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YEARBOOK OF THE ALAMIRE FOUNDATION

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182 BERNHOLD SCHMID<br />

sei senza parole e senza strumenti zu singen. 12 Und noch bei den Texten zeigt sich der<br />

didaktische Zweck: Wenigstens die ersten sechs haben den Charakter von<br />

Sinnsprüchen mit lehrhafter Absicht, die den ‘Tyrones’ mit auf den Weg gegeben<br />

werden können.<br />

Soweit zur Frage Zweistimmigkeit und Didaktik. Lassos Titelformulierung im<br />

Erstdruck (1577-2) spricht indes nicht nur von den ‘Tyrones’; die Bicinien seien<br />

omnibus Musicis summè utiles, und weiter: eius artis peritioribus summopere inservientes.<br />

Lasso zielt also über den Schulgebrauch hinaus: allen Musikern seien die<br />

Bicinien aufs höchste nützlich, auch denen, die in der Kunst schon Erfahrung hätten. 13<br />

Thomas Estes Ausgabe in London (1598-1) übernimmt Lassos Titel nahezu wörtlich.<br />

Und auch verschiedene Biciniensammeldrucke sind dem Titel zufolge zwar für die<br />

Schüler, aber auch für Fortgeschrittene bestimmt: Phalèses Druck 1590-5 und die<br />

dazugehörige Auflage 1609-3, die unter anderem einen Großteil von Lassos Sätzen<br />

enthalten, sind dem Titel zufolge für [...] tam divinae musices tyronibus, quam eiusdem<br />

artis peritioribus zusammengetragen.<br />

Schließlich ist festzustellen, daß einige Titelformulierungen den didaktischen<br />

Zweck auch gar nicht enthalten. Moduli duarum vocum überschreiben le Roy &<br />

Ballard ihren Druck 1578-5, Motetti et Ricercari [...] a due voci steht auf dem Titelblatt<br />

bei Gardano 1579-8 und 1585-7, die von Gardano abhängigen Nachdrucke bei<br />

Vincenti & Amadino 1586-6 beziehungsweise nur mehr bei Vincenti 1589-2 und 1610-<br />

2 sind ebenso überschrieben. Möglicherweise impliziert die Zweistimmigkeit an sich<br />

schon den didaktischen Zweck. Ich denke aber, daß uns die Benennung als Motetti et<br />

Ricercari die Sätze als quasi ‘vollgültige’ Kompositionen vorstellen wollen. Die textierten<br />

Sätze heißen neutral Motetten. Die untextierten werden Ricercare genannt,<br />

was auf instrumentale Verwendung hinweist 14 und zeigt, daß sie zumindest im italienischen<br />

Bereich als Instrumentalmusik angesehen wurden. Daß sie auch in Italien als<br />

Singübungen gelten konnten, zeigt der oben erwähnte Paolucci.<br />

12 BOETTICHER, Lasso, S. 6 (Zitat aus Paoluccis Text) und S. 816 (Titel). Boetticher indes hält das<br />

Stück für ausschließlich instrumental, da er Paolucci vorhält: „Demgemäß entgehen ihm die heftigen<br />

instrumentalen Impulse der Vorlage.“ (S. 6).<br />

13 Vergleiche auch FINSCHER, Art. Bicinium, Spalte 1543.<br />

14 Vergleiche H. SCHICK, Art. Ricercar, in L. FINSCHER Hrsg., Die Musik in Geschichte und<br />

Gegenwart, zweite, neubearbeitete Ausgabe, Band 8, Kassel und Stuttgart, 1998, Spalte 318: Der<br />

Terminus Ricercar gehört “zu den ältesten Satzbezeichnungen für Instrumentalmusik.” — Die Frage,<br />

ob es sich bei Lassos Bicinien um Instrumentalmusik handelt, wurde in der Literatur verschiedentlich<br />

dikutiert, vergleiche oben Fußnote 12 (Boetticher zu Paolucci), vor allem LEUCHTMANN und<br />

SCHMID, Orlando di Lasso, Band 1, S. 400 unter der Rubrik LITERATUR. Explicit hingewiesen sei<br />

hier lediglich auf den Aufsatz von LEUCHTMANN, Neues in Altem, S. 135–141, wo eben jenes von<br />

Paolucci 1765 herangezogene Bicinium 23 herangezogen wird.

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