408 - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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622 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 N. 372 Ich gratulire mir bei dieser Gelegenheit die Ehre gehabt zu haben von M. h. H. Geheimen Raht Anlaß zu erhalten meine Versicherungen von meiner so großen alß schuldigen veneration vor ihre ungemeine u. hohe merite wie auch von meiner Ergebenheit zu ihrem befehl u. diensten zu renouvelliren u. umb beibehaltung ihrer hochgeschätzten Gewogen- 5 heit angelegentlich zu bitten. Ihr Majst. der Röm. König. Niederkunfft rechnet man gegen Ende dieses Monahts. D. 13. st. n. wird dero fr. Mutter mit einer hofstadt von 60 Persohnen erwartet. Gott gebe daß die Entbindung glücklich geschehen möge. Sonst wo Ihr Majst. drauf gienge wäre der Verlust garzu schmertzlich u. gar nicht zu verschmertzen u. würde alles dem 10 Dhl sten hauß nichts helfen. Nachdem ich dieser Tagen in des Bernardi Justiniani Historie chronologiche della vera origine di tutti gl’ordini equestri viel schönes von dem orden der Equitum Angelicorum aureatorum Constantinian S ti Georgii mit großem gusto gelesen u. reflectiret hatte, daß dieses ein rechter eigentlicher Kaisl. Orden u. der aller älteste u. aller löblichste 15 ist u. mir allezeit wunderlich vorgekommen, daß, da fast alle andern Könige auch wohl kleine fürsten Ritter-Orden haben der primus inter Reges oder Kaiser keinen einigen habe u. selbst einen fürstlichen orden den burgundischen träget. denn daß er bei Crönungen die Reichs-Ritter schlägt u. so vil unzehlig mit diplomatibus dazu creirt, das ist mit andern orden die rechte insignia u. habit haben, nicht zu vergleichen u. nun so gemein 20 geworden, daß die Canzelisten hier schon ReichsRitter werden: u. ich dann in besagten buch gesehen, daß besagter orden der aller älteste ist von deßen institutis alle andern das model genommen u. von Kais. Constantino M. u. zwar zu Rom instituirt, hernach von Kaiser Friderico auch Ferdinando II. auch Leopoldo confirmirt worden, so habe bei mir gedacht, daß der Kaiser den orden an sich wieder bringen u. entweder selbst oder 25 seinen secundogenitum zum erblichen Meister des ordens machen solte wenn die familia 6 Niederkunfft: Wilhelmine Amalie gebar am 8. Dezember 1699 die Tochter Maria Josepha. 7 dero fr. Mutter: Herzogin Benedicte. 11 Bernardi Justiniani: vgl. B. Giustiniani, SV. 14 aller älteste: zur Gründungslegende — an der Leibniz im Antwortbrief Zweifel anmeldet — vgl. Zedler, Universallexicon, T. 6, 1733, Sp. 1061 f. (s. v. Constantins-Orden). Tatsächlich wurde der Orden erst im 16. Jahrhundert gegründet, vgl. M.-D. Sturdza, Dictionnaire historique et généalogique des Grandes familles de Grèce d’Albanie et de Constantinople, Paris 1983, S. 546 f. 17 burgundischen: den von Herzog Philipp dem Guten von Burgund gestifteten Orden vom Goldenen Vlies. 23 Friderico: Gemeint ist wohl Kaiser Friedrich III., der um die Mitte des 15. Jahrhunderts einen St. Georgs-Ritter-Orden gegründet hatte. 23 Ferdinando II.: Gemeint ist wahrscheinlich Ferdinand II., Kurfürst von Bayern, der den Georgs-Orden 1669 in seinen Schutz nahm.

N. 372 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 623 Comnenorum abgehen solte. Wiewohl mir das mot des Ordens vom Guldenen fließ: autre n’auray, auch wieder einfiele u. ich wohl sehe, daß dieser seiner wahren origine halber verächtliche orden (denn daß er juxta historiam anecdotam von der fuchsigen toison der maitresse des Herzogs zu Burgund eigentlich herkommet ist ein schlechter Ruhm) hindern würde daß Ihr Kais. Majst. obbermelten orden wieder hervorsuchen u. annehmen 5 solte. Als ich mit solchen speculationibus mich so occupirte, sagte mir der H. Reichs hoff Raht Andler, das capitul besagten ordens habe auß Spanien an Ihr Kais. diesen vergangenen Sommer geschrieben u. berichtet, daß der letzte von den Comnenis, bei welchen das Meisterthumb des ordens bißhero erblich gewesen, gestorben sei u. solch Meisterthumb dem Herzog von Mantua (weil er vieleicht, wie ich mir einbilde, per cognationem 10 〈seu〉 affinitatem von den Palaeologis sich her rechnet) im testament verschaffet habe, das capitul aber solche disposition nicht gestatten wollen, sondern unter sich einen andern Meister erwehlet hätte. Nun wäre es also wohl Zeit, daß der Kaiser das Meisterthumb an sich zöge u. diesen großen orden relevirte. Das ist im übrigen doch memorable daß das Geschlecht der Angelorum Flaviorum Comnenorum auß welchem der Constantinus 15 M. u. 72 Kaiser gewesen, sich biß 〈unser〉 erhalten u. erst dieses Jahr außgestorben u. sie sich alß fürsten von Macedonia Thessalia Cilicia Grafen von Drivasto u. Durazzo quasi incognito erhalten. Es ist vielleicht wohl keine einige familia Caesarum, die sich so lange erhalten hat u. wer weiß wie lange vor Constantino M. gens Flavia Angelorum zu Rom inter consulares floriret u. wieviel 100 Jahr, vielleicht wohl 2000 Jahr gedauert hat. Und 20 die ist nun endlich außgestorben! 1 mot: Die Devise ” Aultre n’auray — Dame Isabeau tant que vivray‘‘ ist zu beziehen auf Isabel von Portugal, die Gemahlin Philipps des Guten, anläßlich deren Vermählung die Ordensgründung erfolgte. 8 letzte: Giovanni Andrea Angelo Flavio Comneno Lascaris Paleologo, Herzog von Thessalien, Fürst von Makedonien, Graf von Drivasto u. Durazzo. 10 Herzog von Mantua: tatsächlich Francesco I. Farnese, Herzog von Parma. 11 testament: vom 11. Januar 1698, vgl. A. Pippidi, ” Fables, bagatelles et impertinences‘‘. Autour de certaines généalogies byzantines des XVI e –XVIII e siècles, in: Etudes byzantines et post-byzantines, hrsg. v. G. Stanescu u. N.-S. Tanasoca, Bukarest 1979, S. 269–305, hier S. 282 f. 12 f. andern Meister: Gustav Samuel von Zweibrücken. 15 Geschlecht: zu den angeblichen agnatischen Nachkommen der Palaiologen im 17. Jahrhundert vgl. D. M. Nicol, The Immortal Emperor. The life and legend of Constantine Palaiologus, last Emperor of the Romans, Cambridge u. a. 1992, S. 116–128, v. a. S. 119 f. 19 erhalten hat: Die Herleitung der Palaiologen von Konstantin d. Gr. (deren Richtigkeit Leibniz im Antwortbrief bezweifelt) ist auch unter Berücksichtigung von Seitenverwandtschaften unzutreffend.

622 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 N. 372<br />

Ich gratulire mir bei dieser Gelegenheit die Ehre gehabt zu haben von M. h. H. Geheimen<br />

Raht Anlaß zu erhalten meine Versicherungen von meiner so großen alß schuldigen<br />

veneration vor ihre ungemeine u. hohe merite wie auch von meiner Ergebenheit zu ihrem<br />

befehl u. diensten zu renouvelliren u. umb beibehaltung ihrer hochgeschätzten Gewogen-<br />

5 heit angelegentlich zu bitten.<br />

Ihr Majst. der Röm. König. Niederkunfft rechnet man gegen Ende dieses Monahts.<br />

D. 13. st. n. wird dero fr. Mutter mit einer hofstadt von 60 Persohnen erwartet. Gott<br />

gebe daß die Entbindung glücklich geschehen möge. Sonst wo Ihr Majst. drauf gienge<br />

wäre der Verlust garzu schmertzlich u. gar nicht zu verschmertzen u. würde alles dem<br />

10 Dhl sten hauß nichts helfen.<br />

Nachdem ich dieser Tagen in des Bernardi Justiniani Historie chronologiche della<br />

vera origine di tutti gl’ordini equestri viel schönes von dem orden der Equitum Angelicorum<br />

aureatorum Constantinian S ti Georgii mit großem gusto gelesen u. reflectiret<br />

hatte, daß dieses ein rechter eigentlicher Kaisl. Orden u. der aller älteste u. aller löblichste<br />

15 ist u. mir allezeit wunderlich vorgekommen, daß, da fast alle andern Könige auch wohl<br />

kleine fürsten Ritter-Orden haben der primus inter Reges oder Kaiser keinen einigen habe<br />

u. selbst einen fürstlichen orden den burgundischen träget. denn daß er bei Crönungen<br />

die Reichs-Ritter schlägt u. so vil unzehlig mit diplomatibus dazu creirt, das ist mit<br />

andern orden die rechte insignia u. habit haben, nicht zu vergleichen u. nun so gemein<br />

20 geworden, daß die Canzelisten hier schon ReichsRitter werden: u. ich dann in besagten<br />

buch gesehen, daß besagter orden der aller älteste ist von deßen institutis alle andern<br />

das model genommen u. von Kais. Constantino M. u. zwar zu Rom instituirt, hernach<br />

von Kaiser Friderico auch Ferdinando II. auch Leopoldo confirmirt worden, so habe bei<br />

mir gedacht, daß der Kaiser den orden an sich wieder bringen u. entweder selbst oder<br />

25 seinen secundogenitum zum erblichen Meister des ordens machen solte wenn die familia<br />

6 Niederkunfft: <strong>Wilhelm</strong>ine Amalie gebar am 8. Dezember 1699 die Tochter Maria Josepha.<br />

7 dero fr. Mutter: Herzogin Benedicte. 11 Bernardi Justiniani: vgl. B. Giustiniani, SV. 14 aller<br />

älteste: zur Gründungslegende — an der <strong>Leibniz</strong> im Antwortbrief Zweifel anmeldet — vgl. Zedler,<br />

Universallexicon, T. 6, 1733, Sp. 1061 f. (s. v. Constantins-Orden). Tatsächlich wurde der Orden erst im<br />

16. Jahrhundert gegründet, vgl. M.-D. Sturdza, Dictionnaire historique et généalogique des Grandes<br />

familles de Grèce d’Albanie et de Constantinople, Paris 1983, S. 546 f. 17 burgundischen: den von<br />

Herzog Philipp dem Guten von Burgund gestifteten Orden vom Goldenen Vlies. 23 Friderico: Gemeint<br />

ist wohl Kaiser Friedrich III., der um die Mitte des 15. Jahrhunderts einen St. Georgs-Ritter-Orden<br />

gegründet hatte. 23 Ferdinando II.: Gemeint ist wahrscheinlich Ferdinand II., Kurfürst von Bayern,<br />

der den Georgs-Orden 1669 in seinen Schutz nahm.

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