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revue de presse - République et Canton du Jura

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Samstag, 2. Februar 2013 | Nordwestschweiz Der <strong>Jura</strong>konflikt<br />

3<br />

Beweis <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstands: Sangliers versuchten, die <strong>Jura</strong>flagge zu übermalen. Doch die Béliers blieben bis heute siegreich. FOTOS: YOSHIKO KUSANO<br />

Der l<strong>et</strong>zte Atem <strong>de</strong>r Separatisten<br />

Moutier Im bernjurassischen Städtchen weht nur noch ein laues Lüftchen <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstands<br />

VON DANIEL FUCHS, MOUTIER<br />

DEN WIDDERKOPF – Logo <strong>de</strong>r Béliers<br />

– hält David Sauvain im Archiv<br />

versteckt. Für <strong>de</strong>n Besucher holt er,<br />

<strong>de</strong>r Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r bernjurassischen<br />

autonomen Sozialisten, das vergilbte<br />

Bügelbild aus <strong>de</strong>m Schrank. «Ein Relikt<br />

aus <strong>de</strong>n Sechzigern», erklärt er.<br />

Die Sechzigerjahre weit bis in die<br />

Neunziger – es war die Zeit <strong>de</strong>r Proteste<br />

und Scharmützel zwischen<br />

Bern-treuen Loyalisten und <strong>de</strong>n Separatisten,<br />

die bis heute eine jurassische<br />

Kultur beschwören. Sauvain<br />

freut sich, dass die Zeit <strong>de</strong>r Konfrontation<br />

vorbei ist. Mit <strong>de</strong>n Entschei<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>n Parlamenten <strong>de</strong>r Kantone<br />

Bern und <strong>Jura</strong> von dieser Woche gehörten<br />

Militanz und Gewalt nun <strong>de</strong>r<br />

Vergangenheit an, ist er sich sicher.<br />

Die <strong>Jura</strong>ssier bei<strong>de</strong>r Kantone darüber<br />

abstimmen zu lassen, ob <strong>de</strong>r<br />

Weg für einen neuen Grosskanton<br />

eebn<strong>et</strong> wer<strong>de</strong>n soll o<strong>de</strong>r nicht – «auf<br />

ieses Ziel haben wir jahrzehntelang<br />

ingearbeit<strong>et</strong>», erklärt Sauvain, als er<br />

wiebeln und Crev<strong>et</strong>ten anbrutzelt.<br />

s ist Mittag, <strong>de</strong>r Teilzeithausmann<br />

rwart<strong>et</strong> seine bei<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r zum Esen.<br />

Sein Blick schweift an die Kr<strong>et</strong>e<br />

och über <strong>de</strong>m Haus in Belprahon,<br />

iner Nachbargemein<strong>de</strong> von Mouier:<br />

Dort oben verläuft die Kantonsrenze.<br />

In die jurassische Kantonsauptstadt<br />

ist es nur einen Katzenprung,<br />

wogegen Bern weit weg ist.<br />

Und für die Berner sind die Problee<br />

<strong>de</strong>r Bernjurassier noch weiter<br />

ntfernt. Die interessieren sich nicht<br />

für die Anliegen ihrer französischsprachigen<br />

Mitbürger», so Sauvain.<br />

AM KOMMENDEN 24. NOVEMBER<br />

sollen die b<strong>et</strong>roffenen Stimmbürger<br />

abstimmen dürfen. Egal, wie es ausgeht,<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Gemein<strong>de</strong>n<br />

bleibt danach die Möglichkeit, über<br />

ein Lossagen von Bern abzustimmen.<br />

Sauvains Hoffnungen aber ruhen auf<br />

einem neuen Kanton. «Ebn<strong>et</strong> die Bevölkerung<br />

im Herbst <strong>de</strong>n Weg dazu,<br />

so wird in Moutier die grosse F<strong>et</strong>e<br />

steigen», verspricht er.<br />

Von <strong>de</strong>n hitzigen (Wort-)Gefechten<br />

<strong>de</strong>r Vergangenheit bemerkt heute<br />

nicht mehr viel, wer Moutier besucht.<br />

Ein laues Lüftchen <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstands<br />

aber bleibt von nieman<strong>de</strong>m<br />

unbemerkt. Stolz grüsst die gemalte<br />

<strong>Jura</strong>flagge von einem Felskopf hoch<br />

über <strong>de</strong>m Städtchen. Darunter: ein<br />

Haus wie ein Mahnmal. Die Flecken<br />

an <strong>de</strong>r Mauer zeugen von Transparenten<br />

und politischen Slogans, die<br />

einst daran klebten. Während <strong>de</strong>r<br />

Unruhen von 1977 war es trauriger<br />

Schauplatz, als ein Bern-treuer Heisssporn<br />

mit seiner Flinte auf <strong>de</strong>monstrieren<strong>de</strong><br />

Separatisten schoss. Heute<br />

steht das Haus zum Verkauf.<br />

ZWEI SPUNTEN, ZWEI KULTUREN:<br />

Die Bern-treuen Sangliers – die Wildschweine<br />

– markieren die Gegenbewegung<br />

zu <strong>de</strong>n Béliers – treffen sich<br />

üblicherweise in <strong>de</strong>r Gaststube <strong>de</strong>s<br />

Hôtel <strong>du</strong> Cheval Blanc. Pascal Tobler<br />

ist M<strong>et</strong>zger, Bauer, SVP-Anhänger<br />

und Sanglier-Mitglied. «Die <strong>Jura</strong>flag-<br />

BERNER JURA<br />

ge hat hier nichts zu suchen», regt<br />

sich <strong>de</strong>r 26-Jährige in sauberem<br />

Bern<strong>de</strong>utsch auf. Nicht nur <strong>de</strong>n<br />

Fels, son<strong>de</strong>rn auch das Hôtel <strong>de</strong> la<br />

Gare, wo sich die Béliers treffen,<br />

und sogar das Hôtel <strong>de</strong> Ville, Amtssitz<br />

<strong>de</strong>s Bürgermeisters, zieren <strong>Jura</strong>-Flaggen.<br />

Sie sind <strong>de</strong>n Loyalisten<br />

ein Dorn im Auge.<br />

Was, wenn <strong>de</strong>r Kampf <strong>de</strong>r Separatisten<br />

doch noch zum Erfolg führt?<br />

Beginnen dann die Unruhen von neuem?<br />

«Nein, solche Zeiten sind vorbei»,<br />

glaubt Tobler. Ihm will aber<br />

nicht in <strong>de</strong>n Kopf, weshalb man nach<br />

bald vierzig Jahren erneut über die<br />

<strong>Jura</strong>frage befin<strong>de</strong>n soll. Eine Mehrheit<br />

<strong>de</strong>r Bernjurassier, ja, selbst die<br />

Stimmbürger von Moutier hätten<br />

sich 1975 doch für <strong>de</strong>n Verbleib im<br />

Kanton Bern entschie<strong>de</strong>n, sagt er.<br />

«Das ist doch eine Zwängerei!»<br />

Auch Toblers Gegenspieler, <strong>de</strong>r<br />

«animateur» <strong>de</strong>r Béliers, Clément Piquerez,<br />

will sich nicht prügeln. Er,<br />

<strong>de</strong>r 21-jährige Maler, sitzt – wie<br />

könnte es an<strong>de</strong>rs sein – im Hôtel <strong>de</strong><br />

la Gare. Die einzige politische Frage,<br />

die ihn umtreibt, ist die <strong>Jura</strong>frage. Befürcht<strong>et</strong><br />

er, dass es die Béliers nicht<br />

mehr brauchen wird, wenn die Frage<br />

vom Tisch ist? Piquerez schüttelt <strong>de</strong>n<br />

Kopf: «Unser Ziel liegt nicht in unserer<br />

Existenz. Entsteht ein Kanton für<br />

alle <strong>Jura</strong>ssier, so haben wir erreicht,<br />

wofür wir kämpften.»<br />

ER IST KORYPHÄE <strong>de</strong>r Separatistenbewegung.<br />

Doch Maxime Zuber ist<br />

längst in <strong>de</strong>r Gegenwart angekommen.<br />

Der Bürgermeister von Moutier<br />

gibt sich staatsmännisch und will so<br />

gar nicht zum Wi<strong>de</strong>rstandskämpfer<br />

passen. Am langen Holztisch im Hôtel<br />

<strong>de</strong> Ville sitzt er in teurem Tuch<br />

und studiert Akten. Er räumt ein: «In<br />

meinem Herzen bin ich Separatist.<br />

Nun ist aber eine pragmatische Phase<br />

eingeläut<strong>et</strong>. Die Phase <strong>de</strong>r Béliers<br />

und <strong>de</strong>r Sangliers ist passé.» Zuber<br />

blickt auf eine lange politische Karriere<br />

zurück als Lokalpolitiker und als<br />

Vertr<strong>et</strong>er im bernischen Grossen Rat.<br />

Es habe <strong>de</strong>n Kampf <strong>de</strong>r Separatisten<br />

gebraucht. Mit <strong>de</strong>n Entschei<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>n Kantonsparlamenten habe aber<br />

die Zeit <strong>de</strong>r Debatte begonnen.<br />

Noch ist unklar, wer <strong>de</strong>n Kampf<br />

gewonnen hat. War es <strong>de</strong>r Berner<br />

Bär? O<strong>de</strong>r gar ein Wid<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r ein<br />

Wildschwein?<br />

Pragmatiker mit einem Herz, das im <strong>Jura</strong> schlägt: David Sauvain. Militanz sieht an<strong>de</strong>rs aus: Der «animateur» <strong>de</strong>r Groupe Bélier.<br />

Delsberg<br />

Moutier<br />

Delsberg so nah, Bern so fern.<br />

Weitere Bil<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Nest <strong>de</strong>s<br />

jurassischen Wi<strong>de</strong>rstands online.<br />

Chronologie<br />

Ein Weg <strong>de</strong>r vielen<br />

Volksabstimmungen<br />

• 1814/1815 Wiener Kongress: Die<br />

meisten Gebi<strong>et</strong>e <strong>de</strong>s ehemaligen<br />

Fürstbistums Basel gehen an <strong>de</strong>n<br />

Kanton Bern.<br />

• 1947 «Moeckli-Affäre»: Der Berner<br />

Grosse Rat verweigert Regierungsrat<br />

Georges Moeckli das<br />

Bau<strong>de</strong>partement, weil dieser französisch<br />

spricht. Es gilt als eigentlicher<br />

Auslöser <strong>de</strong>s <strong>Jura</strong>konflikts,<br />

auch wenn bereits vorher Separatisten<br />

Autonomie gefor<strong>de</strong>rt hatten.<br />

Das Komitee von Moutier<br />

konstituiert sich.<br />

• 1952 Berntreue grün<strong>de</strong>n die Union<br />

<strong>de</strong>s Patriotes jurassiens (UPJ).<br />

Dies als Reaktion auf Separatisten,<br />

die zuvor das Mouvement Séparatiste<br />

jurassien (MSJ) grün<strong>de</strong>ten,<br />

das später unter Roland Béguelin<br />

im Rassemblement jurassien<br />

(RJ) aufging.<br />

• 5. Juli 1959 Die kantonale Volksinitiative<br />

<strong>de</strong>s RJ, die zur Grün<strong>du</strong>ng<br />

eines Kantons <strong>Jura</strong> hätte führen<br />

sollen, wird massiv verworfen.<br />

Auch im Berner <strong>Jura</strong> fin<strong>de</strong>t sich eine<br />

knappe Mehrheit für <strong>de</strong>n Beibehalt<br />

<strong>de</strong>s Status quo.<br />

• 1962 Grün<strong>du</strong>ng <strong>de</strong>r Béliers (Wid<strong>de</strong>r),<br />

<strong>de</strong>r Jugendorganisation <strong>de</strong>s<br />

RJ. Sie machen vor allem mit politischem<br />

Aktionismus von sich re<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n Sechzigern verschärft<br />

sich das Klima zusehends. Der militante<br />

Front <strong>de</strong> libération jurassien<br />

(FLJ) verübt Brand- und Sprengstoffanschläge.<br />

Das provoziert Gegenaktionen.<br />

• 23. Juni 1974 Die erste einer Reihe<br />

von Abstimmungen, die in <strong>de</strong>r<br />

Schaffung eines neuen Kantons<br />

en<strong>de</strong>n wird: Eine knappe Mehrheit<br />

<strong>de</strong>r Bernjurassier spricht sich<br />

für die Loslösung von Bern aus. In<br />

<strong>de</strong>r loyalistischen Bewegung entsteht<br />

danach die berntreue Organisation<br />

Sangliers (Wildschweine).<br />

• 1975 In einer zweiten Abstimmung<br />

bekräftigen die Bezirke<br />

Moutier, Courtelary und La Neuveville<br />

ihr Verdikt von 1974 und bleiben<br />

bei Bern. Nach <strong>de</strong>r dritten Abstimmung<br />

entschei<strong>de</strong>n sich <strong>et</strong>liche<br />

Gemein<strong>de</strong>n für einen Kantonswechsel.<br />

In Moutier halten<br />

die Loyalisten knapp die Mehrheit.<br />

Moutier bleibt bei Bern.<br />

• 1. Januar 1979 Der jüngste Kanton<br />

heisst <strong>Jura</strong>, nach<strong>de</strong>m auch<br />

das Schweizer Volk Ja gesagt hat.<br />

Bis in die Neunziger drängen die<br />

Separatisten immer wie<strong>de</strong>r auf eine<br />

Vereinigung mit <strong>de</strong>m Kanton<br />

<strong>Jura</strong>. Die Berntreuen halten dagegen.<br />

Es kommt zu vereinzelten<br />

Gewalttaten. Trauriger Höhepunkt:<br />

ein Bélier, <strong>de</strong>r 1993 in Bern vom<br />

eigenen Sprengsatz g<strong>et</strong>öt<strong>et</strong> wird.<br />

• 25. März 1994 Die Berner, <strong>Jura</strong>ssier<br />

und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat unterzeichnen<br />

eine Übereinkunft. Die interjurassische<br />

Versammlung (Assemblée<br />

jurasienne) nimmt ihre<br />

Arbeit auf.<br />

• 1998 bis 2006 Die separatistische<br />

Bewegung erlei<strong>de</strong>t immer wie<strong>de</strong>r<br />

Nie<strong>de</strong>rlagen, hält <strong>de</strong>n Druck aber<br />

aufrecht. 2001 geben die Béliers<br />

<strong>de</strong>n 1984 gestohlenen Unspunnenstein<br />

zurück. 2004 verankert<br />

<strong>de</strong>r Kanton Bern ein Son<strong>de</strong>rstatut<br />

für <strong>de</strong>n Berner <strong>Jura</strong>. Im April 2006<br />

wird erstmals <strong>de</strong>r bernjurassische<br />

Rat gewählt; ein Gremium, das<br />

über Komp<strong>et</strong>enzen in <strong>de</strong>r Kulturund<br />

Bil<strong>du</strong>ngspolitik verfügt.<br />

• 28. und 30. Januar 2013 Die Kantonsparlamente<br />

in Bern und Delsberg<br />

stimmen einem Verfahren<br />

zu, das zu einem neuen Grosskanton<br />

führen könnte. Die ersten bei<strong>de</strong>n<br />

Abstimmungen fin<strong>de</strong>n gleichentags,<br />

voraussichtlich am<br />

24. November 2013, statt. (DFU)

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