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Kunst KULTUR JOKER 15

Triebkräfte walten lassen

Jenny Holzer knüpft im Kunstmuseum Basel einen Sprachfaden durch das Werk von Louise Bourgeois

Fotos von Louise Bourgeois‘

New Yorker Wohnung zeigen

Wände, auf denen Zettel übereinander

gepinnt sind, Plakate

von einem Skulpturensymposium,

persönliche Fotografien

und zwischendrin immer mal

wieder Gouachen. Bücher, die

keinen Platz in den Regalen

fanden, stapeln sich am Boden.

Jenny Holzer (*1950) lernte die

französischstämmige Künstlerin

in den 1980er Jahren

kennen. Obgleich die beiden

Frauen nicht der gleichen Generation

angehörten, gab es

Übereinstimmungen. Das Interesse

an Texten, Weiblichkeit

und Sexualität. Und nicht

zuletzt: wer mit Sprache arbeitet,

hat ein Bewusstsein von

Macht, sagte Holzer auf der

Pressekonferenz zur von ihr

kuratierten Ausstellung „Louise

Bourgeois x Jenny Holzer“

im Kunstmuseum Basel.

Eigentlich hätte das Projekt

an der früheren Wirkungsstätte

von Josef Helfenstein, der

Menil Collection in Houston,

verwirklicht werden sollen.

Doch die Berufung zum Di-

Louise Bourgeois: „Self Portrait“, 2008

Foto: Christopher Burke

Louise Bourgeois: „Untitled (I Have Been To Hell An Back)“, 1996

Foto: Christopher Burke

auf diese Verwandtschaft aufmerksam

und dass die Schrift

alles einbindet, das Verhältnis

zu den Eltern, zur Welt. Holzer

deutet hier nichts aus, die von

ihr inszenierten Räume halten

sich mit Informationen zurück,

es geht ihr um die unmittelbare

Wirkung des Werkes. Eine der

Räume ist ganz in Rot gehalten.

Die Skulptur „Nature

Study“, eine kauernde Gestalt

ganz mit Brüsten wie die Diana

von Ephesus behangen –

oder sind es doch Hoden? ‒,

ist umrahmt mit Gouachen,

die erotisch aufgeladene Pflanzen

zeigen. In einem Raum ist

„The destruction of the father“

eingerichtet: eine rote Höhle

oder Hölle, in deren Zentrum

ein Tisch steht, umringt

von einer Art Steine, die sich

auch am Gewölbe wiederholen.

Das Klaustrophobische

wird noch unterstützt durch

zwei hängende dunkle Figuren

an der Decke, die von

Gurten gehalten werden. Anderes

ist heiterer, auch wenn

die Bedeutungen düster sind.

Auf Kopfkissen sind christliche

Botschaften gestickt, die

einmal mehr das Thema der

Schuld in den Fokus rücken.

Und in einem anderen Raum

dreht sich ein Tüllrock um

sich selbst, weil, so erklärt eine

Schrift am Saum, die Furcht

die Welt in Bewegung hält.

Es ist ein dichter, stark atmosphärischer

Parcours, der hier

durch das Werk gelegt ist. Und

wer dann noch die Sammlung

besucht, kann erleben, dass

die beiden Künstlerinnen für

manchen derben Witz zu haben

sind.

Louise Bourgeois x Jenny Holzer.

Kunstmuseum Basel, St. Alban-

Graben 16, Basel. Dienstag bis

Sonntag 10 bis 18 Uhr, Mittwoch

10 bis 20 Uhr. Bis 15. Mai.

Annette Hoffmann

Portrait of Jenny Holzer, 1982 (taken at the installation: „Jenny Holzer, Lee, Aron Fink“, American

Graffiti Gallery, Amsterdam, 1982)

Foto: Aad van den Born - BFN

rektor des Kunstmuseum

Basel kam dazwischen, und

während der Pandemie reifte

die Idee derart, dass die Ausstellung

jetzt auch auf die

Sammlung übergreift. Der eigentliche

Kern ist jedoch der

Sonderausstellungsbereich im

Neubau. Dort findet sich auch

eine Wand, die ganz mit handschriftlichen

Texten von Louise

Bourgeois ausgekleidet ist.

Manche Sätze bilden eine Spirale

und unterscheiden sich so

von den anderen Blättern, andere

sind farbig, so dass sich

ein Treppchenmuster über die

gesamte Wand ausbreitet. Man

kann mutmaßen, dass sich

Holzer unmittelbar von den

Räumlichkeiten von Louise

Bourgeois‘ New Yorker Wohnung

zu dieser Hängung anregen

ließ. Holzer selbst nimmt

sich völlig zurück. In der von

ihr kuratierten Schau findet

sich von der Künstlerin Jenny

Holzer kein einziges Bild,

keine Installation. In der ersten

Woche waren im Stadtraum

lediglich ein paar Projektionen

zu sehen. Mit Sätzen von Louise

Bourgeois.

Im Hinblick auf die Basler

Schau hatte sich ein ganzes

Team die Schriften von Bourgeois

vorgenommen, es ist

noch zu keinem Ende gekommen.

Ihre Texte sind im Umfeld

einer Psychoanalyse entstanden.

So sind auf den Blättern

etwa Träume festgehalten.

Der Rundgang zeigt aber, dass

der Drang groß gewesen sein

muss, alles zu benennen. Den

Körper, seine Organe, seine

Extremitäten, Gemeinplätze,

Zitate. Wenn ihre Spinnen-

Mamans in der Lage waren,

einen seidenen Faden zu produzieren,

Bourgeois oft mit

dem Material ihrer eigenen

Mutter, die historische Stoffe

restaurierte, arbeitete, so floss

aus ihrer eigenen Hand eben

auch ein Faden. Es ist der der

Handschrift. „The Violence of

Handwriting across a Page“

heißt dann auch die Begleitpublikation.

Holzer macht

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