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SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

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FOKUS<br />

TÜRKIYE<br />

Wiener Kaffee und die<br />

zarten Anfänge der<br />

internationalen Diplomatie<br />

70<br />

Die Diplomatische Akademie in Wien ist eine der renommiertesten und<br />

bekanntesten Ausbildungsstätten für angehende Diplomat:innen weltweit. Doch<br />

nur wenige wissen, dass ihre Gründung eine direkte Folge der Intensivierung<br />

der bilateralen Beziehungen zwischen der Habsburger Monarchie und dem<br />

Osmanischen Reich war. VON PHILIPP JODLBAUER<br />

B<br />

ereits im späten 15. Jahrhundert<br />

unterhielt die Habsburger Monarchie<br />

– trotz kriegerischer Auseinandersetzungen<br />

– diplomatische Beziehungen<br />

zum Osmanischen Reich. Mit<br />

Unterbrechung entsandten die österreichischen<br />

Kaiser Botschafter nach<br />

Konstantinopel, der Hauptstadt des<br />

Osmanischen Reiches (heutiges Istanbul),<br />

ab dem 18. Jahrhundert etablierten<br />

sie erste Konsulate.<br />

Die berühmte Wiener Kaffeehauskultur<br />

würde es ohne die diplomatischen<br />

Beziehungen zum Osmanischen<br />

Reich vermutlich gar nicht geben. Mit<br />

der Ankunft des damaligen Großbotschafters<br />

Kara Mehmed Pascha in Wien<br />

1665 und den darauffolgenden Festlichkeiten<br />

kam auch der Kaffee nach Wien.<br />

Während der Feierlichkeiten wurde<br />

das noch unbekannte Getränk ausgeschenkt<br />

und begeisterte sofort.<br />

Die Bedeutung der Beziehungen<br />

zwischen der Habsburger Monarchie<br />

und dem Osmanischen Reich zeigt sich<br />

unter anderem auch an der Gründung<br />

der Kaiserlich-Königlichen Akademie<br />

für Orientalische Sprachen im Jahr<br />

1754 durch Kaiserin Maria Theresia. In<br />

Europa waren die Sprachen der Diplomaten<br />

zu dieser Zeit vorwiegend Latein<br />

und Französisch, jene des Osmanischen<br />

Reiches waren kaum jemandem<br />

bekannt.<br />

Mit der Intensivierung der bilateralen<br />

Beziehungen wurde es aber immer<br />

wichtiger, bei den bedeutendsten Handelspartnern<br />

permanent in Form von<br />

Repräsentanten vertreten zu sein und<br />

deren Sprache zu sprechen. Aus diesem<br />

Grund wurden den diplomatischen<br />

Vertretern sogenannte „Sprachknaben“<br />

oder „jeunes de langues“<br />

geschickt. Sie lebten im Haushalt des<br />

Missionschefs und sollten Türkisch und<br />

nach Möglichkeit Persisch und Arabisch<br />

lernen. Doch die Missionschefs<br />

setzten die jungen Männer lieber als<br />

Der Eingang der heutigen Diplomatischen<br />

Akademie<br />

Diener im eigenen Haushalt ein, das<br />

Konzept der Sprachknaben als Übersetzer<br />

bewährte sich also nicht und es<br />

wurde nach einer Alternative gesucht.<br />

Daraufhin empfahl Staatskanzler Graf<br />

Kaunitz 1753 Kaiserin Maria Theresia<br />

die Gründung einer akademischen Institution,<br />

die eigens für die Ausbildung<br />

von Personal im Bereich der internationalen<br />

Beziehungen vorgesehen war. So<br />

entstand am 1. Jänner 1754 die Kaiserlich-Königliche<br />

Akademie für Orientalische<br />

Sprachen.<br />

Mit ihr rückte der Fokus der Außenpolitik<br />

vom Europäischen hin zum<br />

Internationalen. Neben dem akademischen<br />

Studienprogramm und dem<br />

Erlernen der osmanischen Sprachen<br />

wurden die jungen Zöglinge auch im<br />

Fechten, Reiten, Tanzen und in Musikkunde<br />

unterrichtet.<br />

Die diplomatischen Beziehungen<br />

zwischen dem Osmanischen Reich<br />

und dem Habsburgerreich intensivierten<br />

sich im 19. Jahrhundert immer<br />

mehr. Die beiden Länder kooperierten<br />

auf diplomatischer, wirtschaftlicher,<br />

wissenschaftlicher und kultureller<br />

Ebene miteinander. So beförderte<br />

zum Beispiel die Reederei „Österreichischer<br />

Lloyd“ Post in die vom Osmanischen<br />

Reich kontrollierten Gebiete<br />

im östlichen Mittelmeer. Dort richtete<br />

die österreichische Post auch mehrere<br />

Zweigstellen ein. Ebenso wurden<br />

das österreichische St. Georgs-Krankenhaus<br />

und das österreichische St.<br />

Georgs-Kolleg im heutigen Istanbul<br />

Ende des 19. Jahrhunderts gegründet.<br />

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges<br />

unterzeichneten die Republik<br />

Österreich und die Türkische Republik<br />

einen Freundschaftsvertrag, um die<br />

diplomatischen Beziehungen gemäß<br />

dem Völkerrecht herzustellen. Österreichische<br />

Unternehmen warben ab 1964<br />

tausende Arbeitskräfte aus Türkiye ab.<br />

Sie tragen bis heute zum wirtschaftlichen<br />

Erfolg Österreichs bei. Hierzulande<br />

leben heute zahlreiche Menschen<br />

aus Türkiye bzw. Menschen mit türkischen<br />

Wurzeln. Durch sie gibt es eine<br />

lebendige Verbundenheit zwischen der<br />

Türkiye und Österreich, sowohl kulturell<br />

als auch gesellschaftlich. Zudem<br />

zählt das Land zu einem der beliebtesten<br />

Urlaubsziele der Österreicher:innen,<br />

viele von ihnen haben einen Zweitwohnsitz<br />

dort.<br />

Foto/s © Diplomaticshe Akademie Wien<br />

THE LEADING MAGAZINE OF MODERN DIPLOMACY

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