PSC 5-03 - FSP
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d o s s i e r<br />
A u f m e r k s a m k e i t<br />
sprechen. Dann geraten wir aus dem<br />
Tritt oder ins Stottern.<br />
Volle Aufmerksamkeit erforderlich!<br />
Schliesslich aber gibt es nach Roth<br />
auch bestimmte Leistungen, die wir<br />
nicht ohne unsere volle Aufmerksamkeit<br />
vollbringen können, beispielsweise<br />
die ersten Schritte beim Erlernen komplizierter<br />
motorischer Fertigkeiten wie<br />
das Klavierspiel oder das Autofahren.<br />
Fähigkeiten also, die sich um so mehr<br />
aus dem Bewusstsein schleichen, je<br />
besser sie gelernt werden, um schliesslich<br />
beinahe «automatisch», also ohne<br />
Bibliografie<br />
Anders, G. (1980). Die Antiquiertheit des Menschen 2.<br />
München: Beck.<br />
Bächtold, D. (2002). Puzzle-Spiele im Gehirn.<br />
Die Parallelschaltung von Neuronen kann Ordnung schaffen.<br />
In: Neue Zürcher Zeitung, 4. 12. 2002.<br />
Franck, G. (1998). Ökonomie der Aufmerksamkeit.<br />
München: Carl Hanser.<br />
DeGrandpre, R. (2002). Die Ritalin-Gesellschaft. ADS:<br />
Eine Generation wird krankgeschrieben. Weinheim: Beltz.<br />
Geissler, Kh. A. (2002). Der Simultant. Beobachtungen zum<br />
Sozialcharakter der Gleichzeitigkeitsgesellschaft.<br />
Vortrag an der Zeitakademie der Evangelischen Akademie<br />
Tutzing im Rahmen des Tutzinger Projekts «Ökologie der Zeit».<br />
Unveröffentlicht.<br />
Gronemeyer, M. (1993). Das Leben als letzte Gelegenheit.<br />
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.<br />
Gross, P. (1994). Die Multioptionsgesellschaft.<br />
Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Krempl, St. (1999).<br />
Auf der Suche nach der Landkarte des Wissens.<br />
In: Telepolis, 24. 2. 1999.<br />
Roth, G. (1997). Das Gehirn und seine Wirklichkeit.<br />
Frankfurt: Suhrkamp.<br />
Rötzer, F. (1999). Schwimmen in der Informationsflut.<br />
Gehirnareal für Multitasking entdeckt.<br />
In: Telepolis, 20. 5. 1999.<br />
Rötzer, F. (2002). Ablenkende Informationsflut.<br />
In: Telepolis, 18. 1. 2002.<br />
Rubinstein, J.S., Meyer, D.E., & Evans, J. E. (2001).<br />
Executive Control of Cognitive Processes in Task Switching.<br />
In: Journal of Experimental Psychology,Vol. 27, No. 4, 763–797.<br />
Sloterdijk, P. (1983). Kritik der zynischen Vernunft.<br />
Zweiter Band. Frankfurt: Suhrkamp.<br />
besondere Aufmerksamkeit abzulaufen.<br />
Zu den Fertigkeiten, die wir nur mit<br />
unserer vollen Aufmerksamkeit vollbringen<br />
können, gehört aber auch das<br />
Lernen aufgrund gesprochener oder geschriebener<br />
Sprache. Wir können deren<br />
Sinn nur erfassen, wenn wir voll bei<br />
der Sache sind. Gleiches gilt fürs Problemlösen.<br />
Ohne volle Aufmerksamkeit<br />
lösen wir keinen Knoten.<br />
Aufmerksamkeit wird deshalb auch<br />
gerne mit einem Scheinwerfer beschrieben,<br />
der selektiv etwas beleuchtet oder<br />
hervorhebt: Je weniger wir fokussieren,<br />
je weniger Aufmerksamkeit wir aufwenden<br />
bzw. je weniger wir uns konzentrieren,<br />
desto mehr Geschehnisse<br />
können wir gleichzeitig verfolgen.<br />
Umgekehrt jedoch ist die Menge der<br />
erfassten Geschehnisse um so kleiner,<br />
je aufmerksamer, je konzentrierter,<br />
je fokussierter wir wahrnehmen.<br />
Erhöhung der Stoffwechselaktivität<br />
Diese zwei Zustände können sich<br />
jedoch situationsbedingt rasch ändern.<br />
So ist es beispielsweise durchaus<br />
möglich, während des Autofahrens den<br />
Gedanken nachzuhängen und Musik zu<br />
hören. Die vier Tätigkeiten Autofahren,<br />
auf den Verkehr achten, den Gedanken<br />
nachhängen und Musik hören können<br />
gleichzeitig ausgeübt werden, solange<br />
keine dieser Tätigkeiten spezielle Aufmerksamkeit<br />
erfordert. Das ändert sich<br />
aber schlagartig, wenn etwa die Bremse<br />
versagt, die Verkehrssituation unübersichtlich<br />
wird, eine Nachrichtensendung<br />
plötzlich den Klangteppich unterbricht<br />
oder die Gedanken an etwas<br />
hängen bleiben – also wenn sich irgendetwas<br />
ereignet, was unsere volle Aufmerksamkeit<br />
erfordert. Dann können<br />
wir uns bloss noch auf eines konzentrieren.<br />
In diesem Fall wohl am besten<br />
aufs Autofahren …<br />
Es scheint also, dass die Gesamtmenge<br />
an Aufmerksamkeit, die pro Zeiteinheit<br />
zur Verfügung steht, konstant ist.<br />
Je mehr Aufmerksamkeit auf bestimmte<br />
Geschehnisse konzentriert wird, desto<br />
geringer ist die Menge der gleichzeitig<br />
konzentriert verfolgbaren Geschehnisse.<br />
Der Grund dafür liegt gemäss<br />
Gerhard Roth – zumindest teilweise –<br />
darin begründet, dass Aufmerksamkeit<br />
und Bewusstsein die Stoffwechselaktivität<br />
des Gehirns in besonderer<br />
Weise beanspruchen und es rasch in<br />
eine physiologische Notlage bringen<br />
können (ebd., 221f.).<br />
Gehirn als Parasit<br />
Dabei weist das Gehirn selbst bereits<br />
einen weit überdurchschnittlichen<br />
Verbrauch an Sauerstoff und Stoffwechselenergie<br />
auf. Während es nur<br />
zwei Prozent der Körpermasse ausmacht,<br />
verbraucht es im Durchschnitt<br />
20 Prozent der gesamten Energie,<br />
also zehnmal mehr, als ihm eigentlich<br />
zukommt. Aus der Sicht des restlichen<br />
Körpers, immerhin 98 Prozent, ist das<br />
Gehirn somit ein gefrässiger Parasit.<br />
Dies um so mehr, als es gleichzeitig<br />
von der Hand in den Mund lebt, hat es<br />
doch keinerlei Sauerstoff- und Zuckerreserven.<br />
Eine Erhöhung der cerebralen Stoffwechselaktivität<br />
aufgrund erhöhter Aufmerksamkeits-<br />
und Bewusstseinsleistungen<br />
bringt das Gehirn somit rasch in<br />
eine physiologische Notlage. Eine Notlage,<br />
welche es nur mit der Erhöhung<br />
der körperlichen Stoffwechselaktivität<br />
ausgleichen kann, also mehr Energie<br />
abzapft. Möglicherweise ist das der<br />
Grund, warum sich immer mehr Menschen<br />
müde und ausgelaugt fühlen:<br />
weil ihr Aufmerksamkeitspotenzial pausenlos<br />
gefordert, ja überfordert wird.<br />
Da sage noch jemand, Kopfarbeiter<br />
benötigen weniger Energie!<br />
Flaschenhals Aufmerksamkeit<br />
Dass es nicht möglich sei, gleichzeitig<br />
mehreres mit gleicher Aufmerksamkeit<br />
und gleicher Leistung auszuführen,<br />
diese Auffassung vertreten übrigens<br />
auch die Forscher, die das angeblich für<br />
Multitasking zuständige Gehirnareal<br />
entdeckt haben. Es werde nämlich nicht<br />
gleichzeitig mehreres verarbeitet,<br />
sondern «nacheinander Sequenzen von<br />
Verarbeitungen in bestimmten Zeitfenstern<br />
ausgeführt. Dies aber gleiche<br />
eher einem Zappen, da stets eine Aufgabe<br />
im Vordergrund der Aufmerksamkeit<br />
stehe und eine andere im Hintergrund.»<br />
(Rötzer, 1999). Anders gesagt: