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Die Nordamerika-Sammlung des Prinzen Maximilian
zu Wied im Linden-Museum Stuttgart – weit mehr
als Zeugen früher indianischer Geschichte
Sonja Schierle
Vergangenheit und Gegenwart
Umgeben von Gegenständen aus der Sammlung des Prinzen Maximilian zu
Wied drückte Malcolm Wolf seinen Respekt vor seinem Ur-Ur-Ur-Grossvater Mato-
Tope aus, indem er dessen persönliches Lied vortrug. Einige Minuten lang durchdrang
der Gesang zum Rhythmus der Trommel den Raum und schuf eine Atmosphäre,
die alle Anwesenden ergriff und die emotionale Kraft dieser Verbindung
von Gegenwart und Geschichte spürbar werden liess.
Dies geschah im Jahr 2000, vor der offiziellen Eröffnung der Sonderausstellung
«Im Fluss der Zeit» im Linden-Museum Stuttgart. Als direkter Nachfahre des berühmten
Mandan-Häuptlings und als Repräsentant des Stammesrats der Three
Affiliated Tribes of Fort Berthold dankte Malcolm Wolf in seiner Rede Maximilian
Prinz zu Wied dafür, dass er die Exponate während seiner Reise nach Nordamerika
1832 – 1834 gesammelt und damit für die Geschichte erhalten hat.
Wolfs Anerkennung galt auch dem Linden-Museum Stuttgart. Indem es die
Stücke pflege, ermögliche es Besuchern aus aller Welt, die Kultur seiner Vorfahren
kennenzulernen. Die indianischen Gäste waren alle beeindruckt vom guten Zustand
der Objekte. Einige sahen es als göttliche Fügung, dass Prinz Maximilian bei
ihren Ahnen lebte, die Stücke nach Deutschland brachte, und sie damit als sichtbare
Dokumente einer längst vergangenen Zeit überleben konnten. Insbesondere
die direkten Nachfahren Mato-Topes empfanden tiefe Emotionen, war die Betrachtung
der Gegenstände für sie doch eine Begegnung mit ihrem Grossvater.
Vom Rhein an den Neckar
Bereits zu Lebzeiten verkaufte Maximilian Prinz zu Wied Stücke aus seiner
Nordamerika-Sammlung an das Berliner Völkerkundemuseum. 1 27 Jahre nach
Maximilians Tod gelangte seine ethnografische Sammlung ins Linden-Museum
Stuttgart. Von den insgesamt 202 inventarisierten Gegenständen wurden 101 Nordamerika
zugeordnet. Die Mehrzahl der 70 Südamerika-Objekte dürfte der Prinz
während seiner Brasilienreise 1815 – 1817 erstanden haben, 2 die restlichen stammen
aus Indien, Südostasien und China. Betrachtet man die Biografie der Stücke, bleibt
offen, welche der Prinz während seiner Expeditionen zusammentrug und welche
möglicherweise früher oder später hinzukamen. Da Maximilian einen regen
Austausch mit Wissenschaftlern und Reisenden pflegte, ist anzunehmen, dass er
neben Informationen auch Gegenstände kaufte und tauschte.
Über den Erwerb der Sammlung Wied schreibt der langjährige Kurator des
Linden-Museums Dr. Axel Schulze-Thulin: «Schon 1902 berichtet Dr. Karl Graf von
Linden von der etwa hundert Nummern umfassenden Sammlung des Prinzen
Maximilian zu Wied aus dem Kulturbereich der nordamerikanischen Indianer in
einem Seitentrakt des Neuwieder Schlosses, an der die Familie kein Interesse mehr
zu haben scheine. Anlässlich des XIV. Internationalen Amerikanistenkongresses
(1904) wird die Sammlung von Graf von Linden nach Stuttgart geschafft, um restauriert
und für längere Zeit im ethnographischen Museum ausgestellt zu werden.» 3
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