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SOCIETY 384

The latest issue of SOCIETY features Türkiye and Indonesia, as well as the late politician Henry Kissinger, an interview with Olga Stefanishyna and interviews with the Ambassadors of Kazakhstan, the Netherlands, Philippines, Slovakia and Thailand.

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Der<br />

Jahrhundertpolitiker<br />

Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater und US-Außenminister<br />

Henry Kissinger (†) ist im Mai 2023 100 Jahre alt geworden.<br />

Kaum jemand hat die Politik des 20. Jahrhunderts so<br />

wesentlich geprägt, wie der gebürtige Deutsche<br />

– sein Wirken ist aber auch umstritten. [Anmerkung der Redaktion:<br />

Kissinger ist nach Druckschluss des Magazins verstorben]<br />

VON SARAH HEFTBERGER<br />

Foto/s © Senior Master Sergeant Adrian Cadiz, Corbis, GPA-Photo Archive<br />

m Februar 1972 geht ein Bild um die Welt: Der<br />

I US-amerikanische Präsident Richard Nixon<br />

schüttelt dem chinesischen Revolutionsführer Mao<br />

Tse-tung die Hand. Ein Moment, "so einzigartig wie<br />

die Mondlandung“, schreibt Nixon später in seinen<br />

Memoiren.<br />

Den Grundstein für den historischen Besuch<br />

– der erste eines US-Präsidenten im kommunistischen<br />

China – legt ein Jahr zuvor der Nationale<br />

Sicherheitsberater Nixons: Henry Kissinger. Er war<br />

1969 vom frisch gewählten Staatsoberhaupt ins<br />

Weiße Haus geholt worden, nicht zuletzt auf Grund<br />

seines hervorragenden Rufes als Experte für internationale<br />

Politik.<br />

Die Begegnung zwischen Mao Tse-tung und<br />

Richard Nixon – die einen amerikanischen Komponisten<br />

sogar zu einem Opernstück inspiriert hat<br />

– ist nur eines von zahlreichen historischen Ereignissen,<br />

die Kissinger im Laufe seiner Karriere mitprägt,<br />

denn seine politische<br />

„Er war das ernsthafteste<br />

und reifste<br />

Flüchtlingskind“<br />

seine Mathematiklehrerin Anne Sindeband,<br />

George Washington High School<br />

Laufbahn fällt in eine weltpolitisch<br />

turbulente Zeit:<br />

Kalter Krieg, Nahostkonflikt,<br />

Vietnamkrieg, der Putsch in<br />

Chile. Die Liste ist lang.<br />

Seine Rolle im Vietnamkrieg<br />

ist jedenfalls umstritten,<br />

und das, obwohl er es<br />

war, der 1973 gemeinsam mit<br />

dem nordvietnamesischen Chefdelegierten Le Duc<br />

Tho ein Waffenstillstands- und Abzugsabkommen<br />

ausverhandelt, für das sie sogar den Friedensnobelpreis<br />

erhalten. Nur Kissinger nimmt die Auszeichnung<br />

an, Le Duc Tho lehnt mit der Begründung<br />

ab, dass in seinem Land noch immer kein<br />

Frieden herrsche.<br />

Das Bild des Handschlags zwischen den beiden<br />

Verhandlern geht jedenfalls um die Welt, die Entscheidung<br />

des Nobelpreiskommittees wird jedoch<br />

heftig kritisiert. Kissinger sei schließlich mitverantwortlich<br />

gewesen für die vorherige Eskalation<br />

des Krieges, dessen Beendigung ursprünglich<br />

eines der zentralen Wahlversprechen von Präsident<br />

Nixon war.<br />

Kritiker:innen werfen ihm außerdem vor, an<br />

den US-Geheimdienstoperationen mitgewirkt zu<br />

haben, deren Ziel es war, die sozialistische Regierung<br />

Chiles unter Salvador Allende zu stürzen. Der<br />

Militärputsch unter Führung von General Augusto<br />

Pinochet 1973 hat zwei Jahrzehnte brutale Militärdiktatur<br />

zur Folge. Überall gehen Menschen auf die<br />

Straße, um gegen die von Kissinger mitverantwortete<br />

Politik zu demonstrieren.<br />

Diplomatische Errungenschaften<br />

Zu den größten diplomatischen Erfolgen der Politik-Legende<br />

zählt – neben der Annäherung an<br />

China – unbestritten die<br />

Unterzeichnung des Rüstungsbegrenzungsvertrages<br />

(SALT-I-Vertrag) zwischen<br />

der Sowjetunion und<br />

den USA im Jahr 1972. Sie<br />

gilt als Krönung der von der<br />

Nixon-Kissinger Administration<br />

angestrebten Entspannungspolitik<br />

zwischen<br />

Ost und West, deren Ziel eine stabile, langfristige<br />

Koexistenz ist.<br />

„Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion<br />

sind ideologische Rivalen. Die Entspannung kann<br />

das nicht ändern. Das Atomzeitalter aber zwingt<br />

uns zur Koexistenz. […]“, erklärt Kissinger später<br />

(1982) in einem Spiegel-Beitrag die Bemühungen.<br />

Ein gewisses Gleichgewicht der Kräfte ist für<br />

den Chefdiplomaten stets von zentraler Bedeu-<br />

11<br />

Issue<br />

N <strong>384</strong>

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