BVCM-Mindestanforderungen_Kundeninsolvenz_2022
Mindestanforderungen an das Credit Management in der Kundeninsolvenz Version: 1.0 Stand: 2022 Bundesverband Credit Management e.V.
- Seite 2 und 3: 2 Mindestanforderungen an das Credi
- Seite 4 und 5: Impressum 1. Auflage, Version 1.0 |
- Seite 6 und 7: Inhaltsverzeichnis 6 Mindestanforde
- Seite 8 und 9: 8 Mindestanforderungen an das Credi
- Seite 10 und 11: Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsv
- Seite 12 und 13: Grundsätze, Mitarbeiter & Steuerun
- Seite 14 und 15: Prozesse Weitere Erkenntnisquellen
- Seite 16 und 17: Prozesse • Vorkasse/Barverkauf
- Seite 18 und 19: Prozesse 4.4.4. Gläubigerversammlu
- Seite 20 und 21: Prozesse • über den Plan stimmen
- Seite 22 und 23: Insolvenzanfechtung • Unentgeltli
- Seite 24: 1504 1172 940 Die Credit Manager -
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management<br />
in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
Version: 1.0<br />
Stand: <strong>2022</strong><br />
Bundesverband Credit Management e.V.
2<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management<br />
in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
3
Impressum<br />
1. Auflage, Version 1.0 | <strong>2022</strong><br />
© <strong>2022</strong> Bundesverband Credit Management e.V.<br />
Angelika Fromme CCM, Katja Janning, Rudolf Keßler CCM, Felix Koch, RA Matthias Marzluf,<br />
Denise-Christine Röhner, Bettina Schindowski, RA Michael Schmidt<br />
Die <strong>Mindestanforderungen</strong> dienen zu Informationszwecken und stellen keine Rechtsberatung dar.<br />
Sie können insbesondere keine individuelle rechtliche Beratung ersetzen, welche die Besonderheiten<br />
des Einzelfalles berücksichtigt.<br />
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne<br />
Zustimmung des Bundesverband Credit Management e.V. unzulässig. Dies gilt<br />
insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen<br />
und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.<br />
Stand: <strong>2022</strong><br />
Schutzgebühr: 49,50 €<br />
4<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Impressum<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
5
Inhaltsverzeichnis<br />
6<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort 9<br />
Abkürzungsverzeichnis 10<br />
Glossar 11<br />
1. Grundsätze 12<br />
2. Mitarbeiter 12<br />
3. Steuerung 12<br />
4. Prozesse 13<br />
5. Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 302 ff. InsO) 21<br />
6. Insolvenzanfechtung 21<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
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8<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Vorwort/ Zielsetzung<br />
Vorwort/ Zielsetzung<br />
Eine wichtige und herausfordernde Aufgabe im Credit Management ist die Begleitung einer Insolvenz und die Durchsetzung<br />
von rechtlich legitimierten Ansprüchen.<br />
Gerade hier liegen viele Chancen, um die Verluste für das Unternehmen – trotz einer Insolvenz – durch uneinbringliche<br />
Forderungen zu minimieren.<br />
Die <strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong> sollen dabei helfen, alle notwendigen<br />
Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtlichen Vorgaben zu genügen und jede Möglichkeit zu nutzen, den Schaden so<br />
klein wie möglich zu halten. Dabei haben die Verfasser Wert darauf gelegt, die einzelnen Punkte kurz und knapp zu<br />
formulieren, um in der betrieblichen Organisation die Insolvenzabwicklung in das tägliche Geschäft einbinden zu können.<br />
Bei komplexeren juristischen Sachfragen sollte daher nach wie vor auf externe juristische Expertise zurückgegriffen<br />
werden.<br />
Die <strong>Mindestanforderungen</strong> beziehen sich nur auf die Rechtslage für Insolvenzverfahren, die in Deutschland durchgeführt<br />
werden.<br />
Für ausländische Insolvenzverfahren gelten die jeweiligen nationalen Regelungen, hier ist unbedingt zu beachten, dass<br />
ausländische Verfahrensordnungen teilweise strengere Ausschlussfristen für die Forderungsanmeldung beinhalten<br />
können. Im Zweifelsfall empfiehlt sich unbedingt, fachkundigen Rat einzuholen.<br />
Einen ersten Überblick zu ausländischen Regelungen findet man auf nachfolgender Seite der EU:<br />
https://e-justice.europa.eu/447/DE/insolvencybankruptcy?clang=de<br />
Wir hoffen, dass die <strong>Mindestanforderungen</strong> in der <strong>Kundeninsolvenz</strong> den gleichen Erfolg haben wie die <strong>Mindestanforderungen</strong><br />
an das Credit Management (MaCM).<br />
Wir bedanken uns für das Mitwirken bei folgenden Kolleginnen und Kollegen: Angelika Fromme CCM, Katja Janning,<br />
Rudolf Keßler CCM, Felix Koch, Denise-Christine Röhner und Bettina Schindowski.<br />
Rudolf Keßler CCM<br />
Präsident<br />
RA Michael Schmidt<br />
Arbeitskreisleiter Insolvenzpraxis<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
9
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Abs.<br />
Absatz<br />
CM<br />
Credit Management<br />
etc.<br />
et cetera<br />
ff.<br />
fortfolgend<br />
ggf.<br />
gegebenenfalls<br />
i.d.R.<br />
in der Regel<br />
InsO<br />
Insolvenzordnung<br />
MaCM<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management<br />
u. a. unter anderem<br />
z.B.<br />
zum Beispiel<br />
10<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Glossar<br />
Glossar<br />
Absonderungsrecht<br />
Aussonderungsrecht<br />
Anfechtung<br />
(§§ 129ff InsO)<br />
Bargeschäft<br />
(§ 142 InsO)<br />
Berichtstermin<br />
Eigenverwaltung<br />
(§§ 270 ff InsO)<br />
Insolvenzbekanntmachungen<br />
Insolvenzquote<br />
Insolvenztabelle<br />
(§ 175 InsO)<br />
Masselosigkeit<br />
Masseunzulänglichkeit<br />
Prüfungstermin<br />
gewährt einem Gläubiger eine bevorzugte Befriedigung aus einem zur Insolvenzmasse<br />
gehörenden Gegenstand oder Recht (z.B. bei Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung)<br />
gewährt dem Gläubiger das Recht zur Herausgabe aus der Insolvenzmasse (z.B. Eigentumsvorbehalt)<br />
rechtliches Instrumentarium für den Insolvenzverwalter, ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen<br />
an einzelne Gläubiger vor Insolvenzeröffnung zugunsten der Insolvenzmasse rückgängig<br />
zu machen<br />
Möglichkeit zur Verringerung des Anfechtungsrisikos bei Geschäften mit insolvenzgefährdeten<br />
Unternehmen<br />
erste Gläubigerversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Verwalter stellt wirtschaftliche<br />
Lage dar, wird in der Regel mit dem Prüfungstermin verbunden<br />
Sonderinsolvenzverfahren, bei dem Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters das Unternehmen<br />
im (vorläufigen) Insolvenzverfahren selbst verwaltet<br />
Durch das Bundesamt für Justiz betriebenes Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.<br />
de zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über laufende Insolvenzverfahren<br />
prozentualer Anteil der Gläubigerbefriedigung auf festgestellte Forderung nach Abschluss des<br />
Insolvenzverfahrens<br />
beim Insolvenzgericht einsehbares Verzeichnis sämtlicher im Verfahren angemeldeter<br />
Forderungen<br />
keine Deckung der Verfahrenskosten (§ 54 InsO) im eröffneten Verfahren, führt zur Einstellung des<br />
Verfahrens (§ 207 InsO), wenn Kosten nicht durch z.B. Gläubiger vorgeschossen werden<br />
liegt vor, wenn im eröffneten Verfahren zwar die Verfahrenskosten gedeckt sind, nicht aber die<br />
Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO), wird öffentlich bekannt gemacht<br />
dient der Prüfung und Erörterung aller angemeldeten Forderungen<br />
Schlusstermin<br />
(§ 197 InsO)<br />
schwacher vorläufiger<br />
Insolvenzverwalter<br />
starker vorläufige<br />
Insolvenzverwalter<br />
letzte Gläubigerversammlung zur abschließenden Erörterung des Verfahrens und Zustimmung<br />
zur Schlussverteilung<br />
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt beim Schuldner, im Regelfall unter Zustimmungsvorbehalt<br />
des vorläufigen Insolvenzverwalters, nur im vorläufigen Insolvenzverfahren<br />
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
11
Grundsätze, Mitarbeiter & Steuerung<br />
1. Grundsätze<br />
1.1. Das Credit Management in der Insolvenzpraxis ist integraler Bestandteil des Credit Managements. Für das<br />
Credit Management im Insolvenzfall gelten daher die unter Ziffer 1.1. bis Ziffer 1.12. der MaCM aufgestellten<br />
Grundsätze, auf deren Wiederholung an dieser Stelle verzichtet wird.<br />
1.2. Aufgabe und Zielsetzung des Credit Managements im Insolvenzfall ist es, bereits in der laufenden Geschäftsbeziehung<br />
und der täglichen Geschäftspraxis durch entsprechende Vorkehrungen und Vertragsgestaltung<br />
sicherzustellen, dass die durch ein mögliches Insolvenzereignis auftretenden Verluste für das Unternehmen<br />
gering gehalten werden. Geeignete Sicherungsmittel sollen lange vor Eintritt einer Krisensituation vereinbart<br />
und dem Risiko entsprechend überwacht und angepasst werden. Die Einbeziehung von Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen zwecks Vereinbarung von Eigentumsvorbehaltsrechten muss in nachweisbarer Form<br />
vereinbart und dokumentiert werden.<br />
2. Mitarbeiter<br />
2.1. Die Mitarbeiter, die mit der Bearbeitung von insolvenzrechtlichen Angelegenheiten befasst sind,<br />
müssen ihrem Aufgabengebiet entsprechende Qualifikationen vorweisen, die durch geeignete<br />
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen stets auf dem aktuellen Stand zu halten sind.<br />
Die Mitarbeiter müssen sachverständig sein und durch Vorkenntnisse oder entsprechende Schulung/<br />
Einarbeitung über das erforderliche Fachwissen verfügen, um die Aufgaben sachgerecht bearbeiten zu können.<br />
Es muss sichergestellt sein, dass Mitarbeiter bei geänderten Anforderungen entsprechend weitergebildet<br />
werden – beispielsweise bei Änderung der Rechtsgrundlagen.<br />
2.2. Es bestehen definierte und dokumentierte Vertretungsregelungen.<br />
Es ist zu regeln, welcher Mitarbeiter durch wen vertreten wird. Dabei ist sicherzustellen, dass es sich um fachlich<br />
geeignete Personen handelt.<br />
3. Steuerung<br />
3.1. Zur Einschätzung des aktuellen Insolvenzrisikos von Kunden wird auf die gemäß Ziffer 3.1. der<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management (MaCM) erhobenen Kennzahlen zurückgegriffen.<br />
Für die Erhebung dieser Zahlen gelten die unter Ziffer 3.1. bis Ziffer 3.8. MaCM aufgestellten Grundsätze<br />
entsprechend.<br />
3.2. Es wird darüber hinaus sichergestellt, dass aus dem Markt, über Außendienstmitarbeiter, den Vertrieb,<br />
Wettbewerber, Medien und soziale Netzwerke gewonnenen Informationen über Insolvenzrisiken bei Kunden<br />
unverzüglich den Mitarbeitern des Credit Managements übermittelt und durch diese unternehmensintern<br />
verfügbar gemacht werden.<br />
3.3. Es wird durch die innerbetrieblichen Workflows geregelt, wie und in welchem Umfang die in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
involvierten Abteilungen (CM, Vertrieb, Rechnungswesen, Rechtsabteilung etc.) zusammenarbeiten.<br />
Zwischen den genannten Abteilungen müssen notwendige Informationen zeitnah fließen und die Abteilungen<br />
müssen sich gegenseitig in der Abwicklung der <strong>Kundeninsolvenz</strong> unterstützen. So unterstützt z.B. der Vertrieb das<br />
CM bei der Beschaffung notwendiger Informationen für die Geltendmachung der Eigentumsvorbehaltsrechte.<br />
12<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Steuerung & Prozesse<br />
3.4. Die Prozesse für die Abwicklung einer <strong>Kundeninsolvenz</strong> sind in einem Insolvenzleitfaden geregelt und<br />
dokumentiert. Der Insolvenzleitfaden wird regelmäßig auf seine Aktualität überprüft und bei Bedarf angepasst.<br />
Es ist schriftlich und/ oder elektronisch zu dokumentieren, welche Arbeitsschritte in welcher Reihenfolge bei<br />
der Abwicklung der <strong>Kundeninsolvenz</strong> zu erfolgen haben, wer für die Durchführung der einzelnen Aufgaben<br />
innerhalb welcher Zeitvorgaben zuständig ist und welche (Arbeits-)Mittel hierfür heranzuziehen sind. Es<br />
bietet sich an, sie zumindest jährlich auf ihre Aktualität zu überprüfen und wenn nötig, spätestens jedoch bei<br />
Änderungen des wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeldes zu aktualisieren.<br />
4. Prozesse<br />
4.1. Vorläufiges Insolvenzverfahren<br />
4.1.1. Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht<br />
Das vorläufige Insolvenzverfahren wird nach Stellung des Insolvenzantrags durch das Insolvenzgericht im Regelfall<br />
als vorläufige Sicherungsmaßnahme bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet.<br />
Man unterscheidet:<br />
• Sicherungsmaßnahmen mit Einsetzung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 22 Abs. 2 InsO –<br />
Zustimmungsvorbehalt) oder<br />
• Sicherungsmaßnahmen mit Einsetzung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 22 Abs. 1 InsO – Anordnung<br />
eines allgemeinen Verfügungsverbotes)<br />
Durch das Gericht können weitere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden (Einstellung der Zwangsvollstreckung,<br />
Postsperre, Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses, Einziehungsverbot, Aussetzung von<br />
Absonderungsrechten).<br />
In seltenen Ausnahmefällen werden durch das Insolvenzgericht keine Sicherungsmaßnahmen angeordnet und<br />
lediglich ein Gutachten zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeholt.<br />
4.1.2. Eigenverwaltung<br />
Auf Antrag des Schuldners kann die vorläufige Eigenverwaltung (§ 270 InsO) angeordnet werden. In diesem Fall ist<br />
der Schuldner unter der Aufsicht eines Sachwalters berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu<br />
verfügen. Die Eigenverwaltung kann auch im eröffneten Insolvenzverfahren fortgesetzt werden.<br />
• Eigenverwaltung im Eröffnungsverfahren nach § 270 b InsO nur bei Unternehmensinsolvenzverfahren möglich<br />
• Vorbereitung einer Sanierung – Eigenverwaltungsplanung nach § 270 a InsO erforderlich:<br />
o Finanzplan für einen Zeitraum von 6 Monaten<br />
o Sanierungskonzept in Grundzügen<br />
o Vergleichsrechnung gegenüber Regelinsolvenzverfahren<br />
Bei Eigenverwaltung verwaltet der Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters das Unternehmen selbst. Die Führung<br />
der Tabelle und die Insolvenzanfechtung obliegen dem Sachwalter.<br />
4.1.3. Kenntniserlangung/Informationsgewinnung<br />
Unverzichtbar für ein erfolgreiches Agieren im Insolvenzfall ist, dass man schnellstmöglich hiervon Kenntnis erlangt.<br />
Ein gut informierter Außendienst, der nach Möglichkeit bereits vorab unterrichtet wird oder eine gute Vernetzung in<br />
der Branche sind hier hilfreich. Unternehmen, die an einer Weiterbelieferung in der vorläufigen Insolvenz/Fortführung<br />
der Geschäftsbeziehung nach erfolgreicher Sanierung interessiert sind, werden in eigenem Interesse wichtige<br />
Lieferanten unverzüglich von einem Insolvenzantrag unterrichten.<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
13
Prozesse<br />
Weitere Erkenntnisquellen sind:<br />
• https://www.insolvenzbekanntmachungen.de/<br />
Verfügungsbeschränkungen sind gemäß § 23 InsO dort zu veröffentlichen<br />
• Auskunfteien<br />
• Warenkreditversicherung<br />
• private Insolvenzportale<br />
• Presse<br />
• Geschäfts- und Finanzierungspartner, z. B. Leasing-Gesellschaften<br />
• Insolvenzschuldner selbst<br />
• Insolvenzverwalter/Sachwalter<br />
• Inkasso-Dienstleister<br />
4.1.4. Sofortmaßnahmen<br />
Im Unternehmen ist für den Fall eines Insolvenzverfahrens ein Ablauf zu installieren, der sofort einzuleitenden<br />
Maßnahmen und die betreffenden Zuständigkeiten genau regelt. Mögliche Sofortmaßnahmen sind:<br />
• Information Warenwirtschaft: Aussetzung offener Lieferungen – Lieferstopp (in Auslieferung befindliche Ware<br />
zurückholen)<br />
• Zentralregulierungs-Ausschluss bei Zentralregulierern<br />
• Credit Management-System: Neues Rating einzupflegen<br />
• neues Kundenkonto anlegen<br />
• Information an Außendienst<br />
• Information an Innendienst<br />
• Information Geschäftsleitung<br />
• Information an Controlling<br />
• Angebotssperre<br />
• Wertberichtigung<br />
• Anpassung von Stammdaten (ggfs. Adresse, Sachbearbeiter, Mahnkennzeichen etc.)<br />
• Information an Warenkreditversicherer/Zentralregulierer<br />
• Prüfung von internen Verrechnungskonten (Auszahlungssperre Kreditoren-Konten)<br />
4.2. Sicherheitenverwertung in der vorläufigen Insolvenz<br />
Bereits in der vorläufigen Insolvenz können Sicherungsrechte geltend gemacht und Sicherheiten verwertet werden.<br />
Das Insolvenzgericht kann allerdings (§ 22 Abs. 2 Nr. 5 InsO) die Verwertungsbefugnis aussetzen. Im Einzelnen<br />
empfiehlt sich folgendes Vorgehen:<br />
4.2.1. einfacher Eigentumsvorbehalt<br />
Durch einfachen Eigentumsvorbehalt gesicherte Warenlieferungen sind im Insolvenzverfahren von erheblicher<br />
wirtschaftlicher Bedeutung.<br />
Folgende Maßnahmen sind einzuleiten:<br />
• Verarbeitungs- und Veräußerungsverbot aussprechen gegenüber Insolvenzschuldner und vorläufigen Verwalter,<br />
bei Eigenverwaltung auch gegenüber Sachwalter<br />
• Inventarisierung verlangen<br />
• getrennte Lagerung verlangen<br />
• Inventarisierung im Idealfall selber durchführen<br />
• Dokumentation – Lichtbilder, Kennzeichnung der Ware<br />
• Bereitstellung der Ware zur Abholung verlangen<br />
14<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Prozesse<br />
• bei Problemen mit Nämlichkeitsnachweis (mehrere Lieferanten gleichartiger Ware) Abstimmung mit<br />
Wettbewerbern<br />
• Beitritt Gläubigerpool prüfen<br />
4.2.2. verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt/Globalzession<br />
Das Gericht kann anordnen, dass ausschließlich der Verwalter berechtigt ist, zur Sicherung abgetretene Forderungen<br />
einzuziehen (§ 22 Abs. 2 Nr. 5 InsO). In diesem Fall erhält er die Pauschalen gemäß §§ 170, 171 InsO. Ungeachtet dessen<br />
empfiehlt sich immer folgende Vorgehensweise:<br />
• Widerruf der Einzugsermächtigung gegenüber Insolvenzschuldner, vorläufigen Verwalter/vorläufigen Sachwalter<br />
• Zahlungsverbot gegenüber Drittschuldner<br />
• Informationsgewinnung über Drittschuldner<br />
• Beitritt Gläubigerpool prüfen<br />
4.2.3. weitere Sicherungsrechte<br />
Daneben gibt es eine Reihe weiterer Sicherungsrechte, bei denen folgendes Vorgehen angezeigt ist:<br />
• Raumsicherungsvertrag (Maßnahmen wie bei 4.2.1.)<br />
• Sicherungsübereignung (Maßnahmen wie bei 4.2.1.)<br />
• Bürgschaft: Bürgen zur Zahlung auffordern<br />
• Lebensversicherung: Versicherung zur Zahlung auffordern<br />
• Grundpfandrechte: Verwertung einleiten<br />
• Gesetzliche Pfandrechte:<br />
o Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB)<br />
o Verpächterpfandrecht (§ 592 BGB)<br />
o Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB)<br />
o Pfandrecht des Gastwirts (§ 704 BGB)<br />
o Pfandrecht für das Kommissionsgut (§ 397 HGB)<br />
o Pfandrecht für das Speditionsgut (§ 464 HGB)<br />
o Pfandrecht für das Lagergut (§ 475b)<br />
• Warenkreditversicherung vom Versicherungsfall unterrichten<br />
4.2.4. Gläubigerpool<br />
Der Gläubigerpool ist ein durch hierauf spezialisierte Kanzleien auf Eigeninitiative außerhalb des gesetzlichen<br />
Insolvenzverfahrens organisierter Zusammenschluss von Warenkreditgebern zur gemeinsamen Durchsetzung<br />
von Sicherungsrechten, in der Regel Eigentumsvorbehaltsrechte. Der Poolverwalter erhält hierfür eine prozentuale<br />
Vergütung, die aus dem erzielten Erlös bestritten wird.<br />
Zweckmäßigkeit des Beitritts ist im Einzelfall zu prüfen (Kriterien: Höhe der Forderung, Vermischung/Vermengung<br />
der gelieferten Waren, Ermittlung der Drittschuldner schwierig).<br />
4.3. Weiterbelieferung in der vorläufigen Insolvenz<br />
Wenn in der vorläufigen Insolvenz der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird, werden die Lieferanten durch den<br />
vorläufigen Insolvenzverwalter/Geschäftsleitung des Unternehmens aufgefordert, die Sanierung des Unternehmens<br />
durch Weiterbelieferung zu unterstützen. Dies ist jedoch mit Risiken verbunden:<br />
4.3.1. Absicherung Forderungsausfallrisiko<br />
Bei einer Weiterbelieferung der Insolvenzschuldnerin in der vorläufigen Insolvenz besteht bei Vorleistung des<br />
Lieferanten ein erhebliches Forderungsausfallrisiko, weil der Kaufpreisanspruch des Lieferanten rechtlich gesehen<br />
für Lieferungen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur eine einfache Insolvenzforderung ist. Etwas anderes<br />
gilt nur, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter ein sogenannter starker vorläufiger Verwalter (siehe 4.1.1.) ist. Bei<br />
einem schwachen vorläufigen Verwalter besteht ein Ausfallrisiko. Dem kann wie folgt begegnet werden:<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
15
Prozesse<br />
• Vorkasse/Barverkauf<br />
• Depotzahlung zur Absicherung künftiger Lieferungen<br />
• persönliche Bürgschaft Insolvenzverwalters (eher selten!)<br />
• Bankbürgschaft<br />
• Bestellung und/oder Zahlung durch außenstehenden Dritten (Einzelfallprüfung erforderlich)<br />
• partiell erstarkter Insolvenzverwalter (Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten für einzelne<br />
Rechtsgeschäfte) hier wichtig:<br />
o Beschluss häufig nur bei konsequentem Einfordern durch den Lieferanten<br />
o unbedingt Umfang und Inhalt der Ermächtigung prüfen (Beschluss vorlegen lassen)<br />
4.3.2. Anfechtungsrisiko bei Weiterbelieferung ausschließen<br />
Der Insolvenzverwalter kann in der vorläufigen Insolvenz geleistete Zahlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
anfechten. Dieses Anfechtungsrisiko kann jedoch vermieden werden. Folgende Möglichkeiten bestehen:<br />
• Grundsätze Bargeschäft (§ 142 InsO) einhalten<br />
• Ab sofort auf erweiterten Eigentumsvorbehalt für Neulieferungen verzichten<br />
• keine Vermischung mit Zahlungen auf Altverbindlichkeiten<br />
• ggfs. Anfechtungsverzicht mit vorläufigem Verwalter vereinbaren<br />
• Vorsicht bei Änderung bestehender Verträge, besser: Verträge über Unsicherheitseinrede (§ 321 BGB) aufheben<br />
und dann neuen Vertrag abschließen<br />
4.4. Eröffnetes Insolvenzverfahren<br />
Im eröffneten Insolvenzverfahren liegt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausschließlich beim<br />
Insolvenzverwalter. Durch ihn eingegangene Verpflichtungen begründen stets Masseverbindlichkeiten.<br />
Folgendes ist zu beachten:<br />
4.4.1. Sicherheitenverwertung<br />
Hinsichtlich der Sicherheitenverwertung gelten die Ausführungen für das vorläufige Insolvenzverfahren entsprechend.<br />
Mit Eröffnung des Verfahrens gilt darüber hinaus:<br />
• Verwalter darf Absonderung unterliegende Gegenstände in seinem Besitz verwerten - der Erlös steht dem<br />
Gläubiger nach Abzug der Kosten zu (§§ 170, 171 InsO)<br />
• Gleiches gilt für zur Sicherheit abgetretene Forderungen<br />
• Veräußerungsabsicht ist dem absonderungsberechtigten Gläubiger mitzuteilen: dieser kann auf bessere<br />
Verwertungsmöglichkeit hinweisen oder selbst erwerben (§ 168 InsO)<br />
• bei Forderungen Auskunftsanspruch oder Recht zur Einsicht in Bücher des Insolvenzschuldners (§ 167 Abs. 2 InsO)<br />
• in allen anderen Fällen liegt das Verwertungsrecht beim Gläubiger<br />
• Kollision verschiedener Sicherungsrechte und Sicherungsgläubiger<br />
4.4.2. Forderungsanmeldung und Forderungsprüfung<br />
• Fristen zur Forderungsanmeldung sind keine Ausschlussfristen, eine nachträgliche Forderungsanmeldung ist<br />
zulässig und führt lediglich zu einem kostenpflichtigen nachträglichen Prüfungstermin (derzeitige Gerichtskosten<br />
22 EUR – Stand September <strong>2022</strong>). Forderungen können erst mit Verfahrenseröffnung (nicht bereits in der vorläufigen<br />
Insolvenz) angemeldet werden. Forderungsanmeldungen in der vorläufigen Insolvenz muss der Insolvenzverwalter<br />
nicht berücksichtigen.<br />
Bei Forderungsanmeldung ist zu prüfen, ob einer durchschnittlichen Insolvenzquote von ca. 5 % der<br />
Verwaltungsaufwand bei kleinen Forderungen die Anmeldung lohnt.<br />
Wichtig: Forderungsanmeldung hemmt die Verjährung für die Dauer des Insolvenzverfahrens<br />
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<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Prozesse<br />
• Formulare, beizufügende Unterlagen<br />
Der Forderungsanmeldung sind Nachweise (Titel, Rechnungen, Zinsberechnung etc.) beizufügen. Zinsen sind<br />
bis zum Tag vor Eröffnung anzumelden, noch nicht fällige Forderungen gelten als fällig (§ 41 InsO). Durch<br />
den Insolvenzverwalter übersandte Formulare sind nicht zwingend zu verwenden. Bei der Anmeldung nach<br />
Möglichkeit keine Hinweise auf verspätete Zahlungen (Anfechtungsgefahr!) aufnehmen. Bei natürlichen Personen<br />
gegebenenfalls Hinweis auf Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 174 Abs. 2 InsO).<br />
Lieferscheine, sofern vorhanden und nicht zu umfangreich, können übersandt werden – andernfalls Nachfrage<br />
des Verwalters abwarten.<br />
• Keine Hinweise auf erhaltene Zahlungen oder Zwangsvollstreckungen. Ggfs. bei kleinen Forderungen komplett<br />
auf die Forderungsanmeldung verzichten (wenn vorher größere Zahlungen erhalten wurden).<br />
• Anmeldung für den Ausfall<br />
Forderungen, für die Sicherheiten bestehen, werden lediglich für den Ausfall angemeldet. Hier ist die Ausschlussfrist<br />
in §§ 189 Abs. 1, 190 InsO zu beachten, endgültiger Ausfall muss dem Verwalter nachgewiesen werden. Bitte<br />
unbedingt bei Anmeldung für den Ausfall zeitnah die Werthaltigkeit der Sicherungsrechte proaktiv klären; der<br />
Verwalter muss nicht gesondert auffordern, den Ausfall nachzuweisen. Erfolgt diese Aufforderung lediglich unter<br />
www.Insolvenzbekanntmachungen.de gilt eine Ausschlussfrist von 14 Tagen. Nach Ablauf dieser Frist nimmt die<br />
angemeldete Forderung nicht an der Insolvenzquotenverteilung teil.<br />
• Verhalten bei Bestreiten<br />
Gläubiger, deren Forderungen festgestellt werden, werden nicht benachrichtigt (§ 179 Abs. 3 Satz 3 InsO).<br />
Bei Bestreiten ist durch Nachfrage beim Verwalter zu ermitteln, ob die Forderung vorläufig oder endgültig bestritten<br />
wird. Häufig erfolgt vorläufiges Bestreiten, weil noch Unterlagen fehlen oder sonstige Unklarheiten bestehen.<br />
Können diese nicht ausgeräumt werden und die Forderung bleibt endgültig bestritten, muss auf Feststellung zur<br />
Tabelle geklagt werden (§ 179 Abs. 1 InsO); ist bereits ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, geschieht dies<br />
durch Aufnahme des Rechtsstreits. Liegt bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vor, muss der Bestreitende (in der<br />
Regel der Insolvenzverwalter) gegen den Titel vorgehen.<br />
• Tabellenauszug<br />
Der Tabellenauszug wirkt gegenüber dem Insolvenzverwalter und den Insolvenzgläubigern wie ein rechtskräftiges<br />
Urteil und schließt Einwendungen hiergegen aus.<br />
4.4.3. Gläubigerausschuss<br />
Der Gläubigerausschuss ist ein selbstständiges Organ der Insolvenzverwaltung, vergleichbar einem Aufsichtsrat. Er<br />
soll den Einfluss der Gläubiger auf das Insolvenzverfahren stärken. Der vorläufige Gläubigerausschuss wirkt bei der<br />
Verwalterbestellung mit (§ 56 a InsO). Im eröffneten Verfahren unterstützt und überwacht der Gläubigerausschuss<br />
(§ 69 InsO) den Verwalter bei dessen Geschäftsführung und prüft den Zahlungsverkehr/Kassenbestand.<br />
Bei Erfüllung von zwei der drei in § 22 Abs. 1 InsO Merkmale (mindestens 6.000.000 € Bilanzsumme, mindestens<br />
12.000.000 € Umsatz in den letzten 12 Monaten vor dem Abschlussstichtag oder mindestens 50 Arbeitnehmer im<br />
Jahresdurchschnitt) ist regelmäßig bereits in der vorläufigen Insolvenz ein Gläubigerausschuss einzusetzen.<br />
Eine Mitgliedschaft für Gläubiger im Gläubigerausschuss macht vor allem in einem Verfahren Sinn, bei dem das<br />
betreffende Unternehmen wirtschaftlich stärker betroffen ist.<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
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Prozesse<br />
4.4.4. Gläubigerversammlung<br />
Die Gläubigerversammlung ist das wichtigste Organ des Insolvenzverfahrens und der insolvenzrechtlichen Selbstverwaltung.<br />
Die wichtigsten Aufgaben sind die Wahl des Insolvenzverwalters, die Entscheidung über die Einsetzung<br />
eines Gläubigerausschusses, die Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens, die Kontrolle des Verwalters und<br />
die Zustimmung/Einwilligung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen. Bei Vorlage eines Insolvenzplans<br />
stimmt die Gläubigerversammlung hierüber ab. Zwingend vorgeschrieben ist die Gläubigerversammlung zum<br />
Berichtstermin, häufig verbunden mit dem Prüfungstermin zur Prüfung der angemeldeten Forderungen sowie zum<br />
Schlusstermin. Darüber hinaus finden fakultative Gläubigerversammlungen auf Initiative des Insolvenzgerichts,<br />
des Insolvenzverwalters, des Gläubigerausschusses oder auf Antrag von Gläubigern statt, wenn die in § 75 Abs. 1<br />
Nr. 3, Nr. 4 vorgeschriebenen Mehrheiten erreicht werden.<br />
4.4.5. Informationsgewinnung im Insolvenzverfahren<br />
• Berichtstermin<br />
• Eröffnungsgutachten<br />
• Zwischenberichte<br />
• Gläubigerinformationssystem (GIS = durch Insolvenzverwalter geführtes Online-Portal)<br />
• Einsicht in die Insolvenzakte<br />
• Austausch mit anderen Gläubigern<br />
4.5. Umgang mit laufenden Vertragsverhältnissen<br />
4.5.1. Grundsätzliches<br />
Verträge, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beiderseitig nicht vollständig erfüllt sind, werden nach<br />
Maßgabe der §§ 103 ff. InsO abgewickelt. Hier steht dem Insolvenzverwalter grundsätzlich ein Wahlrecht zu, ob<br />
er Vertragserfüllung wählt oder die Vertragserfüllung ablehnt. Reagiert der Verwalter auf eine Aufforderung nicht<br />
unverzüglich (ca. eine Woche Reaktionszeit), kann er nicht mehr auf Vertragserfüllung bestehen. Lehnt der Verwalter<br />
die Vertragserfüllung ab, wandelt sich der Anspruch des Gläubigers in einen Schadensersatzanspruch um (§ 103 Abs.<br />
2 Satz 1 InsO). Teilbare Leistungen werden zum Stichtag Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgesplittet (§ 105 InsO).<br />
Für bestimmte Vertragstypen bestehen Sonderregelungen.<br />
4.5.2. Kaufverträge<br />
Für Kaufverträge unter Eigentumsvorbehalt gilt, dass in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers der Käufer, der bereits<br />
Besitz an der Kaufsache erlangt hat, Erfüllung verlangen kann. Im umgekehrten Fall der Insolvenz des Vorbehaltskäufers<br />
kann der Insolvenzverwalter mit der Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO bis zum Berichtstermin (regelmäßig<br />
1. Gläubigerversammlung) warten.<br />
4.5.3. Mietverträge<br />
Bei Insolvenzeröffnung bestehende Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder<br />
Räume bestehen zulasten der Insolvenzmasse fort (§ 108 InsO). § 103 InsO gelangt hier nicht zur Anwendung. Dem<br />
Verwalter ist in der Insolvenz des Schuldners als Mieter/Pächter gemäß § 109 Abs. 1 ein Sonderkündigungsrecht mit<br />
einer Frist von 3 Monaten (es sei denn die vertragliche Kündigungsfrist ist kürzer) eingeräumt. Offene Mietzinsansprüche<br />
aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung werden Insolvenzforderungen, eine auf Mietrückstände gestützte Kündigung<br />
des insolventen Mieters nach Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist unzulässig (Kündigungssperre nach<br />
§ 112 InsO).<br />
Miet- und Pachtverträge über bewegliche Gegenstände und Rechte unterfallen dem Anwendungsbereich des § 103 InsO.<br />
In der Vermieterinsolvenz besteht bei der Veräußerung des Miet- oder Pachtobjekts durch den Insolvenzverwalter<br />
für den Erwerber ein Sonderkündigungsrecht gegenüber dem Mieter (§ 111 InsO).<br />
18<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Prozesse<br />
4.5.4. Werkverträge<br />
Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines noch nicht vollständig fertig gestellten Werkes, trifft ihn auch<br />
die Verpflichtung, den bereits erstellten Teil mangelfrei zu übergeben. Dies ist allerdings nicht unumstritten.<br />
Aus Gläubigersicht ist wegen der Ungewissheit, ob der insolvente Bauunternehmer auch die während der<br />
Gewährleistungsfrist auftretenden Mängel noch wird beseitigen können, hier besonderes Augenmerk auf die<br />
Anpassung des Vertrages und die Absicherung von Gewährleistungsrisiken zu richten.<br />
4.5.5. Dienstverträge<br />
Dienst- und Arbeitsverträge, die der Schuldner abgeschlossen hat, können durch den Insolvenzverwalter unabhängig<br />
von der vertraglich oder tariflich vereinbarten Kündigungsfrist stets mit einer Frist von drei Monaten beendet werden,<br />
je nachdem, welche Frist kürzer ist.<br />
4.5.6. Aufträge/Geschäftsbesorgungsverträge/Vollmachten<br />
Mit dem Schuldner geschlossene Geschäftsbesorgungsverträge oder durch diese erteilten Aufträge und Vollmachten<br />
mit Bezug zum Insolvenzvermögen erlöschen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch, lediglich<br />
Zahlungsaufträge bestehen fort. Bei Gefahr im Verzug ist der Auftragnehmer verpflichtet, Aufträge fortzuführen,<br />
bis der Schuldner anderweitig Vorkehrungen treffen kann.<br />
4.6. Aufrechnung und Verrechnung im Insolvenzverfahren<br />
Grundsätzlich bleibt eine vor Insolvenzantragstellung bestehende Aufrechnungsmöglichkeit bestehen (§ 94 InsO).<br />
Allerdings sind die Einschränkungen der § 95 InsO und insbesondere des § 96 InsO zu beachten. Es ist möglichst<br />
schnell bei Kenntniserlangung von einer Insolvenz zu ermitteln, inwieweit Aufrechnungsmöglichkeiten bestehen und<br />
hiervon Gebrauch zu machen. Es gilt der Grundsatz, dass eine bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes<br />
oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung bestehende Aufrechnungslage erhalten bleibt.<br />
Nach § 96 InsO ist die Aufrechnung ausgeschlossen, wenn<br />
• ein Insolvenzgläubiger nach Eröffnung des Verfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,<br />
• ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben<br />
hat oder<br />
• die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung entstanden ist.<br />
4.7. Einstellung mangels Masse (§ 207 InsO) und Masseunzulänglichkeit (§ 208 ff. InsO)<br />
Deckt die Insolvenzmasse die Kosten des Verfahrens nicht (mehr), wird nach Anhörung der Gläubiger das Verfahren<br />
mangels Masse eingestellt.<br />
Von Masseunzulänglichkeit spricht man, wenn zwar die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind, die<br />
Insolvenzmasse aktuell aber nicht ausreicht, um die fälligen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. In diesem Falle zeigt<br />
der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht an. Die Masseunzulänglichkeit<br />
wird öffentlich bekannt gemacht. Je nach Verfahrensablauf kann die Masseunzulänglichkeit auch wieder beseitigt<br />
werden.<br />
4.8. Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO)<br />
• Gleichberechtigte Alternative zur Regelabwicklung; mittels Insolvenzplan bleibt das insolvente Unternehmen<br />
erhalten und kann fortgeführt werden<br />
• Gläubiger dürfen nicht schlechter gestellt werden als bei der Regelabwicklung<br />
• Auch im Verbrauchinsolvenzverfahren zulässig<br />
• Eingriff in Gesellschafterrechte möglich<br />
• Schulden können in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden (debt-to-equity-swap), Interessante Alternative<br />
für Gläubiger<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
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Prozesse<br />
• über den Plan stimmen die Gläubiger ab (Erörterungs- und Abstimmungstermin)<br />
• Es werden für die Abstimmung Gruppen gebildet<br />
• Die fehlende Mehrheit innerhalb einzelner Gruppen kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen durch einen<br />
Gerichtsbeschluss ersetzt werden<br />
• Plan muss durch das Gericht bestätigt werden<br />
• Minderheitenschutz setzt Widerspruch des betreffenden Gläubigers im Abstimmungstermin zu Protokoll voraus<br />
• Mit Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans treten dessen Wirkungen ein und das Insolvenzverfahren wird<br />
aufgehoben<br />
• Schuldner erhält Verfügungsbefugnis zurück<br />
• Gläubigerforderungen, die im Abstimmungstermin nicht angemeldet waren, verjähren spätestens binnen eines<br />
Jahres (§ 259 b InsO)<br />
• Insolvenzanfechtung bleibt bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen auch nach Verfahrensaufhebung dennoch<br />
möglich<br />
4.9. Aufhebung/Einstellung des Insolvenzverfahrens<br />
• Bei Massearmut (§ 207 InsO) wird das Insolvenzverfahren eingestellt<br />
• Nach Rechtskraft eines bestätigen Insolvenzplans (§ 258 InsO) erfolgt Aufhebung<br />
• Bei Wegfall des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) wird das Verfahren eingestellt<br />
• Nach Schlussverteilung und Schlusstermin wird das Insolvenzverfahren aufgehoben (§ 200 InsO)<br />
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger ihre Forderung gegen den Schuldner unbeschränkt<br />
geltend machen. Dabei ist zu beachten:<br />
Dies gilt nicht bei Erteilung der Restschuldbefreiung und bei einem Insolvenzplan.<br />
Juristische Personen erlöschen infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens.<br />
4.10. Restschuldbefreiung<br />
Natürliche Personen können bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung beantragen, Dies gilt<br />
gleichermaßen bei Verbraucher- wie auch bei Unternehmensinsolvenzverfahren.<br />
• Schuldner tritt ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens für drei Jahre die pfändbaren Einkünfte an einen Treuhänder<br />
ab – nach Ablauf von drei Jahren kann Restschuldbefreiung erteilt werden<br />
• Schuldner hat Erwerbsobliegenheit<br />
• Restschuldbefreiung kann bei bestimmten Verstößen versagt werden (§ 290 InsO)<br />
• Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger, auch solche, die ihre Forderungen nicht angemeldet<br />
haben<br />
• Von der Restschuldbefreiung sind u.a. Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung<br />
ausgenommen (§ 302 InsO) – muss bei der Forderungsanmeldung ausdrücklich mit angegeben werden<br />
• Handlungsempfehlung: bei Vorliegen der Voraussetzungen eher auf Feststellung aus vorsätzlich begangener<br />
unerlaubter Handlung hinwirken (Vorteil: Forderungen anderer Gläubiger gehen mit Erteilung der<br />
Restschuldbefreiung unter)<br />
20<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
Verbraucherinsolvenzverfahren & Insolvenzanfechtung<br />
5. Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 302 ff. InsO)<br />
• Findet Anwendung für natürliche Personen,<br />
o die keine wirtschaftliche selbstständige Tätigkeit ausüben oder<br />
o deren wirtschaftliche Tätigkeit beendet ist,<br />
o deren Vermögensverhältnisse überschaubar sind (weniger als 20 Gläubiger) und<br />
o gegenüber denen keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen<br />
• Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan muss gescheitert sein (§ 305 a InsO)<br />
• Gläubiger sind verpflichtet, auf eigene Kosten nach Aufforderung des Schuldners eine Forderungsaufstellung<br />
(aufgeschlüsselt nach Hauptforderung, Zinsen und Kosten) zu übersenden<br />
6. Insolvenzanfechtung<br />
6.1. Grundlagen Insolvenzanfechtung<br />
• Insolvenzanfechtung dient der Rückabwicklung von Handlungen vor Insolvenzeröffnung, durch die die anderen<br />
Gläubiger benachteiligt werden (§ 129 InsO)<br />
• die Anfechtung wird durch den Insolvenzverwalter bzw. bei Eigenverwaltung durch den Sachwalter ausgeübt<br />
• nach erfolgreicher Anfechtung lebt die ursprüngliche Forderung wieder auf, dies gilt auch für damit<br />
verbundene Sicherungsrechte und gegenüber der Warenkreditversicherung (Anfechtung daher stets der<br />
Warenkreditversicherung anzeigen!)<br />
• Anfechtungszeitraum je nach Tatbestand rückwirkend bis zu 10 Jahre vor Verfahrenseröffnung<br />
• Verjährung: im Regelfall 3 Jahre gerechnet ab dem 31. Dezember des Jahres, in dem das Verfahren eröffnet wurde<br />
• Abgrenzung kongruente zu inkongruenter Deckung:<br />
o Gläubiger erhält die Leistung in der vertraglich vereinbarten Art und Weise, verzögerte Zahlung oder<br />
Ratenzahlung sind kongruent<br />
6.2. Einzelne Anfechtungstatbestände<br />
• Kongruente Deckung (§ 130 InsO)<br />
o<br />
Anfechtungszeitraum 3 Monate vor Insolvenzantragstellung i. d. R. bei Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit<br />
seitens des Anfechtungsgegners.<br />
• Inkongruente Deckung (§ 131 InsO)<br />
o beispielsweise bei Zwangsvollstreckung oder Abweichung von ursprünglich vereinbarten<br />
Zahlungsmodalitäten.<br />
o Anfechtungszeitraum 3 Monate vor Insolvenzantragstellung.<br />
o Keine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit seitens des Anfechtungsgegners erforderlich. Objektive<br />
Zahlungsunfähigkeit reicht aus.<br />
o Im letzten Monat vor Antragstellung keine weiteren Voraussetzungen erforderlich.<br />
• Vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO)<br />
o<br />
o<br />
o<br />
Anfechtungszeitraum 10 Jahre rückwirkend ab Insolvenzantragstellung, bei kongruenter Deckung vier Jahre<br />
rückwirkend.<br />
Voraussetzung: Rechtshandlung des Schuldners mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und Kenntnis des<br />
Anfechtungsgegners hiervon, wird aus einer Vielzahl von der Rechtsprechung entwickelter Indizien abgeleitet.<br />
Bei Gewährung von Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlungsvereinbarung) Vermutungsregelung<br />
zugunsten des Anfechtungsgegners.<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong><br />
21
Insolvenzanfechtung<br />
• Unentgeltliche Leistung (§ 134 InsO)<br />
o<br />
Anfechtungszeitraum 4 Jahre rückwirkend ab Antragstellung, wenn Leistung Anfechtungsgegners ohne<br />
Gegenleistung erfolgt<br />
• Rettungsanker: Bargeschäft (§ 142 InsO)<br />
o<br />
Zur Vermeidung der Insolvenzanfechtung empfiehlt sich bei Kenntnis von Krisenanzeichen das Bargeschäft:<br />
o Leistungsaustausch in engem zeitlichem Zusammenhang (in der Regel maximal 30 Kalendertage<br />
zwischen Leistung/Lieferung und Zahlung),<br />
o auf erweiterten Eigentumsvorbehalt verzichten,<br />
o nicht mit Zahlungen auf Altverbindlichkeiten hierüber verbinden<br />
(hierüber gesonderte Zahlungsvereinbarung)<br />
6.3. Verhalten bei Insolvenzanfechtung<br />
Unbedingt professionellen Rat einholen; gut gemeinte Entlastungsversuche können dem Insolvenzverwalter Indizien<br />
für erfolgreiche Anfechtung liefern.<br />
Zur Vermeidung von Anfechtung nie Zahlungsaufstellungen an den Verwalter übersenden. Rechnungen bei<br />
Forderungsanmeldung um erhaltene Zahlungen kürzen, also nur den noch offenen Restbetrag anmelden (ohne<br />
detaillierte Aufführung bereits erhaltener Zahlungen).<br />
22<br />
<strong>Mindestanforderungen</strong> an das Credit Management in der <strong>Kundeninsolvenz</strong>
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