen<br />

Land mitzuteilen, welche Arbeiten die Regierung in nächster Zukunft anzugehen gewillt<br />

ist. Es ist daher auch der Moment, wo Parlament und Gesellschaft erfahren, was Neues<br />

auf sie zukommen wird. Dies war nun 2009 eher anders. Der Premier hielt eine unübliche<br />

Rede, etwas mehr als 6 Wochen vor den Wahlen, am Ende einer Mandatsperiode, und wie<br />

er sich ausdrückte, ohne Mandat für die Zeit bis 2014.<br />

Während wir an dieser Stelle die Rede zur Lage der Nation vom 9. Mai 2007 2 im<br />

<strong>Sozialalmanach</strong> 2008 als „verpasste Chance“ charakterisiert hatten 3 , und jene vom 22.<br />

Mai 2008 mit einer Fülle von neuen Vorhaben und Vorschlägen aufwartete 4 , so war diese<br />

Rede vom 21. April 2009 wiederum eine eher nichts sagende Angelegenheit, aus den<br />

eben genannten Gründen. Als solches wurde sie denn auch vielfach kritisiert, wogegen<br />

der Premier betonte, als austretende und sich knapp 6 Wochen später zur Wahl stellende<br />

Regierung sei es nicht an der Zeit, zukünftige Vorhaben anzukündigen; das sollte erst<br />

wieder einer neu installierten Regierung überlassen bleiben.<br />

Der Premier war sich unschlüssig, ob er eine Bilanz der abgelaufenen Legislaturperiode<br />

ziehen sollte, meinte aber, dass er einerseits dafür genauso kritisiert werden würde wie<br />

für das Fehlen eines Ausblicks. Zum anderen argumentierte er, dass es angesichts der<br />

Krise weniger auf eine Bilanz denn auf zukunftsgerichtete Aktionen ankäme. So liest<br />

sich denn die Regierungserklärung zu großen Teilen als eine Bilanz, die aber keine sein<br />

will, mit einigen Einsprengseln von gemachten guten Erfahrungen, die es fortzusetzen<br />

1 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2009).<br />

2 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2007).<br />

3 Vgl. Schronen & Urbé (2008).<br />

4 Siehe Gouvernement luxembourgeois (2008).<br />

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