Bodmer_Publication
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Einzel heiten umfassend, ist diese Art der
Empirik um so anmaßender, als sie keine
der Thatsachen kennt, von denen
sie erschüttert wird.» Er kritisiert diese
Anmassung aus der Position eines ‹guten›
Wissens, das auf Skepsis gegründet ist (17),
und er unterscheidet die hektische bzw.
sensationsgierige Suche nach Ausnahmen,
die er der ‹anmassenden› Empirie zu -
schreibt, von der Regelsuche echter
Wissenschaft (18).
19 Schliesslich gibt der Idealismus der Empirie
die erkenntnisleitenden Fragen vor, das
Sammeln von Tatsachen muss sich von
Ideen leiten lassen. (33 – 34) Oder: Es gibt
kein theorieloses Wissen.
20 Bei Burke ist das Sublime charakterisiert
durch das Zerschellen des rationalen
Denkens an einer überwältigenden Er -
scheinung. Das kann Humboldt, der das
Sublime hier für die Wissenschaft reklamiert,
so nicht stehen lassen, aber er kann
es auch nicht beiseite schieben. So bleibt
die Natur für ihn überwältigend und be -
wältigt, in einer coincidentia oppositorum,
die sich nur durch die Vorstellung einer
höheren Geistigkeit oder Intelligenz
auflösen lässt – wie sie tatsächlich anklingt.
21 In enger Assoziation mit dem Mythischen.
Vieles liest sich hier wie ein Vorgriff
etwa auf Ernst Cassirers Diskussion des
Mythischen in der Philosophie der
symbo lischen Formen.
22 Die amerikanische Kritik neigt naturgemäss
generell zur «Amerikanisierung» Bodmers.
So verbindet Porter, ohne dafür haltbare
Quellen anzugeben, J. F. Blumenbach,
Wieds akademischen Lehrer in Göttingen,
und Thomas Jefferson als gleichrangige
Einflüsse auf das Unternehmen der Reise:
«From 1832 to 1834 Maximilian would
personify the currents from Göttingen and
from Monticello in his North American
expedition.» (Porter 2002: 30) Porter
interessiert sich eben, wie schon 1947
Bernard DeVoto und seither viele andere,
für «Bodmer’s place in the painting of the
West» (DeVoto 1947: 402) und für diese
Malerei als identitätsstiftendes Medium
in der Geschichte Amerikas.
23 Wied 1850: 106
24 Koerner 1990: 116
25 Über den Begriff des Charakters wird
Feests Versuch nachvollziehbar, Bodmers
Porträts als Produkte seiner Meisterschaft
in der Landschaftsdarstellung zu verstehen:
«Bodmers Fähigkeit, die eingeborenen
Amerikaner physiognomisch korrekter
darzustellen als seine Zeitgenossen,
ist unübersehbar und ist oft kommentiert
worden. Die wahrscheinlichste Erklärung
dafür liegt übrigens in der Tatsache, dass
Bodmer in erster Linie als Landschaftsmaler
ausgebildet worden war und daher
Gesichter eher wie Landschaften in ihren
Proportionen noch etwas überhöht malte,
anstatt sich von dem an europäischen
Gesichtern geschulten Akademiewissen
über Portraitmalerei leiten zu lassen.»
(Feest 1996: 139 – 140)
26 Einen Kontext für Bodmer/Wied erstellt in
diesem Sinn Liebersohns kenntnisreiches
Buch über Aristocratic Encounters (1998).
27 Tylers Humboldt-Zitat (Tyler 2004: 21)
zeigt deutlich, dass es hier um die allgemeine
Nobilität einer hoch entwickelten
Mensch lichkeit geht, nicht um die
Arroganz eines Standes.
28 Vgl. Koerner (1990: 115) zu Franz Boas’
Kritik in diese Richtung.
29 Auch Porter schlägt sich mit der Frage
Hierarchie vs. egalitäres Verhältnis herum,
und zwar in interessanter Weise: über die
Rekonstruktion der Begegnungssituation
Wied/Indianer. (Porter 2002: 76)
30 Der Konflikt kann zu ausserordentlich
widersprüchlichen Darstellungen der
Materie führen – vgl. etwa Wilderotter
(1986), der im Übrigen voller interessanter
Details steckt.
31 Man ist wohl wieder bei der benjamin -
schen Verbindung von Kultur und Barbarei.
32 Es sei denn, man wollte z. B. meinen, die
idealistische Verknüpfung von Wissen und
sinnlicher Befriedigung durch das Schöne
habe sich überlebt. Eine so ahistorische
Position erscheint (mir) einfach
uninteressant.
33 Vgl. Draper 1943
34 Dass sich in eine solche Weltsicht dann
auch wieder christliche Religiosität
einfügen lässt, ist ebensowenig bestrit -
ten wie die Präsenz einer minoritären
affirmativen Tradition in der Ge -
schichte des Christentums. Aber die
Negativität des Irdischen ergibt
sich tendenziell eben so (logisch) aus
der Erlösungs bedürftigkeit des Menschen
wie (politisch) daraus, dass
aus ihr der Kirche als Institution wie
dem einzel nen Kirchenmann Macht
zuwächst.
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