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1 couverture - Bibliothèques de l'Université de Lorraine

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verlangt historische Vorbildung und eigene Urteilsfähigkeit. (Drei Karten und eine Zeittabelle<br />

erleichtern das Verständnis.)<br />

Die Bücherkommentare, 4 e trimestre 1959<br />

Dschingiz-Chan<br />

Mit <strong>de</strong>m Wunsch, Geschichte als lebendiges Ereignis und nicht als trockenen Bericht zu lesen,<br />

begegnet man diesem Buch alsbald mit gespaltener Sympathie. Szenische Monologe und Dialoge,<br />

Briefe und Sitzungsprotokolle bil<strong>de</strong>n ein Kaleidoskop historischer Momente, die, wie <strong>de</strong>r Verfasser<br />

selbst sagt, fingiert sind. Von Kapitel zu Kapitel dringt die Darstellung von <strong>de</strong>r Peripherie in das<br />

Zentrum <strong>de</strong>s Geschehens vor, wobei <strong>de</strong>nn zuletzt <strong>de</strong>r altern<strong>de</strong> Dschingiz-Chan, in seiner Jurte liegend,<br />

mit <strong>de</strong>m „Stein <strong>de</strong>r Sorge“, <strong>de</strong>r sich auf ihn wälzt, seine Not hat und das, was er angerichtet, mit halb<br />

schmerzlicher, halb zufrie<strong>de</strong>ner Melancholie betrachtet. Manche auf die Gegenwart bezogene<br />

Formulierung gelingt gut, auch ist in einer inneren Dramaturgie, im Aufbau <strong>de</strong>s Ganzen, die<br />

Spiegelung <strong>de</strong>r geschichtlichen Be<strong>de</strong>utung und Wirkung <strong>de</strong>s großen Asiaten in zutreffen<strong>de</strong>r Weise<br />

dargestellt – die Szene mit <strong>de</strong>n Streifzug gegen die Tungusen hat das beklemmen<strong>de</strong> Milieu, in <strong>de</strong>m<br />

auch die geschichtliche Tat tragisch „versickern“ kann… gut, und manches an<strong>de</strong>re an<br />

kulturgeschichtlicher und religionsgeschichtlicher Kenntnis ist ganz trefflich angebracht.<br />

Aber die Fiktion <strong>de</strong>r geschichtlichen Ereignisse bleibt ein halb dichterischer, halb sachlicher<br />

Schwebezustand, bei <strong>de</strong>m man nicht weiß, woran man eigentlich ist. Geschichtsschreibung, die sich<br />

um ein Abbild historischen Geschehens bemüht, sollte die unaufhebbare Kette <strong>de</strong>r Kausalität aus <strong>de</strong>r<br />

Vielfalt <strong>de</strong>s Unübersehbaren herausheben und <strong>de</strong>utlich vor Augen führen, sollte von <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s<br />

Geschehens ausgehen und gera<strong>de</strong> die durchgängige Folge von Tun und Tat <strong>de</strong>m Leser <strong>de</strong>utlich<br />

machen. Der aber bleibt im Bereich einer permanenten Reflexion, die sich authentisch gibt, <strong>de</strong>r Leser<br />

sieht nur aufleuchten<strong>de</strong> Scheinwerfer, wünscht aber nicht <strong>de</strong>n Grund <strong>de</strong>s Lichtes, son<strong>de</strong>rn die<br />

bewirken<strong>de</strong> Ursache <strong>de</strong>r beleuchteten Szene zu erkennen. So entsteht eine Vielzahl von<br />

„Historienbil<strong>de</strong>rn“ und „historischen Genrebil<strong>de</strong>rn“. Man spürt nicht die innere Notwendigkeit ihrer<br />

Ordnung und Zusammengehörigkeit, man erhält keine Vorstellung von <strong>de</strong>r unaufschiebbaren Gewalt<br />

<strong>de</strong>r geschichtlichen Größe. Und das wenige, was <strong>de</strong>r Verfasser als Beleg anführt, wird mit freier<br />

Erfindung ohne exakte Unterscheidung gemischt, so dass auch im einzelnen Kontinuität und<br />

Nachprüfbarkeit aufgehoben wer<strong>de</strong>n.<br />

Im Grun<strong>de</strong> wird <strong>de</strong>r Stil <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen historischen Films aufgenommen und angewandt. Der Leser<br />

steht vor einem weitgespannten Panorama zwischen England und Japan, zwischen Venedig und Delhi,<br />

zwischen Georgien und Samarkand und fragt sich am En<strong>de</strong> doch, wie das geschehen und warum es<br />

<strong>de</strong>nn geschah. Overhoff schreibt intellektualisierte Geschichte in papierner Sprache, man hat nicht das<br />

Gefühl, dass die Menschen <strong>de</strong>s frühen dreizehnten Jahrhun<strong>de</strong>rts so gesprochen o<strong>de</strong>r so gedacht haben<br />

könnten.<br />

Wolfgang von Löhneysen<br />

Das Bücherschiff, n° 9, 1959<br />

Wer Overhoffs „Familie aus Megara“ kennt, <strong>de</strong>r weiß, dass dieser Erzähler die Kunst versteht,<br />

Vergangenes so darzustellen, das wir es als gegenwärtig empfin<strong>de</strong>n. Mit seinem Buch versetzt er uns<br />

in die zwanziger Jahre <strong>de</strong>s 13. Jahrhun<strong>de</strong>rts, in eine Zeit <strong>de</strong>r Unruhe und <strong>de</strong>r großen Spannungen, in<br />

die Epoche <strong>de</strong>s großen Mongolensturms, <strong>de</strong>r Asien erschütterte und Europa in Furcht und Schrecken<br />

versetzte. Overhoff betont, dass sein Buch eine Dichtung sei. „Seine Personen sind entwe<strong>de</strong>r erfun<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r treten als historische Gestalten in erfun<strong>de</strong>nen Szenen auf“. Er hat jedoch gründliche<br />

geschichtliche Studien getrieben und – wie aus <strong>de</strong>m Nachbericht hervorgeht – <strong>de</strong>n Rat <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaftler nicht verachtet. Die übliche Romanform ist beiseite geschoben. Die „Vorre<strong>de</strong> über<br />

das 13. Jahrhun<strong>de</strong>rt“ ist ein sachliches historisches Referat, das <strong>de</strong>m Leser die Fakten ins Gedächtnis<br />

rufen will. Dann wird in vier Teilen das „Spannungsfeld“ beschrieben: Rand – westliche Zone –<br />

asiatisches Mittelfeld – Zentrum, während <strong>de</strong>r Schlussteil „Jenseits <strong>de</strong>r Spannung“ eine asiatische<br />

Weisheitslehre in Form eines Lehrgesangs o<strong>de</strong>r Oratoriums enthält. Innerhalb <strong>de</strong>r vier Hauptteile ist<br />

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