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Hinz&Kunzt_353_Juli

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WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Zahl des Monats<br />

Inflationsgewinne<br />

Wie der Staat Profit<br />

abschöpfen könnte<br />

10 Milliarden Euro<br />

Mehreinnahmen erhofft sich der italienische Staat durch die sogenannte<br />

Übergewinnsteuer. Die neue Abgabe müssen Unternehmen bezahlen,<br />

die von der Inflation und ihren Folgen besonders profitieren: die Mineralölkonzerne.<br />

Dabei wird in Italien einmalig jener Teil des zwischen Oktober<br />

2021 und März 2022 erwirtschafteten Umsatzes besteuert, der den Vorjahreswert<br />

um mindestens 5 Millionen Euro oder 10 Prozent überschreitet.<br />

Auch Großbritannien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland haben<br />

Varianten einer Übergewinnsteuer eingeführt. Möglich wird das durch eine<br />

Leitlinie der Europäischen Kommission von März, die eine befristete<br />

Besteuerung außergewöhnlich hoher Gewinne ausdrücklich erlaubt. Hierzulande<br />

zeichnet sich keine politische Mehrheit für die Einführung einer<br />

solchen Steuer ab. Verantwortlich für die Blockade innerhalb der Ampelkoalition<br />

ist die FDP. Extragewinne sind nach Ansicht der Liberalen<br />

„schwer ermittelbar“ und „rechtlich fragwürdig“, so ihr Fraktionsvorsitzender<br />

Christian Dürr. Zudem sei Deutschland schon „ein Hochsteuerland“.<br />

Um Übergewinne dennoch abschöpfen zu können, will Bundeswirtschaftsminister<br />

Robert Habeck (Grüne) nun Gesetze verschärfen. Die Mineralölkonzerne<br />

verweisen zur Rechtfertigung ihrer Preispolitik auf gestiegene<br />

Weltmarktpreise. Um das besser prüfen zu können, soll das Kartellamt<br />

künftig Zugang zu internen Zahlen der Konzerne bekommen. Zudem soll<br />

die Beweislast bei Rechtsverstößen umgekehrt werden, sagte Habeck Mitte<br />

Juni in einem Deutschlandfunk-Interview: „Wenn die Wirkungen wie Kartell<br />

sind, dann gehen wir davon aus, dass es sich um ein Kartell handelt.“<br />

Theoretisch kann der deutsche Staat schon heute Übergewinne abschöpfen.<br />

Praktisch schaut er dem Treiben der Konzerne tatenlos zu. Bereits 2012<br />

hatte das Kartellamt von „einem Oligopol der großen fünf Mineralölkonzerne“<br />

gesprochen und Verfahren eingeleitet – ohne erkennbare Folgen.<br />

Das Wirtschaftsministerium bestätigte auf Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Nachfrage: „Das<br />

Bundeskartellamt hat die Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung bislang<br />

noch nie genutzt, da hier die Hürden nach aktueller Rechtslage besonders<br />

hoch sind.“ Wie genau Habeck das ändern will, konnte sein Ministerium<br />

bei Redaktionsschluss noch nicht erklären. „Wir arbeiten die Vorschläge<br />

jetzt weiter genauer aus.“ •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: ESTHER CZAYA<br />

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