Feurio
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Als Forst-Fachmann siehst Du sicher das Thema Vegetationsbrandbekämpfung<br />
etwas anders als Feuerwehren. Was<br />
müsste aus Deiner Sicht mehr auf der Tagesordnung stehen?<br />
Vegetationsbrände sind in Deutschland angekommen. Während<br />
der Borkenkäfer und meistens auch der Sturmschaden<br />
eher im Wald bleibt und eben den Förster und Waldbesitzer<br />
beschäftigt, ist es beim Feuer komplexer. Es verlässt den<br />
Wald und ist ganz schnell Sache des Zivil- / Bevölkerungsschutzes.<br />
„Waldbrand“ hat das ja schon im Namen! Der<br />
Förster muss mit gleichem Mandat, Motivation und Energie<br />
an das Thema herangehen wie die Feuerwehr. Denn ohne die<br />
präventiven Tätigkeiten im und um den Wald herum, wird der<br />
Einsatz der Feuerwehr zu oft unnötig riskant und ineffizient.<br />
Und ohne die aktive Bekämpfung eines Wildfeuers ist die<br />
Prävention oft nutzlos, man muss also zusammen denken,<br />
planen und handeln. Und eben auch die politischen und<br />
finanziellen Rahmenbedingungen aller betroffenen Akteure<br />
im Blick haben. Dies betrifft Umwelt, Agrar, Forst, Inneres,<br />
Räumliche Planung, Wetter, Frühwarnung, Bewusstseinsbildung,<br />
Erziehung, Forschung, usw. … Na, herzlichen<br />
Glückwunsch, es wird eben komplex.<br />
In welchen Bereichen könnten Forst und Feuerwehr<br />
mehr miteinander kooperieren?<br />
Meiner Beobachtung nach funktioniert die Zusammenarbeit<br />
auf der lokalen Ebene oft gut, weil man<br />
sich kennt. Dieses „Sich-kennen“ (oder gar vertrauen)<br />
ist aber kein Automatismus, das muss<br />
gepflegt werden. Vor allem, wenn man dann an Ebenen denkt<br />
wie Landkreis, Region, Bundesland – bis hin zur gegenseitigen<br />
Hilfeleistung im internationalen Bereich. Positive Beispiele<br />
gibt es in der Tat von Mecklenburg-Vorpommern bis<br />
Bayern. Leider basieren diese guten Beispiele allzu oft auf<br />
persönlichem Engagement und motivierten Einzelpersonen<br />
… manchmal aber auch schon in Waldbrandkompetenzzentren<br />
die 50/50 mit Forst und Feuerwehr besetzt sein werden!<br />
In Baden-Württemberg wird seit 2023 ein sogenanntes<br />
Tandem-System für das Thema Waldbrand aufgebaut, das<br />
beginnt mit dem Forstrevierleiter und dem Team der Forstwirte<br />
und dem lokalen Feuerwehr-Kommandanten mit seiner<br />
Mannschaft und setzt sich fort bis zum Landesforstpräsidenten,<br />
der ein Tandem mit dem Landesbranddirektor bildet.<br />
Insgesamt muss allen Beteiligten klar werden, dass jeder in<br />
seinem Aufgabenfeld für die anderen Vorarbeit leistet, so<br />
dass am Ende alle zusammen ohne Waldbrandkatastrophe<br />
durch die trockenen Sommer kommen.<br />
Wenn Du einen Wunsch an die Forstbetriebe und Feuerwehren<br />
frei hättest – was würdest Du Dir wünschen?<br />
Langfristiges nachhaltiges Engagement, konstruktives Miteinander,<br />
gegenseitige politische Unterstützung. Dann wird<br />
der resiliente Wald der Zukunft auch ein Anliegen der Feuerwehr<br />
und das Feuerwehrwesen (Einsatzsicherheit) wird ein<br />
Anliegen der Förster und Waldbesitzer! Und dies nicht nur in<br />
einem besonders trockenen Sommer, sondern immer und an<br />
365 Tagen im Jahr<br />
Die Diskussion um vermehrten Einsatz von Hubschraubern<br />
und Flugzeugen nimmt zu. In den USA oder Mittelmeer-<br />
Anrainerstaaten wird zunehmend „Retardant“ als Löschmittel<br />
eingesetzt. Wäre das auch eine Alternative bzw.<br />
Ergänzung in Deutschland?<br />
Bekämpfung aus der Luft, wenn gut mit den Bodentruppen<br />
koordiniert und aggressiv im Erstangriff, kann sehr effektiv<br />
sein! 3.000 Liter Wasser aus der Luft abzuwerfen – das ist<br />
wirklich teures Wasser! Alles, was hilft, dieses Wasser<br />
„nasser“ und effektiver zu<br />
machen, darf und muss<br />
meiner Meinung nach zumindest<br />
mal bedacht werden.<br />
Ich habe lange Zeit mit<br />
und unter Löschflugzeugen<br />
in Südafrika gearbeitet,<br />
umweltfreundliches Gel bzw.<br />
Netzmittelzugabe war dort<br />
Standard. Im Rest der Welt ja auch. Ähnlich wie die Anwendung<br />
von Feuer zur Brandbekämpfung weltweit genutzt wird.<br />
All dies wird mit Verzögerung auch in Deutschland kommen<br />
(müssen).<br />
Aber nicht nur bei der Bekämpfung aus der Luft, auch am<br />
Boden wird Löschwasser immer knapper. Die Steigerung der<br />
Effizienz des wenigen Wassers ist also auch hier zu bedenken.<br />
„Langfristiges<br />
nachhaltiges Engagement,<br />
konstruktives Miteinander,<br />
gegenseitige politische<br />
Unterstützung.“<br />
Es hat einige Landesbeschaffungen für Waldbrand-Tanklöschfahrzeuge<br />
auf Unimog oder Tatra gegeben. Du selbst<br />
fährst einen Pickup-Truck mit einer Löschanlage von Vallfirest.<br />
Wäre dies nicht eine sinnvolle Ergänzung bei Feuerwehren?<br />
Ich komme zurück auf meinen Kommentar von oben. Die<br />
ganze Waldbrandwelt fährt auch den leichten 4x4-Pickup<br />
mit Waldbrandwerkzeug und Schnellangriffseinrichtung. Bei<br />
der Gebirgstruppe 1994 wurde ich mal gefragt: „Held, was<br />
machen Sie richtig, was alle anderen falsch machen?“ Daran<br />
muss ich jetzt oft denken … Ein Pickup als multifunktionales,<br />
kostengünstiges Einsatzfahrzeug bei der Feuerwehr und<br />
auch im Forst, Anwendung von taktischem Feuer, Hubschrauber<br />
oder Löschflugzeugen – was machen wir richtig,<br />
was alle anderen falsch machen? Im Ernst, ein 4x4-Pickup ist<br />
so multifunktional und verhältnismäßig günstig, dass ich ihn<br />
als unbedingte Ergänzung und Kombination (Verbund der<br />
Waffen) zu anderen Fahrzeugen fast zwingend sehe. Natürlich<br />
ausgerüstet mit kleiner, feiner Löschanlage, Handwerkzeugen<br />
wie Hacken, Spatenschaufel, Rucksackspritzen,<br />
Laubbläser etc.<br />
Im Juni findet die kwf-Tagung in Schwarzenborn statt. Ist ein<br />
Besuch auch für Feuerwehren zu empfehlen?<br />
Die kwf-Tagung ist wahrscheinlich das<br />
Alexander Held ist Diplom-Forstwirt<br />
(MSc) und hat nach dem Studium im<br />
Fachbereich Feuerökologie begonnen,<br />
dann bald auf Feuermanagement<br />
umgeschwenkt und konnte in Südafrika<br />
in Zusammenarbeit mit den USA und<br />
Australien jahrelang praktische Erfahrung<br />
im Feuer-Management sammeln.<br />
Er hat weltweit als Berater für die Weltbank,<br />
KfW, OSCE, FAO, GIZ , etc. zum<br />
Thema Feuer gearbeitet und ist seit<br />
2012 am European Forest Institute. Bis<br />
Januar 2024 lief dort das von der Bundesregierung<br />
geförderte Kurzzeitprojekt<br />
„WKR Waldbrand Klima Resilienz“.<br />
www.waldbrand-klima-resilienz.com<br />
weltgrößte Forstevent, im Freien! 2024<br />
wird es dort eine sogenannte Sonderschau<br />
Waldbrand geben. Das macht<br />
Sinn, denn es heißt ja WALD-Brand und<br />
der Forstsektor kann hier noch viel aufholen.<br />
Wir wollen mit ausgewählten<br />
Ausstellern und Akteuren die Themen<br />
vor, während und nach dem Waldbrand beleuchten und zu<br />
den Schwerpunktthemen „Feuermanagement auf munitionsbelasteten<br />
Flächen“ und „Feuerbekämpfung ohne Wasser“<br />
die aktuellen Entwicklungen und Möglichkeiten aufzeigen<br />
und weiter entwickeln. Dönges ist auch dabei!<br />
Angedacht ist auch ein informelles Waldbrand-Netzwerktreffen<br />
am Abend des 21. Juni, siehe oben: „get to know each<br />
other, like each other, trust each other”.<br />
Auf dem „Wildfire Camp“ von Dönges warst Du als Referent<br />
auf der Bühne. Du hast mit einem Augenzwinkern dazu aufgerufen,<br />
mehr „Reh“ zu essen. Was meinst Du damit?<br />
Ein Wald der das Attribut „typisches Waldinnenklima“ hat,<br />
brennt weniger. Denn er ist feuchter im Boden und in der<br />
Vegetation, windstiller, kühler und schattiger. Dies ist er aber<br />
nur, wenn er achtsam und resilient, also möglichst komplett<br />
und ganzheitlich bewirtschaftet und genutzt wird. Ähnlich<br />
wie unsere Darmbakterien ist es mit dem „kompletten System<br />
Wald“. Je mehr und je mehr<br />
„Ein Wald der das Attribut<br />
‚typisches Waldinnenklima‘ hat,<br />
brennt weniger. Denn er ist<br />
feuchter im Boden und in der Vegetation,<br />
windstiller und kühler.<br />
verschiedene Darmbakterien<br />
wir haben, desto besser<br />
für unser Immunsystem.<br />
Und so ist es mit der Biodiversität<br />
im Wirtschaftswald!<br />
Dazu braucht es aber<br />
auch viele verschiedene<br />
Kraut- und Baumarten. Und eben genau diese Kraut- und<br />
Baumarten werden oft von Reh und Hirsch ganz gezielt herausselektiert,<br />
also gefressen. Übrig bleibt leider oft Kiefer<br />
und Fichte … da merkt auch der Laie, dass da was fehlt zum<br />
„Waldinnenklima“, das für weniger brennbare Wälder sorgt.<br />
Also, esst mehr Wild!<br />
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