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Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

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medianen (nicht durchschnittlichen) Einkommens. Sie wurde politisch von den europäischen<br />

Staats- und Regierungschefs in Laeken im Jahre 2001 festgelegt.<br />

Doch das Wort „Armutsrisiko“ täuscht über den gemeinten Sachverhalt hinweg.<br />

Was hier gemessen wird, ist die materielle Grenze der Elastizität in einer Gesellschaft.<br />

Ausgangspunkt ist das Ideal der einen Gesellschaft, an der alle gebührend teilhaben können.<br />

Die Grenze der politisch akzeptablen und zumutbaren materiellen Differenzen wurde mit<br />

diesen sechzig Prozent Unterschied festgelegt. Damit wurde eine Gerechtigkeitsaussage<br />

gefällt, die den sozialen Zusammenhalt vor Augen hatte und ein Verständnis von Armut<br />

und Armutsrisiko vertrat, das sich nicht auf materielle Armut beschränkte. Heute müssen<br />

wir feststellen, dass dieses Laekener Verständnis selbst bei denen abhanden gekommen ist,<br />

die die Entscheidung damals mittrugen.<br />

Wenn die Kosten der Krise also weder auf dem Buckel der „absolut“ Armen noch<br />

auf dem des sozialen Zusammenhalts ausgetragen werden sollen, dann muss die Last von<br />

denen getragen werden, die es materiell und gesellschaftlich können. Um es klar zu sagen:<br />

das Problem ist das Übermaß und der verschwenderische Reichtum. Wir brauchen neue<br />

Maßstäbe, um diese Grenze zu erfassen und zu ziehen. Das Umweltprinzip des „pollueurpayeur“<br />

sollte verallgemeinert werden – und dies nicht nur auf dem Hintergrund von<br />

„toxischen Finanzprodukten“. Wir brauchen eine neue Obergrenze für den vernünftigen<br />

Umgang mit Ressourcen.<br />

Wenn wir uns als Gäste auf dieser Erde verstehen und nicht als durchmarschierende<br />

Raubritter, Besitzer oder gar neue Schöpfer, gehen wir anders mit ihr und uns um. Wir<br />

können und sollen nur soviel verbrauchen, wie wir für ein gutes Leben und Zusammenleben<br />

brauchen. Wer mehr hat, als er braucht, kann aufgeben und abgeben. Den Anfang machen<br />

können also vorzugsweise diejenigen, die verzichten können und etwas aufgeben wollen.<br />

Lebensqualität und Glück messen sich nicht einfach monetär. Das Luxemburger Modell<br />

ist aus Bescheidenheit und nicht aus Hochmut entstanden. Der soziale Friede und mehr<br />

noch der soziale Zusammenhalt sollte unsere Stärke auszeichnen.<br />

In seiner Sozialenzyklika „<strong>Caritas</strong> in veritate“ mahnt Papst Benedikt, die Wahrheit –<br />

auch des Menschen – ins Zentrum des sozialen Handelns zu stellen: die Sozialverkündigung<br />

der Kirche wird kurz und prägnant als „caritas in veritate in re sociali“ verstanden. Wir<br />

können uns nicht um die Sinnfrage herum drücken. Es gibt keine technische Antwort auf<br />

die Urfrage des Menschen: wer bin ich?<br />

Diese Frage darf nicht weiter individualisiert und psychologisiert werden. Es ist auch<br />

eine Frage der Gesellschaft und sie bedarf auch einer politischen Antwort. In den zukunftsweisenden<br />

und -gestaltenden Antwortelementen begegnen sich Werte und Handlungsmaximen,<br />

Religion und Politik, Zukunft und Gegenwart. Der politische Totalitarismus ist<br />

– hoffentlich – tot. Der wirtschaftliche Totalitarismus ist an seine Grenzen gestoßen und<br />

hat Menschen hier und in der Welt in Not und Elend gestürzt. Die Wirtschaft braucht<br />

eine politische Steuerung, die sie nutzbar für die Gesellschaft und den Menschen macht.<br />

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