Bodmer_Publication
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Bodmer – Wied – Amerika: Eine Entdeckungsreise
Hartwig Isernhagen
Dass der Künstler Bodmer und der Naturforscher Wied, dessen wissenschaftliches
Hauptwerk die Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834
ist, zusammenfanden, war ein Glücksfall für beide. Es war ein Glücksfall für
Maximilian Alexander Philipp Prinz zu Wied-Neuwied, den nachgeborenen Sohn
aus rheinischem Fürstenhaus, mit Bodmer einen Künstler engagieren zu können,
der seinem trockenen Text durch die brillanten Illustrationen eine breitere
Wirkung verschaffte. Es war ein Glücksfall für den jungen Schweizer Maler Karl
Bodmer, mit dem, was er in Amerika sah und abzubilden hatte, einen Gegenstand
zu finden, der ihn zu Höchstleistungen anspornte.
Bei Wieds Geburt am 23. September 1782 war nicht vorherzusehen, dass er einmal
eine der bedeutendsten Gestalten in der Geschichte der Ethnologie Nordamerikas
werden würde. Eine ganz standesgemässe Erziehung führte ihn zunächst
1802 mit grosser Selbstverständlichkeit in den militärischen Dienst Preussens, des
grossen Nachbarn. In den damals bereits laufenden Konflikten mit dem nachrevolutionären
Frankreich geriet Wied 1806 in französische Gefangenschaft, wurde
bald ausgetauscht und studierte 1811 – 1812 bei J. F. Blumenbach in Göttingen eine
weit und ganzheitlich bzw. transdisziplinär verstandene Naturgeschichte.
Schon Alexander von Humboldt hatte bei Blumenbach studiert und 1799 – 1804
eine in Fachkreisen Aufsehen erregende Reise nach Südamerika (mit einem
Ab stecher nach Nordamerika) unternommen, die zum Vorbild für viele Naturforscher
des 19. Jahrhunderts wurde. Wied, der 1813 – 1815 wieder als Offizier
an den Befreiungskriegen teilnahm, hielt sich 1814 in Paris auf und traf dort
auch mit Humboldt zusammen. In welchem Mass und in welcher Weise Anlage
und Durchführung seiner Brasilienreise (1815 – 1817) durch diese Begegnung beeinflusst
wurden, lässt sich nicht rekonstruieren – noch nicht, da wartet noch
viel Material auf seine Aufarbeitung. Wied ist aber offenbar ganz allgemein
im Umkreis Humboldts anzusiedeln.
Bei der Drucklegung seines Berichts Reise nach Brasilien in den Jahren 1815 bis
1817 1 kam Maximilian schmerzlich zu Bewusstsein, dass ihm die von europäischen
Stechern nach seinen Skizzen produzierten Abbildungen qualitativ nicht
genügten. Er war kein begnadeter Zeichner, zwei seiner Geschwister überarbeite -
ten die Skizzen, und die Stecher mussten Personen und Gegenstände nachgestalten,
die sie nie selbst gesehen hatten: «[…] hat doch der Kupferstecher dem
kleinen, in der Hand des Mannes befindlichen Aguti einen Schwanz angedichtet.»
2 Das reduzierte notwendigerweise die Authentizität der Illustrationen. Die
aber betrachtete Wied als wesentlich, denn er sah sich schon auf der Brasilienreise
einem Dilem ma gegenüber: Der Fortschritt, der seine Wissenschaft erst möglich
machte und den sie ihrerseits vorantrieb, bedrohte die Kulturen, die er erforschte.
Genaueste Dokumentation dessen, was er sah, war darum wichtig – dies zumal er
sich auf die Suche nach den «ursprünglichsten» Kulturen machte. Gerade das,
was diese charakterisierte, war nach seiner eigenen Einschätzung auf dem Weg
von den Skizzen zu den fertigen Illustrationen oft verloren gegangen. Als er seine
nächste Expedition vorbereitete, suchte er deshalb einen Künstler, der ihn begleiten
und vor Ort die nötigen Zeichnungen selbst anfertigen würde.
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