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The International Newsletter of Communist Studies Online IX

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong> <strong>Online</strong> 16/2003 83<br />

Die Schulungsakademie als Internat der Partei-Elite – den Alltag in Liebenwalde und Kleinmachnow macht<br />

Webers Buch anschaulich. Die Kursanten – so wurden die Parteistudenten nach sowjetischen Vorbild genannt<br />

– lebten gemeinsam in Drei-Bett-Zimmern, sie wurden verpflegt, gut verpflegt sogar, was in der Not der<br />

Nachkriegszeit viel bedeutete, sie konnten materiell sorglos lernen. Die Parteihochschule gliederte sich in<br />

Fakultäten für Philosophie, Geschichte, Ökonomie und Grundsatzfragen. Außer den Pr<strong>of</strong>essoren und<br />

Dozenten des Lehrkörpers mit ihren ständigen Vorlesungen und Seminaren erschienen unregelmäßig<br />

Spitzenfunktionäre der SED zu Gastvorlesungen –Pieck, Ulbricht, Grotewohl, Ackermann, Oelßner, Hager –<br />

ihnen allen, die später in der Politbürokratie der SED hohe Funktionen ausübten, ist Hermann Weber<br />

begegnet. Zudem traf er hier auf seine spätere Ehefrau, auf Gerda Röder aus Perleberg, auch sie war Kursantin<br />

an der Kaderschmiede, wo sie Geschichte studierte. Einer ihrer Dozenten sollte ihr besonders unvergesslich<br />

bleiben:<br />

»Den engsten Kontakt bekam ich zu Wolfgang Leonhard, der in der Geschichtsfakultät inzwischen mein<br />

Klassenlehrer war und bei dem es immer besonders munter zuging. Er war zugleich der jüngste unter den<br />

Lehrkräften, und er hat uns nicht nur wegen seiner Herkunft und Erziehung imponiert. Vielmehr hat er es uns<br />

Anfängern mit seiner in der Sowjetunion verinnerlichten Methode auch ziemlich leicht gemacht<br />

›mitzukommen‹, wenn er erstens, zweitens (<strong>of</strong>t bis fünftens) – ›»Kern-‹ oder besser ›Merk‹sätze aufzählte.«<br />

Wolfgang Leonhard, 1945 als Mitglied der legendären »Gruppe Ulbricht« aus sowjetischer Emigration nach<br />

Deutschland heimgekehrt, blieb allen Kursanten unvergeßlich, denn am 12. März 1949 verließ der<br />

h<strong>of</strong>fnungsträchtige Genosse illegal die Parteihochschule. Eine Demonstration gegen den Stalinismus. Über<br />

Jugoslawien flüchtete er nach Westdeutschland. Hier erschien sechs Jahre später sein Bestseller »Die<br />

Revolution entlässt ihre Kinder«. In Kleinmachnow allerdings beschwor sein Weggang Denunziantentum und<br />

Diffamierung herauf. Stalinistische Wachsamkeit war fortan gefragt. Auszug aus einer bei Weber zitierten<br />

Resolution von Lehrern und Kursanten: »Wie berechtigt die Mahnung zur Wachsamkeit war, kam noch<br />

erschreckender dadurch zum Ausdruck, daß ein Lehrer der Parteihochschule, Wolfgang Leonhard, als<br />

niederträchtiger, trotzkistischer Agent der imperialistischen Reaktion an der Parteihochschule sein Unwesen<br />

treiben konnte.«<br />

In einer solchen Atmosphäre der Verdächtigung und der Unduldsamkeit mußten Skepsis und Zweifel auch bei<br />

Hermann Weber und Gerda Röder bis zum Bruch mit der Partei heranreifen. 1954 wurden sie von der KPD<br />

verstoßen. Den einleitend zitierten Schmäh-Artikel druckte das »Badische Volksecho« unter der Schlagzeile:<br />

»Legt den Agenten das Handwerk«. Auf die Frage, ob ihn die deutschen Kommunisten auch heute noch als<br />

Verräter diffamieren, antwortet der Autor gelassen: »Ich bin mir da nicht so ganz klar. Inzwischen haben ja<br />

doch einige wohl etwas gelernt aus dem Zusammenbruch des Kommunismus. Die werden sicher nicht so weit<br />

gehen wie ich, wenn ich sage, das war einmal der Traum dieser Bewegung für eine bessere Welt, und dann<br />

wurde es zum Alptraum – für mich jedenfalls – des barbarischen Stalinismus. Aber mancher wird doch gesehen<br />

haben, daß das, was er sich früher mal vorstellte, eben nicht gekommen ist, und hat vielleicht dann auch eine

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