Bodmer_Publication
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Maximilian Prinz zu Wied (1782 – 1867), der 1802 als Offizier in die preussische
Armee eingetreten war, unternahm nach seiner Militärzeit 1808 eine Bildungsreise
in die Schweiz und nach Italien. In Zürich lernte er Schinz kennen und schätzen.
Die beiden Gelehrten verband eine lebenslange Freundschaft, die besonders in den
425 Briefen zum Ausdruck kommt, die der Prinz zwischen 1809 und 1860 an Schinz
schrieb und die heute in der Zürcher Zentralbibliothek aufbewahrt werden. 8
1824 brachte Schinz erstmals ein reich illustriertes naturhistorisches Werk über
Säugetiere heraus, das in Brodtmanns lithographischer Kunstanstalt in Zürich
erschien. Es unterschied zwei Grundkategorien: «Zweihändige, oder Menschen»
und «Vierhänder, Quadrumana». Die Menschen teilte Schinz nach dem Göttinger
Professor Johann Friedrich Blumenbach (1752 – 1840) in fünf «Stämme» oder
«Rassen» ein. Auf 17 grossformatigen Tafeln waren deren Vertreter dargestellt, die
Vorlagen dazu stammten aus den damals bekannten Reisewerken.
Bei der «Amerikanischen Rasse» gab es noch Unsicherheiten in der Zuordnung,
Schinz zählte die Bewohner von Nordwestamerika zusammen mit denen aus
Kamtschatka zum «Caucasischen Stamm». Die Tafel mit den Nordwestamerikanern
zeigt einen «Mann aus Nutka Sund» (Vancouver Island) und einen «Mann
aus Prinz Wilhelms Sund» (Alaska), beide nach Abbildungen von Webber aus dem
Atlas zu Cooks dritter Fahrt, erschienen 1784. Hinzu kamen ein Amazonas-Indianer
aus Reise in Brasilien (1823 – 1831) von Spix und Martius sowie Botokuden und
andere Brasilianer aus der ersten Reisepublikation des Prinzen zu Wied von
1820 – 1821. Der einzige östliche Nordamerikaner war Thayendanegea (1742 – 1807),
der von Schinz als «Capitain Joseph Brant, Heerführer der Mohawks» bezeichnet
wurde. Die Lithografie entstand nach dem Porträt, das 1776 während Thayendanegeas
Aufenthalt in England von George Romney gemalt wurde. 9
In der zweiten, verbesserten Auflage der Naturgeschichte der Säugethiere, die
Schinz 1827 veröffentlichte, blieben die Abbildungen weitgehend gleich, doch ihre
Klassifizierung hatte sich etwas verändert. Die beiden Männer aus Nordwestamerika
waren der «Amerikanischen Rasse» zugeteilt worden, und Schinz hatte
als weiteren Nordamerikaner ein Porträt von Micco Chlucco, des Anführers der
« Siminolen» hinzugefügt, das er, nach eigenen Angaben, Bertrams Reisen nach
Nordamerika entnommen hatte. In seinem Text führt Schinz den Prinzen zu Wied
als Zeugen dafür an, dass «die Botocudos und andere Völker Brasiliens Menschenfresser
sind». 10 Die Indianer Nordamerikas versieht er mit einem ebenso wenig
schmeichelhaften Kommentar: «[Sie] geben oft ihr ganzes Vermögen hin, um
s tarkes Wasser, das heisst, Branntwein zu erhalten, und es ist eine bestimmte
Thatsache, dass der Missbrauch dieser Getränke eine ungemeine Verminderung
der ursprünglichen Bewohner Nordamerikas zur Folge hatte, und endlich diese
Völker einzig aus diesem Grunde fast aussterben werden.» 11 Schinz tut sich
schwer, Gemeinsamkeiten bei den Völkern Amerikas zu entdecken, und fügt
hinzu: «Die unendliche Verschiedenheit ihrer Sprachen macht die Muthmassungen
ihrer Herkunft um so schwieriger.» 12
Diese beiden Versionen der Naturgeschichte der Säugethiere verdeutlichen:
D amals gab es in Europa wenige zuverlässige Informationen über Indianer Nordamerikas.
Die Expedition der Amerikaner Meriwether Lewis und James Clark
zwischen 1804 und 1806 hatte zwar den Kontinent von Ost nach West durchquert,
doch die Forscher waren ohne Illustrator gereist, der das Gesehene hätte festhalten
können. Die 1814 unvollständig veröffentlichten Tagebücher enthielten nur
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