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kunst KULTUR JOKER 11

Margaret and Christine Wertheim

and the Institute For

Figuring, Pod World – Hyperbolic

at the 2019 Venice

Biennale; Photo courtesy 58th

International Art Exhibition –

La Biennale di Venezia ‘May

You Live In Interesting Times’

by Francesco Galli

Eintauchen in die Welt der Korallen

Die außergewöhnliche Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“ in Baden-Baden verwandelt das Museum

Frieder Burda in eine Unterwasserwelt im Trockenen

Fantastische Formen wachsen

an den Wänden empor, sie

wellen und kräuseln sich in allen

erdenklichen Farbschattierungen.

Aus der Ferne sehen sie

wie besonders farbenprächtige

Korallenriffe aus. Das sollen

sie auch darstellen in der Ausstellung

„Wert und Wandel der

Korallen“, die bis zum 26. Juni

im Museum Frieder Burda in

Baden-Baden das Eintauchen

in eine andere Welt ermöglicht.

Ganz ohne Tauchschein, denn

diese Korallen sind aus Wolle

und wurden von rund 4.000 Häkelfreundinnen

und ein paar wenigen

Häkelfreunden aus ganz

Deutschland eigens für diese

Ausstellung angefertigt und

nach Baden-Baden geschickt.

Dort, im Museum Frieder Burda,

haben viele fleißige Hände

die 40.000 Häkelkorallen unter

der Anleitung der Schwestern

Margaret und Christine Wertheim

im Laufe eines ganzen

Jahres zum „Baden-Baden

SatelliteReef“ zusammen gehäkelt

und genäht. Das alleine

verwandelt schon das komplette

Obergeschoss in eine Unterwasserwelt

im Trockenen. Den

Wertheims geht es bei der Aktion

nicht um eine Handarbeitsausstellung,

sondern um das

sich weltweit ausbreitende Sterben

der Korallenriffe. Sie stammen

aus Australien, das gerade

wieder eine große Summe in die

Erhaltung des gefährdeten Great

BarrierReefs investiert. 2005

hatten sie die Idee, an einer

Ausstellung zum Klimawandel

in Chicago mit gehäkelten

Korallen teilzunehmen und so

ihren Protest gegen das Korallensterben

auszudrücken.Inzwischen

haben weltweit schon

viele Menschen an diesem Protest

teilgenommen, indem sie

Korallen häkelten.

Christine und Margaret Wertheim

schlagen damit nach eigener

Aussage auch der traditionell

auf einen einzigen, meist

männlichen, Künstler zugeschnittenen

Kunstszene ein

Schnippchen. In ihren Korallenriffen

kommt die Wertschätzung

der handwerklichen Fähigkeiten

von Frauen zum Ausdruck.

Kein Häkelriff geht verloren,

in Baden-Baden gedeihen die

weltweit seit 2005 entstandenen

Riffe in sämtlichen Museumsräumen.

Und auch das aktuell

für die Ausstellung gefertigte

„Baden-Baden SatelliteReef“

wird nach dem 26. Juni in die

Wertheim’sche Sammlung gehäkelter

Riffe eingehen und

vielleicht anderswo auf der Welt

wieder gezeigt werden.

Udo Kittelmann, der künstlerische

Leiter des Museums

Frieder Burda, sah das „Crochet

Coral Reef“ (Gehäkeltes

Korallenriff) der Wertheims

2019 auf der Biennale in Venedig

und war sofort interessiert,

weil diese Arbeit so ganz anders

als die sonst zu sehende Kunst

ist. Und ihm gefiel die Schönheit

des Häkelriffs, das er nach

Baden-Baden holte. Der Aufruf,

für die Ausstellung im Museum

Frieder Burda – und für die

Weltmeere – zu häkeln, stieß auf

eine überwältigende Resonanz.

Über 4.000 Einsendungen kamen

an, und hinter jeder eingesandten

Häkelkoralle steht eine

Geschichte. Seniorenkreise und

Schulklassen haben gemeinsam

gehäkelt, und für jede Häkelkoralle

wurde vom Sponsor

EnBW Geld auf das Konto von

„Sea Shepherd“ überwiesen.

Die Meeresschutzorganisation

freut sich über einen fünfstelligen

Betrag. Und die Wertheim-

Schwestern freuen sich über die

„Sixtinische Kapelle“, die in

Baden-Baden entstandene Krönung

aller bisherigen gehäkelten

Korallenriffe.

Nicht alle Riffe sind freundlich

und flauschig. Es wurde nämlich

nicht nur Wolle, sondern auch

Plastik verarbeitet. Damit wird

der allgegenwärtige Plastikmüll

in den Meeren auch in die

ausgestellten Korallenriffe integriert.

Für das „Toxische Riff“

wurde sogar nur Plastik verarbeitet.

So wie in der Natur, in

der Korallenriffe aus einer Fülle

winziger kleiner Lebewesen bestehen,

die organisch wachsen,

haben die Wertheims auch die

Fülle an gehäkelten Korallen in

allen Formen, Farben und Größen

ohne einen festen Bauplan

zusammengefügt. Jedes Häkelriff

entwickelt sich sozusagen

spontan aus dem, was da ist.

Das „Zusammenwachsen“ der

einzelnen Teile zu einem großen

Ganzen spiegelt das Leben auf

der Erde, in dem kein Lebewesen

ohne die anderen existieren

kann.

„Wert und Wandel der Korallen“,

Museum Frieder Burda,

Lichtentaler Allee 8b, 76530

Baden-Baden, Di-So 10-18 Uhr,

Eintritt 14€, bis 18 Jahre 5€,

Kinder bis 8 Jahre frei, www.

museum-frieder-burda.de. Bis

26.06.2022

Nike Luber

Margaret and Christine

Wertheim and

the Institute For Figuring,

Coral Forest at

Lehigh University Art

Galleries, PA ; Photo

courtesy LUAG by

Stephanie Veto

Vorträge im Museum Frieder Burda

Die Zerstörung der Umwelt

durch den Menschen zeigt

sich nicht zuletzt am Zustand

der Korallen. Die Hälfte aller

Riffe weltweit sind bereits

verschwunden. Diese katastrophale

Lage verhandelt das

Ausstellungsprojekt „Wert

und Wandel der Korallen“ der

Schwestern Margaret und Christine

Wertheim im Museum

Frieder Burda in Baden-Baden.

Im Rahmen der Ausstellung,

die noch bis zum 26. Juni zu

sehen ist, findet auch eine Gesprächsreihe

zum Meeres- und

Artenschutz mit verschiedenen

Expert*innen statt.

Am 6. April, 19 Uhr wird

unter dem Titel „Artensterben

6.0: Wo bleibt der Aufschrei?“

diskutiert. Die Artenvielfalt,

quasi das Immunsystem unseres

Planeten, ist bedroht.

Eine Million Tier- und Pflanzenarten

weltweit stehen kurz vor

dem Aussterben. Und obwohl

die Ausmaße gigantisch sind,

bleibt das Sterben unbeachtet.

Oder wer spricht schon darüber,

dass die Vogelpopulation

in Deutschland in den letzten

200 Jahren um rund 80 Prozent

geschrumpft ist? Es diskutieren

Dr. Dag Encke (Biologe, Vizepräsident

des Verbandes der Zoologischen

Gärten), Dr. Christof

Schenck (Geschäftsführer

der Zoologischen Gesellschaft

Frankfurt) und Dr. Andreas

Weber (Biologe, Philosoph,

Buchautor). Eine Fortsetzung

der Reihe gibt es im Juni, dieses

Mal mit dem Schwerpunkt

Plastikverschmutzung.

Weitere Infos und Tickets:

www.museum-frieder-burda.de

Barleben-Handspielpuppen

79098 Freiburg, Fischerau 24,

Mo-Sa 10:00-18:00

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