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YEARBOOK OF THE ALAMIRE FOUNDATION

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ZUR GEDRUCKTEN ÜBERLIEFERUNG VON LASSOS BICINIEN<br />

wird der Generalbaß eine Kombinationsstimme aus den tiefsten Tönen. Zu einer<br />

eigenständigen Stimme wird er jedoch bei den hochgeschlüsselten Bicinien , so daß<br />

Dreistimmigkeit entsteht. 19<br />

Wie im Beispiel läuft der Generalbaß zu Beginn in der Regel mit der Unterstimme<br />

(von minimalen Abweichungen abgesehen). Später (im Beispiel ab Takt 6)<br />

wird er zur instrumentalen Stützstimme. Was Vincentz zu seiner Bearbeitung der<br />

Bicinien bewogen haben mag, darüber kann nur spekuliert werden. Vincentz berichtet<br />

zwar in seiner zunächst lateinisch, dann deutsch gedruckten Einleitung, weswegen<br />

er den Bassus ad organum, wie er ihn nennt, erstellt hat: Er schreibt über die Aufführung<br />

von Motetten unter Weglassung von Stimmen, wenn nicht genügend Sänger<br />

zur Verfügung stehen und sieht dies als Grund dafür, daß Lassos Werk dennoch nun<br />

viel Jahr hero in den Kirchen fast nicht mehr gehöret wirdt. Und weiter: Diesem vbel<br />

haben allem ansehen nach die jenige Rath schaffen wollen, welche von vilen Jahren<br />

hero solche Gesänger zu den Orglen gesungen. Werden nun die Sätze in Tabulatur<br />

gesetzt (also mit beziffertem Baß versehen), ist deren Aufführbarkeit auch dann<br />

gewährleistet, wenn nicht alle Stimmen besetzt werden können. Im Fall der Bicinien<br />

mag dies in gewisser Hinsicht ebenfalls zutreffen, weil der Baß als eigenständige<br />

Stimme im Fall, daß nur ein Sänger zur Verfügung steht, dafür sorgt, daß dennoch<br />

ein gewisser Vollklang zustande kommt, während das Ergebnis nun doch eher dünn<br />

ausfiele, wenn ein nur der unteren Stimme entsprechender Baß das Stück zusammen<br />

mit nur einem Sänger vortrüge. Dies dürfte jedoch nicht der alleinige Grund sein:<br />

Durch das Hinzutreten eines eigenständigen Basses entsteht eine Art Triosatz, vielleicht<br />

hat der Typus des kleinen geistlichen Konzerts Pate gestanden. Zu fragen wäre<br />

indes, wie die durch Unterlegen eines Generalbasses zustandekommenden Sätze in<br />

den neuen Gattungskontext passen. Und wiederum dürfte mit der Bearbeitung nicht<br />

unbedingt ein didaktischer Zweck verbunden sein. Eher mag es die Absicht Vincentz’<br />

gewesen sein, den Bicinien durch ihre Umgestaltung zu einem modernen Satztyp das<br />

Überleben zu sichern, was ja, wie oben ausgeführt, insgesamt als Idee hinter dem<br />

Erstellen eines Generalbasses zu Lassos Motetten steht.<br />

3) Sonstige Veränderungen: Änderung der Mensurzeichen und Notenwerte,<br />

Transposition, Eingriffe in die kompositorische Faktur:<br />

Am Druck von Thomas Este (London, 1598) fällt auf, daß in allen Bicinien das tempus<br />

imperfectum diminutum C| zum bloßen tempus imperfectum C umgestaltet wird.<br />

Dementsprechend ändert sich auch die Bezeichnung für den Abschnitt in perfekter<br />

19 Franz X. Haberl beschrieb in seiner Einleitung zu Band 1 von LASSO, GA (S. XIV) mit knappen<br />

Worten das Vorgehen von Gaspar Vintzenz und charakterisiert dessen Arbeit negativ; beigegeben ist<br />

ein Abdruck des Basses zu den Nummern I und XC des Magnum opus musicum, ferner Vincentz’<br />

Vorrede (S. XII–XIX). Auch in LASSO, GA Band 3 greift er den Bassus ad organum auf, wiederum,<br />

um Vincentz zu kritisieren; er druckt dazu den Baß zu den Nummern XCI und CLVI ab (S.XVII–<br />

XVIII). In LASSO, GA 2 werden Haberls Einleitungen jeweils mit aufgenommen.<br />

191

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