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SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

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Henry Kissinger bei den Pariser Verhandlungen zum<br />

Vietnamkrieg<br />

Treffen im Oval Office mit Ismail Fahmi, Richard Nixon<br />

und Henry Kissinger<br />

Henry Kissinger traf Pham Fan Dong, den<br />

Nordvietnamesischen Premierminister in Hanoi<br />

Auch mit 100 Jahren ist<br />

er noch immer ein scharfer<br />

Beobachter (...)<br />

12<br />

tung, dies sei, so Kissinger, die Grundlage<br />

für Stabilität, vorausgesetzt, jede<br />

Macht würde grundsätzlich die Interessen<br />

der jeweils anderen anerkennen.<br />

Diese Maxime führt er bereits 1954 in<br />

seiner Doktorarbeit über Metternich,<br />

Bismarck und Castlereagh aus. Menschenrechte<br />

spielen dabei eine untergeordnete<br />

Rolle, denn der Zweck heilige<br />

die Mittel. Die Quintessenz von<br />

Realpolitik also, deren wohl bekanntester<br />

Vertreter Kissinger ist.<br />

Im Nahen Osten spielt er – nun in<br />

der Rolle als Außenminister – nach<br />

dem Jom-Kippur-Krieg 1973 eine zentrale<br />

Rolle in den Friedensbemühungen<br />

zwischen Israel und den arabischen<br />

Ländern. Mit der Genfer Nahostkonferenz<br />

initiiert er ein erstes direktes<br />

Zusammentreffen der Kontrahenten.<br />

Nach dem Rücktritt Nixons im Zuge<br />

der Watergate-Affäre 1974 und der<br />

Übernahme des Präsidentschaftsamtes<br />

durch Gerald Ford bleibt Kissinger<br />

weiter Außenminister.<br />

Erst mit dem Wahlverlust Fords<br />

gegen den Demokraten Jimmy Carter<br />

1977 beendet er seine politische Karriere.<br />

Aber auch danach mischt er als<br />

Berater der Präsidenten Ronald Reagan<br />

und George Bush, später auch von<br />

Donald Trump, weiter auf der Weltbühne<br />

mit. Und auch mit 100 Jahren ist<br />

er noch immer ein scharfer Beobachter,<br />

äußert sich regelmäßig zu internationalen<br />

Geschehnissen. Über den wiederentflammten<br />

Nahostkrieg sagt er<br />

kürzlich in einem NZZ-Interview:<br />

„Ich hoffe, dass es am Ende zu Verhandlungen<br />

kommen wird, wie ich sie<br />

am Ende des Jom-Kippur-Krieges führen<br />

durfte. Damals war Israel im Vergleich<br />

zu den umliegenden Mächten<br />

stärker. Heute bedarf es eines größeren<br />

Engagements Amerikas, um eine<br />

Fortsetzung des Konflikts zu verhindern.“<br />

Im Ukraine-Krieg warnt er davor,<br />

bezüglich eines Nato-Beitritts des Landes<br />

zu zögerlich zu sein und den Krieg<br />

„auf die falsche Weise zu beenden.“ Vor<br />

dem Krieg war er noch gegen eine Mitgliedschaft.<br />

Schlaflose Nächte bereite ihm<br />

außerdem die Frage, wie man die<br />

„potenziell zerstörerischen Fähigkeiten<br />

der künstlichen Intelligenz begrenzen“<br />

könne. Seine Angst: dass das<br />

„verrückte Wettrennen“ in einer Katastrophe<br />

enden könnte. Zum Thema<br />

Künstliche Intelligenz hat Kissinger<br />

bereits 2022 ein Buch veröffentlicht.<br />

Zwei weitere – über KI und die<br />

Natur der Bündnissysteme – plant der<br />

100-Jährige noch.<br />

Die Anfänge<br />

Heinz Alfred Kissinger wird am 27. Mai<br />

1923 im mittelfränkischen Fürth in eine<br />

jüdische Familie geboren. Sein Vater<br />

Louis ist Lehrer, seine Mutter Paula,<br />

geborene Stern, stammt aus einer wohlhabenden<br />

Unternehmerfamilie. Kissinger<br />

wächst gemeinsam mit seinem jüngeren<br />

Bruder Walter wohlbehütet auf. Beide<br />

erhalten Klavierunterricht, gehen regelmäßig<br />

ins Nürnberger Opernhaus und<br />

verbringen ihre Ferien am prächtigen Hof<br />

der Großeltern mütterlicherseits. Kissinger<br />

besucht die Realschule, er liest<br />

gerne, am liebsten die deutschen Klassiker,<br />

von Goethe über Schiller bis hin zu<br />

Heinrich Heine. Außerdem spielt er Fußball<br />

bei der Spielvereinigung Fürth, die<br />

er bis heute verfolgt. „Ich würde sagen,<br />

das waren die glücklichsten Momente<br />

meines Lebens“, erinnert er sich 2023 im<br />

Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden<br />

der Axel Springer SE, Mathias Döpfner<br />

– bis Hitler an die Macht kommt und<br />

sich alles ändert. „Die ganze Atmosphäre<br />

war insgesamt sehr feindselig, überall<br />

gab es Schilder Juden sind nicht willkommen,<br />

Juden sind hier unerwünscht.<br />

So entstand eine starke Abgrenzung, in<br />

der man keine bürgerlichen deutschen<br />

Henry Kissinger traf in seiner langen Laufbahn zahlreiche Politiker:innen aus aller Welt u.a. Le Duc Tho, mit dem er 1973 den Friedensnobelpreis erhielt<br />

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