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SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

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Die Welt<br />

im Jahre 2100<br />

KOMMENTAR<br />

<strong>SOCIETY</strong> AKTUELL<br />

<strong>SOCIETY</strong>-Gastautor Kurt Seinitz beleuchtet in seinem Kommentar das<br />

ungleiche Bevölkerungswachstum im „globalen Norden“ und dem<br />

„globalen Süden“ und dessen mögliche Folgen.<br />

Foto/s © privat<br />

ass die Welt im Jahre 2100 ein<br />

D anderes Gesicht haben wird,<br />

könnte eigentlich als Binsenweisheit<br />

gelten. Dazu werden schon Klimawandel<br />

und Kriege beitragen. Auch<br />

die reale Möglichkeit des ultimativen<br />

Kriegs mit Atomwaffen hängt seit 70<br />

Jahren über unseren Köpfen.<br />

Neu ist allerdings die wachsende<br />

Kluft, die sich in der Bevölkerungszubeziehungsweise<br />

-abnahme zwischen<br />

dem sogenannten „globalen Süden“<br />

und dem „entwickelten Norden“ auftut.<br />

Die daraus entstehenden Wanderbewegungen<br />

– verstärkt durch Klimawandel,<br />

Hunger, Kriege – stellen für<br />

die nächsten Jahrzehnte eine akute<br />

Bedrohung der globalen Stabilität in<br />

nicht gekanntem Ausmaß dar.<br />

Alle Prognosen zu Eckpunkten in der<br />

Welt im Jahre 2100 fußen auf Trendberechnungen<br />

der letzten Jahre. Auf die<br />

Vereinten Nationen käme die wichtige<br />

Aufgabe zu, Bevölkerungsströme zu<br />

lenken, wenn die Erderwärmung Ende<br />

des Jahrhunderts unerträglich wird.<br />

Beispiele: Evakuierung der Pazifikinseln,<br />

Besiedlung Sibiriens.<br />

Die Geschichte zeigt, dass auf Dauer<br />

keine Mauern einen Migrationsdruck<br />

aufhalten können. Die aktuelle Statistik<br />

lässt den Schluss zu, dass die<br />

Geburtenraten sinken, wenn der (relative)<br />

Wohlstand steigt. Das lässt den<br />

Schluss zu, dass die Entwicklung in<br />

den Problemstaaten gefördert werden<br />

müsste – nicht nur durch Finanzmittel,<br />

sondern auch durch Bildung. Dazu notwendig<br />

wäre mindestens das Hundertfache<br />

des jetzigen Aufwands für Entwicklungshilfe.<br />

Diese Anstrengungen<br />

sehe ich leider nicht.<br />

Bevölkerungsschwund<br />

Ein Blick in die Statistiken: Die Industriestaaten<br />

des Nordens verzeichnen<br />

allesamt einen beschleunigten Rückgang<br />

der Einwohnerzahl. Beispiele:<br />

Japan von 124 Millionen im Jahre 2022<br />

auf 73 Millionen im Jahre 2100, Russland<br />

von 144 Mio. auf 121 Mio., Deutschland<br />

von 83 Mio. auf 69 Mio. oder Italien<br />

von 60 Mio. auf 37 Mio. Österreich von 9<br />

Mio. auf 8 Mio.<br />

Besonders hervorstechend ist der<br />

prognostizierte Rückgang der Einwohnerzahl<br />

Chinas von 1400 Mio. auf<br />

800 Mio. durch die niedrige bzw. negative<br />

Geburtenrate. Das kann auch als<br />

untrügliches Zeichen gewertet werden,<br />

dass China im entwickelten globalen<br />

Norden angekommen ist. China gegenüber<br />

steht Indien, dessen prognostiziertes,<br />

anhaltendes Bevölkerungswachstum<br />

den Subkontinent im Jahre<br />

2100 mit dann 1500 Mio. Einwohnern<br />

mit Abstand an die Spitze des globalen<br />

Südens setzen wird.<br />

Das Bevölkerungswachstum mit<br />

Schwerpunkt Afrika ist trotz leichtem<br />

Rückgang der Geburtenrate ein atemberaubender<br />

Albtraum. Beispiele: Nigeria<br />

von 218 Mio. auf 546 Mio., Ägypten<br />

von 116 Mio. auf 205 Mio., Dem. Rep.<br />

„Die Geschichte zeigt,<br />

dass auf Dauer keine<br />

Mauern einen Migrationsdruck<br />

aufhalten<br />

können.“<br />

Kongo von 100 Mio. auf 430 Mio., Tansania<br />

von 66 Mio. auf 244 Mio., Uganda<br />

von 47 Mio. auf 132 Mio. oder Sudan von<br />

46 Mio. auf 142 Mio.<br />

Hohe Bevölkerungszahlen sind a priori<br />

keine Belastung, wenn die staatlichen<br />

und gesellschaftspolitischen<br />

Strukturen das Management des<br />

Lebensraums gewährleisten. Dies ist<br />

aber in den meisten Staaten des globalen<br />

Südens nicht der Fall.<br />

Daraus und aus dem Klimawandel<br />

entwickelt sich die vielleicht gefährlichste<br />

Krise des Planeten: unkontrollierbare<br />

Migration, die Kriege auslösen<br />

kann. Nicht nur Europa ist mit wachsendem<br />

Migrationsdruck konfrontiert,<br />

auch die USA an der Südgrenze und<br />

sogar Südafrika an der Nordgrenze.<br />

Migrationsdruck<br />

Unerwünschte Migration, der „Clash of<br />

Civilisations“, belastet die demokratischen<br />

Strukturen der Aufnahmestaaten,<br />

kann sie zerstören. Abwehrkriege<br />

gegen eine „Übernahme“ sind aus der<br />

Geschichte bekannt.<br />

Dabei würde der globale Norden<br />

dringend Migration benötigen; allerdings<br />

qualifizierte Zuwanderung.<br />

Sinkende Bevölkerungszahlen bedeuten<br />

schrumpfende Wirtschaftsmärkte<br />

und sinkende Produktion – eine<br />

Abwärtsspirale.<br />

Schwellenländer, die ihre hohe Einwohnerzahl<br />

in den Griff bekommen,<br />

können davon profitieren: mehr Konsumenten,<br />

mehr Wirtschaftswachstum.<br />

Sie werden die Gewinner von<br />

morgen sein.<br />

In diesem Augenblick werden von<br />

den nächsten 1000 Kindern, die das<br />

Licht der Welt erblicken zum Beispiel<br />

172 in Indien geboren, 103 in China, 57<br />

in Nigeria, 32 in Kongo, 30 in USA aber<br />

nur 6 in Deutschland und Frankreich,<br />

5 in Großbritannien, 3 in Italien – und<br />

1 in Österreich.<br />

15<br />

Issue<br />

N <strong>384</strong>

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