04.12.2023 Views

SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

GASTBEITRAG<br />

TÜRKIYE<br />

Istanbuls<br />

rasanter Wandel<br />

zum neuen<br />

Schmelztiegel<br />

Europas<br />

62<br />

L<br />

ängst ist Istanbul an Bevölkerung<br />

die Nummer 1 in Europa und hat<br />

dabei Moskau, London und Paris überflügelt.<br />

Europa, Afrika, der Nahe Osten,<br />

aber auch Russland und die Ukraine<br />

sowie die USA geben sich dort ein<br />

Stelldichein. Der neue, in Rekordzeit<br />

erbaute Flughafen ist eine logische<br />

Drehscheibe zwischen den Kontinenten:<br />

Geographie zählt, sie lässt sich<br />

nicht verrücken.<br />

Wie so oft bei Staaten, welche sich<br />

außerordentlich rasant entwickeln,<br />

hinkt die Wahrnehmung der Veränderungen<br />

durch die Außenwelt, im konkreten<br />

durch den „Westen“ oftmals<br />

der Zeit hinterher. Als die türkische<br />

Republik vor genau 100 Jahren, am 29.<br />

Oktober 1923, von Kemal Mustafa Atatürk<br />

gegründet wurde, lebte nur etwa<br />

ein Viertel der heute rund 85 Millionen<br />

Menschen in ihren Grenzen: ein Wachstum,<br />

das in Europa seinesgleichen<br />

sucht, aber südlich und östlich der Türkei,<br />

etwa im Iran oder Ägypten gleichermaßen<br />

„normal“ ist. Umso wichtiger<br />

ist die Rolle der Türkei, oder von<br />

„Türkiye“, wie sie sich seit kurzem offiziell<br />

auch auf Deutsch nennt, als enger,<br />

wenn auch nicht immer einfacher Partner<br />

seiner europäischen Nachbarn bzw.<br />

der Europäischen Union.<br />

Die 100 Jahre der Republik sind von<br />

einer beispiellosen, vom Staatsgründer<br />

Atatürk konsequent umgesetzten<br />

Modernisierung gekennzeichnet, angefangen<br />

bei Sprache, Schrift und Bekleidung.<br />

Das Osmanische wurde abgeschafft,<br />

die lateinische Schrift und<br />

zahlreiche Lehnwörter insbesondere<br />

aus dem Französischen wurden eingeführt.<br />

Ähnliches galt für die Kleidung,<br />

am augenscheinlichsten durch die<br />

Abschaffung von Fes-Kopfbedeckungen<br />

bei den Männern und den Verhüllungen<br />

bei den Frauen.<br />

Für Österreich gibt es wenige Länder,<br />

mit denen Wien schon so lange<br />

„Geographie zählt,<br />

sie lässt sich nicht<br />

verrücken.“<br />

Zeit diplomatische Beziehungen unterhält<br />

wie mit der Türkei: Vor fast 500<br />

Jahren, im Jahr 1528, entsandten die<br />

Habsburger erstmals Gesandte an den<br />

Sultanshof.<br />

Nach den beiden erfolgreich abgewehrten<br />

Türkenbelagerungen Wiens<br />

und dem Frieden von Karlowitz 1699,<br />

am Ende des Großen Türkenkrieges,<br />

hielt bald die „Türken-Mode“ in Architektur<br />

und Kunst und in das Hofzeremoniell<br />

sowie in Dramen und Opern<br />

Einzug. In Mozarts „Entführung aus<br />

dem Serail“ (1782) wird aus dem grausamen<br />

orientalischen Tyrannen Selim<br />

Bassa ein aufgeklärtes Ideal eines<br />

tugendhaften Herrschers – und ein<br />

musikalischer Ohrwurm.<br />

Die Wiener Weltausstellung 1873<br />

präsentierte eine orientalische Stadt<br />

mit einer großen Moschee und einem<br />

türkischen Kaffeehaus. Die Gründung<br />

des Orientalischen Instituts an der<br />

Universität Wien 1886 markierte eine<br />

Hochblüte der Orientforschung österreichisch-ungarischer<br />

Wissenschaftler.<br />

Seit 1895 werden unter Leitung des<br />

Österreichischen Archäologischen Instituts<br />

Grabungen und Forschungen in<br />

Ephesos durchgeführt. Deren kunsthistorische<br />

Bedeutung ist angesichts<br />

der etwa zwei Millionen Besucher pro<br />

Jahr auch ein Wirtschaftsfaktor, dementsprechend<br />

wird die archäologische<br />

Forschung in Ephesos finanziell auch<br />

von Wirtschaftsunternehmen maßgeblich<br />

unterstützt.<br />

Im 19. Jahrhundert wandelte sich<br />

die traditionelle Rivalität zwischen der<br />

Hohen Pforte in Istanbul und der Hofburg<br />

in Wien immer mehr zu gegenseitiger<br />

Nähe und schließlich sogar<br />

zu einem politischen Bündnis und zur<br />

Waffenbruderschaft, vor allem in der<br />

Gallipoli-Schlacht im 1. Weltkrieg, als<br />

die Briten und ihre Verbündeten letzt-<br />

THE LEADING MAGAZINE OF MODERN DIPLOMACY

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!