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SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

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GASTBEITRAG<br />

STEFAN LIEBING<br />

Afrika: Jobs statt<br />

Entwicklungshilfe!<br />

Afrika rückt derzeit wieder einmal in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit.<br />

<strong>SOCIETY</strong>-Gastautor Stefan Liebing plädiert für einen interessenbasierten außenpolitischen<br />

Ansatz in der Zusammenarbeit mit unserem Nachbarskontinent.<br />

82<br />

„Nach einem Jahrzehnt<br />

der Chancen<br />

sind die Folgen diverser<br />

Krisen zunehmend<br />

spürbar.“<br />

N<br />

och vor einigen Jahren haben Politiker<br />

regelmäßig die ungenutzten<br />

Chancen für die Wirtschaft in den<br />

Mittelpunkt gestellt. Auch das Potential<br />

des Kontinents in der Klimapolitik<br />

wurde betont, z.B. für die Erzeugung<br />

von grünem Wasserstoff. Die Euphorie<br />

ist allerdings etwas verflogen, denn<br />

heute wird der Kontinent vor allem mit<br />

den sich zuletzt häufenden Militärputschen<br />

und steigenden Flüchtlingszahlen<br />

in Verbindung gebracht.<br />

In der Tat werden die Zeiten auch<br />

für Afrika schwieriger. Nach einem<br />

Jahrzehnt der Chancen sind die Folgen<br />

diverser Krisen zunehmend spürbar.<br />

Inflation und deutlich gestiegene<br />

Staatsverschuldung als Folge der<br />

Corona-Krise schränken<br />

die Handlungsfähigkeit<br />

vieler Staaten<br />

ein. Seit dem<br />

russischen Angriff<br />

auf die Ukraine steigen<br />

Lebensmittel- und<br />

Energiepreise noch<br />

weiter. Unerwartete<br />

Trockenphasen und Klimawandel<br />

erschweren<br />

landwirtschaftliche<br />

Produktion. Es<br />

ist bedauerlich, aber<br />

nicht zu leugnen: Während<br />

weiterhin spannende Chancen<br />

für unternehmerisches Engagement<br />

auf dem Kontinent bestehen, sind die<br />

Nischen kleiner geworden und die Zahl<br />

der attraktiven Zielländer für Investitionen<br />

ist zurückgegangen.<br />

Dabei bräuchte Afrika nichts dringender<br />

als Wirtschaftswachstum und<br />

Investitionen aus dem Ausland. Regierungen<br />

auf dem Kontinent sind davon<br />

abhängig, Arbeitsplätze für die wachsende<br />

junge Bevölkerung anzubieten,<br />

wenn sie politische Stabilität sichern<br />

und wiedergewählt werden möchten.<br />

Das erfordert Zufluss an Investitionsmitteln<br />

und technologischem Knowhow.<br />

Um diese Art von Unterstützung<br />

bitten afrikanische Staatschefs seit<br />

Jahrzehnten. Weder Europa noch die<br />

USA haben dabei bislang wirklich geliefert.<br />

Es wird immer deutlicher: Traditionelle<br />

Formen der Entwicklungshilfe<br />

waren bislang weitgehend erfolglos<br />

und haben nicht die gewünschten Wirkungen<br />

gezeigt.<br />

Dies gilt im Prinzip für alle OECD-<br />

Länder. Die Gründe dafür sind eindeutig<br />

systemisch und haben nichts mit<br />

der Ernsthaftigkeit und Integrität der<br />

Projekte im Einzelfall zu tun. Das ganze<br />

Konzept ist nicht zeitgemäß, verzerrt<br />

die Anreize und sorgt für Stillstand.<br />

Unter den aktuellen Gegebenheiten<br />

sollte es für die Entwicklungspolitik<br />

selbstverständlich sein, alles zu<br />

tun, um private Investitionen hiesiger<br />

Unternehmen in Afrika anzureizen, die<br />

zumindest einen Beitrag zur Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen und lokalem Wirtschaftswachstum<br />

leisten können.<br />

Denn es bieten sich weiterhin spannende<br />

Chancen. Die Erzeugung von<br />

Wasserstoff auf Basis von Solar- und<br />

Windenergie etwa, ohne die Europa die<br />

Umstellung auf grüne Energie niemals<br />

rechtzeitig schaffen würde. Einige Mittelständler<br />

planen derzeit auf diesem<br />

Gebiet eine Reihe von milliardenschweren<br />

Investitionen auf dem<br />

Kontinent.<br />

Afrika bietet zudem gute Möglichkeiten<br />

für Unternehmen, die nach den<br />

Corona-Erfahrungen ihre Lieferketten<br />

diversifizieren möchten. Marokko<br />

und Tunesien etwa sind mittlerweile zu<br />

Geheimtipps für Mittelständler – vor<br />

allem auf dem Gebiet arbeitsintensiver<br />

Produktionsprozesse – geworden.<br />

Und schließlich können die oft sehr<br />

gut ausgebildeten IT-Fachleute Afrikas<br />

einen Beitrag dazu leisten, den Mangel<br />

hierzulande zu beheben.<br />

Wenn wir Wachstum und sozialen<br />

Ausgleich unterstützen möchten,<br />

muss ein interessenbasierter außenpolitischer<br />

Ansatz im Zentrum unseres<br />

Handelns stehen. Wir müssen<br />

zunächst einmal genauer verstehen,<br />

wie die afrikanischen<br />

Interessen und Präferenzen<br />

aussehen und wie<br />

es gelingen kann, dass<br />

afrikanische Staaten<br />

eine enge Zusammenarbeit<br />

mit dem „Westen“<br />

suchen, weil dieses Konzept<br />

afrikanischen Staaten<br />

besser dient als die<br />

jetzige neutrale Positionierung,<br />

die viele Länder<br />

zwischen Russland,<br />

Europa, den USA und<br />

China wählen.<br />

Ohne starke internationale Wirtschaftspolitik<br />

wird es keine erfolgreiche<br />

Außenpolitik geben können.<br />

Die Hausaufgaben zur Stärkung der<br />

Außenwirtschaftspolitik sind zuallererst<br />

in Europa zu erledigen. Dazu<br />

gehört nichts weniger als ein weitgehend<br />

neuer Ansatz in der Entwicklungspolitik.<br />

In einer schwierigeren<br />

politischen Lage werden wir zunehmend<br />

auf eine enge und gleichberechtigte<br />

Zusammenarbeit mit Afrika angewiesen<br />

sein, wenn wir unsere großen<br />

Probleme lösen wollen. Jetzt wäre es<br />

an der Zeit, die notwendigen Reformen<br />

einzuleiten.<br />

Foto/s © Stefan Liebing<br />

THE LEADING MAGAZINE OF MODERN DIPLOMACY

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