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The International Newsletter of Communist Studies Online IX

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong> <strong>Online</strong> 16/2003 78<br />

Pavel Poljan. Ne po svojej vole... Istorija i geografija prinuditel’nych migracij v SSSR [Nicht nach<br />

eigenem Willen ... Geschichte und Geografie der Zwangsumsiedlungen in der UdSSR], Moskau<br />

(OGI Memorial) 2001, 328 S.<br />

Von Wolfgang Schlott, Bremen<br />

Die mit finanzieller Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung entstandene Forschungsarbeit zu einem der<br />

schrecklichsten Phänomene des 20. Jahrhunderts strebt die Lösung von fünf Aufgaben an: 1. Untersuchung der<br />

einzelnen Operationen und Etappen der Zwangsumsiedlungen und deren kritischer Betrachtung; 2. Schaffung<br />

einer Datenbank zu den Zwangsumsiedlungen in der UdSSR, in der die Chronologie und die räumliche<br />

Zuordnung der administrativen Prozesse erfaßt wird; 3. Analyse der Deportationspolitik; 4. Analyse der<br />

Geschichte und der Geografie der Zwangsmigrationen in der UdSSR und 5. die historisch-geografische<br />

Charakteristik der Ergebnisse der Zwangsmigrationen in der UdSSR und die Klärung ihrer räumlichen<br />

Gesetzmäßigkeiten. Bei der Umsetzung seines ehrgeizigen wissenschaftlichen Vorhabens entwickelt Poljan, der<br />

auf Grund einiger Publikationen zur Geschichte der Deportation polnischer Bürger in die UdSSR und der<br />

Sowjetdeutschen nach Kasachstan als Fachmann auf diesem Gebiet gilt, ein stringentes Begriffsnetz von<br />

Kategorien, die die komplizierten Zwangsprozesse beschreiben. So unterscheidet er bei der Zwangsmigration<br />

zwischen direkter und indirekter, wobei er den zweiten Begriff als »zielgerichteten administrativen Druck auf<br />

die Willensbildung« definiert. Deportation als gewaltsame Migration ist eine der besonderen Formen von<br />

politischer Repression, der in der Regel eine gesamte religiöse, ethnische oder klassenrelevante Gruppe<br />

ausgesetzt war. Poljan vermeidet bewußt den Begriff ›ethnische Säuberung‹, wie er im Falle der Bürgerkriege in<br />

Jugoslawien benutzt wurde, weil er zu ungenau sei und zudem viele Arten von Deportationen keinen<br />

ethnischen Charakter gehabt hätten. Deportation als Repression war nach Poljan ein administrativer Akt ohne<br />

rechtliche Grundlagen. Ihre ausführenden Organe (Parteiführer und Regierungsmitglieder nebst OGPU, NKWD<br />

und KGB) schufen eine Vielzahl von Verordnungen zur Umsetzung eines gigantischen Arbeits- und<br />

Zwangslagersystems, den Archipelagi GULAG und GUPVI.<br />

Den doppelten Forschungsansatz, historische Analyse der Prozesse und deren geografische Bewertung,<br />

begründet Poljan mit der traditionell hohen und durch ökonomische Zwangsmaßnahmen bedingten Mobilität<br />

der sowjetischen Bevölkerung. Das Aufeinandertreffen der Zwangsmigrationen und der Erforschung<br />

»klassischer« Migrationen würden einem solchen Ansatz a priori einen geografischen Charakter verleihen.<br />

Aufgrund der historischen Verklammerung des sowjetischen Zwangslagersystems der 20er bis frühen 50er<br />

Jahre mit den Zwangsdeportationen der nationalsozialistischen Diktatur, die Poljan im zweiten Abschnitt des 1.<br />

Kapitels untersucht, differenziert die Arbeit nach inneren Zwangsdeportationen und internationalen<br />

Zwangsdeportationen. Im ersteren Fall wird die Geschichte der Deportationen innerhalb der Sowjetunion, von<br />

der etwa sechs Millionen Menschen zwischen 1919 und 1955 erfaßt waren, im zweiten Fall die Deportation der<br />

3,2 Millionen sowjetischer Bürger in das Deutsche Reich beschrieben. Die damit avisierte Doppelgleisigkeit der

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