ar/t/chitecture N°6 swiss magazine about swiss architecture and product design DE/FR/IT
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F<strong>ar</strong>bgestaltung als Mehrwert<br />
F<strong>ar</strong>be wird seit jeher mit Emotion in Verbindung gebracht und wurde gerade im vernunftgeprägten Architekturkontext ähnlich wie das Ornament<br />
immer wieder kontrovers diskutiert. So wurde F<strong>ar</strong>be je nach Epoche als Ausdruck von Gefühl, Intuition und Lust gefeiert oder als Gegenpol von<br />
Vernunft, Ordnung und Reinheit bekämpft.<br />
Nachdem spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Bewegung zur Befreiung der F<strong>ar</strong>be von der Form auch Schw<strong>ar</strong>z und Weiss<br />
eindeutig als F<strong>ar</strong>ben gelten, gibt es keine nicht-f<strong>ar</strong>bige Architektur. F<strong>ar</strong>be und Architektur sind sozusagen schicksalhaft mitein<strong>and</strong>er verbunden und<br />
gerade wegen ihrer emotionalen Kraft prägt F<strong>ar</strong>be massgebend das Erscheinungsbild eines Baus. F<strong>ar</strong>be hat einen grossen Einfluss auf die Wirkung<br />
und Atmosphäre unseres privaten als auch öffentlichen Lebensraumes.<br />
Es ist also verständlich, dass der Ruf nach einem professionellen Umgang mit F<strong>ar</strong>be laut wird, in dem sich Gefühl und Vernunft, F<strong>ar</strong>be und Form,<br />
Colore und Disegno, wie die zwei angeblichen Antagonisten im akademischen Streit in der Renaissance genannt wurden, zusammen finden. Im<br />
“F<strong>ar</strong>b-Konzept”, ein Begriff der in dieser pol<strong>ar</strong>en Denkweise lange g<strong>ar</strong> nicht gedacht werden konnte, überwinden professionelle F<strong>ar</strong>bgestalter/innen<br />
diese Dichotomie und vereinen Emotion und Vernunft in ihrem Umgang mit F<strong>ar</strong>be gewinnbringend. Dies macht den Kern des Berufs der F<strong>ar</strong>bgestalter/in<br />
aus.<br />
Angesichts unserer bunter werdenden Städte und Dörfer könnte man meinen, F<strong>ar</strong>bkonzepte gehörten heute zum Architekturalltag. Als aufmerksame<br />
Betrachter unserer f<strong>ar</strong>bigen Umwelt müssen wir jedoch feststellen, dass es differenzierte F<strong>ar</strong>bkonzepte trotz erwachter F<strong>ar</strong>benfreude in<br />
der Architektur oftmals nicht gibt. Ob bunt oder dezent, die gewählte F<strong>ar</strong>bigkeit ist zu oft zufällig, unsensibel oder schlicht bedeutungslos. Auch<br />
durchaus bewusst gewählte F<strong>ar</strong>ben fussen nicht zwingend auf einem umfassenden Konzept. Einzelne Baukörper, Flächen oder Materialien mittels<br />
F<strong>ar</strong>be auszuzeichnen ist vielleicht ein Ansatz für ein F<strong>ar</strong>bkonzept, jedoch noch keine eigentliche F<strong>ar</strong>bgestaltung. Wir möchten dies eher F<strong>ar</strong>bgebung<br />
nennen. Eine F<strong>ar</strong>bgebung kann sehr wohl gelungen sein, oft ist sie es jedoch auch nicht. Sie ist nicht selten auswechselb<strong>ar</strong> sowohl formal als auch<br />
f<strong>ar</strong>blich, obwohl stets betont wird, wie intensiv sich die Suche nach genau dieser speziellen F<strong>ar</strong>be gestaltet habe. Und leider hat F<strong>ar</strong>bgebung zu oft<br />
die Funktion, einen Bau wichtiger zu machen als er ist. Nur so sind die zahllosen bunten Bauten zu erklären, die von einem Willen nach Kreativität<br />
und dem Wunsch nach Originalität zeugen. Eine Haltung, die grundsätzlich zu begrüssen ist, die aber auf einer fachkundigen und differenzierten<br />
Ausein<strong>and</strong>ersetzung mit Architektur, F<strong>ar</strong>be und Material basieren muss. Ist diese Grundlage gegeben, wird eine F<strong>ar</strong>bgebung zu einem “gestalterischen<br />
F<strong>ar</strong>bkonzept” erweitert, dem eine bewusste Haltung und eine kl<strong>ar</strong>e Gestaltungsidee zugrunde liegen. Dieser bewusste gestalterische Einsatz<br />
von F<strong>ar</strong>be muss keinesfalls zwingend zu Buntheit im Stadtbild oder im Innenraum führen. Denn ein differenziertes F<strong>ar</strong>bkonzept entsteht aus der<br />
sorgfältigen Analyse der <strong>ar</strong>chitektonischen und materialtechnischen Gegebenheiten, des urbanen, historischen wie auch sozialen Kontexts und nicht<br />
zuletzt der Bedürfnisse von Auftraggeberschaft und Benutzerinnen. Der Gestaltungsansatz einer F<strong>ar</strong>bgestalterin oder eines F<strong>ar</strong>bgestalters v<strong>ar</strong>iiert<br />
je nach Aufgabe; er kann geschichtsbewusst, politisch, frech oder rücksichtsvoll, einfühlend, künstlerisch, materialtechnisch oder psychologisch<br />
ausgerichtet sein. Stets muss dieser persönlichen und situationsbezogenen Haltung und Stellungnahme ein grundlegendes Verständnis des zu<br />
gestaltenden Raums zu Grunde liegen – dies ist die unabdingb<strong>ar</strong>e Voraussetzung für eine qualitätsvolle, vielschichtige und angemessene F<strong>ar</strong>bgestaltung.<br />
Dadurch ergibt sich für die Architektur eine zusätzliche Bedeutung. Ein sehr ausdruckst<strong>ar</strong>ker <strong>ar</strong>chitektonischer Entwurf kann mit einem sehr<br />
zurückhaltenden F<strong>ar</strong>bkonzept ausgezeichnet werden, ein sehr einfacher Entwurf kann dank F<strong>ar</strong>be zum Ereignis werden. Rezepte gibt es hierbei<br />
zum Glück keine. Ein gestalterisches F<strong>ar</strong>bkonzept vermag demnach eine eigenständige Aussage zur Architektur zu machen, die die Architektur nicht<br />
konkurrenziert, sondern unterstützt, kommentiert und erweitert. Dies ist der Mehrwert einer jeden gelungenen F<strong>ar</strong>bgestaltung.<br />
Je mehr öffentlich über die Bedeutung der F<strong>ar</strong>be in der Architektur diskutiert wird und sowohl Fachleute als auch Laien dafür sensibilisiert werden,<br />
desto qualitätvoller wird unser gebauter Lebensraum sein.<br />
Stefanie Wettstein und Lino Sibillano<br />
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H A U S D E R FA R B E<br />
Schule für H<strong>and</strong>werk und Gestaltung<br />
Höhere Fachschule für F<strong>ar</strong>bgestaltung<br />
Langwiesstrasse 34<br />
C H - 8 0 5 0 Z ü r i c h<br />
Tel +41 44 493 40 93<br />
www.hausderf<strong>ar</strong>be.ch