408 - Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

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586 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 N. 352 〈E 1 〉 An Herrn Jablonski, Churbrandenb. Hof-Prediger Hochehrwürdiger, insonders Hochgeehrter Herr und Gönner, Hannover, 19/29 Octob. 1699. 5 Meines hochgeehrten Herrn Hof-Predigers werthes Schreiben habe zu recht erhalten, und daraus mit sonderbarer Vergnügung verstanden, daß man zu dem hochlöblichsten Vorhaben noch allezeit wohl geneigt verbleibet, an statt daß mir geschienen, die Hitze sey allda etwas verringert worden. Die Ursache, warum ich angefangen gehabt zu glauben, daß besser mit der fernerweiten Communication ausser meinem hochgeehrten Herrn und 10 dem fürnehmen Ministro zurück zu halten, ist gantz nicht, wie mein hochgeehrter Herr zu besorgen geschienen, als ob ich die Hand sincken liesse, und nicht mehr so wohl gesinnet, sondern vielmehr eben dieses, daß ich wohlgesinnet, und daher gefürchtet, man werde, wie ich deutlich in meinem vorigen zu erkennen geben, anjetzo zur Unzeit kommen, und damit nur, wie man sagt, Kraut und Loth in die Luft verschießen. Denn bekannt, daß auch 15 die besten Vorschläge von der Welt, wenn sie nicht zu rechter Zeit angebracht werden, nicht nur vor das mahl vergebens seyn, sondern auch, welches das ärgste, vors künftige unwerther geacht werden, und nicht nur die angenehme Neuigkeit verlieren, sondern auch einen steten anklebenden Vorwurf bekommen, daß es hernach heisset, man hat die Dinge schon längst vorbracht, sind aber nach reiffen Ueberlegen verworfen worden. 20 Daher ich noch bis Dato in den Gedancken bin, daß, wenn nicht grosse Hoffnung zu einer guten Verrichtung vorhanden, besser sey, etwas in Ruhe zu stehen. Weilen aber diese meine Meynung bedinglich, und aber dem fürtrefflichen Ministro mit samt meinem hochgeehrten Herrn Hof-Prediger am besten bewust, wie es mit der Bedingung bewand, so kommt es auf Dero Gutbefinden an, darauf ichs lediglich beruhen lasse, nachdem ich 25 durch die Verwahrung meiner Schuldigkeit und Gewissen eine Genüge gethan, und nur aus hochdringenden Ursachen wiederhohlen muß. Doch hoffe, mein hochgeehrter Herr werde meinem Suchen statt geben, und es also angebracht haben, daß meine gethane schriftliche Communication bloß und allein, wie sie ist, als ein Privat-Werck anzusehen, 7 Vorhaben: die Vereinigung der lutherischen und reformierten Kirchen. 10 Ministro: P. v. Fuchs.

N. 352 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 587 auch woher es kommen sey, den übrigen Herren Deputirten selbst nicht bekannt gemacht werde, inmassen solches meines Theils zu nichts helfen, und andern Theils viel schaden kan. Daß in der Schweitz und sonst hin und wieder sich die Gemüther wohl anlassen, ist mir sehr lieb. So lang aber die Leute in allzu gemein-schweifigen Reden bleiben, so sind es 5 nur Ehren-Worte, die nichts kosten, geschieht auch oft, daß sie sich das, so sie wünschen, allzuleicht fürbilden, und vermeynen, es werde sich über die Schwürigkeiten hinfahren lassen, wie ich sehe, daß zum Exempel Herr Pictetus denen Sachen sich wenig nähere, und so finde ich die meisten irenischen Schriften, doch eine vor der andern. Wenn man aber zu denen Knoten kommt, da steckt es. Ich meines wenigen Orts hielte zwar selbst 10 dafür, daß man nicht nur zur Tolerantz, sondern auch zur vollen Kirchen-Vereinigung gelangen könnte, ja sollte. Wenn gleich ein jeder beyderseits lediglich ohne einigen Schritt oder Erklärung zu thun, in dem gegenwärtigen Stand, der Art zu lehren, zu reden und zu schreiben (die Verdammung ausgenommen) bliebe. Allein, wann ich die Beschaffenheit der Gemüther bedencke, so muß ich fast mit dem Herrn Abt Molano einig seyn, wel- 15 cher vermeinet, daß nicht allein nicht die Kirchen-Vereinigung, sondern nicht einst eine rechte und durchgehende Tolerantz, und rechtschaffenes Vernehmen oder Vertrauen zu erhalten, wenn man nicht sonderlich über zwey Artickel von der Gnadenwahl und vom Abendmahl, sich beyderseits also aufrichtig erkläre, daß beyderseits die vorschwebende Haupt-Ursachen der Klagen gehoben werden. Ich kann nicht finden, daß man an dem 20 Hofe des Königes von Groß-Brittannien noch zur Zeit auf dergleichen einen großen Eifer zeige, wie sehr es auch dessen Politik selbst erfordern scheinen möchte. Daher ich auch versichert bin, daß zu Loh in diesen und dergleichen Sachen weniger geschehen, als man wohl vermeynen sollte. Solche Dinge kommen gemeiniglich sehr auf die Ministros und deren Eifer an, daß die ihr Werck daraus machen, sonst werden die Herren, so gut sie 25 auch gesinnet seyn mögen, selten sich hiervon so nachdrücklich zeigen, als Cromwell vielleicht nur bloß zum Schein (welches doch dabey fast so viel als der Ernst werden würde), gethan. Es sind auch zweyerley Interessen in der Welt, diejenigen, die man haben könnte, und diejenigen, die man sich machet, und das könnte man wohl von vielen Höfen sagen. Der Herr de la Forest ist in andere Dienste gegangen. Der Herr Graf von Galloway möchte 30 8 Pictetus: B. Pictet, De consensu et dissensu inter Reformatos et Augustanae confessionis fratres dissertatio, 1697. 23 zu Loh: d. h. beim Treffen von Wilhelm III. und Georg Wilhelm von Celle im September 1699. 30 Galloway: H. de Massue, marquis de Ruvigny, engl. Graf v. Galloway.

N. 352 ii. allgemeiner und gelehrter briefwechsel 1699 587<br />

auch woher es kommen sey, den übrigen Herren Deputirten selbst nicht bekannt gemacht<br />

werde, inmassen solches meines Theils zu nichts helfen, und andern Theils viel schaden<br />

kan.<br />

Daß in der Schweitz und sonst hin und wieder sich die Gemüther wohl anlassen, ist<br />

mir sehr lieb. So lang aber die Leute in allzu gemein-schweifigen Reden bleiben, so sind es 5<br />

nur Ehren-Worte, die nichts kosten, geschieht auch oft, daß sie sich das, so sie wünschen,<br />

allzuleicht fürbilden, und vermeynen, es werde sich über die Schwürigkeiten hinfahren<br />

lassen, wie ich sehe, daß zum Exempel Herr Pictetus denen Sachen sich wenig nähere,<br />

und so finde ich die meisten irenischen Schriften, doch eine vor der andern. Wenn man<br />

aber zu denen Knoten kommt, da steckt es. Ich meines wenigen Orts hielte zwar selbst 10<br />

dafür, daß man nicht nur zur Tolerantz, sondern auch zur vollen Kirchen-Vereinigung gelangen<br />

könnte, ja sollte. Wenn gleich ein jeder beyderseits lediglich ohne einigen Schritt<br />

oder Erklärung zu thun, in dem gegenwärtigen Stand, der Art zu lehren, zu reden und zu<br />

schreiben (die Verdammung ausgenommen) bliebe. Allein, wann ich die Beschaffenheit<br />

der Gemüther bedencke, so muß ich fast mit dem Herrn Abt Molano einig seyn, wel- 15<br />

cher vermeinet, daß nicht allein nicht die Kirchen-Vereinigung, sondern nicht einst eine<br />

rechte und durchgehende Tolerantz, und rechtschaffenes Vernehmen oder Vertrauen zu<br />

erhalten, wenn man nicht sonderlich über zwey Artickel von der Gnadenwahl und vom<br />

Abendmahl, sich beyderseits also aufrichtig erkläre, daß beyderseits die vorschwebende<br />

Haupt-Ursachen der Klagen gehoben werden. Ich kann nicht finden, daß man an dem 20<br />

Hofe des Königes von Groß-Brittannien noch zur Zeit auf dergleichen einen großen Eifer<br />

zeige, wie sehr es auch dessen Politik selbst erfordern scheinen möchte. Daher ich auch<br />

versichert bin, daß zu Loh in diesen und dergleichen Sachen weniger geschehen, als man<br />

wohl vermeynen sollte. Solche Dinge kommen gemeiniglich sehr auf die Ministros und<br />

deren Eifer an, daß die ihr Werck daraus machen, sonst werden die Herren, so gut sie 25<br />

auch gesinnet seyn mögen, selten sich hiervon so nachdrücklich zeigen, als Cromwell vielleicht<br />

nur bloß zum Schein (welches doch dabey fast so viel als der Ernst werden würde),<br />

gethan. Es sind auch zweyerley Interessen in der Welt, diejenigen, die man haben könnte,<br />

und diejenigen, die man sich machet, und das könnte man wohl von vielen Höfen sagen.<br />

Der Herr de la Forest ist in andere Dienste gegangen. Der Herr Graf von Galloway möchte 30<br />

8 Pictetus: B. Pictet, De consensu et dissensu inter Reformatos et Augustanae confessionis fratres<br />

dissertatio, 1697. 23 zu Loh: d. h. beim Treffen von <strong>Wilhelm</strong> III. und Georg <strong>Wilhelm</strong> von Celle<br />

im September 1699. 30 Galloway: H. de Massue, marquis de Ruvigny, engl. Graf v. Galloway.

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