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Télécharger le livret - Outhere

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wohl um wenige Monate älter als Schubert bei der<br />

Komposition seiner <strong>le</strong>tzten drei Klaviersonaten, die<br />

er ohne Auftrag schrieb. Schuberts Sonatenfina<strong>le</strong><br />

ist jenem Beethovens in der äußeren Form so ähnlich,<br />

daß man hier sogar einen der seltenen direkten<br />

Enflüsse Beethovens vermuten könnte. Aber wie gesagt,<br />

nur in der äußeren Form. Gemeinsam ist beiden<br />

Sätzen ein fröhliches, kantab<strong>le</strong>s Hauptthema,<br />

das sofort in tiefer Lage wiederholt wird, während<br />

die rechte Hand darüber Trio<strong>le</strong>nläufe spinnt. Aber<br />

schon hier wird der Unterschied geradezu greifbar<br />

deutlich: Schuberts Thema ist melodisch und<br />

harmonisch reicher. Seine Wiederholung erfolgt<br />

nicht im Baß, sondern im Tenor, der Klaviersatz<br />

ist drei- und nicht zweistimmig, die Trio<strong>le</strong>nläufe<br />

sind nicht schematisch, sondern feine kontrapunktische<br />

Gebilde. – in beiden Sonaten kommt es zu<br />

variierten Reprisen und zu einer Durchführung<br />

mit Mollharmonien. Während diese Molltrübung<br />

bei Beethoven nur kurz andauert, kommt es bei<br />

Schubert zu einer riesigen Steigerung, die in »tragisches«<br />

cis-moll mündet. Für sich al<strong>le</strong>in betrachtet<br />

mag die Dramatik dieser Durchführung als unproportioniert<br />

erscheinen, sprengt sie ja fast den<br />

durch das frühlingshafte Hauptthema gegebenen<br />

Rahmen. im Rahmen der ganzen Sonate (die etwa<br />

doppelt so lange als Beethoven opus 31/i ist)<br />

hat diese Stel<strong>le</strong> aber eine wichtige Funktion, ist<br />

sie doch eine Reaktion auf den apokalyptischen<br />

cismoll-Ausbruch im 2.Satz, der in den folgenden<br />

Sätzen ein »Nachbeben« erzeugt (siehe meinen<br />

Kommentar zu D 959). Derartige »psychologische«<br />

Gestaltungsweisen haben al<strong>le</strong> großen<br />

Komponisten gemeinsam: eine »h-moll-Katastro-<br />

115 English Français Deutsch Italiano<br />

phe« im 1.Satz der Hammerklaviersonate<br />

wirkt bis in die Schlußfuge nach 2 . in der durchaus<br />

heiteren G-Dur-Sonate op.31/i wären aber solche<br />

Ausbrüche einfach deplaziert. Und ähnlich verhält<br />

es sich mit den durch Pausen unterbrochenen<br />

zögernden Themenfragmenten am Schluß der beiden<br />

Finalsätze. Dieses Zögern, das bei Beethoven<br />

eine eher heitere Besinnung vor dem fröhlichen<br />

Prestoschluß darzustel<strong>le</strong>n scheint, hat bei Schubert<br />

metaphysische Bedeutung: Todesahnung; der<br />

Atem stockt förmlich, der Versuch, g<strong>le</strong>ichsam<br />

mit Gewalt in anderen Tonarten fortzufahren,<br />

mißlingt. Der Ausbruch des Prestos bringt dann<br />

endlich Befreiung, nicht ohne erneute tragische<br />

Mollharmonien, bis endlich, wie eine Erlösung,<br />

das Anfangsmotiv der Sonate als <strong>le</strong>tzter strah<strong>le</strong>nder<br />

Abschluß zitiert wird.<br />

Nun ist aber Beethoven eben nicht 1801 gestorben,<br />

sondern er hat noch 26 Jahre weiterge<strong>le</strong>bt<br />

und erst in späteren Jahren seine größten<br />

Klaviersonaten geschaffen. Schubert war eine solche<br />

Entwicklung nicht vergönnt. Wir können nur<br />

das tatsächlich Geschaffene miteinander verg<strong>le</strong>ichen.<br />

Die unglaubliche Verdichtung und Tiefe in<br />

Beethovens <strong>le</strong>tzten Sonaten, die kontrapunktische<br />

Meisterschaft, neue Formprinzipien – all dies<br />

sind Errungenschaften, die zu erwerben Schubert<br />

keine Zeit mehr hatte. Also war er, der scheinbar<br />

in seiner »mitt<strong>le</strong>ren Schaffensperiode« seinen<br />

Schwanengesang der <strong>le</strong>tzten Sonaten komponierte,<br />

doch Beethoven unter<strong>le</strong>gen? – Wiederum<br />

drängt sich als Gegenstück zu Beethovens <strong>le</strong>tzten<br />

2 Vgl. Paul Badura-Skoda und Jörg Demus, Beethovens 32<br />

Klaviersonaten, Brockhaus, Wiesbaden, 1970.

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