FOCUS_19_Puma
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
AUSGABE <strong>19</strong> 7. Mai 2022<br />
EUROPEAN MAGAZINE AWA R D WINNER 2022 POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC<br />
REISE<br />
Wie Gott in Freiburg:<br />
48 Stunden in der<br />
lebenswertesten Stadt<br />
Deutschlands<br />
Wie wir die<br />
nächste<br />
Pandemie<br />
verhindern<br />
von<br />
Bill Gates<br />
IN DER<br />
IMMOBILIEN-FALLE<br />
Wenn der Traum zum Albtraum wird:<br />
Die neuen Risiken bei<br />
Zinsen, Baukosten, Sanierung
WIRTSCHAFT<br />
Der Vollprofi<br />
Vor seiner<br />
Managerkarriere<br />
war <strong>Puma</strong>-Chef<br />
Björn Gulden als<br />
Fußballer selbst<br />
erfolgreich – in<br />
seiner norwegischen<br />
Heimat und<br />
beim deutschen<br />
Zweitligisten<br />
1. FC Nürnberg<br />
Fotos: Maria Bayer für <strong>FOCUS</strong>-Magazin<br />
58<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>19</strong>/2022
UNTERNEHMEN<br />
Markenbotschafter<br />
Der <strong>Puma</strong>-Chef trägt natürlich<br />
Sneaker aus der eigenen<br />
Kollektion, hier das Modell<br />
CA Pro Heritage.<br />
Guldens Schuhgröße: 10,5<br />
Der Mann, der <strong>Puma</strong><br />
zum Laufen bringt<br />
Er hat aus der Marke wieder einen der<br />
größten Sportkonzerne der Welt gemacht.<br />
Heute muss <strong>Puma</strong>-Chef Björn Gulden<br />
nicht nur mit der Konkurrenz kämpfen.<br />
Auch Krieg, Politik und Klima fordern<br />
Antworten von ihm<br />
INTERVIEW VON PETER STEINKIRCHNER<br />
UND THOMAS TUMA<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>19</strong>/2022<br />
59
WIRTSCHAFT<br />
Björn Gulden lebt<br />
gerade in Extremen.<br />
Da sorgt er<br />
sich um <strong>Puma</strong>-<br />
Mitarbeiter in<br />
der Ukraine, aber<br />
auch in Russland.<br />
Dann aber fliegt der Norweger<br />
in die USA und trifft Hip-<br />
Hop-Milliardär Jay-Z. Seit<br />
Gulden Chef ist, gedeiht der<br />
Sportkonzern aus Herzogenaurach<br />
jedenfalls prächtig:<br />
der Umsatz so hoch wie nie,<br />
die Nachfrage nach Sneakern<br />
riesig. Aber wie geht’s weiter<br />
in solchen Kriegszeiten?<br />
Herr Gulden, bislang rüstete<br />
<strong>Puma</strong> die russische Basketball-Nationalmannschaft<br />
ebenso aus wie Schachtar<br />
Donezk, den wichtigsten<br />
Fußballklub der Ukraine. Was<br />
bedeutet der Krieg zwischen<br />
den beiden Ländern für <strong>Puma</strong>?<br />
Zumindest in Russland<br />
wurden alle Verträge suspendiert.<br />
Da gibt’s aktuell also<br />
keine Grundlage für irgendein<br />
Sponsorengeschäft.<br />
Anders als andere Unternehmen<br />
hat <strong>Puma</strong> seine Shops in<br />
Russland nur bis auf Weiteres<br />
geschlossen. Hoffen Sie auf Entspannung?<br />
Die Forderung, sich von so einem Land<br />
zu trennen, hört sich schön einfach an.<br />
Aber wir tragen dort Verantwortung für<br />
130 Shops und vor allem 1300 Beschäftigte.<br />
Die gehören zu unserer <strong>Puma</strong>-Familie.<br />
Also müssen wir ihnen eine gewisse<br />
Sicherheit und Perspektive geben.<br />
Sie zahlen die Gehälter weiter?<br />
Ja. Und wir kümmern uns zudem um<br />
Fortbildungskurse und andere Incentives,<br />
um unsere Leute aktiv zu halten. Übrigens<br />
haben wir hier in Herzogenaurach<br />
auch ein Dutzend russische Mitarbeiter.<br />
Die können ja nichts für den Konflikt.<br />
Wie helfen Sie Ihren Beschäftigten<br />
aus der Ukraine?<br />
Wir haben ein altes Sanatorium zu<br />
einem „Safe House“ umgestaltet, in dem<br />
Platz für 300 Menschen ist, zunächst mal<br />
Frauen und Kinder. Auch Kolleginnen von<br />
Adidas wurden schon aufgenommen. Zurzeit<br />
haben wir 113 Ukrainer hier in Erlangen,<br />
wo wir Wohnungen für sie angemietet<br />
haben. Manche arbeiten schon bei<br />
uns. Einige unserer Leute sind außerdem<br />
mehrfach mit Kleinbussen in<br />
die Ukraine gefahren – auf<br />
dem Hinweg mit Lebensmitteln,<br />
auf dem Rückweg mit<br />
evakuierten Menschen. Das<br />
rührt mich schon.<br />
Wollen Sie sich als Vorstandschef<br />
politisch positionieren?<br />
Müssen Sie es?<br />
Weder noch. Ich habe mit<br />
Politik nichts zu tun, sondern<br />
ich verkaufe Schuhe.<br />
Selbst russische Sportler<br />
ergreifen Partei …<br />
… und alle müssen selbst<br />
wissen, was sie tun. Ich würde<br />
nur davor warnen, russische<br />
Sportler unter Druck zu<br />
setzen, sich irgendwie zu positionieren.<br />
Immerhin leben viele in ihrem Heimatland.<br />
Da kann ich aus dem Westen leicht<br />
Statements einfordern. Natürlich finde<br />
ich diesen Konflikt unfassbar schlimm.<br />
Es ist auch für uns Europäer eine Niederlage,<br />
dass an unserer Ostgrenze nun<br />
so viele Menschen sterben müssen. Es<br />
»<br />
Auch Boris<br />
Becker<br />
bleibt ein<br />
Teil der<br />
<strong>Puma</strong>-<br />
Familie<br />
«<br />
Björn Gulden,<br />
<strong>Puma</strong>-Chef<br />
ist aber nicht so leicht, den<br />
Helden zu spielen, wenn man<br />
mittendrin steckt.<br />
Hat sich die Idee vom Wandel<br />
durch Handel erledigt?<br />
Das denke ich nicht. Aber<br />
was da falsch gelaufen ist,<br />
will ich nicht beurteilen. An<br />
zu wenig sportlichem Austausch<br />
kann es nicht gelegen<br />
haben. Die Russen hatten<br />
zuletzt Olympische Winterspiele,<br />
die Leichtathletik- so -<br />
wie die Fußball-Weltmeisterschaft,<br />
die Formel 1.<br />
Kann man als globale Sportmarke<br />
die Politik ignorieren?<br />
Das Schöne an unserem<br />
Job: Sport ist vielleicht der<br />
größte Brückenbauer der<br />
Welt. Ich bin schon aus Prinzip<br />
für einen stets freien<br />
Austausch von Menschen und<br />
Waren. Zugleich habe ich Riesenrespekt<br />
vor anderen Kul -<br />
turen, die das teils nicht alle<br />
so sehen wie wir und sich<br />
trotzdem unfassbar entwickelt<br />
haben. Schauen Sie<br />
nur, wie sich China in den vergangenen<br />
Jahrzehnten verändert<br />
hat!<br />
Welche Folgen haben die<br />
drastischen Corona-Lockdowns,<br />
die China aktuell<br />
wieder verhängt hat?<br />
Das kann ich noch nicht<br />
genau sagen. Unser Büro dort<br />
ist seit rund sechs Wochen<br />
geschlossen – wie die ganze<br />
Region. Die Leute sitzen<br />
zu Hause und können nicht<br />
raus, können also auch kaum<br />
einkaufen oder gar shoppen<br />
gehen. Die Produktion läuft.<br />
Aber jetzt macht der Schiffsverkehr<br />
Probleme.<br />
<strong>Puma</strong> ist Mitglied einer<br />
Industrievereinigung, die<br />
vergangenes Jahr ankündigte,<br />
wegen der Menschenrechtslage<br />
in der Provinz Xinjiang von<br />
dort keine Baumwolle mehr beziehen zu<br />
wollen. Daraufhin wurden Sie und andere<br />
Konzerne boykottiert. Was lernen Sie daraus?<br />
Dass man lieber mal die Klappe hält?<br />
Die chinesischen Kunden wollten ja<br />
unsere Produkte kaufen. Und das tun sie<br />
mittlerweile auch wieder. Was Menschenrechte<br />
angeht, hat sich in China schon<br />
Fotos: Maria Bayer für <strong>FOCUS</strong>-Magazin, dpa<br />
60 <strong>FOCUS</strong> <strong>19</strong>/2022
UNTERNEHMEN<br />
viel verbessert. Ist alles schon gut? Nein.<br />
Aber man sollte auch mal die Verbesserungen<br />
würdigen, finde ich.<br />
Blicken wir in Deutschland zu sehr durch<br />
unsere Moralbrille auf die Volksrepublik?<br />
Manchmal sind wir vielleicht etwas<br />
geschichtsvergessen, finden Sie nicht?<br />
Auch die meisten Länder Europas haben<br />
doch teils dunkelste Flecken in ihrer<br />
Vergangenheit. Ich find’s zum Beispiel<br />
im Fall China auch unfair, als es hieß,<br />
dass Olympische Winterspiele nur dort<br />
stattfinden sollten, wo die Sportarten eine<br />
Tradition haben. Dann kämen ja nur noch<br />
Orte wie Garmisch, St. Moritz oder Lillehammer<br />
infrage.<br />
Macht es Sinn, in einem Wüstenstaat<br />
wie Katar eine Fußballweltmeisterschaft<br />
zu starten?<br />
Auch da muss ich sagen: Katar hat sich<br />
sehr verändert, modernisiert. Dann kann<br />
man zwar fragen: Was davon ist dem Sport<br />
zu verdanken? Aber der viel schlechtere<br />
Weg, mit solchen Ländern umzugehen,<br />
sind Boykotte.<br />
Katar ist nicht nur wegen seiner autokratischen<br />
Führung in der Kritik, sondern<br />
auch, weil klimatisierte Rasenflächen<br />
in der Wüste nicht gerade nachhaltig<br />
sind – ein Thema, das auch <strong>Puma</strong> sehr<br />
umtreibt. Wie ernst nehmen Sie’s<br />
wirklich mit der Nachhaltigkeit?<br />
Sehr! Da hat sich wirklich viel verändert.<br />
Vor zehn Jahren<br />
war das Interesse der Verbraucher<br />
noch nahe null.<br />
Damals wären selbst bei uns<br />
hier kaum Leute von einem<br />
Town-Hall-Meeting rund um<br />
Klimaschutz zu begeistern<br />
gewesen. Jetzt ist die Halle<br />
voll. Die Generation Greta<br />
hat da ein neues Bewusstsein<br />
geschaffen, das echt ist.<br />
Auch Sie wollen bis<br />
2025 für einen Anteil von 90 Prozent<br />
nachhaltig produzierter Klamotten<br />
sorgen. Was heißt das für <strong>Puma</strong>?<br />
Dass wir versuchen müssen, den Massenmarkt<br />
für Nachhaltigkeit zu öffnen.<br />
Inzwischen hat sich auch das Bewusstsein<br />
bei den Zulieferern drastisch verändert.<br />
Ich bin sehr optimistisch für das, was wir<br />
als Industrie erreichen können.<br />
Wegen Nachhaltigkeit allein kauft<br />
aber kein Kunde Sportartikel. Wie viel<br />
Prozent des Produkterfolgs gehen am<br />
Ende auf Ihre Werbestars zurück?<br />
Auf Dauer machen diese Botschafter<br />
100 Prozent des Erfolgs aus. Denn wenn<br />
Auf dem Sprung<br />
Um BVB-Stürmer<br />
Erling Haaland<br />
reißen sich<br />
derzeit Vereine<br />
und Ausrüster<br />
<strong>Puma</strong> in Zahlen<br />
6,8<br />
Milliarden Euro Umsatz hat<br />
der Dax-Konzern 2021<br />
erzielt – so viel wie nie zuvor<br />
Prozent Plus meldete<br />
<strong>Puma</strong> in Nordamerika<br />
ersten Quartal<br />
39 im<br />
450<br />
Euro verlangt <strong>Puma</strong> für seinen<br />
aktuell teuersten Sneaker, den<br />
ION F, eine Kooperation mit Ferrari<br />
1<br />
Land<br />
310<br />
Millionen Euro Gewinn<br />
bedeuten fast viermal<br />
mehr als 2020<br />
gibt es weltweit,<br />
in dem <strong>Puma</strong> Marktführer<br />
ist: Indien, vor<br />
allem wegen Cricket<br />
die unsere Produkte nicht zeigen, verschwinden<br />
sie – und wir gleich mit.<br />
Wie viel ist Ihnen das wert?<br />
Unsere gesamten Marketingausgaben<br />
machen etwa zehn Prozent unseres<br />
Umsatzes aus.<br />
Also rund 700 Millionen Euro jährlich.<br />
Angeblich bekommt allein der Fußballstar<br />
Neymar 115 Millionen Euro.<br />
Wenn das stimmen würde,<br />
wäre ich nicht mehr <strong>Puma</strong>-<br />
Chef. Es ist viel weniger, als<br />
Sie denken.<br />
Woher wissen Sie, was ein<br />
Star für <strong>Puma</strong> wert ist?<br />
Es gibt tausend Agenturen, die versuchen,<br />
das zu messen. Wenn es dafür<br />
eine Formel gäbe, wäre ich reich. Am<br />
Ende ist es eine Mischung aus Abverkäufen<br />
und Bauchgefühl.<br />
Was sagt Ihr Bauchgefühl über Ihren<br />
norwegischen Landsmann und Noch-BVB-<br />
Stürmer Erling Haaland, um den Sie sich<br />
seit Monaten bemühen? Wie stehen die<br />
Chancen für <strong>Puma</strong>, ihn zu verpflichten?<br />
Erling war für den BVB von Tag eins<br />
an eine Erfolgsgeschichte, auch wenn die<br />
Sportpresse ihn manchmal hart kritisiert.<br />
Der Junge hat nichts falsch gemacht.<br />
Wir kennen uns ja schon sehr lange, und<br />
ich erinnere ihn und seinen Vater immer<br />
gerne daran, dass ich mit unser aller Heimatverein<br />
Bryne norwegischer Meister<br />
wurde – und die beiden nicht. Hahaha!<br />
Für den BVB hat Erling schon 80 Tore<br />
geschossen. Wenn man sich ansieht, was<br />
der BVB für ihn bezahlt hat und welche<br />
Summen jetzt bei einem möglichen<br />
Vereinswechsel aufgerufen werden, ist<br />
das für alle Beteiligten ein sehr schöner<br />
Erfolg.<br />
Aber langsam könnte er sich mal entscheiden,<br />
oder? Die Hängepartie müsste Sie als<br />
BVB-Aufsichtsrat allmählich nerven?<br />
Erling hat die volle Freiheit, sich zu<br />
entscheiden, wann er will.<br />
Beraten Sie ihn?<br />
Ich bin nur ein Freund seines Papas.<br />
Berater haben die genug.<br />
Wenn Sie als <strong>Puma</strong>-Chef einen Wunsch<br />
frei hätten, ginge Haaland zum <strong>Puma</strong>-<br />
Klub Manchester City, oder?<br />
Wenn ich es mir wünschen dürfte, würde<br />
er noch ein Jahr beim BVB bleiben und in<br />
<strong>Puma</strong>-Schuhen die deutsche Meisterschaft<br />
feiern. Aber ich weiß nicht, wie hoch die<br />
Wahrscheinlichkeit tatsächlich ist.<br />
Lokalrivale Adidas hat sogar Haalands<br />
Idol, den französischen Weltmeister<br />
Zinedine Zidane, eingeflogen, um<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>19</strong>/2022 61