YEARBOOK OF THE ALAMIRE FOUNDATION
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194 BERNHOLD SCHMID Bis Takt 20 sind im Original Minimen und gelegentlich Semiminimen die beherrschenden Notenwerte, Fusae kommen (vor Beginn des Beispiels) nur jeweils in Zweiergruppen vor. Hingegen dominieren Fusae und Semiminimen ab Takt 20. Diese Diskrepanz wird durch die Änderung bei Phalèse nivelliert. 23 Über die Ursache dieser Eingriffe kann man nur rätseln. Vielleicht veranlassten den Bearbeiter ästhetische Gründe, der Wunsch nach einer stärkeren Geschlossenheit des Satzes hinsichtlich seines Tempos mag ihn dazu gebracht haben. Auch in Nummer 23 ist eine Beschleunigung der Faktur zur beobachten. Eine Vereinheitlichung der Notenwerte nimmt Phalèse hier jedoch nicht vor: Da Lasso in diesem Bicinium verschiedene Möglichkeiten der Diminution in unterschiedlichen Rhythmen vorführt, würden veränderte Notenwerte die Komposition empfindlich beeinträchtigen. Calvisius’Sammlung von 1612 enthält eine Anzahl nach oben transponierter Stücke, wie die folgende Tabelle zeigt: Nummer Incipit originale Transposition geänderte Schlüsselung Schlüsselung 7 Iusti tulerunt c3 / F3 Quinttransposition c1 /c3 11 Fulgebunt iusti c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3 19 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3 20 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c2 23 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3 24 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3 Calvisius transponiert die beiden tiefgeschlüsselten textierten in seiner Sammlung entahletenen Sätze sowie alle tiefgeschlüsselten untextierten Bicinien. Transposition ist bei Bicinien keine Seltenheit. Ein aus Georg Rhaus Bicinia gallica, latina, germanica (Wittenberg, 1545) von Gumpelzhaimer und Lindner (jeweils 1591) mit falscher Zuschreibung an Lasso übernommene Dirige nos 24 ist gegenüber Rhau ebenfalls eine Quinte nach oben transponiert. Von Calvisius werden die Sätze also aus der Tenor/Baß-Region in den Sopran/Alt-Bereich verlegt und damit der Stimmhöhe von Knaben angepaßt. Grund dafür ist selbstverständlich der didaktische Zweck des Drucks. Auch bei den hochtransponierten untextierten Bicinien kann das zutreffen, dann nämlich, wenn man sie als Singübungen verwendet. Zu beachten bleibt jedoch, 23 Vergleiche außerdem Nummer 17 (ab Takt 23), Nummer 18 (ab Takt 26), Nummer 19 (ab Takt 24), Nummer 20 (ab Takt 20), Nummer 22 (ab Takt 5) und Nummer 24 (ab Takt 21). 24 Vergleiche oben Fußnote 8.
ZUR GEDRUCKTEN ÜBERLIEFERUNG VON LASSOS BICINIEN daß die c1/c4-geschlüsselten Sätze Nummer 16, 17 und 18 sowie die c3/c4-geschlüsselten Bicinien Nummer 21 und 22 nicht transponiert werden. Zumindest die Unterstimmen können dann nicht mehr von Knaben gesungen worden sein. Die Verwendung der Bicinien für die Lehre zeigt sich jedoch zusätzlich darin, daß sie jeweils mit Tonartangaben versehen sind. Calvisius erweist sich als Anhänger von Glarean, da er die Nummer 7 Iusti tulerunt dem Jonischen zuordnet. Zudem tragen jeweils beide Stimmen Tonartbezeichnungen, was zu einer Unterscheidung nach authentischem und plagalem Bereich führt: So bei Iusti tulerunt: Ad Jonicum steht bei der Oberstimme, Ad Hypojonicum bei der unteren Stimme. Zu besprechen bleibt abschließend eine Eigenart der Ausgabe durch Calvisius: in den untextierten Bicinien finden sich immer wieder teils kürzere, teils längere umgearbeitete Passagen; die Bearbeitung kann sich auf nur eine Stimme erstrecken, aber auch auf beide. Calvisius` Fassungen werden im kritischen Bericht zur Neuausgabe des Bandes 1 in der Gesamtausgabe 25 abgedruckt. Hier sei ein markantes Beispiel vorgestellt: Beispiel 9a: Nummer 22, Takt 33 bis Ende des Stücks Calvisius (1612-2/II) 25 LASSO, GA 2 . 195
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Bis Takt 20 sind im Original Minimen und gelegentlich Semiminimen die beherrschenden<br />
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Diskrepanz wird durch die Änderung bei Phalèse nivelliert. 23 Über die Ursache dieser<br />
Eingriffe kann man nur rätseln. Vielleicht veranlassten den Bearbeiter ästhetische<br />
Gründe, der Wunsch nach einer stärkeren Geschlossenheit des Satzes hinsichtlich<br />
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der Faktur zur beobachten. Eine Vereinheitlichung der Notenwerte nimmt<br />
Phalèse hier jedoch nicht vor: Da Lasso in diesem Bicinium verschiedene Möglichkeiten<br />
der Diminution in unterschiedlichen Rhythmen vorführt, würden veränderte<br />
Notenwerte die Komposition empfindlich beeinträchtigen.<br />
Calvisius’Sammlung von 1612 enthält eine Anzahl nach oben transponierter Stücke,<br />
wie die folgende Tabelle zeigt:<br />
Nummer Incipit originale Transposition geänderte<br />
Schlüsselung Schlüsselung<br />
7 Iusti tulerunt c3 / F3 Quinttransposition c1 /c3<br />
11 Fulgebunt iusti c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3<br />
19 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3<br />
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24 —— c4 / F4 Oktavtransposition c1 /c3<br />
Calvisius transponiert die beiden tiefgeschlüsselten textierten in seiner Sammlung<br />
entahletenen Sätze sowie alle tiefgeschlüsselten untextierten Bicinien. Transposition<br />
ist bei Bicinien keine Seltenheit. Ein aus Georg Rhaus Bicinia gallica, latina, germanica<br />
(Wittenberg, 1545) von Gumpelzhaimer und Lindner (jeweils 1591) mit<br />
falscher Zuschreibung an Lasso übernommene Dirige nos 24 ist gegenüber Rhau ebenfalls<br />
eine Quinte nach oben transponiert. Von Calvisius werden die Sätze also aus der<br />
Tenor/Baß-Region in den Sopran/Alt-Bereich verlegt und damit der Stimmhöhe von<br />
Knaben angepaßt. Grund dafür ist selbstverständlich der didaktische Zweck des<br />
Drucks. Auch bei den hochtransponierten untextierten Bicinien kann das zutreffen,<br />
dann nämlich, wenn man sie als Singübungen verwendet. Zu beachten bleibt jedoch,<br />
23 Vergleiche außerdem Nummer 17 (ab Takt 23), Nummer 18 (ab Takt 26), Nummer 19 (ab Takt 24),<br />
Nummer 20 (ab Takt 20), Nummer 22 (ab Takt 5) und Nummer 24 (ab Takt 21).<br />
24 Vergleiche oben Fußnote 8.