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Bodmer_Publication

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Veränderte Wahrnehmung

Als Lehrbücher in Schulen und Universitäten erfuhren die Bände von Schinz

eine wesentlich weitere Verbreitung als das teure Reisewerk Wieds, das sich nur

wohlhabende Bürger, vermögende Fürstenhäuser und grosse Bibliotheken leisten

konnten. Vor allem die dritte Auflage von 1845, in der Schinz auf 13 grossformatigen

und eng bedruckten Seiten Auszüge aus der Reise des Prinzen wiedergibt,

kann man zusammen mit den sieben Lithografien nach Vorlagen von Bodmer

als eine Art «Volksausgabe» des wiedschen Werks bezeichnen. Keinem anderen

Reisen den räumte Schinz so viel Platz ein wie seinem Freund Maximilian – so

sorgte er dafür, dass dessen Arbeit in Lehranstalten und Fachkreisen bekannt

wurde, die nicht auf die Originalausgabe zurückgreifen konnten. Noch immer ist

die dritte Auflage der Naturgeschichte in den meisten Universitätsbibliotheken des

deutschsprachigen Raums verfügbar.

Damit hat Schinz einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, das Bild von den

Indianern Nordamerikas in Deutschland und Europa zu verändern. Wie in den

verschiedenen Editionen seiner Naturgeschichte verschwanden die Darstellungen

von Indianern des östlichen Waldlands und der Nordwestküste auch aus anderen

populären Werken und machten den Indianern der Prärien und Plains Platz, die

bis dahin von der weissen Gesellschaft weit weniger korrumpiert waren und noch

eher dem Ideal des «Edlen Wilden» entsprachen. Bis heute faszinieren die majestätischen

und würdevollen Erscheinungen, die Bodmer als Aquarelle zu Papier gebracht

hat, Europäer und Amerikaner gleichermassen, als Repräsentanten eines

vermeintlich goldenen Zeitalters der Menschheitsgeschichte, das in dieser Form

niemals wiederkehren wird. Vor allem in den Vereinigten Staaten sind die Original-

Aquarelle und die nach ihnen hergestellten Aquatinta-Stiche so etwas wie Ikonen

eines verlorenen Paradieses, das man zwar willentlich zerstört hat, durch Bodmers

Darstellungen aber zumindest in visueller Form weiter bewahren kann.

In seiner Studie The Emergence of the Plains Indian as a Symbol of the North

American Indian hob der amerikanische Ethnologe John Ewers den Einfluss von

George Catlin und Karl Bodmer auf die Bildung eines populären Indianerbilds

besonders hervor: «Together the works of Catlin and Maximilian-Bodmer, appearing

almost simultaneously, greatly stimulated popular interest in the Plains

Indians in this country and abroad and had a strong influence on the work of

many other artists.» 28

In vielen völkerkundlichen und bekannten Büchern des 19. und 20. Jahrhunderts

wurden Abbildungen nach Bodmers Vorlagen in allen möglichen Variationen

und Kombinationen verwendet. Doch keines dieser Werke reicht in der

Ab bildungsqualität an die Lithografien aus der Honeggerschen Lithographischen

Anstalt in Zürich heran, die ab 1835 die drei verschiedenen Ausgaben von Schinz’

Naturgeschichte und Abbildungen der Menschen zieren. Da diese in Amerika so

gut wie unbekannt sind, ist es dem Autor Brandon K. Ruud leider nicht gelungen,

in seinem ansonsten grossartigen Band über das druckgrafische Werk Bodmers

die Schinz-Lithografien richtig zuzuordnen und entsprechend zu würdigen.

Ruud schreibt die wenigen ihm bekannten Blätter unterschiedslos der Ausgabe

von 1845 zu. 29

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