flip-Joker_2022-04
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kunst KULTUR JOKER 11
Margaret and Christine Wertheim
and the Institute For
Figuring, Pod World – Hyperbolic
at the 2019 Venice
Biennale; Photo courtesy 58th
International Art Exhibition –
La Biennale di Venezia ‘May
You Live In Interesting Times’
by Francesco Galli
Eintauchen in die Welt der Korallen
Die außergewöhnliche Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“ in Baden-Baden verwandelt das Museum
Frieder Burda in eine Unterwasserwelt im Trockenen
Fantastische Formen wachsen
an den Wänden empor, sie
wellen und kräuseln sich in allen
erdenklichen Farbschattierungen.
Aus der Ferne sehen sie
wie besonders farbenprächtige
Korallenriffe aus. Das sollen
sie auch darstellen in der Ausstellung
„Wert und Wandel der
Korallen“, die bis zum 26. Juni
im Museum Frieder Burda in
Baden-Baden das Eintauchen
in eine andere Welt ermöglicht.
Ganz ohne Tauchschein, denn
diese Korallen sind aus Wolle
und wurden von rund 4.000 Häkelfreundinnen
und ein paar wenigen
Häkelfreunden aus ganz
Deutschland eigens für diese
Ausstellung angefertigt und
nach Baden-Baden geschickt.
Dort, im Museum Frieder Burda,
haben viele fleißige Hände
die 40.000 Häkelkorallen unter
der Anleitung der Schwestern
Margaret und Christine Wertheim
im Laufe eines ganzen
Jahres zum „Baden-Baden
SatelliteReef“ zusammen gehäkelt
und genäht. Das alleine
verwandelt schon das komplette
Obergeschoss in eine Unterwasserwelt
im Trockenen. Den
Wertheims geht es bei der Aktion
nicht um eine Handarbeitsausstellung,
sondern um das
sich weltweit ausbreitende Sterben
der Korallenriffe. Sie stammen
aus Australien, das gerade
wieder eine große Summe in die
Erhaltung des gefährdeten Great
BarrierReefs investiert. 2005
hatten sie die Idee, an einer
Ausstellung zum Klimawandel
in Chicago mit gehäkelten
Korallen teilzunehmen und so
ihren Protest gegen das Korallensterben
auszudrücken.Inzwischen
haben weltweit schon
viele Menschen an diesem Protest
teilgenommen, indem sie
Korallen häkelten.
Christine und Margaret Wertheim
schlagen damit nach eigener
Aussage auch der traditionell
auf einen einzigen, meist
männlichen, Künstler zugeschnittenen
Kunstszene ein
Schnippchen. In ihren Korallenriffen
kommt die Wertschätzung
der handwerklichen Fähigkeiten
von Frauen zum Ausdruck.
Kein Häkelriff geht verloren,
in Baden-Baden gedeihen die
weltweit seit 2005 entstandenen
Riffe in sämtlichen Museumsräumen.
Und auch das aktuell
für die Ausstellung gefertigte
„Baden-Baden SatelliteReef“
wird nach dem 26. Juni in die
Wertheim’sche Sammlung gehäkelter
Riffe eingehen und
vielleicht anderswo auf der Welt
wieder gezeigt werden.
Udo Kittelmann, der künstlerische
Leiter des Museums
Frieder Burda, sah das „Crochet
Coral Reef“ (Gehäkeltes
Korallenriff) der Wertheims
2019 auf der Biennale in Venedig
und war sofort interessiert,
weil diese Arbeit so ganz anders
als die sonst zu sehende Kunst
ist. Und ihm gefiel die Schönheit
des Häkelriffs, das er nach
Baden-Baden holte. Der Aufruf,
für die Ausstellung im Museum
Frieder Burda – und für die
Weltmeere – zu häkeln, stieß auf
eine überwältigende Resonanz.
Über 4.000 Einsendungen kamen
an, und hinter jeder eingesandten
Häkelkoralle steht eine
Geschichte. Seniorenkreise und
Schulklassen haben gemeinsam
gehäkelt, und für jede Häkelkoralle
wurde vom Sponsor
EnBW Geld auf das Konto von
„Sea Shepherd“ überwiesen.
Die Meeresschutzorganisation
freut sich über einen fünfstelligen
Betrag. Und die Wertheim-
Schwestern freuen sich über die
„Sixtinische Kapelle“, die in
Baden-Baden entstandene Krönung
aller bisherigen gehäkelten
Korallenriffe.
Nicht alle Riffe sind freundlich
und flauschig. Es wurde nämlich
nicht nur Wolle, sondern auch
Plastik verarbeitet. Damit wird
der allgegenwärtige Plastikmüll
in den Meeren auch in die
ausgestellten Korallenriffe integriert.
Für das „Toxische Riff“
wurde sogar nur Plastik verarbeitet.
So wie in der Natur, in
der Korallenriffe aus einer Fülle
winziger kleiner Lebewesen bestehen,
die organisch wachsen,
haben die Wertheims auch die
Fülle an gehäkelten Korallen in
allen Formen, Farben und Größen
ohne einen festen Bauplan
zusammengefügt. Jedes Häkelriff
entwickelt sich sozusagen
spontan aus dem, was da ist.
Das „Zusammenwachsen“ der
einzelnen Teile zu einem großen
Ganzen spiegelt das Leben auf
der Erde, in dem kein Lebewesen
ohne die anderen existieren
kann.
„Wert und Wandel der Korallen“,
Museum Frieder Burda,
Lichtentaler Allee 8b, 76530
Baden-Baden, Di-So 10-18 Uhr,
Eintritt 14€, bis 18 Jahre 5€,
Kinder bis 8 Jahre frei, www.
museum-frieder-burda.de. Bis
26.06.2022
Nike Luber
Margaret and Christine
Wertheim and
the Institute For Figuring,
Coral Forest at
Lehigh University Art
Galleries, PA ; Photo
courtesy LUAG by
Stephanie Veto
Vorträge im Museum Frieder Burda
Die Zerstörung der Umwelt
durch den Menschen zeigt
sich nicht zuletzt am Zustand
der Korallen. Die Hälfte aller
Riffe weltweit sind bereits
verschwunden. Diese katastrophale
Lage verhandelt das
Ausstellungsprojekt „Wert
und Wandel der Korallen“ der
Schwestern Margaret und Christine
Wertheim im Museum
Frieder Burda in Baden-Baden.
Im Rahmen der Ausstellung,
die noch bis zum 26. Juni zu
sehen ist, findet auch eine Gesprächsreihe
zum Meeres- und
Artenschutz mit verschiedenen
Expert*innen statt.
Am 6. April, 19 Uhr wird
unter dem Titel „Artensterben
6.0: Wo bleibt der Aufschrei?“
diskutiert. Die Artenvielfalt,
quasi das Immunsystem unseres
Planeten, ist bedroht.
Eine Million Tier- und Pflanzenarten
weltweit stehen kurz vor
dem Aussterben. Und obwohl
die Ausmaße gigantisch sind,
bleibt das Sterben unbeachtet.
Oder wer spricht schon darüber,
dass die Vogelpopulation
in Deutschland in den letzten
200 Jahren um rund 80 Prozent
geschrumpft ist? Es diskutieren
Dr. Dag Encke (Biologe, Vizepräsident
des Verbandes der Zoologischen
Gärten), Dr. Christof
Schenck (Geschäftsführer
der Zoologischen Gesellschaft
Frankfurt) und Dr. Andreas
Weber (Biologe, Philosoph,
Buchautor). Eine Fortsetzung
der Reihe gibt es im Juni, dieses
Mal mit dem Schwerpunkt
Plastikverschmutzung.
Weitere Infos und Tickets:
www.museum-frieder-burda.de
Barleben-Handspielpuppen
79098 Freiburg, Fischerau 24,
Mo-Sa 10:00-18:00