flip-Joker_2022-04
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THEATER KULTUR JOKER 5
Theaternebel, Krähen-Gekreisch,
die doppelstöckige
Bühne füllt die gesamte Becken-
Breite im Freiburger Marienbad
als düsteres Labyrinth aus zwei
riesigen Mühlrädern und vier meterhohen
Metall- und Holzregalen
samt fleckig-zerfetzten Vorhängen.
Staubig-rostiger Steampunk-
Flair (Ausstattung mit Tiefenwirkung:
Eugenia Leis). „Es war in
der Nacht zwischen Neujahr und
Dreikönig“, so eine Erzählerstimme
aus dem Off – und zack
ist man in der magisch-gruseligen
Welt von „Krabat“. Entlang einer
sorbischen Volkssage aus dem
17. Jahrhundert erzählt Otfried
Preußler in seinem 1972 mit dem
Deutschen und dem Polnischen
Jugendbuchpreis ausgezeichneten
Roman vom Pakt mit dem Bösen,
von der Liebe und dem Willen
zur Freiheit. „Krabat“ heißt sein
14-jähriger Held, der in die Fänge
des Meisters der Mühle vom Koselbruch
und damit fast in einen
Pakt mit dem Teufel gerät.
Die Geschichte zieht sich über
sieben Jahre, durch Jahreszeiten,
Mondphasen und kirchliche
Feiertage. Das ist schwierig für
eine Theaterinszenierung und
so gibt es auch in der zweistündigen
Strichfassung von Regisseurin
Jana Vetten und Drama-
Die Kraft der Träume
Otfried Preuslers „Krabat“ feierte in einer Fassung von Jana Vetten
im Theater im Marienbad Premiere
turgin Sonja Karadza einige
Retundanzen, vor allem am Ende
des sehr langen ersten Teiles verliert
der Erzählstrom an Dynamik
und wird allzu linear. Die
anfänglichen Erzähler-Einspielungen
wirken da wie Fremdkörper.
Alles andere funktioniert
fantastisch: Facettenreich, mit
viel Intensität und Dynamik spielen
Daniela Mohr, Julia Schulze,
Benedikt Thönes und Robert Huschenbett
in wechselnden Rollen
ihre elf Müllersburschen, es gibt
tolle Sprechgesänge (Musik:
Öğünç Kardelen) und Choreografien,
Schattenspiel und Leinwand-Projektionen,
Licht-Zauberei
und einen supergruseligen
Meister: Christoph Müller gibt
ihn als einäugigen, humpelnden
Riesen mit Krähenmantel – ein
mächtiger Bösewicht wie aus
einem Comic.
Doch erstmal läuft es gut für
Krabat: Energiegeladen und
fröhlich turnt Julia Schulze durch
das Mühlen-Eingeweide, schließlich
hat der Betteljunge plötzlich
eine Lehrstelle mit Kost und Logis,
dazu mit Tonda einen Freund
gefunden, wie es keinen besseren
gibt. Mit Stangen und Hammer
schlagen die Müllersburschen im
gemeinsamen Beat auf Holz und
Metall, rostrot sind ihre Oberteile,
fleckig grau die Arbeitshosen
und Jacken, quietschend setzt
sich das Mahlwerk mit Pedalen
in Bewegung. Daniela Mohr
streicht dazu bedrohlich-traurig
das Cello. Immer wieder gibt es
solch bild- und soundmächtige
Szenen, stark rhythmisiert und
voller bedrohlicher Atmosphäre
wie die Unterrichts-Litaneien in
der schwarzen Schule. Aus denen
blitzen helle Lichtinseln: Krabats
Unterricht in schwarzer Magie
mit dem Meister
Foto: MiNZ&KUNST
spannende Osternacht unter freiem
Himmel mit Tonda, der Gesang
der Kantorka aus dem Dorf,
der Kirmestanz, das anfangs
fröhliche Sauffest auf der Mühle.
Denn immer klarer wird, das
hier Ungeheuerliches passiert:
Jedes Jahr stirbt ein Bursche unter
mysteriösen Umständen, ein
geheimnisvoller Herr Gevatter
reist in der Neumondnacht an,
dann ist der siebte Mühlgang voller
Zähne und Knochensplitter.
Denn der Meister sieht alles, eine
Flucht ist sinnlos... Zum Glück
gibt es noch den Dummkopf
Juro, der gar kein Dummkopf ist
und sich Krabat annimmt. Daniela
Mohr spielt ihn als schlitzohrigen,
wuseligen Hofnarren und
Kontrahenten des Bösen. „Übe
deinen Willen!“ beschwört er
seinen Schützling im magischen
Kreis – es ist eine der Schlüsselszenen
dieser Geschichte, bei
dem der Held drei mal die Gestalt
wechselt und Julia Schulze
als bezaubernde Kantorka am
Ende so souverän ihren Liebsten
rettet. - Ein Märchen über´s Erwachsenwerden,
über Angst und
Mut, Freundschaft und Selbstvertrauen
– und über die Kraft
der Träume.
Marion Klötzer
François-Xavier Roth ist ein
Dirigent, der nicht nur eine
klare musikalische Handschrift
hat, sondern auch
immer die politische und gesellschaftliche
Bedeutung
von Musik im Blick behält.
Mit Georg Rudiger sprach
der frühere Chefdirigent des
SWR-Sinfonieorchesters über
den Krieg in der Ukraine, den
Reiz von Baden-Baden – und
wie es ist, in den Südwesten
zurückzukehren.
„Musik ist Frieden, Musik ist Freiheit“
Im Gespräch: François-Xavier Roth, Dirigent
Kultur Joker: Mit Igor Strawinskys
„Petruschka“ und
„Lebaiser de la fée“ stehen bei
Ihrem Konzert mit den Berliner
Philharmonikern im Festspielhaus
Baden-Baden am 10. April
zwei in Paris uraufgeführte
Ballettmusiken des russischen
Komponisten Igor Strawinsky
auf dem Programm. Heute geht
von Russland unter seinem Präsidenten
Wladimir Putin eine
zerstörerische Kraft aus. Wie
gehen Sie persönlich mit dem
Krieg in der Ukraine um?
Roth: Dieser brutale Krieg ist
nicht zu akzeptieren. Wir müssen
alles tun, dass der Frieden
sehr bald zurückkommt. Musik
fördert das gegenseitige Verständnis
und führt zum Kulturaustausch.
Als der junge
Strawinsky im Jahr 1910 für die
Premiere seines Balletts „Der
Feuervogel“ zum ersten Mal
nach Paris kommt, ist er Russe.
Er wird dort aber zum Europäer
– am Ende ist er Kosmopolit und
ein universeller Musiker.
Kultur Joker: Ist es für Sie richtig,
einen verdienten Dirigenten
wie Valery Gergiev, der sich
trotz Aufforderung nicht öffentlich
von Putins Angriffskrieg distanziert
hat, zu isolieren, seine
Auftritte abzusagen und wie in
München auch seinen Vertrag
zu kündigen?
Roth: Leider gibt es keine andere
Möglichkeit. Valery ist zwar
kein Soldat. Aber ich finde es
unmöglich, dass so ein großer
Künstler wie er, der wichtigste
russische Künstler in der Musik
überhaupt, kein Statement für
den Frieden abgibt. Er trägt die
Verantwortung für sein Mariinsky-Theater
in Sankt Petersburg.
Deshalb hat er offensichtlich nun
die Entscheidung getroffen zu
schweigen. Aber Musik ist Frieden,
Musik ist Freiheit. Seine
Entscheidung ist sehr bedauerlich,
weil er ein großer Künstler
ist.
Kultur Joker: Die letzten beiden
Osterfestspiele der Berliner
Philharmoniker in Baden-Baden
wurden abgesagt. Jetzt können
sie endlich wieder stattfinden.
Haben Sie Heimatgefühle, wenn
Sie aus Köln, wo Sie seit 2015
das Gürzenich-Orchester leiten,
wieder in den Südwesten
Deutschlands zurückkommen?
Roth: Auf jeden Fall. Ich habe
viele Erinnerungen an Baden-
Baden, auch wenn ich öfters in
Freiburg war. Auch mein allererster
Kontakt zum Orchester war
in Baden-Baden bei einer Probe.
Die Stadt hat für mich auch sehr
viel zu tun mit Pierre Boulez. Ich
habe ihn jedes Mal in seiner Villa
besucht, wenn ich vor Ort war.
Kultur Joker: Bei den Pfingstfestspielen
Baden-Baden kehren
Sie zum SWR mit Mahler 7. Symphonie
zurück. Es ist das zweite
Mal, das Sie das inzwischen fusionierte
Orchester dirigieren.
Wie geht es Ihnen damit?
Roth: Für das letzte Programm
im Sommer 2020 dirigierte ich
für ein Onlinekonzert nur wenige
Musiker. Jetzt treffe ich
zum ersten Mal auf das große
Orchester. Chapeau an meinen
Kollegen Teodor Currentzis! Er
hat in dieser schwierigen Situation
in kurzer Zeit einen wirklich
hervorragenden Klangkörper
geformt. Ich habe sehr für den
Erhalt des alten Orchesters gekämpft.
diese Zusammenarbeit.
Die Entscheidung zur Konzerte im Festspielhaus Ba-
Fusion war für mich falsch und den-Baden: Berliner Philharmoniker
unfair, aber das ist Geschichte.
(Solist: Albrecht Ma-
Das neue Orchester besitzt auch yer), Osterfestspiele, Werke von
eine neue Identität. Außerdem Bach und Strawinsky, 10.4., 18
ist der damalige Intendant Peter Uhr. SWR Symphonieorchester,
Boudgoust, der die Fusion vorangetrieben
Pfingstfestspiele Presence, Mah-
hat, nicht mehr im ler: 7. Symphonie, 28.5., 18 Uhr.
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