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The International Newsletter of Communist Studies Online IX

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<strong>The</strong> <strong>International</strong> <strong>Newsletter</strong> <strong>of</strong> <strong>Communist</strong> <strong>Studies</strong> <strong>Online</strong> 16/2003 85<br />

glücklichen Jugend im Schatten des Großen Führers. Erst die Denunziation und Verhaftung des Großvaters<br />

zerstörte diese Kinderwelt. Die Familie des kleinen Chol-hwan wurde getrennt. Die Mutter, eine verdiente<br />

Parteiaktivistin, ließ sich scheiden und blieb in Pjöngjang, während der Vater, die siebenjährige Schwester, die<br />

Großmutter und der Onkel im Zuge der Sippenhaftung für die ›Verbrechen‹ des Großvaters eine zehnjährige<br />

Haftstrafe in Yodok antreten mußten. Den geliebten und als Vorbild bewunderten Großvater hat Kang nie<br />

mehr gesehen, dafür konnte er jedoch sein Aquarium (daher der Titel des Buches), auf dem sein ganzer<br />

kindlicher Stolz beruhte, zusammen mit ein paar wenigen Habseligkeiten mit ins Lager nehmen.<br />

Der grauenhafte Lageralltag wird in allen Einzelheiten beschrieben. Die Familie hatte zunächst Glück. Ihre<br />

›Verbrechen‹, so die <strong>of</strong>fizielle Version, konnten durch ›Arbeit und Studium‹ ›korrigiert‹ werden. Sie bezog<br />

deshalb mit vier anderen Familien eine Holzbaracke und entging damit dem Los der anderen Häftlinge, die als<br />

Minenarbeiter Tag und Nacht in den Schächten zu Tode geschunden wurden. Die tägliche Maisration von 400g<br />

zwang jeden, der überleben wollte, zu zusätzlicher Nahrungssuche (Ratten, Schlangen, Frösche etc.), um bei<br />

extremer Kälte, fehlender Schutzkleidung, permanenter Arbeit, Krankheiten (ohne Medikamente und ärztliche<br />

Betreuung) ein Minimum an physischer Widerstandskraft zu entwickeln. Die hohe Sterblichkeitsrate,<br />

besonders auch die häufigen Selbstmorde, unter den zwei- bis dreitausend Häftlingen war eine Folge dieser<br />

barbarischen Bedingungen. Hunger, Unterernährung, totale Erschöpfung, klirrende Kälte im Winter bildeten<br />

aber nur den äußeren Rahmen für die in Lumpen und Fetzen gekleideten Elendsgestalten. Ausführlich geht<br />

Kang auch darauf ein, wie er im Laufe seiner Lagerkarriere das Repertoire an psychischen Verhaltens- und<br />

Reaktionsformen erworben hatte, um sich den zahlreichen Spitzeln zu entziehen, die prügelnden Aufseher zu<br />

täuschen und winzige zusätzliche Rationen aus dem Lagerdepot zu stehlen. Minutiös werden auch die<br />

öffentlichen Hinrichtungen geschildert, das Ritual der regelmäßig abgehaltenen Kritik- und<br />

Selbstkritiksitzungen notiert und die stumpfsinnige, mit Prügeln und Schikanen gespickte ideologische<br />

Schulung beobachtet, die für die Kinder der Häftlinge an einigen Tagen in der Woche inszeniert wurde.<br />

Bewegend fallen die Kapitel aus, in denen der heranwachsende Kang über erste Freundschaften und<br />

Beziehungen zu gleichaltrigen Jungen und Mädchen im Lager berichtet. Nach seiner Entlassung aus<br />

zehnjähriger Lagerhaft (1987), die Kang bitter mit ›Merci Kim Il-sung’ kommentiert, wird die Familie in ein Dorf<br />

in der Nähe von Yodok einquartiert, überwacht und kontrolliert. Trotz anfänglicher Erfolge, erste Schritte<br />

gesellschaftlicher Aktivitäten zu unternehmen, droht eine erneute Verhaftung, der sich Kang durch eine<br />

abenteuerliche Flucht nach China und schließlich nach Südkorea zu entziehen weiß.<br />

Hannah Arendt hat die Konzentrationslager als die Laboratorien totalitärer Herrschaft bezeichnet. Wer das<br />

nordkoreanische Experimentierfeld der Inhumanität aus der Nähe betrachten möchte, sollte diesen Bericht<br />

lesen. Er gehört sicher zu den klassischen Zeugnissen der condition humaine unter totalitären Bedingungen.

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