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The International Newsletter of Communist Studies Online IX

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong> <strong>Online</strong> 16/2003 66<br />

Jugend mit verbalen Repressionen (sozialdarwinistische Verunglimpfungen durch Aufteilung in »gesunde« und<br />

»kranke« Jugendliche, Einrichtung von Arbeitskolonien, psychiatrische Kliniken) zu bekämpfen versuchten. Auf<br />

diese Weise habe das stalinistische Regime den nicht kasernierten, das heisst den nicht traumatisierten<br />

Jugendlichen den scheinbaren Schutz unter dem »Ganzheitspanzer des totalitären Leibes Sowjetunion« (S. 60)<br />

angeboten.<br />

Wie riesig die Kluft zwischen jenen Kohorten war, die noch die Revolutionswirren und den Bürgerkrieg als<br />

Akteure im Kampf gegen die Feinde der Sowjetmacht erlebten, und jenen, die nicht mehr vom Pathos der<br />

Revolution zehren konnten, zeigt Gabor T. Rittersporn in seinem Beitrag »Between Revolution and Daily<br />

Routine«. Der auf zahlreichen Quellennachweisen basierende Aufsatz untersucht die Reaktionen der vom<br />

Regime produzierten großen Anzahl entwurzelter Kinder und Jugendlicher (mehr als 2 Millionen) auf die<br />

verheerenden sozialen Umstände und die fehlenden Perspektiven. Das wachsende Gewaltpotential versuchten<br />

die Behörden mit Einweisung in Arbeitslager und Verschärfung der Strafen (1935 standen fast eine Million<br />

Jugendlicher unter Polizeiaufsicht) in den »Griff zu bekommen«.<br />

Welche Formen der Gewalt sich in den 20er und 30er Jahren entwickelten, zeigt Sergej Zuravlev in seinem<br />

empirisch belegten Beitrag. Unter der Einwirkung von Propaganda, Filmen mit Legenden über große<br />

Bürgerkriegshelden und der schulischen Erziehungsmuster (»Sucht und vernichtet den Saboteur!«) nahm die<br />

Zahl der schweren Delikte im schulischen und außerschulischen Feld sehr stark zu, was u. a. eine<br />

soziologische Untersuchung aus dem Jahr 1931 belegte. Auch ein weiterer Beitrag über die »Militarisierung der<br />

Jugend und jugendliche(n) Radikalismus in Sibirien« beschreibt den Gewaltkult als dominantes Merkmal der<br />

geistigen und politischen Kultur der sowjetischen Gesellschaft in diesem Zeitraum. Bei der Deutung des<br />

Phänomens verweist Viktor Isaev auf die Erkenntnisse der amerikanischen Psychologen Beyron und<br />

Richardson, die in ihrer Publikation »Aggression« (russ. »Agressija«, Moskau 1998) die Ursache für<br />

Gewaltanwendung auf einen inneren Konflikt der Täter zurückführten.<br />

Die zweite Regionalstudie (Aleksandr Rozkov: Die Jugend im Kuban-Gebiet in den 1920er Jahren zwischen<br />

Tradition und Modernisierung) analysiert ausgehend von auffälligen sozialhistorischen Fakten (hohe regionale<br />

Identität auf Grund der langen Siedlungsgeschichte der Kosaken, frühe Eingliederung von Kindern und<br />

Jugendlichen in den bäuerlichen Arbeitsprozeß, Aufspaltung der Sympathie auf »Rote« und »Weiße« während<br />

des Bürgerkriegs 1919–1922) die Zerstörung von Traditionen durch die bolschewistischen Machthaber. In<br />

diesem von zahlreichen Widersprüchen getragenen Prozeß löste sich die männliche jugendliche Bevölkerung<br />

von den Unterdrückungsmechanismen ihrer Kosaken-Väter und geriet in die Modernisierungsfänge des<br />

Komsomol. Eine Studie, die durch ihre zahlreichen dokumentarischen Belege besticht!<br />

Über jenes jugendliche Klientel, das sich dem hohen Aggressionstrieb ihrer Umwelt entziehen wollte, berichten<br />

zwei bemerkenswerte Beiträge von Monica Wellmann und Vera Spiertz. Die eine untersuchte Abschiedsbriefe<br />

junger Selbstmörder aus dem Moskau der 20er Jahre, die andere setzte sich mit geheimen Berichten über den<br />

Freitod junger Rotarmisten von 1923 bis 1927 auseinander. Beide zeigen eindrucksvoll, wie junge Menschen

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