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Bodmer_Publication

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wie auf dem Weg von der Skizze zum Druck der Ausdrucksgehalt des Bildes sich

völlig verändern kann. Oder man sieht, wie das Bild einer Flusslandschaft am Ohio

ganz nah an das einer brasilianischen Flusslandschaft heranrückt, das kurz vor her

entstanden war und das Bodmer und Wied gekannt haben dürften. In der Darstellung

der Bäume und Pflanzen zumindest unterscheiden sich gleichzeitig entstandene

deutsche Landschaften, auch von Bodmer selbst, gar nicht sehr von solchen

amerikanischen: Natur ist noch auf beiden Seiten des Atlantiks unbegradigt.

Das Was und das Wie ist hier letztlich nicht zu trennen. Am deutlichsten wird

dies vielleicht in Bodmers grossen Indianerporträts. Mit ihnen gehört er in eine

komplexe Tradition der Darstellung des Anderen, in der sich das wissenschaft -

liche Bedürfnis nach Präzision mit einem ästhetischen Impuls überkreuzt. Über

diesen werden emotionale und intellektuelle Einstellungen zum Fremden transportiert

– zum Beispiel, ganz simpel, wenn der Fremde hässlich ist, wo Ablehnung

und Abgrenzung intendiert sind, und schön, wo es um Begegnung oder sogar

Identifikation geht.

Die Geschichte der Abbildung nordamerikanischer Indianer lässt sich an dieser

Stelle nicht einmal umrisshaft skizzieren. Nur ein paar Namen seien herausgegriffen.

Zeitgleich mit Bodmer ist da der Autodidakt George Catlin, mit dessen

frühen Werken Bodmer vertraut war, und der Porträtist Charles Bird King, der

schon vorher Gemälde produziert hatte, nach denen praktisch gleichzeitig mit

Bodmers Illustrationen zahlreiche Drucke erschienen. Etwas später als Bodmer

liegt ein Maler mit klassisch-akademischer Ausbildung wie Rudolf Friedrich Kurz,

dessen Entwicklung in direkter Auseinandersetzung mit Bodmer stattfand und

der gleichwohl bei den Indianern vor allem den klassisch-griechischen Körper

suchte. Und die Reihe setzt sich fort, mit einem neuen Höhepunkt am Ende des

19. Jahrhunderts: dem monumentalen fotografischen Werk von Edward S. Curtis.

Bodmers Platz in dieser Linie ist relativ klar zu definieren. Seine Porträts bel

egt die Kritik generell mit dem Begriff der Nobilitierung, und dass es ihm und

Maximilian – diesem vielleicht noch mehr als Bodmer – um die Suche nach einer

natürlichen Aristokratie ging, lässt sich unschwer schon an der Auswahl der

Porträtierten nachweisen. (Die Skizzen, die Bodmer von einer Reise nach Louisiana

im Winter 1832 – 1833 mitbrachte – der Prinz sass krank in New Harmony im heutigen

Indiana fest – , wurden nicht verwandt: Sie zeigen Choctaw, die gerade aus

i hren angestammten Gebieten vertrieben worden und vom «Kulturverlust» bedroht

waren.) Wied und Bodmer entwarfen allerdings kein einheitliches Bild

«des Indianers». Es gibt da durchaus dämonisierende Bilder von «schrecklichen

Wilden», und die Fremden begegnen Bodmer und Wied hier auch als potenzielle

Feinde – Tableau 42 signalisiert das bereits durch die Darstellung der einzelnen

Figuren. Der immer wieder aufflammende Konflikt unter den indianischen Gruppen

sowie zwischen ihnen und den Weissen wird in einigen wenigen Bildern greifbar,

im Text jedoch noch viel mehr. In beiden Medien erscheint zugleich die Tatsache,

dass auch eine solide Basis von Konventionen für den kulturellen Austausch

zwischen Indianern und Weissen zur Verfügung stand – siehe die Vignette XXVI,

auf der die Reisenden selbst in einer zeremoniell gestalteten Begegnungssituation

abgebildet sind.

Die Nobilitierung ihrerseits kündigt sich an in der kunstvoll arrangierten Delegation

von Sauk und Fox, die im Wind der Geschichte zu stehen scheint. Sie wird

ganz stark greifbar, wenn das Bild eines berittenen jungen Indianers nahtlos an

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