1 couverture - Bibliothèques de l'Université de Lorraine
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und <strong>de</strong>n Feldzügen <strong>de</strong>r Mongolen betonen, dass die Phantasien mit historischen Fakten in engstem<br />
Zusammenhang stehen. Es geht Overhoff darum, die alten Urkun<strong>de</strong>n zum Re<strong>de</strong>n zu bringen, so dass<br />
<strong>de</strong>r heutige Leser sie verstehen kann. Formen, wie sie <strong>de</strong>r Funk entwickelt hat, um Anteilnahme an<br />
schwierigen Vorgängen zu wecken, wer<strong>de</strong>n dabei verwertet, um das, was in <strong>de</strong>r „Geheimen<br />
Geschichte <strong>de</strong>r Mongolen“ und in zeitgenössischen Quellen <strong>de</strong>s Orients und Abendlan<strong>de</strong>s verzeichnet<br />
ist, was zur Tatsachenlandschaft <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts gehört, anschaulich zu machen, so dass das<br />
Wan<strong>de</strong>lbare <strong>de</strong>r Geschichte und das ewig gleiche <strong>de</strong>r menschlichen Gefühle gegenwärtig wer<strong>de</strong>n.<br />
Es versteht sich, dass sich bei solchen Verfahren mit <strong>de</strong>r Geschichte auch die Probleme, die uns heute<br />
weltgeschichtlich bewegen, in die Figuren mit einfließen. Beispiel dafür ist das Kapitel über ein<br />
buddhistisches Konzil in einem Kloster am oberen Hoangho, wo die Bekehrung <strong>de</strong>r Mangchol<br />
beschlossen wird. Aber auch die Meditation <strong>de</strong>s Nordchinesischen Kanzlers Ye-Liu-Tschu-Tsai vor<br />
<strong>de</strong>n Geistern seiner Ahnen wäre für diese Blickschärfung fürs Heute durch Einfühlung in die damalige<br />
Situation zu nennen. Ähnlich verhält es sich mit <strong>de</strong>m Handschreiben <strong>de</strong>s Sultans Al-Kamil an<br />
Friedrich II. o<strong>de</strong>r mit Omars Bericht am Kaspi-See über das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Chuarezm-Schah Mohamed und<br />
noch gelungener mit <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> <strong>de</strong>s arabischen Historikers Ibn al-Athir vor <strong>de</strong>m Kalif Nasir und seinen<br />
Wür<strong>de</strong>nträgern. Dazwischen stehen dann die in Farbe und Kolorit schwelgen<strong>de</strong>n rein erzählerischen<br />
Kapitel, die in einer Unterhaltung einer Lieblingssklavin <strong>de</strong>s Chan mit ihren zirkessischen<br />
Gespielinnen o<strong>de</strong>r im Gespräch einer Mongolin mit einer geraubten schönen Frem<strong>de</strong>n (Von <strong>de</strong>n<br />
Gefahren <strong>de</strong>r Auslän<strong>de</strong>rei) Momente <strong>de</strong>s historischen Romans aufleuchten lassen. Die Mischung wirkt<br />
zunächst befremdlich, aber die fesseln<strong>de</strong> und ständig neu überraschen<strong>de</strong>, ungewöhnliche Lektüre<br />
weckt je länger je mehr die Lust nach <strong>de</strong>n historischen Quellen.<br />
Paul Hübner<br />
Stuttgarter Nachrichten, 28.01.1960<br />
Das Epos <strong>de</strong>s Mongolensturmes<br />
Ein nach seinem Inhalt wie seiner Anlage ungewöhnliches Buch! Hier wird aus <strong>de</strong>m Mythos<br />
zeitentrückter Vorstellungen das Spannungsfeld einer ganzen Epoche in das Licht <strong>de</strong>r Geschichte<br />
gehoben. Hier wird ein halbvergessenes Geschehen zu unmittelbarer Gegenwarts<strong>de</strong>utung, hier erhalten<br />
schicksalhafte Begebenheiten ein zukunftsstarkes Gewicht. Der Verfasser hat mit <strong>de</strong>m Wissen <strong>de</strong>s<br />
Historikers und <strong>de</strong>r Gestaltungskraft <strong>de</strong>s Dichters die Höhe <strong>de</strong>r alten Epiker erreicht, eine Sage im<br />
weitesten und besten Sinne <strong>de</strong>s Wortes geschaffen, die uns unmittelbar in die Welt mit Dschingiz-<br />
Chan hineinstellt. Er will eben nicht nur die Zeit <strong>de</strong>s Mongolensturmes darstellen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>ren<br />
gesamte Welt, die damals, in <strong>de</strong>n ersten Jahrzehnten <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts, von diesem Sturm bedroht,<br />
überrannt, mitgerissen, vernichtet und geformt wur<strong>de</strong>. Zunächst wird in <strong>de</strong>r „Vorre<strong>de</strong>“ die Gesamt-<br />
Situation dieses Jahrhun<strong>de</strong>rts in großen Linien geklärt und darnach...<br />
Ja, darnach webt die Dichtung einen großartigen, buntfarbigen Teppich von oft verwirren<strong>de</strong>r<br />
Leuchtkraft o<strong>de</strong>r sie errichtet <strong>de</strong>n Prospekt einer gigantischen Weltbühne, auf <strong>de</strong>r sich in reigenhafter<br />
Szenenfolge die Handlung entwickelt, in Dialogen, Briefen, Berichten, Disputationen – und in allen<br />
irgen<strong>de</strong>ine Variation zu <strong>de</strong>m großen Thema <strong>de</strong>r gewaltigen Dynamik aus <strong>de</strong>m Osten, von <strong>de</strong>r diese<br />
Welt und diese Zeit ergriffen sind. Sie bestimmt das besorgte Gespräch <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n englischen<br />
Kaufleute ebenso wie die Anliegen <strong>de</strong>s Kardinalbischofs von Ostia, <strong>de</strong>s späteren Gregors IX. Sie steht<br />
hinter <strong>de</strong>m hochgemuten Bericht <strong>de</strong>s französischen Troubadours an seine Dame <strong>de</strong> cœur wie hinter<br />
<strong>de</strong>m politischen Gespräch zwischen Petrus <strong>de</strong> Vinea und Hermann von Salza, über ihnen aber die<br />
mächtige Gestalt Friedrichs II. in seinem Einverständnis mit seinem weisen Gegner und Freun<strong>de</strong> Al<br />
Kamil. In diesem Geschehen ist Großfürstin Iwanowana bereit, sich für ihr Volk (vergebens) <strong>de</strong>m<br />
Chagan zu opfern, während sich nahe bei Wahlstatt Deutsche und Polen am Liegnitzer Herzogshof<br />
gegenseitig Mut zutrinken. Und welch makabrer Gegensatz etwa in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Szenen, <strong>de</strong>m Freitod<br />
<strong>de</strong>s jüdischen Ärztepaares in Aserbeidschan und <strong>de</strong>m Geplau<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Leila Chatun, die so unbeschwert<br />
die Welt mit Dschingiz-Chan erlebt, an seiner Seite, „mit <strong>de</strong>n Augen einer Frau“… Bis auch die ins<br />
Riesige ausgreifen<strong>de</strong>n asiatischen Szenen ihre letzte Auflösung fin<strong>de</strong>n „jenseits <strong>de</strong>r Spannungen“,<br />
schon an <strong>de</strong>r Grenze von Zeit und Ewigkeit, in <strong>de</strong>m Sonnengesang auf <strong>de</strong>n Höhen <strong>de</strong>s Himalayas.<br />
Dies ist nur An<strong>de</strong>utung eines neuzeitlichen Epos, das in seinem Inhalt ebenso fasziniert wie in seiner<br />
Sprache. (Es ist die Sprache eines weitgereisten, also eben erfahrenen Dichters). Hier spüren wir, dass<br />
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