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AUSGABE 16 16. April 2022 EUROPEAN MAGAZINE AWARD WINNER 2022 POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC Das geheime Leben OLAF SCHOLZ Hat der Kanzler sein Kabinett noch im Griff ? WLADIMIR PUTIN seiner Töchter GOTT ohne Kirche Missbrauch, Vertrauensverlust, Reformunfähigkeit Gibt es noch Hoffnung für den christlichen Glauben?

AUSGABE 16 16. April 2022<br />

EUROPEAN MAGAZINE AWARD WINNER 2022 POLITICS & SOCIETY /// INFOGRAPHIC<br />

Das geheime Leben<br />

OLAF SCHOLZ<br />

Hat der Kanzler<br />

sein Kabinett noch<br />

im Griff ?<br />

WLADIMIR<br />

PUTIN<br />

seiner Töchter<br />

GOTT<br />

ohne Kirche<br />

Missbrauch, Vertrauensverlust, Reformunfähigkeit<br />

Gibt es noch Hoffnung<br />

für den christlichen Glauben?


KULTUR<br />

BLINDBLIND<br />

BLINDBLIND<br />

Sprühend vor<br />

Kreativität<br />

Basquiat, 1960 in<br />

New York geboren,<br />

begann Ende der<br />

70er Jahre als<br />

Graffitikünstler.<br />

Bereits 1982 war<br />

er Documenta-<br />

Teilnehmer<br />

Foto: All Mauritius Images/VG Bild-Kunst, Bonn 2022<br />

Gegen die Wand<br />

Aus dem New Yorker Underground der Achtziger stieg der Straßenkünstler<br />

Jean-Michel Basquiat kometenhaft auf, implodierte grell und überstrahlt seither<br />

die Kunstwelt. Jetzt kommt eine Ausstellung ihm erstmals ganz nahe<br />

TEXT VON SEBASTIAN FRENZEL<br />

80 FOCUS 16/2022 FOCUS 16/2022 81


KULTUR<br />

KUNST<br />

Sollten Sie gerade 70 Millionen<br />

Dollar übrig haben,<br />

ist hier die Chance für<br />

ein aller Voraussicht<br />

nach gutes Investment.<br />

Am 18. Mai kommt bei<br />

Phillips ein Gemälde von<br />

Jean-Michel Basquiat zur Auktion. Das<br />

in leuchtenden Orangetönen gehaltene,<br />

etwa zweieinhalb Meter hohe und fünf<br />

Meter breite „Untitled“ (1982) gilt als ein<br />

Hauptwerk Basquiats und stammt aus<br />

dem Jahr seines Durchbruchs als Maler:<br />

1982 verzeichnete der damals gerade<br />

21-Jährige sechs internationale Ausstellungen,<br />

auch war er zur Documenta nach<br />

Kassel eingeladen. Eingeliefert wird das<br />

Werk von dem japanischen Geschäftsmann<br />

Yusaku Maezawa, dem auch das<br />

Er ist eine moderne<br />

Ikone. Der Heiland<br />

der Popkultur.<br />

Verachtet, verehrt,<br />

verherrlicht.<br />

teuerste Basquiat-Gemälde gehört, das<br />

jemals auf einer Auktion verkauft wurde:<br />

Das ebenfalls auf 1982 datierte Bild eines<br />

riesigen Schädels vor blauem Hintergrund<br />

kam im Mai 2017 für 110,5 Millionen Dollar<br />

bei Sotheby’s unter den Hammer. Um<br />

die jetzt taxierten 70 Millionen zu erreichen<br />

und vielleicht ein bisschen mehr,<br />

wird das Auktionsstück vorab auf eine<br />

internationale Tournee geschickt, von<br />

London nach Los Angeles nach Tapei und<br />

schließlich zum Phillips-Hauptquartier in<br />

New York, 432 Park Avenue.<br />

Jean-Michel Basquiat ist nicht nur<br />

der Goldstandard der zeitgenössischen<br />

Kunst, er ist eine Ikone, auf die sich alle<br />

einigen können. Er ist der Schutzheilige<br />

der Hip-Hop-Kultur, die sich seit Jahren<br />

auf einem globalen Siegeszug befindet,<br />

das Idol politischer Aktivisten, die<br />

in ihm einen Vorläufer der Black-Lives-<br />

Matter-Bewegung sehen, das Prunkstück<br />

internationaler Privatsammler wie<br />

auch der akademischen Museumswelt.<br />

Seine Ausstellungen (zuletzt richteten<br />

ihm die Fondation Louis Vuitton in Paris<br />

und das Guggenheim Museum in New<br />

York Retrospektiven aus) sind Blockbuster.<br />

Ein halbes Dutzend Dokumentationen<br />

und Biopics brachten sein Leben ins<br />

Kino. Modefirmen von Uniqlo über Dr.<br />

Martens bis Saint Laurent haben seine<br />

Motive adaptiert, der Juwelier Tiffany<br />

ließ im vergangenen Sommer Jay-Z und<br />

Beyoncé vor einem Basquiat-Gemälde<br />

posieren. Seit Jahren führt Basquiat auch<br />

die Charts der zeitgenössischen Kunstauktionen<br />

an. Allein 2021 erzielten seine<br />

Werke 439,6 Millionen Dollar, nur Pablo<br />

Picasso lag noch vor ihm. Aber der Spanier<br />

erlebte auch sieben legendär potente<br />

Schaffensjahrzehnte, da ist schlicht viel<br />

mehr im Umlauf. Basquiat starb 1988 mit<br />

nur 27 Jahren an einer Überdosis Heroin.<br />

Wer in all dem Hype um den Künstler<br />

bislang nicht zu hören war, ist seine Familie.<br />

Doch das soll sich jetzt ändern. „Jean-<br />

Michel Basquiat: King Pleasure©“ ist der<br />

Titel einer Ausstellung, die am 9. April<br />

im Starrett Lehigh<br />

Building in New<br />

York eröffnet. Die<br />

Schau wurde von<br />

Basquiats Schwestern<br />

Lisane Basquiat<br />

und Jeanine Heriveaux<br />

zusammen mit<br />

seiner Stiefmutter<br />

Nora Fitzpatrick zu -<br />

sammengestellt und<br />

umfasst rund 200 selten<br />

oder nie ausgestellte<br />

Kunstwerke,<br />

Familienfotografien,<br />

Kindheitszeichnungen<br />

und Artefakte.<br />

Die Motivation, nach<br />

über 30 Jahren das<br />

Familienarchiv zu<br />

öffnen, beschreibt<br />

Li sane Basquiat so:<br />

„Wir wollten ein wenig<br />

mehr von Basquiats persönlicher Seite<br />

mit der Welt teilen.“<br />

Altruismus war womöglich nicht der<br />

einzige Grund. Die Schwestern verwalten<br />

den Nachlass und haben in den vergangenen<br />

Jahren allerlei Lizenzen für Merchandiseartikel<br />

freigegeben – typische<br />

Basquiat-Symbole wie die Krone, der<br />

Schädel, maskierte Gesichter oder Textfragmente<br />

finden sich heute auf T-Shirts,<br />

Sofaüberzügen, Skateboards und vielem<br />

mehr. Parallel zu der von dem renommierten<br />

Architekten David Adjaye designten<br />

Ausstellung eröffnet jetzt auch ein eigener<br />

Shop, der Bekleidung, Schreibwaren<br />

und sogar Haustierzubehör mit Basquiat-<br />

Motiven anbietet. Für all jene, die gerade<br />

keine 70 Millionen Dollar übrig haben.<br />

Szene-Paar Der Kunstprinz und die angehende Queen<br />

of Pop Madonna in den frühen 80er Jahren<br />

Millionen-Fratze „Untitled“<br />

aus dem Jahr 1982 wird im<br />

Mai bei Phillips versteigert<br />

Familienbande Er kümmerte sich<br />

1967 um sie, heute kümmern sich<br />

die Schwestern um sein Werk<br />

Stil-Ikone Glänzendes Aussehen, verwegene Frisur – Basquiat<br />

verstand sich zu inszenieren. Und zerbrach dann an seinem Image<br />

Kunst-Imperium Das düstere Ende vorweggenommen: Die meisten<br />

Könige bekommen den Kopf abgeschlagen, schrieb Basquiat im Jahr 1982<br />

Inhaltlich versprechen die Ausstellungsmacher,<br />

einen „noch nie dagewesenen<br />

Blick auf den Künstler hinter der<br />

Legende“ zu werfen. Vor allem Basquiats<br />

Kindheit und sein familiäres Umfeld sollen<br />

beleuchtet werden, und tatsächlich gilt<br />

es, dort mit einigen Mythen aufzuräumen.<br />

Jean-Michel Basquiat wurde 1960 im<br />

New Yorker Stadtteil Park Slope geboren,<br />

als zweiter Sohn von Matilda Basquiat,<br />

deren Familie aus Puerto Rico stammte,<br />

und Gérard Basquiat, der in den fünfziger<br />

Jahren Haiti verlassen hatte. Anders als<br />

oft kolportiert, stammte Jean-Michel Basquiat<br />

nicht aus dem „Ghetto“, sondern<br />

aus einer Mittelstandsfamilie. Er besuchte<br />

eine katholische Privatschule. Seine<br />

kunstinteressierte Mutter ging mit ihrem<br />

Sohn regelmäßig ins Museum of Modern<br />

Art, ins Metropolitan Museum oder ins<br />

Brooklyn Museum, für das er schon als<br />

Sechsjähriger eine Jahreskarte bekam.<br />

Mit elf Jahren sprach er neben Englisch<br />

perfekt Französisch und Spanisch.<br />

Einfach war seine Kindheit dennoch<br />

nicht. Seine Eltern trennten sich, als er<br />

acht Jahre alt war. Die Kinder wechselten<br />

mehrmals den Wohnort. Wegen psychischer<br />

Probleme musste seine Mutter klinisch<br />

behandelt werden. Als Jean-Michel<br />

17 war, zog er zu Hause aus und schlug<br />

sich in Manhattan durch, lebte bei Freundinnen<br />

und Freunden, manchmal auch<br />

auf der Straße. Und natürlich erfuhr er<br />

auch Rassismus und Diskriminierung.<br />

Davor, man weiß es längst, ist in den USA<br />

nicht einmal der Präsident gefeit.<br />

Als Graffitiartist SAMO, Musiker, DJ,<br />

geheimnisvoll in sich gekehrter und ausgesprochen<br />

hübscher junger Mann wurde<br />

Basquiat Teil der Lower-East-Side-<br />

Szene. Zusammen mit jungen Sprayern<br />

wie Fab 5 Freddy und Lee Quinones zog<br />

er um die Häuser und durch die Clubs.<br />

Mit Madonna, die damals zwar noch kein<br />

Star, aber sich sicher war, dass sie bald<br />

einer werden würde, hatte er eine kurze<br />

Affäre – Polaroids der jungen Sängerin<br />

sind jetzt auch in der Ausstellung zu<br />

sehen. „There was a lot of talent on the<br />

street, because there was little money in<br />

the pockets“, so hat Lee Quinones jene<br />

Jahre einmal beschrieben. Es gab viel<br />

Talent und wenig Geld. Mit 19 Jahren<br />

spielte Basquiat die Hauptrolle in dem<br />

von Glenn O’Brien produzierten Film<br />

„Downtown 81“ und im Großen und Ganzen<br />

sich selbst: einen jungen mittellosen<br />

Künstler, der durch die Straßen Lower<br />

Manhattans streift. Die Bilder, die er<br />

Fotos: Bestimage, 2022 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York, Museum of<br />

Fine Arts Boston/The Estate of Jean-Michel Basquiat/VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Miranda Penn Turin, Courtesy of Phillips<br />

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