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Sozialalmanach - Caritas Luxembourg

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Nun müssen diese Regierungen, die das Finanzsystem mit dem Geld der Zukunft gerettet<br />

haben, ihre eigenen Kassen in Ordnung bringen. Die verstrichene Zeit zwischen dem Einsetzen<br />

der Krise und ihrer Bewältigung ist besonders schwierig in einem Land wie Luxemburg.<br />

Vor allem dann, wenn die Krisenmanager selber nur zum Teil oder gar nicht direkt von den<br />

Effekten der Krise betroffen sind. Manche glauben nicht (mehr) an die Krisenmär. Andere<br />

fixieren sich auf den sich abzeichnenden Aufschwung. Fakt aber ist, dass der Staat selber mehr<br />

Geld ausgegeben hat und ausgibt, als ihm aktuell zur Verfügung steht. Ohne Anleihen bei<br />

den Rettern und Auslösern der Krise geht es nicht. Das System dreht wieder in alten Bahnen<br />

und es werden schon wieder Gewinne eingefahren und Boni ausbezahlt.<br />

Es sieht ganz so aus, als habe man die Gelegenheit der Krise verpasst, um über einen<br />

Umbau der Gesellschaft und ihres gebannten Verhältnisses zum Geld nachzudenken.<br />

Mit Gesellschaft sind hier alle Akteure einzeln und zusammen gemeint. Bei den zur Zeit<br />

der Abfassung dieses <strong>Sozialalmanach</strong>s noch laufenden Verhandlungen in der Tripartite<br />

scheint es dennoch ums Sparen zu gehen. Der Staat, der sich verausgabt hat, um die Krise<br />

abzufedern, muss mit der Zukunft argumentieren. Das was wir schon vor der Krise wussten,<br />

wird nun noch offensichtlicher. Die sozialen Sicherungssysteme können auf dem aktuellen<br />

Niveau und in der Zeit, sofern wir nicht zu einer grundlegenden Umverteilung bereit sind,<br />

nur bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von vier Prozentpunkten gehalten<br />

werden. Ein solches Wachstum ist aber nicht absehbar.<br />

Die Metapher des Frosches, der im langsam sich aufwärmenden Wasser so lange sitzen<br />

bleibt, bis seine Kräfte aufgezehrt sind – während er beim Sprung in heißes Wasser sofort<br />

wieder das Weite gesucht hätte – scheint sich nicht nur für die Klimakrise zu bewahrheiten.<br />

Langsame Veränderungen sind schwer zu diagnostizieren. Treten erste Symptome auf,<br />

können bestimmte Krankheiten bereits soweit fortgeschritten sein, dass das System schon<br />

unwiderruflich gekippt ist.<br />

In dieser Ungewissheit gilt es „vorbeugende“, „kurative“ und „palliative“ Mittel zu<br />

finden, die die nächste Krise im geschwächten Staatsfinanzwesen abwenden sollen. Das<br />

Wirtschaftssystem dürfe nicht weiter belastet werden, lautet das Axiom derer, die Wachstum<br />

produzieren sollen in einer globalen Wirtschaft. Die Staatskassen können ebenfalls nicht<br />

weiter belastet werden. Der Beweis: ein Schuldenberg, der sich auftürmt. Bleibt also nur<br />

noch das Sparen beim Staat selber sowie bei den Sozialausgaben. So die Milchmädchen-<br />

Rechnung, die auch durch ihre refrain-mäßige Wiederholung nichts an Wahrheit und<br />

Richtigkeit gewinnt.<br />

Der Nachtwächterstaat gewinnt wieder – bis hin zu den Staatsdienern selber – an<br />

Plausibilität. Die Regulierungsaufgaben können nationalstaatlich kaum noch wahrgenommen<br />

werden. Im Kreise der zwanzig Mächtigen, die achtzig Prozent der Welt (-produktion<br />

und -bevölkerung) darstellen, werden die Regeln festgelegt. Auch was man unter Armut<br />

und Reichtum verstehen soll, wird supra-national festgelegt. Neue Studien wurden bestellt,<br />

um den Wohlstand der Menschen neu zu messen. Der relative Armutsbegriff, der den<br />

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