15.12.2021 Aufrufe

knw journal

Das knw journal ist die barrierefreie digitale Zeitschrift des knw Kindernetzwerk e.V. Das knw ist der Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Im ersten knw journal erwarten Sie Artikel zu krankheitsbezogenen Themen, zur Stärkung der Betroffenen, Artikel für Kinder und vieles mehr - schauen Sie doch mal hinein!

Das knw journal ist die barrierefreie digitale Zeitschrift des knw Kindernetzwerk e.V. Das knw ist der Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen.
Im ersten knw journal erwarten Sie Artikel zu krankheitsbezogenen Themen, zur Stärkung der Betroffenen, Artikel für Kinder und vieles mehr - schauen Sie doch mal hinein!

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<strong>knw</strong> <strong>journal</strong><br />

des Kindernetzwerk e.V.<br />

Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern<br />

und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen<br />

und Behinderungen<br />

Ausgabe 01 2021


Unser <strong>knw</strong>-<strong>journal</strong><br />

Liebe Leser:innen des neuen <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>,<br />

schön, dass Sie unser neues digitales Magazin geöffnet haben, das freut uns sehr!<br />

Wir haben uns große Mühe gegeben, dieses möglichst zielgenau auf Ihre Vorstellungen<br />

abzustimmen. Durch eine vorangegangene Umfrage konnten wir ein „kleines<br />

Stimmungsbild“ mitnehmen, welches wir sehr gerne berücksichtigt haben. Mehr<br />

dazu finden Sie ab Seite 4.<br />

Dieses digitale Magazin entstand dank der Förderung durch den GKV-Spitzenverband,<br />

dem wir an dieser Stelle sehr herzlich danken. Die Finanzierung wiederkehrender<br />

Formate wie unsere frühere geschätzte Mitgliederzeitschrift KinderSpezial<br />

war durch geänderte Bedingungen nicht mehr möglich. An dieser Stelle wollen wir<br />

den früheren Herausgebern, Herrn Professor Hubertus von Voss und Herrn Raimund<br />

Schmid als langjährigem bewährten Chefredakteur, im Namen des Vorstandes<br />

und der Geschäftsführung des Kindernetzwerk e.V. ganz ausdrücklich danken!<br />

Wir haben das Beste aus der neuen Situation gemacht und für Sie ein digitales <strong>knw</strong><br />

<strong>journal</strong> gestaltet, welches einige neue Funktionen und Vorteile hat: Einzelne Artikel<br />

können z.B. ausgedruckt und gespeichert werden – was ein ausdrücklicher Wunsch<br />

vieler unserer Mitglieder war.<br />

Natürlich möchten wir wissen, wie Ihnen die erste Ausgabe gefällt und was wir verbessern<br />

können! Daher bieten wir Ihnen ganz am Ende dieses ersten <strong>knw</strong> <strong>journal</strong> die<br />

Möglichkeit, Ihre Meinung einzubringen.<br />

Nun hoffen wir, dass Sie zahlreiche Artikel finden, die Sie und Euch interessieren!<br />

Auch für unsere Hauptpersonen – die Kinder – haben wir ab Seite 42 ein paar Angebote.<br />

Alles Gute!<br />

Ihr Kindernetzwerk-Redaktionsteam


Inhaltsverzeichnis<br />

3 Aus dem Kindernetzwerk<br />

16 Neues am Horizont<br />

19 Aus Politik & Gesellschaft<br />

26 Aus dem Gesundheitswesen<br />

38 Buchtipps<br />

42 Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

48 Unsere Glosse „zu guter letzt“<br />

48 Umfrage: Was können wir besser machen im <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>?<br />

49 Impressum


Aus dem Kindernetzwerk


4<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Ergebnis der Umfrage zum<br />

<strong>knw</strong> <strong>journal</strong><br />

Vorab hatten wir in unserem letzten Newsletter nachgefragt, was die Erwartungen unserer<br />

Mitglieder an unsere neue digitale Zeitschrift sind. Danke allen, die sich an unserer Umfrage<br />

beteiligt hatten! Die Antworten bezogen sich in der Regel auf einer Skala von 1 (gar nicht<br />

wichtig) bis 5 (sehr wichtig).<br />

„Aktuelles aus dem Kindernetzwerk“: 62 Prozent<br />

finden es sehr wichtig, 23 Prozent wichtig, dass im<br />

<strong>knw</strong> <strong>journal</strong> zu Aktuellem aus dem <strong>knw</strong> berichtet<br />

wird.<br />

Klar gewünscht werden alle folgenden Angebote:<br />

• „Arbeitshilfen für die Selbsthilfe-Praxis und zur<br />

professionellen Vernetzung und Unterstützung<br />

der <strong>knw</strong> Mitgliedsorganisationen“<br />

• „Tipps zur Alltagsbewältigung für die betroffenen<br />

Familien (z.B. Sozialrecht, Unterstützungsangebote)“<br />

• Informationen für junge, chronisch kranke und<br />

beeinträchtigte Erwachsene („Junge Selbsthilfe“)<br />

mit dem Ziel des Empowerments und der Vernetzung<br />

• „Medizinische Artikel“<br />

Hier werden wir uns bemühen, in den nächsten<br />

Ausgaben des <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>s viele passende Angebote<br />

zu machen. Senden Sie uns gerne alles, was<br />

hierzu gut passt!<br />

Auf die Frage, ob wir Informationen vergessen<br />

haben, kamen folgende Antworten:<br />

• „Grundlegende Informationen zu Erkrankungen<br />

- neue Erkenntnisse“. Antwort <strong>knw</strong>: Haben wir<br />

aufgenommen, danke!<br />

• Kompliment an die Redaktion des bestehenden<br />

Newsletters. Da fehlt mir bereits jetzt wenig bis<br />

nichts. Antwort <strong>knw</strong>: Dankeschön!<br />

• Thema Migration und Behinderung. Antwort<br />

<strong>knw</strong>: Ganz wichtig. Danke!<br />

Klar war das Ergebnis bezüglich der Frage, ob man<br />

Artikel drucken (Ja: 100 Prozent) und speichern<br />

können soll (Ja: 100 Prozent). In den sozialen Medien<br />

teilen wollen wiederum nur die Hälfte der<br />

Leser:innen die Artikel. Klar war die Aussage auch<br />

dahingehend, ob zusätzlich zum <strong>knw</strong> <strong>journal</strong> weiterhin<br />

der Newsletter gewünscht wird. Dies wollen<br />

nur 15 Prozent, der großen Mehrheit reicht künftig<br />

ein Angebot, das <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>.<br />

82 Prozent denken, dass dieses <strong>journal</strong> frei zugänglich<br />

auch für Nicht-Mitglieder sein sollte, was auch<br />

so umgesetzt wurde.<br />

Wir danken allen, die sich beteiligt haben, und<br />

hoffen, diese Wünsche auch alle gut umsetzen zu<br />

können.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

5<br />

Unsere Eltern- und Mitgliederumfragen:<br />

Sich einbringen!<br />

Wir danken allen, die an unseren Umfragen teilgenommen<br />

haben. Diese sind wichtig, um ein gutes<br />

Stimmungsbild der betroffenen Familien zu erhalten,<br />

so dass wir uns möglichst gut mit unseren Angeboten<br />

an deren Wünschen und Nöten orientieren<br />

und diese Forderungen auch den Verantwortlichen<br />

in Politik und Gesellschaft weitergeben können.<br />

Auffällig ist bei allen Umfragen der letzten Jahre:<br />

Der Druck in Familien mit chronisch kranken und<br />

behinderten Kindern ist sehr hoch – das bereits vor<br />

der Pandemie. Durch die Pandemie haben sich die<br />

Probleme allerdings noch verschärft.<br />

Noch vor der Pandemie: Umfrage<br />

Gesundheitsbezogene Lebensqualität<br />

Dr. med. Richard Haaser, Schriftführer des Kindernetzwerk e.V.<br />

Das Kindernetzwerk führte noch vor der Pandemie<br />

eine Umfrage zur Lebensqualität von Kindern<br />

und Jugendlichen mit seltenen und chronischen<br />

Erkrankungen und/oder Behinderungen durch.<br />

Wichtig war uns zu erfahren, wie es den Kindern<br />

und Jugendlichen geht, wie sie sich fühlen und wie<br />

sie in ihrer ganz individuellen Lebenssituation zurechtkommen.<br />

Erstmals im deutschen Sprachraum<br />

wurde dafür der KIDSCREEN-52-Fragebogen (hier<br />

zum Link: http://kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/2019/1014-Lebensqualitaet-von-Eltern-beeintraechtigter-Kinde.php)<br />

mit niederschwelligem<br />

Zugang im Internet zur Befragung von Kindern und<br />

Jugendlichen und Eltern verwendet. Dieses europaweit<br />

bewährte Instrument wurde gemeinsam<br />

mit Kindern und Jugendlichen entwickelt und seine<br />

Aussagekraft an einer großen Anzahl von Gesunden<br />

bestätigt. Damit konnten wir die individuelle<br />

gesundheitsbezogene Lebensqualität von Betroffenen<br />

mit Fragen zu folgenden zehn wichtigen Dimensionen<br />

dokumentieren:<br />

• körperliches Wohlbefinden<br />

• psychisches Wohlbefinden<br />

• Stimmungen und Emotionen<br />

• Selbstwahrnehmung<br />

• Autonomie<br />

• Beziehung zu Eltern und Zuhause<br />

• Beziehungen zu Gleichaltrigen<br />

• soziale Unterstützung<br />

• schulisches Umfeld<br />

• soziale Akzeptanz<br />

• finanzielle Möglichkeiten<br />

Das Projekt bestand aus zwei Teilen, von denen<br />

der eine sich an Kinder und Jugendliche wandte.<br />

Wenn diese aufgrund ihres Handicaps nicht in der<br />

Lage waren, die Fragen eigenhändig am PC oder<br />

Laptop, am Tablet oder Handy zu beantworten,<br />

konnten die Eltern ihnen die Fragen vorlesen und<br />

die Antworten eingeben. Dabei durften sie die<br />

Antworten keinesfalls hinterfragen oder kommentieren.


6<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

In einem anderen Teil wurden Eltern zu denselben<br />

Lebensbereichen ihrer Kinder befragt. Dabei handelte<br />

es sich bei den teilnehmenden Eltern jedoch<br />

nicht notwendigerweise um die Eltern der teilnehmenden<br />

Kinder und Jugendlichen.<br />

Die online gestellten Fragebögen zum Selbsturteil<br />

durch Kinder und Jugendliche wurden 956mal<br />

aufgerufen und 29mal ausgefüllt, die zum Fremdurteil<br />

durch Eltern 955mal aufgerufen und 35mal ausgefüllt<br />

(nicht alle Leser:innen waren entsprechend<br />

betroffen). Da wir für die Umfrage fast ausschließlich<br />

im Kreis der <strong>knw</strong> Mitgliedsorganisationen geworben<br />

hatten, handelte es sich dabei um eine zufällig<br />

ausgewählte Stichprobe.<br />

Ergebnis<br />

Die theoretisch zu erwartenden Unterschiede in<br />

der gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu Ungunsten<br />

der betroffenen Kinder und Jugendlichen<br />

im Alter von 8 – 18 Jahren gegenüber Gesunden<br />

wurden weitgehend bestätigt. Jedoch lagen die<br />

Werte der Befragten nicht in allen Dimensionen<br />

unter den altersbezogenen Normalwerten Gesunder,<br />

zum Teil sogar deutlich bis erheblich darüber.<br />

In einigen Bereichen gab es ausgeprägte Unterschiede<br />

bei der Auswertung zwischen Jungen und<br />

Mädchen ohne eine generelle Tendenz zum Vorteil<br />

der ein oder anderen Gruppe.<br />

Auch zwischen der Selbstbeurteilung der Betroffenen<br />

und dem Fremdurteil durch die Eltern gab es<br />

z.T. erhebliche Differenzen, ebenso zwischen den<br />

einzelnen Altersgruppen. Die ausführliche Auswertung<br />

finden Sie unter www.kindernetzwerk.de/LQ.<br />

Aus der Untersuchung ergeben sich besonders aus<br />

fünf der erfassten Bereiche der Lebensqualität folgende<br />

Handlungsempfehlungen:<br />

• Stimmungen und Emotionen<br />

In allen Altersgruppen waren die Werte der Befragten<br />

wesentlich unter denen der Gesunden. Dieses<br />

Defizit sollte bei der Betreuung und Pflege mehr<br />

beachtet werden.<br />

• Soziale Akzeptanz<br />

Wie zu erwarten war diese deutlich geringer als bei<br />

Gesunden. Hier sollte dringend im individuellen<br />

Umfeld der Kinder und Jugendlichen, aber auch gesellschaftlich<br />

in der Öffentlichkeit Abhilfe geschafft<br />

werden.<br />

• Schulisches Umfeld<br />

Die männlichen Jugendlichen fühlten sich hier besonders<br />

benachteiligt und sollten mehr Unterstützung<br />

erfahren.<br />

• Finanzielle Möglichkeiten<br />

Die Mädchen fast aller Altersgruppen klagten häufiger<br />

als die Jungen über nicht ausreichende Ressourcen,<br />

eine Verbesserung scheint hier erforderlich.<br />

Zugleich sollten innerhalb der Familien intensive<br />

Gespräche über die in den Fragebögen angesprochenen<br />

Kriterien zur Beurteilung der Lebensqualität<br />

geführt werden, um deren unterschiedliche<br />

Wertung Eltern und Betroffenen transparent zu<br />

machen.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

7<br />

Die COVID-19-Kindernetzwerk-Studie<br />

In unserer Studie mit der Universität Freiburg<br />

(Link: https://www.kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/2021/0408-Zweite-Befragungsrunde-grossangelegter-Studie-ges.php)<br />

wollten wir erfahren,<br />

welche Auswirkungen die COVID 19-Pandemie auf<br />

den Alltag von Kindern und Jugendlichen mit und<br />

ohne chronische Krankheiten und Behinderungen<br />

und deren Familien haben.<br />

Eine erste Befragungsrunde fand von August bis<br />

September 2020 statt. Dabei zeigte sich, dass alle<br />

teilnehmenden Familien in der ersten Pandemie-<br />

Welle vielfältigen Belastungen ausgesetzt waren.<br />

Jedoch sind Familien mit chronisch kranken oder<br />

behinderten Kindern sowie Familien mit niedrigem<br />

sozioökonomischem Status verstärkt davon betroffen.<br />

Sie erfahren weniger Unterstützung, sehen<br />

ihre chronisch kranken Kinder schlechter versorgt<br />

und haben neben finanziellen Problemen ein höheres<br />

Risiko, von psychischen Folgen betroffen zu<br />

sein.<br />

Dann wollten wir in einer zweiten Befragungsrunde<br />

herausfinden, wie sich die Pandemie und die Pandemie-Maßnahmen<br />

ein Jahr nach deren Ausbruch<br />

auf Familien auswirkten. Zusätzlich zu den Themen,<br />

die wir in der ersten Erhebung untersucht haben,<br />

wurden nun auch Einstellungen zur Impfung gegen<br />

das Sars-CoV-2-Virus untersucht.<br />

Die Ergebnisse erwarten Sie in der nächsten Ausgabe<br />

der <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>. Wir berichten darüber auch<br />

immer tagesaktuell bei Facebook (https://de-de.<br />

facebook.com/kindernetzwerkev/), Twitter (https:<br />

//twitter.com/kindernetzwerk1) und natürlich auf<br />

unserer Homepage (http://kindernetzwerk.de/de/) .<br />

Vereinbarkeit von Pflege und Beruf - Online-<br />

Umfrage für Eltern mit pflegebedürftigem Kind<br />

Ebenso werden wir bald zu dieser breit angelegten<br />

Umfrage berichten können. Im Auftrag des Bundesministeriums<br />

für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend (BMFSFJ) erstellte das <strong>knw</strong> zusammen mit<br />

dem Institut für Medizinische Soziologie (IMS) des<br />

Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in Form<br />

einer Online-Umfrage eine Expertise zu diesem Thema.<br />

Ziel dieser Expertise war es, das Familienpflegezeitgesetz<br />

sowie weitere Gesetze, Regelungen<br />

und Angebote für Familien mit pflegebedürftigen,<br />

behinderten und/oder chronisch kranken Kindern<br />

auf ihre praktische Anwendbarkeit zu überprüfen<br />

und Lösungsansätze für politische Entscheidungsträger<br />

zu formulieren. Mehr zur Studie hier (http://<br />

kindernetzwerk.de/de/agenda/News/2021/Online-Umfrage-fuer-Eltern-mit-pflegebeduerftigem-.<br />

php), die Ergebnisse werden bald dem Ministerium<br />

übergeben, dazu berichten wir in gewohnter Weise.


8<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Unsere Projekte<br />

Das Kindernetzwerk hat viele bewährte, aber auch neue Projekte, die wir mit<br />

Hilfe unserer Förderer verwirklichen konnten. Sie finden sie auf unserer Homepage:<br />

http://kindernetzwerk.de/de/aktiv/News/Projekt_Uebersicht.php<br />

Alle Angebote rund um die Hilfe zur Selbsthilfe<br />

finden Sie hier: http://kindernetzwerk.de/de/aktiv<br />

Spenden an das Kindernetzwerk?<br />

Wenn Sie unsere Arbeit für die Betroffenen unterstützen<br />

wollen, freuen wir uns sehr über Spenden,<br />

auf die wir dringend angewiesen sind. Vielleicht<br />

könnte eine Firma in Ihrem Umfeld für das Kindernetzwerk<br />

spenden?<br />

Hier mehr dazu: http://kindernetzwerk.de/de/verein/Foerderer.php#Spende.<br />

Mitglied im Kindernetzwerk werden!<br />

Sie sind noch nicht Mitglied im Kindernetzwerk,<br />

wollen es aber werden? Da freuen wir uns sehr!<br />

Hier erfahren Sie, welche Vorteile Sie als Mitglied<br />

haben und wie Sie Teil des <strong>knw</strong> werden können:<br />

http://kindernetzwerk.de/de/verein/Unsere_Mitgliedsorganisationen.php.


Aus dem Kindernetzwerk<br />

9<br />

Unsere Mitglieder im<br />

Kindernetzwerk<br />

Zunächst einmal stellen wir mit Sirius e.V. eine unserer Mitgliedsorganisationen vor.<br />

Sirius e.V.<br />

Sirius, der Verein für Selbsthilfe, Information und<br />

Rat im Umgang mit dem Smith-Magenis-Syndrom,<br />

wurde 2003 von sieben Familien gegründet. In den<br />

vergangenen 18 Jahren hat der Verein eine enorme<br />

Entwicklung gemacht. Zurzeit gehören Sirius<br />

150 Familien in Deutschland, Österreich und der<br />

Schweiz an. Durch die Teilnahme an Kongressen,<br />

Werbung in eigener Sache und einer breit aufgestellten<br />

Vernetzung wurden Sirius und das Smith-<br />

Magenis-Syndrom (SMS) immer bekannter. Jedoch<br />

ist nach wie vor der Austausch der Familien untereinander<br />

ein ganz wichtiger Bestandteil der Arbeit<br />

von Sirius.<br />

Das Smith-Magenis-Syndrom (SMS) wurde in den<br />

80er-Jahren von den Genetikerinnen Ann Smith<br />

und Ellen Magenis entdeckt. Das SMS entsteht immer<br />

zufällig, die Ursache ist eine Deletion im Bereich<br />

des 17. Chromosoms, welches das RAI-1-Gen<br />

einschließt. In etwa 10 Prozent der Fälle liegt eine<br />

Mutation dieses Gens vor. Nur eine molekulargenetische<br />

Untersuchung kann zu einer eindeutigen<br />

Diagnose führen.<br />

Die Symptome des SMS sind sehr vielschichtig und<br />

unterschiedlich stark ausgeprägt. Wutausbrüche,<br />

Aggressionen gegen sich selbst und andere, Muskelschwäche,<br />

sprachliche Verzögerung, Lernbehinderung,<br />

stereotype Verhaltensmuster und massive<br />

Ein- und Durchschlafstörungen sind nur einige<br />

davon; dazu kommen körperliche Merkmale wie<br />

kurze Finger und Zehen, ein flaches Gesicht und<br />

eine raue Stimme. Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />

mit SMS sind aber auch sehr gesellig, lieben<br />

Humor, zeigen offen ihre Sympathie für jemanden<br />

und können sich sehr freuen.<br />

Bei Kindern mit Entwicklungsverzögerungen unklarer<br />

Genese werden für eine Diagnostik immer<br />

häufiger genetische Untersuchungsverfahren angewandt.<br />

Dadurch wird das SMS häufiger diagnostiziert<br />

und im medizinischen Kontext mehr wahrgenommen.<br />

Dennoch ist das Wissen über das SMS<br />

bei Ärzten, Therapeuten und Pädagogen noch nicht<br />

sehr verbreitet. Eine stetige „Informationsarbeit“<br />

des Vereins ist vonnöten.<br />

Viele unserer Eltern wissen aus eigener Erfahrung,<br />

dass eine mitunter jahrelange Suche nach einer<br />

korrekten Diagnose die Familien zermürbt und verzweifeln<br />

lässt. Steht die Diagnose jedoch fest, können<br />

entsprechende Therapien begonnen und auch<br />

Medikamente gegeben werden, zum Beispiel bei<br />

SMS Melatonin, welches die massiven Schlafstörungen<br />

abmildern kann. Und die Eltern können sich<br />

an Sirius wenden, denn hier sind jahrelange Erfahrungen<br />

gebündelt. Die Eltern sind Experten in eigener<br />

Sache, das Wissen hilft sehr gegenüber Ärzten,<br />

Therapeuten und Pädagogen.<br />

Auf den Jahrestreffen nehmen deshalb die persönlichen<br />

Begegnungen und Gespräche viel Zeit<br />

und Raum ein. Auch alle neuen Familien bei Sirius


10<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

fühlen sich gleich angenommen. Man braucht sich<br />

nicht zu erklären und das schwierige Verhalten der<br />

Kinder zu „rechtfertigen“. Die Eltern geben sich untereinander<br />

Ratschläge, wie mit kreativen und ungewöhnlichen,<br />

jedoch sehr praktischen Ideen dem<br />

herausfordernden Alltag begegnet werden kann.<br />

Wir sind nicht allein, wir sind viele.<br />

Die in den letzten beiden Jahren ausgefallenen<br />

persönlichen Jahrestreffen konnten durch zwei digitale<br />

Formate in 2021 mit Fachvorträgen, einem<br />

Austausch untereinander und der Mitgliederversammlung<br />

ein Stück weit kompensiert werden.<br />

Einige persönliche kleinere Treffen auf regionaler<br />

Ebene konnten wieder stattfinden. Die Initiative<br />

„Sirius bewegt sich“ im September führte 30 Familien<br />

von Sirius zu erstaunlich kreativen sportlichen<br />

Betätigungen. Regelmäßige per Email verschickte<br />

Informationen und ein Newsletter berichten den<br />

Familien über aktuelle Entwicklungen und Aktivitäten<br />

des Vereins.<br />

Diese rege Vereinsarbeit, die allen zugutekommt,<br />

ist nur dadurch möglich, dass eine feste Gruppe<br />

sehr aktiver Mitglieder den Vorstand unterstützt.<br />

So konnte die Zusammenarbeit mit dem Kindernetzwerk<br />

e.V. und der Achse e.V. intensiviert und Artikel<br />

in Printmedien veröffentlicht werden, Schritte,<br />

um das SMS allgemein bekannter zu machen. Eine<br />

ständige Präsenz auf Facebook und Instagram, vor<br />

allen Dingen an jedem Tag im November aufgrund<br />

des SMS-Awareness-Days am 17.11., zeigen ihre<br />

Wirkung. Diese Beiträge resultieren in einer signifikanten<br />

Zunahme von Kontaktaufnahmen mit dem<br />

Verein.<br />

Wir haben konkrete Pläne für ein persönliches Treffen<br />

im Mai 2022 mit Vor-Ort-Vorträgen und Online-<br />

Formaten und das 20-jährige Jubiläum 2023. Wir<br />

haben für und mit den Sirius-Familien noch viel vor.<br />

Weitere Informationen auf:<br />

www.smith-magenis.de<br />

www.facebook.com/smith.magenis.syndrom.<br />

deutschland<br />

www.instagram.com/sirius_germany


Aus dem Kindernetzwerk<br />

11<br />

Neue Mitglieder im Kindernetzwerk e.V.<br />

Nun wollen wir Ihnen zwei unserer neuen Mitgliedsorganisationen vorstellen.<br />

Danke, dass Sie Teil des <strong>knw</strong>-Netzwerks geworden sind!<br />

Vorstellung Bundesverband für PFFD, FFU,<br />

Fibula- und Tibiadefekte e. V.<br />

Der Anfang<br />

Immer wieder kommt eben doch noch der wortwörtliche<br />

soziale Nutzen der sozialen Medien zum<br />

Vorschein: 2019 fand sich eine Gruppe erwachsener<br />

Selbstbetroffener im Sinne der Vernetzung<br />

durch die sozialen Medien zusammen und organisierte<br />

einen sicheren Rahmen zum Austausch über<br />

die angeborenen Gliedmaßenfehlbildungen PFFD,<br />

FFU, Fibula- und Tibiadefekte. Im Fokus stand dabei<br />

von Beginn an, Erfahrungswerte zu teilen und<br />

Eltern betroffener Kinder ihre Sorgen zu nehmen.<br />

Die Gründung<br />

Das Angebot zum Austausch traf auf reichliche<br />

Nachfrage und so entstand die Idee eines organisierten<br />

Verbandes. Am 27. März 2021 war es dann<br />

endlich soweit und der gemeinnützige Bundesverband<br />

erblickte das Licht der Welt. Der Vorstand<br />

wird von Selbstbetroffenen und Eltern betroffener<br />

Kinder gebildet, um die beidseitige Interessensvertretung<br />

sicherzustellen.<br />

Die Ziele<br />

Es soll ein Netzwerk aufgebaut werden, um den<br />

Austausch weiter zu verbessern. Besonderes Augenmerk<br />

liegt dabei auf einem neutralen und unabhängigen<br />

Informationsaustausch. Jede Ausprägung<br />

der Dysmelien ist einzigartig. Genauso individuell<br />

sind auch die unterschiedlichen Behandlungsansätze.<br />

Daher ist es wichtig, dass die bereitgestellten<br />

Informationen reflektierte Entscheidungen entlang<br />

des Lebensweges möglich machen. Dabei möchte<br />

der Verband helfen, aus jedem selbst gewählten<br />

Weg den Richtigen für sich zu machen. Eine Basis<br />

für die reflektierten Entscheidungen stellt das Wissensmanagement<br />

der individuellen Erfahrungswerte<br />

aller Altersgruppen dar.<br />

Unbedingter Teil der Verbandsarbeit ist das Thema<br />

Inklusion und die junge Selbsthilfe. Den sogenannten<br />

„BuPFTis“ sollen die vielfältigen Möglichkeiten<br />

an Aktivitäten aufgezeigt und das Selbstbewusstsein<br />

im Umgang mit den Fehlbildungen gestärkt<br />

werden.<br />

Angebote für Mitglieder<br />

• Übersicht über Behandlungszentren<br />

• Vermittlung Selbstbetroffener als direkte<br />

Kontaktpersonen<br />

• DSGVO-konforme Plattform zum Austausch<br />

untereinander<br />

• Regelmäßige Treffen (vor Ort und online)<br />

mit fachlichen Beiträgen<br />

• Übersicht über verschiedene Hilfsmittel<br />

• Tipps & Tricks zum Überwinden der<br />

Alltagshürden<br />

• Infomaterial rund um die Fehlbildungen<br />

• Erfahrungsberichte zu Behandlungswegen


12<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Kontakt und weitere Informationen<br />

E-Mail: info@bupft.de<br />

Homepage: www.bupft.de<br />

Instagram: @bupft.ev<br />

Facebook: Bundesverband für PFFD, FFU,<br />

Fibula- und Tibiadefekte e.V.<br />

Telefon: +49(0) 40 – 18 22 88 15<br />

Adresse: Postfach 520422 | 22594 Hamburg<br />

Anmerkung des <strong>knw</strong>: Wir danken für das schöne<br />

Bild, das wir als Titelbild unserer ersten Ausgabe<br />

nutzen durften!<br />

intaktiv e.V. –<br />

eine Stimme für genitale Selbstbestimmung<br />

Recht auf unversehrte Genitalien für alle Kinder<br />

und Menschen<br />

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und<br />

Rechten geboren“: Dieser Grundsatz aus der Allgemeinen<br />

Erklärung der Menschenrechte liegt den<br />

Zielen und der Arbeit von „intaktiv e.V. – eine Stimme<br />

für genitale Selbstbestimmung“ zugrunde. Wir<br />

setzen uns für das Recht aller Menschen ein, selbst<br />

darüber zu entscheiden, welche nicht unmittelbar<br />

medizinisch notwendigen Eingriffe an ihren Genitalien<br />

vorgenommen werden.<br />

Die Genitalien sind wertvolle und hochgradig sensible<br />

Teile des menschlichen Körpers. Jeder operative<br />

Eingriff, selbst wenn dabei kein Gewebe<br />

entfernt wird, kann zu Einschränkung oder Verlust<br />

von Empfindungsvermögen und sexueller Funktionsfähigkeit<br />

und damit erheblichem Leid führen.<br />

Verletzungen des Rechtes auf genitale Unversehrtheit<br />

finden bis heute weltweit und an Menschen<br />

aller Geschlechter – weiblich, männlich und intergeschlechtlich<br />

– statt. Die Übergriffe erfolgen meist<br />

bei Babys, Kindern und Jugendlichen, die noch nicht<br />

für sich sprechen können, verletzlich, leicht beeinflussbar<br />

und abhängig von ihren Familien sind.<br />

Die Gründe sind genauso vielfältig wie Schweregrad<br />

und Umstände: Religion, Tradition, soziale Konformität,<br />

angebliche Krankheitsvorbeugung oder vermeintliche<br />

medizinische Notwendigkeit.<br />

Das bieten wir:<br />

Beratung und Unterstützung für Hilfesuchende und<br />

Betroffene, Vernetzung, Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit<br />

u.v.m.<br />

Mehr Informationen unter:<br />

Email: vorstand@intaktiv.de<br />

Internet: www.intaktiv.de<br />

Kundgebung zum weltweiten Tag der genitalen<br />

Selbstbestimmung vor dem Kölner Amtsgericht


Aus dem Kindernetzwerk<br />

13<br />

Aus unseren Arbeitskreisen:<br />

Heute zum Arbeitskreis<br />

„Gute Kooperationen“<br />

Interview mit Frau Heidi Marona, langjährige Leitung des Arbeitskreises 2<br />

„Gute Kooperationen“ des <strong>knw</strong><br />

Heidi Marona ist nun fast 20 Jahre lang die Leiterin<br />

des Arbeitskreises „Gute Kooperationen“ des<br />

<strong>knw</strong>, einem interdisziplinären Zusammenschluss<br />

aus Vertreter:innen von Selbsthilfe, Pflege, Medizin,<br />

Psychologie, Apotheken, Pharmaunternehmen,<br />

Krankenkassen und weiteren. Ziel ist es, gemeinsam<br />

Projekte und Aktivitäten mit dem Kindernetzwerk<br />

anzuregen und voranzutreiben. Dort sollen<br />

u.a. Interessenschnittmengen und gute Ansätze<br />

von Kooperationen gefunden werden.<br />

Der Arbeitskreis trifft sich mindestens 3x im Jahr<br />

an wechselnden Orten (jeweils bei einem Arbeitskreis-Mitglied).<br />

Frau Marona möchte nun den Vorsitz abgeben.<br />

Das Kindernetzwerk dankt ihr ganz herzlich für<br />

diesen jahrzehntelangen ehrenamtlichen Einsatz!<br />

Unsere Vorsitzende Dr. Annette Mund stellte nun<br />

ein paar Fragen an Heidi Marona, um die gemeinsame<br />

gute Zeit Revue passieren zu lassen:<br />

des Arbeitskreises in der Jubiläums-Veranstaltung<br />

des 10-jährigen Bestehens des Kindernetzwerks in<br />

Berlin lagen. Also vor fast 20 Jahren! Es gab damals<br />

mehrere Symposien und eines beschäftigte sich mit<br />

dem Thema „Kooperationen“ zwischen verschiedenen<br />

Akteuren. Daraus entwickelte sich dieser AK 2.<br />

Insgesamt wurden seinerzeit sechs Arbeitskreise<br />

gegründet – “Seltene Erkrankungen”, “Bündnis für<br />

Kinder, Pflege, Kinder- und Jugendliche” etc.<br />

Damals wurde die Zusammenarbeit mit der Industrie<br />

(Pharma) recht kritisch gesehen. Alle anderen<br />

Akteure im Gesundheitswesen „durften“ sich austauschen<br />

und zusammenarbeiten, aber hier war<br />

es schwierig. Ergebnis des damaligen Symposiums<br />

war, dass es doch nicht sein kann, dass die Pharma-<br />

Industrie immer einer „General-Schelte“ ausgesetzt<br />

ist. Wir waren sicher, dass es auch gute Beispiele<br />

von Zusammenarbeit gibt und geben kann.<br />

Seit dieser Zeit habe ich die Leitung des Arbeitskreises<br />

„Gute Kooperationen“ übernommen.<br />

Frau Marona, Sie haben den Arbeitskreis 2 „gute<br />

Kooperationen“ lange Zeit geführt. Wie und warum<br />

kam es zur Gründung des Arbeitskreises?<br />

Ich habe mich mal in die Geschichte des Arbeitskreises<br />

und des Kindernetzwerks begeben und<br />

überrascht herausgefunden, dass die Ursprünge<br />

Wie kam es zu der Zusammensetzung des AKs?<br />

Das Hauptmerkmal des Arbeitskreises sollte die<br />

interdisziplinäre nutzenstiftende Kooperation sein.<br />

Interessant, dass sich diese Forderung nach interdisziplinärem<br />

Denken und Handeln bis heute auch<br />

in der Satzung des <strong>knw</strong> wiederfindet.


14<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Wir schauten dann, wie Kooperationen entstehen,<br />

welche erfolgreichen es schon gab, welche vertieft<br />

bzw. breiter genutzt werden könnten. In den Anfängen<br />

gab es Vertreter der Ärzte, der Apotheker,<br />

der Selbsthilfe, der forschenden Pharmaindustrie<br />

und des Kindernetzwerks. Allerdings starteten wir<br />

mit mehr Dachverbänden, als heute noch vertreten<br />

sind, wie z.B. der KBV, der ABDA, dem VfA, der KOSA<br />

etc. Es waren hochmotivierte Vertreter:innen der<br />

jeweiligen Institutionen, die sich für ihren Bereich<br />

engagierten. Wir haben später noch Krankenkassen,<br />

Therapeut:innen oder auch den Pflegebereich<br />

dazugenommen. Über die Zeit hat u.a. personelle<br />

Fluktuation dazu geführt, dass es zunehmend auch<br />

engagierte Einzelpersonen waren und sind, die die<br />

Sichtweise ihres „Metiers“ gezielt einbrachten und<br />

bringen. Es ging und geht uns immer darum, das<br />

jeweilige Erfahrungswissen für die Belange des<br />

<strong>knw</strong> zu nutzen und uns verschiedene Sichtweisen<br />

zu eigen zu machen. Heute würde man es als „Brain<br />

Pool“ bezeichnen.<br />

Welche wesentlichen Projekte haben Sie bzw. hat<br />

der AK mitbegleitet?<br />

Die Frage ist nach 20 Jahren gar nicht so leicht zu<br />

beantworten. Ganz zu Anfang haben wir uns mit<br />

der Sammlung der guten Beispiele – “Best practice”<br />

– beschäftigt. Welche Kooperationen hat es schon<br />

gegeben, welche waren erfolgreich und wenn ja,<br />

warum?<br />

Wir haben diese dann in einer Art Handreichung<br />

für die Mitglieder des <strong>knw</strong> zusammengefasst.<br />

Wichtig für uns war, dass die Selbsthilfe immer mit<br />

im Boot war; nicht ausschließlich das <strong>knw</strong>, auch<br />

andere Selbsthilfe-Vertreter:innen. Die Beachtung<br />

von „Erlebtem Wissen“ war also ein ganz wichtiger<br />

Bestandteil der Arbeit. Wir beteiligten uns inhaltlich<br />

an Fachtagungen, entwickelten Befragungen,<br />

unterstützten Petitionen (Kinderrechte). Ein großes<br />

Thema waren die Patientenkommunikation und die<br />

Patientenbeteiligung. Später waren wir auch häufiger<br />

in wissenschaftliche Studien involviert (z.B.<br />

Qualität der Information von Selbsthilfe). Wir haben<br />

Beiträge für „Kinder Spezial“ und für Schwerpunkthefte<br />

verfasst, die Tagungen in Aschaffenburg<br />

mit Themen angefüttert (z.B. Ökonomisierung im<br />

Gesundheitswesen) und uns um den „Kindernetzwerkpreis“<br />

gekümmert, was wirklich viel Arbeit bedeutete.<br />

Sehr positiv war, dass sich auch aus den<br />

Strategien des <strong>knw</strong> synergistisch Themen ergaben,<br />

die wir im AK2 interdisziplinär bearbeitet haben. So<br />

konnten z.B. Ergebnisse von Mitgliederbefragungen<br />

oder wissenschaftlichen Studien (Systematischer<br />

Erfassung des Erfahrungswissen der Selbsthilfe),<br />

die wir begleitet haben, für die politische Arbeit<br />

des <strong>knw</strong> genutzt werden. Gute politische Kontakte<br />

und Netzwerke über die Geschäftsführung des <strong>knw</strong><br />

waren und sind natürlich die Basis.<br />

Insgesamt kann man sagen, dass die Zusammenarbeit,<br />

der Austausch und die gemeinsam angestoßenen<br />

Projekte des AK dazu beigetragen haben,<br />

Unwissenheit und mögliche Ressentiments der<br />

einzelnen Professionen untereinander abzubauen<br />

und den Fokus der Arbeit, die beeinträchtigten<br />

Kinder und ihre Familien, sowie die Arbeit des <strong>knw</strong><br />

überhaupt, in den Vordergrund aller Überlegungen<br />

und Kooperationen zu stellen. Hier sind natürlich<br />

die persönlichen Kontakte und Erfahrungen sehr<br />

wichtig, jedes Mitglied hat die AK-Arbeit zu seiner<br />

Sache gemacht.<br />

Wie stellt sich Ihr Resümee aus der langjährigen<br />

Arbeit dar?<br />

Ich glaube tatsächlich, dass alle Akteure mit sowohl<br />

verschiedener Perspektive als auch unterschiedlicher<br />

Zielsetzung davon profitiert haben,


Aus dem Kindernetzwerk<br />

15<br />

gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, nämlich immer<br />

zum Wohle der Betroffenen. Vorurteile wurden<br />

abgebaut, Möglichkeiten des Verständnisses<br />

einer anderen Sicht auf die Dinge wurden gewährt.<br />

Gleichzeitig wurden qualitativ sehr gute Ergebnisse<br />

erarbeitet, die das <strong>knw</strong> sowohl politisch als auch<br />

sehr pragmatisch nutzen konnte. Wichtig ist aber<br />

auch, dass immer wieder von den einzelnen Mitgliedern<br />

des AK Themen eingebracht und Aufgaben<br />

gestellt wurden, derer man sich dann angenommen<br />

hat. (Frühe Hilfen, Physiotherapie bei Kindern,<br />

Heilmittel-Verordnung, off-label use bei Kindern)<br />

Es war ein fruchtbares gegenseitiges Geben und<br />

Nehmen. Ähnlich wie bei den Jugendlichen im AK<br />

4 „Jugendliche“, die aus ihrer Betroffenenkompetenz<br />

ganz viel Einfluss nehmen können. So haben<br />

wir uns mit ihnen z.B. zu den Fragen „Wie können<br />

Jugendliche ihre Gesundheitskompetenz stärken?”<br />

oder “Welche Herausforderungen bringt die Transition<br />

mit sich“ kurzgeschlossen. Leider sind ja die<br />

ursprünglichen sechs Arbeitskreise peut à peut<br />

gebröckelt. Bis heute überlebt haben nur der AK 4<br />

und wir. Auch Volker Koch (Leiter des AK4) ist ein<br />

Treiber mit Herzblut. Nur so funktioniert es.<br />

Was bedeutet Kindernetzwerk für Sie?<br />

Es bedeutet mir viel, sehr viel. Schon zu Beginn<br />

meiner Leitung des AK, also vor ca. 20 Jahren, hatte<br />

ich Kontakt zum <strong>knw</strong> . Das rührte aus meiner damaligen<br />

Tätigkeit in einem Pharma-Unternehmen<br />

her. Eines Tages bin ich auf Initiative von Raimund<br />

Schmid mit meinem damaligen Chef bei Herrn Professor<br />

von Voss in seiner Kinderklinik in München<br />

gewesen. Es war extrem emotional für uns. Wir<br />

haben erstmalig gesehen, wie es den kranken Kindern<br />

und deren Eltern geht. Wir konnten mit Menschen<br />

sprechen, die mit ihren betroffenen Kindern<br />

da waren, und es hat uns stark berührt. Das war<br />

damals mit der auslösende Punkt für unser Unternehmen,<br />

sich im Bereich „Corporate social responsibility“<br />

für das <strong>knw</strong> langjährig zu engagieren.<br />

Es war eine emotionale Antwort auf ein bis heute<br />

sehr prägendes Erlebnis. Dadurch habe ich auch<br />

persönlich einen sehr emotionalen Bezug zum <strong>knw</strong>.<br />

Ich erinnere mich an Tagungen, auf denen ich die<br />

betroffenen Kinder und Eltern gesehen habe und<br />

so knallhart mit der Realität konfrontiert wurde.<br />

Vor Jahren in Berlin beispielsweise, ich denke an<br />

einen kleinen Jungen, der beatmungspflichtig war.<br />

Er lief nach dieser Prozedur, fein gemacht mit Fliege,<br />

quirlig umher und setzte sich locker zu Füssen<br />

von Christina Rau, der Frau des damaligen Bundespräsidenten,<br />

die gerade ihre Rede als Schirmherrin<br />

hielt. Ich dachte nur, „dieses Kind hat Freude, aber<br />

was leisten seine Eltern!“. Ich muss immer wieder<br />

sagen: „Hut ab vor der Leistung der pflegenden Eltern!“.<br />

Früher habe ich mich nie mit kranken oder<br />

schwerstkranken Kindern beschäftigt. Allein schon<br />

die Erkenntnis, welche Fülle der Erkrankungen es<br />

überhaupt gibt. Das weiß ja keiner, also ein Außenstehender<br />

hat davon keine Ahnung. Und man denkt<br />

nur: „Himmel, wie soll denn eine Mutter, ein Vater<br />

mit solch einer Erkrankung und mit allem, was da<br />

dranhängt, umgehen? Es ist doch klar, dass die<br />

Eltern Hilfe brauchen!“<br />

Wenn ich nun nach 20 Jahren mit der AK-Leitung<br />

aufhöre, geschieht das nicht aus Frust oder Langeweile,<br />

sondern ich denke, man sollte irgendwann<br />

auch mal loslassen. Ich möchte mich gerne weiter<br />

ehrenamtlich einbringen, wenn gewollt und erwünscht,<br />

auch gerne in einem wie auch immer organisierten<br />

Wissenspool. Ich bleibe natürlich auch<br />

persönliches Mitglied im <strong>knw</strong>. Allein, wenn ich an<br />

diesen kleinen Jungen von damals denke. Ich traf<br />

ihn vor zwei Jahren auf der <strong>knw</strong> Tagung. Er ist jetzt<br />

ein junger Mann, hat Arbeit gefunden und lebt sein<br />

Leben. Ich finde das so schön, das mitzuerleben.


16<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

Ich bin sehr stolz und dankbar, dass ich an meiner<br />

Stelle etwas helfen konnte. Ich danke allen, die<br />

über die vielen Jahre ihr Wissen, ihre Erfahrungen<br />

und ihr Engagement miteingebracht und geteilt<br />

haben. Es hat mir große Freude gemacht, mit Euch<br />

zu arbeiten. Und ich danke natürlich dem <strong>knw</strong> für<br />

die wunderbare Unterstützung, es ist fast wie eine<br />

kleine Familie für mich. Sogar mit manchen „verrückten“<br />

Ideen, wie dem <strong>knw</strong> Kabarett! Richard<br />

Haaser und ich haben ja mehrere Jahre – also eigentlich<br />

bis zur Pandemie – ein Kabarettstückchen<br />

innerhalb der Mitgliederversammlung aufgeführt.<br />

Es war immer sehr nahe an den Geschehnissen des<br />

<strong>knw</strong> angesiedelt, und hat hoffentlich allen Spaß<br />

gemacht. Auch das werden wir sicher noch einmal<br />

hinbekommen.<br />

Ich bin sicher, dass die Idee bestehen bleibt, einen<br />

interdisziplinären Expert:innen- und Betroffenenpool<br />

für die Belange des <strong>knw</strong> weiter zu nutzen. Es<br />

mag neue Konzepte zur Realisierung dieser Notwendigkeit<br />

geben (und bitte nicht nur digital!),<br />

neue engagierte Menschen, einen neuen Treiber,<br />

der/ die den Hut aufhat, aber wichtig bleibt: Herzblut<br />

und Freude für die Sache.<br />

Danke ganz herzlich, liebe Frau Marona.<br />

Neues am Horizont<br />

Interview mit Dr. Annette Mund,<br />

Vorsitzende des <strong>knw</strong>, zur Zukunft der Selbsthilfe<br />

Liebe Frau Dr. Mund, was bedeutet Ihnen ganz<br />

persönlich die Selbsthilfe?<br />

Selbsthilfe ist für mich ein Rettungsseil, das man<br />

ergreifen kann, um sich aus dem Loch, in das man<br />

eventuell aufgrund einer Diagnose des eigenen<br />

Kindes gefallen ist, langsam, aber sicher herauszuarbeiten.<br />

Selbsthilfe bedeutet zu verstehen, dass<br />

man in der eigenen Situation zwar selbst betroffen<br />

ist, aber nicht allein nach Lösungen und Hilfen suchen<br />

muss. Selbsthilfe stellt erstmal Beratung und<br />

Hilfe von außen dar und entwickelt sich dann zur<br />

Hilfe, die von innen kommt. Stärkung tritt ein.<br />

Wie hat sich die Rolle der Selbsthilfe in den vergangenen<br />

Jahren geändert?<br />

Zu Beginn der breit aufgestellten Selbsthilfe gab es<br />

immer wieder ein falsches Verständnis dessen, welche<br />

Rolle die in der Selbsthilfeaktiven in Bezug auf<br />

das Wissen und die Kompetenz des Medizinsystems,<br />

d. h. der Ärzt:innen und Therapeut:innen, einnahmen.<br />

Es ging um eine Art der Konkurrenz – wer<br />

weiß besser Bescheid: Der Arzt mit seiner erlernten<br />

Kompetenz oder der Betroffene mit seiner erlebten<br />

Kompetenz. In den letzten Jahren erkannten beide<br />

Seiten, dass sie nur gemeinsam und auf Augenhöhe<br />

zum individuell besten Ergebnis für den Betroffenen,<br />

die betroffene Familie, kommen können.<br />

Heute stehen wir aber vor einem neuen Problem.<br />

Es war lange Zeit für Menschen, die in „geordneten“<br />

Verhältnissen lebten, also Familie hatten und zur<br />

Arbeit gingen, durchaus üblich, sich in ihrer Freizeit


Aus dem Kindernetzwerk<br />

17<br />

in der Selbsthilfe zu engagieren. Das hat sich geändert<br />

– ob aufgrund der sozioökonomischen Lage<br />

vieler Menschen oder aufgrund einer neuen Entwicklung,<br />

in der eher das Ego des Einzelnen als die<br />

Gemeinschaft im Vordergrund des Denkens stehen<br />

– kann ich abschließend nicht sagen. Eventuell geht<br />

es auch um Beides. Fakt ist jedoch, dass die meisten<br />

Menschen ein längerfristiges Engagement, das<br />

sie über eine gewisse Zeit hin bindet, ablehnen. Es<br />

ist schwer geworden, Nachwuchs zu finden.<br />

Was ist aus Ihrer Sicht die Rolle des <strong>knw</strong>: Soll es<br />

selbst als Selbsthilfeorganisation fungieren oder<br />

vor allem andere Selbsthilfeorganisationen stärken?<br />

Das <strong>knw</strong> hat von Beginn an eine Doppelrolle in der<br />

Selbsthilfelandschaft eingenommen: Einerseits verstand<br />

und versteht es sich als Dachorganisation,<br />

andererseits ist die direkte Arbeit für die Betroffenen<br />

ein wesentlicher Baustein in seiner Arbeit. Als<br />

Dachorganisation bietet es allen kleineren und größeren<br />

Selbsthilfeorganisationen, die sich mit den<br />

verschiedensten Problemen rund um körperliche<br />

Beeinträchtigung, genetischen Dispositionen und<br />

deren Auswirkungen beschäftigen (müssen), einen<br />

Ankerplatz. Sie können bei uns andocken, können<br />

sich mitteilen, können sich Hilfe holen und uns<br />

gleichzeitig auf bestimmte Probleme und Auswirkungen<br />

der Beeinträchtigungen hinweisen, die wir<br />

selbst vielleicht gar nicht so auf dem Schirm haben.<br />

Sie gewähren uns Einsichten in ihr Leben und ihre<br />

Problematik und stärken so unser Wissen. Es ist ein<br />

gegenseitiges Geben und Nehmen, denn im Gegenzug<br />

können wir all das Wissen und die Kompetenz<br />

weitergeben, die wir schon angesammelt haben.<br />

Zudem können wir Anfragen an die Politik bündeln<br />

und allen Organisationen, die selbst wenig bis keine<br />

Ressourcen dafür haben, in Berlin eine Stimme<br />

geben.<br />

Auf der anderen Seite aber versuchen wir konstant,<br />

direkte Hilfe für betroffene Familien zu sein. Wir<br />

veranstalten Mütter– und Väterfreizeiten, bieten<br />

über die Akademie Kurse an, um Betroffene für das<br />

Gesundheitssystem mit all seinen verschlungenen<br />

Pfaden und teilweise ermüdenden Sackgassen fit<br />

zu machen, beraten Anfragende und vermitteln an<br />

spezialisierte Hilfsangebote weiter. Wir unterstützen<br />

also sowohl die Betroffenen selbst als auch die<br />

Organisationen der verschiedenen Beeinträchtigungen.<br />

Was erwarten junge Leute heute von ihrer Selbsthilfeorganisation?<br />

Viele junge Menschen sind “digital natives”. Sie<br />

kennen schnelle Kommunikationswege, wollen<br />

schnelle und präzise Antworten und kein langes<br />

„Rumgeeiere“. Sie interessieren sich für Politik<br />

und öffentliches Leben, sind hilfsbereit und durchaus<br />

engagiert. Aber sie wollen häufig keine langen<br />

Bindungen. Sie wollen anpacken, etwas bewegen.<br />

Es stellt sich daher die Frage, ob die bisherige Art<br />

der Selbsthilfe – Vereine gründen, Posten vergeben,<br />

Protokolle schreiben, vierteljährliche Treffen<br />

mit Tagesordnung und all diesem oft langweiligen<br />

Kram – noch zeitgemäß ist. Wir haben herausgefunden,<br />

dass junge Menschen sich sehr gut für eine<br />

bestimmte Zeit einem Projekt widmen wollen, das<br />

Beste aus diesem herausholen und dann umsetzen<br />

wollen. Ist dies geschehen, wollen sie sich eventuell<br />

einem anderen Projekt widmen – und das muss<br />

nicht unbedingt innerhalb der Selbsthilfe liegen.<br />

Wir denken viel über dieses Thema und seine<br />

Umsetzbarkeit nach. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise,<br />

geplante Projekte im Vorhinein auf<br />

die Website der jeweiligen Organisation zu setzen<br />

und die Arbeit daran sozusagen auszuschreiben.<br />

Wer sich engagieren möchte – egal ob Mitglied in<br />

dieser Organisation, oder nicht, - kann sich melden


18<br />

Aus dem Kindernetzwerk<br />

und wird gegebenenfalls in die Arbeit integriert. So<br />

würde der Selbsthilfegedanke – mir und anderen<br />

helfen – weitergetragen und würde sich doch aus<br />

dem starren bisherigen Vereinskonstrukt lösen. Natürlich<br />

müsste dann auch die bisherige Praxis der<br />

Selbsthilfeprojektförderung überdacht und umgebaut<br />

werden.<br />

Hat das <strong>knw</strong> eigentlich ein Nachwuchsproblem?<br />

Oder wo sind die Jungen in den Organisationen?<br />

Viele unserer Mitgliedsorganisationen haben eine<br />

„junge Selbsthilfe“. Jugendliche werden in eigenen<br />

Projekten betreut und langsam in die Selbsthilfe<br />

eingeführt. Das tägliche Leben aber zeigt uns, dass<br />

junge Menschen in die Selbsthilfearbeit nur schwer<br />

zu integrieren sind, da hier sehr viel ehrenamtliches<br />

Engagement gefragt ist. Heutzutage aber ist<br />

es sowieso schon schwer, mit einem Gehalt sein eigenes<br />

Leben zu bestreiten. Sind Kinder in einer Familie<br />

vorhanden, müssen heute in den meisten Fällen<br />

beide Elternteile arbeiten gehen, da sonst nicht<br />

alles rund um die Familie finanziert werden kann.<br />

Wenn nun ein beeinträchtigtes Kind in der Familie<br />

lebt, wird die ganze Sache noch viel teurer, noch<br />

viel komplizierter. Es fehlen dann auch überhaupt<br />

die Zeit, die finanziellen Ressourcen, die nervlichen<br />

Möglichkeiten, um sich zu engagieren – und das<br />

ehrenamtlich.<br />

Selbsthilfe ist ein Zeitfresser und bringt keinen<br />

finanziellen Ausgleich. Hier müsste sich einiges ändern,<br />

möchte man dieses Konstrukt weiterhin am<br />

Leben erhalten.<br />

Was macht das <strong>knw</strong>, um junge Menschen besser<br />

zu erreichen?<br />

Wir haben einen Arbeitskreis „junge Selbsthilfe“.<br />

Dieser lief lange Zeit sehr gut, fängt allerdings<br />

langsam an zu zerbröseln – vor allem auch durch<br />

die Corona-Epidemie. Wir werden in 2022 wieder<br />

einen Schwerpunkt auf die junge Selbsthilfe legen<br />

– trotz Corona.<br />

Und was, um Migrant:innen besser zu erreichen?<br />

Eine unserer sehr engagierten Mitarbeiterinnen,<br />

Frau Silke Dietrich, hat sich lange Zeit intensiv mit<br />

dem Thema der Migrant:innen beschäftigt, hat<br />

Gruppen besucht, hat diese untereinander verbunden<br />

und uns auf das große Thema der Kultursensibilität<br />

aufmerksam gemacht. Wir haben einige<br />

Mitgliedsorganisationen, die nicht deutsch sind.<br />

Sie zeigen uns, wie divers die Probleme rund um<br />

eine gesundheitliche Beeinträchtigung in den verschiedenen<br />

Kulturkreisen gestreut sind. Und wir<br />

lernen. Gerne laden wir alle Migrant:innen ein, sich<br />

in unsere Arbeit einzubringen, damit wir auch hier<br />

unseren Horizont weiten können.<br />

Was ist ihre Prognose: Wie werden sich Menschen<br />

in 20 Jahren beraten lassen?<br />

Ich denke, es wird sich nicht sehr viel ändern. Menschen<br />

wollen individuell in ihrer Situation gesehen<br />

werden. Sie wollen jemanden, der ihnen zuhört,<br />

der sich ihnen weitestgehend annähern kann und<br />

mit ihnen ihre Probleme auf Augenhöhe bespricht<br />

und im besten Fall auflöst, oder zumindest schmälert.<br />

Ob in 20 Jahren Beratungsansätze noch mehr<br />

digital unterstützt sein werden als heute oder ob<br />

man wieder zu den eher persönlichen Austauschwegen<br />

gelangt sein wird, kann ich nicht sagen. Nur<br />

das eine ist gewiss: Der Mensch braucht den anderen<br />

Menschen.<br />

Liebe Frau Dr. Mund, vielen Dank für das Gespräch.<br />

Das Interview führte Kathrin Jackel-Neusser.


Aus Politik & Gesellschaft


20<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser Einsatz zur Bundestagswahl<br />

und danach<br />

Kathrin Jackel-Neusser, Geschäftsführerin des <strong>knw</strong><br />

für den Bereich Politik und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Das <strong>knw</strong> hatte sich intensiv auf die Bundestagswahl<br />

vorbereitet und auch seinen Mitgliedern Informationen<br />

dazu gegeben, wie man eigene Wahlprüfsteine<br />

einreicht. Unsere Informationen und die<br />

Antworten der Parteien hatten wir hier zur Verfügung<br />

gestellt:<br />

Außerdem hatten wir unseren Berliner Appell den<br />

Mitgliedern der Koalitionsarbeitsgruppen zur Verfügung<br />

gestellt. Im Koalitionsvertrag haben wir<br />

einige unserer Forderungen wiedergefunden, was<br />

uns sehr freut. Wir bleiben für Sie dran!<br />

Zoller und des Schriftführers Dr. med. Richard Haaser,<br />

mit einigen Gesundheitspolitiker:innen.<br />

Am 28. Juli 2021 trafen Dr. Mund und Jackel-Neusser<br />

den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung,<br />

Jürgen Dusel, und stellten u.a. die Forderungen<br />

aus der Petition des ,,Aktionsbündnisses für<br />

bedarfsgerechte Heil- und Hilfsmittelversorgung“<br />

und weitere Forderungen unserer Mitglieder vor.<br />

Foto: Frau Dr. Annette Mund und der Behindertenbeauftragte<br />

der Bundesregierung Jürgen Dusel<br />

mit der Petition des Aktionsbündnisses für<br />

bedarfsgerechte Heil- und Hilfsmittelversorgung<br />

(© Annette Mund und Jürgen Dusel)<br />

Foto: Frau Kathrin Jackel-Neusser mit zwei weiteren<br />

Frauen, die Protestplakate für Menschlichkeit<br />

statt Bürokratie halten<br />

Zentral waren auch die zuvor stattgefundenen Gespräche<br />

unserer Vorsitzenden Dr. Annette Mund sowie<br />

unserer Vorstände, der Vizevorsitzenden Elfriede<br />

Am 02. August traf sich unser Schriftführer Dr.<br />

Richard Haaser mit der FDP-Bundestagskandidatin<br />

Kristine Lütke, Schatzmeisterin des Landesverbandes<br />

Bayern. Sie leitet ein Senioren- und Pflegeheim<br />

in Lauf an der Pegnitz und ist in der FDP-AG<br />

Pflege aktiv: http://kindernetzwerk.de/de/agenda/<br />

News/2021/0803-Knw-Vorstandsmitglied-trifftbayerische-FDP-Landes.php.


Aus Politik & Gesellschaft<br />

21<br />

Foto: Dr. Richard Haaser mit der FDP-Bundestagskandidatin<br />

Kristine Lütke vor einer kleinen Fichte<br />

Im Anschluss trafen Elfriede Zoller und Dr. med.<br />

Henriette Högl, Geschäftsführerin des <strong>knw</strong>, die AG<br />

Pflege der FDP, siehe: https://twitter.com/Thomas-<br />

Seerig/status/1452649698964250624.<br />

Wir nahmen außerdem am 16. August teil an der<br />

4. Sitzung der Interministeriellen Arbeitsgruppe<br />

„Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und<br />

Jugendliche durch Corona“, die das Gesundheitsministerium<br />

(BMG) und das Bundesfamilienministerium<br />

(BMFSFJ) gemeinsam durchführten: http://<br />

kindernetzwerk.de/de/agenda/News/2021/Kindernetzwerk-schildert-BMG-Belastungslage.php.<br />

Das Ergebnis können Sie hier nachlesen: http://kindernetzwerk.de/de/agenda/News/2021/Gesundheitliche-Auswirkungen-auf-Kinder-und-Jugend.<br />

php.<br />

Lektion gelernt aus der Pandemie: Kinder und<br />

Jugendliche mit besonderen gesundheitlichen<br />

Bedürfnissen mehr in den Blick nehmen<br />

Foto: Elfriede Zoller auf einem Treffen mit der AG<br />

Pflege der FDP (© Elfriede Zoller und die FDP AG)<br />

Am 9. August konnten wir per Videokonferenz die<br />

aus Osnabrück stammende Bundestagsabgeordnete<br />

und behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion<br />

Bündnis 90/ Die Grünen Corinna<br />

Rüffer treffen: http://kindernetzwerk.de/de/agenda/News/2021/0811-Austausch-mit-Fachpolitikerin.php.<br />

Am 18.09.2021 führten wir mit großzügiger Förderung<br />

des Bundes unsere online durchgeführte<br />

<strong>knw</strong>-Jahrestagung durch, deren Ergebnisse Sie hier<br />

nachlesen können:<br />

https://www.kindernetzwerk.de/de/aktiv/News<br />

/2021/0918-<strong>knw</strong>-Jahrestagung.php.<br />

Dort stimmten wir in Workshops in einem „bottom<br />

up“-Prozess Forderungen der betroffenen Eltern<br />

und Selbsthilfetätigen an die Politik ab, die wir nun<br />

auch verteilen und den Politiker:innen übersenden<br />

werden.


22<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser Forderungspapier<br />

im Wortlaut:<br />

Die Ergebnisse zweier Workshops während der<br />

<strong>knw</strong> Jahrestagung 2021<br />

In den bestehenden Pandemieplänen, aber auch<br />

insgesamt in den letzten Gesetzesreformen der<br />

Bundesregierung, werden die Familien mit chronisch<br />

kranken und behinderten Kindern und Jugendlichen<br />

nicht ausreichend berücksichtigt. Durch<br />

die Einschränkungen bleiben diese Familien bei der<br />

Pflege der Betroffenen weitgehend allein. Manche<br />

werden für die Außenwelt regelrecht „unsichtbar“,<br />

weil sie Angst vor Ansteckung haben und/oder keine<br />

Angebote zur Teilhabe mehr erhalten. Digitale<br />

Betreuung ist dabei nicht immer eine gute Lösung<br />

für die Familien, denn die zusätzliche psychische<br />

Belastung durch die entstehende Isolation, auch<br />

die der Geschwisterkinder, ist oft ein Nebeneffekt.<br />

Allgemeine grundsätzliche Forderungen<br />

Um die Situation der betroffenen Familien und ihrer<br />

Kinder zu verbessern, ist ein Umdenken bei den<br />

Verantwortlichen in der Politik dringend geboten:<br />

Die gesetzlichen Vorgaben und entsprechenden<br />

Lösungen sind konsequent an den besonderen Bedürfnissen<br />

der Familien auszurichten.<br />

Dies erfordert:<br />

• eine öffentliche Anerkennung der Expertise<br />

Betroffener in eigener Sache und eine stärkere Beteiligung<br />

der Eltern in allen Fragen der Versorgung<br />

und Teilhabe, auch durch eine regelhafte Anhörung<br />

der Selbsthilfeverbände in den entsprechenden<br />

Gremien.<br />

• Patient:innen-/Elternvertreter sollten in Kom-<br />

missionen und Kontrollräten von Kliniken, in<br />

Aufsichtsräten (von Krankenkassen, Ministerien)<br />

berücksichtigt und beteiligt werden („Making<br />

children visible in budgets!“).<br />

• Aufgrund der Erfahrungen der Familien wird die<br />

Teilhabe verbessert durch folgende konkrete Maßnahmen,<br />

die umzusetzen sind:<br />

• Erweitertes Kinderkrankengeld für Kinder mit<br />

besonderem Bedarf<br />

• Vereinfachte und verlässliche Freistellungsregelung<br />

am Arbeitsplatz. Denn die Nutzung der Freistellungsregelungen<br />

kostete manch betreuendes<br />

Elternteil den Arbeitsplatz, weil die Regelung zu<br />

kompliziert umzusetzen bzw. für Betriebe nicht verlässlich<br />

war.<br />

• Verstärkte Information der Arbeitgeber:innen<br />

über die Verbindlichkeit vorhandener Hilfssysteme<br />

und entsprechende Weiterbildung der Betriebsräte<br />

und Gleichstellungsbeauftragten<br />

• Bessere Information der Familien (z.B. durch<br />

gesetzlich verankerte „Lotsen“, „Peers“ und „Care<br />

Manager:innen“)<br />

• Generelle berufsgruppenbezogene Impfpflicht<br />

für alle betreuenden Kontaktpersonen<br />

• Einheitliche Notfalllösungen bei Adhoc-Schulund<br />

Kitaschließungen für vulnerable Zielgruppen<br />

(z.B. Einzelbetreuung, Entlastungsangebote)<br />

• Verbindliches Etablieren einer Gesundheitsfachkraft<br />

in allen Kitas und Schulen


Aus Politik & Gesellschaft<br />

23<br />

• In Bildungssystem und Sozialleistungen verankerte<br />

technische Hilfsmittel zur Teilhabe an<br />

Bildung/Integration (u.a. Telepräsenzroboter)<br />

• Einrichtung einer Internetplattform oder regionaler<br />

Meldestellen für Personen, die Unterstützungsleistungen<br />

zur Entlastung der Familien anbieten<br />

möchten<br />

• Die Qualität der medizinisch-therapeutischen<br />

Versorgung während der Pandemie wird gesichert<br />

und gestärkt durch:<br />

• Weiterbildung von Erzieher:innen in der<br />

Grundpflege oder die Integration von Heilerziehungspfleger:innen<br />

für Kita und Hort, um Basisaufgaben<br />

für Gesundheitsversorgung und Inklusion<br />

übernehmen zu können (alternativ: Einstellen einer<br />

Gesundheitsfachkraft)<br />

• Klare Regelungen zur Aufrechterhaltung der<br />

Therapiemöglichkeiten in Betreuungseinrichtungen<br />

und zugleich Flexibilität, die Vorgaben besonderen<br />

Bedürfnissen anzupassen (Beispiele: Transport<br />

von Kindern muss auch in Pandemie weiter funktionieren<br />

/ Für Menschen mit Höreinschränkungen<br />

müssen auch durchsichtbare Masken möglich sein<br />

u.v.m.)<br />

• Zusätzliche Einzelbetreuungsmöglichkeiten für<br />

schwerst- und mehrfachschwerstbehinderte Kinder<br />

• Erweiterte mobile Krankenpflege zur Weitergabe<br />

therapeutischer Fähigkeiten an die Eltern<br />

• Bessere Rahmenbedingungen für Kinderkliniken<br />

(Abschaffung der DRG´s, Einführung eines Sicherstellungszuschlags<br />

etc.)<br />

• Reduzierung der Ökonomisierung in der Medizin<br />

(Rückführung von Krankenhäusern in öffentliche<br />

Hände, Abkehr von Gewinnoptimierung als<br />

Behandlungsziel etc.) und<br />

• Erweiterung des pädiatrischen Bereichs für den<br />

Erhalt einer qualitativ guten Kinderkrankenpflege,<br />

besser aber die Aufhebung der Generalisierung in<br />

der Pflegeausbildung.


24<br />

Aus Politik & Gesellschaft<br />

Unser Einsatz im Kampf gegen<br />

die Auswirkungen des IPReG<br />

Foto: Aktivist:innen und Menschen aus dem Bereich<br />

der Selbsthilfe stehen nebeneinander vor<br />

Protestplakaten<br />

Ein Ziel des Intensivpflegestärkungsgesetzes (GKV-<br />

IPReG) war es, bekannt gewordenen Fällen von<br />

missbräuchlicher Versorgung bei geriatrischen,<br />

multimorbiden Patienten in sogenannten Intensivpflege-Wohngemeinschaften<br />

entgegenzuwirken.<br />

Durch das Inkrafttreten des GKV-IPReG und die<br />

vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) geplante<br />

Richtlinie für Außerklinische Beatmung müssen<br />

nun aber Familien mit schwer erkrankten Kindern<br />

um ihren familiären Zusammenhalt fürchten,<br />

wenn die jetzt deutlich höheren Anforderungen<br />

an die medizinische und pflegerische Versorgung<br />

in der Familie nicht sichergestellt werden können.<br />

Das <strong>knw</strong> forderte daher in einer Pressemitteilung:<br />

„Sichern Sie schwer kranken Kindern und Jugendlichen<br />

ein Leben in ihren Familien und die Chance auf<br />

eine altersentsprechende Entwicklung“.: https://<br />

www.kindernetzwerk.de/downloads/agenda/Pressemeldung_Kindernetzwerk_IPReG_03112021.pdf.<br />

Diese Pressemitteilung haben wir im Vorfeld an<br />

die Mitglieder der Koalitionsarbeitsgruppen für<br />

Gesundheit von SPD, den Grünen und der FDP, an<br />

das Bundesgesundheitsministerium, an Jürgen Dusel,<br />

den Beauftragten der Bundesregierung für die<br />

Belange von Menschen mit Behinderungen, sowie<br />

den Gemeinsamen Bundesausschuss GBA gesendet.<br />

Außerdem nahmen unsere Vizevorsitzende


Aus Politik & Gesellschaft<br />

25<br />

Elfriede Zoller und unsere Geschäftsführerin für Politik<br />

Kathrin Jackel-Neusser an der Pressekonferenz<br />

des Think Tank zum IPReG teil.<br />

Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserer<br />

Internetseite. Wir berichten dort immer aktuell<br />

über den Fortgang: https://www.kindernetzwerk.<br />

de/de/agenda/News/2021/Leben-mit-ausserklinischer-Intensivpflege-ist-viel.php.<br />

Marburger Bund Chefin Johna will Ende der DRG<br />

und Neubeginn in Kinderkliniken<br />

Auf der 138. Hauptversammlung forderte die Vorsitzende<br />

des Marburger Bundes angesichts des<br />

„riesigen Fachkräftemangels“ humanere Arbeitsbedingungen<br />

für die Pflegenden und generell eine<br />

„Investition in Menschen“. Nötig dafür seien neue<br />

Krankenhausstrukturen mit einem neuen Finanzierungssystem.<br />

Denn die Länder kämen ihrer Finanzierungsverantwortung<br />

oft nicht ausreichend nach.<br />

Es sei aus ihrer Sicht auch nicht - wie im Sondierungspapier<br />

von SPD, FDP und Grünen angekündigt<br />

- ausreichend, nur Pädiatrie und Geburtshilfe außerhalb<br />

des DRG-Systems zu finanzieren, sondern<br />

die DRG sollten aus ihrer Sicht generell abgeschafft<br />

werden. Außerdem solle die „Misstrauensbürokratie“<br />

beendet werden. (kjn)<br />

BfArM Ziel: Big Data gegen Lieferengpässe<br />

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />

(BfArM) startet ein neues Projekt zur<br />

Vermeidung von Arzneimittel-Lieferengpässen. Mit<br />

Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und sogenannten<br />

„Big Data-Ansätzen“ möchte das BfArM künftig<br />

mehr Transparenz und Stabilität bei der Herstellung<br />

von Wirkstoffen und Arzneimitteln erzielen.<br />

BfArM-Präsident Prof. Dr. Karl Broich sagte dazu:<br />

„Wir werden mehr Transparenz von der Pharmaindustrie<br />

fordern, um noch früher wirkungsvoll<br />

gegensteuern zu können. Zugleich werden wir die<br />

Hersteller auf Basis dieser Daten mit konkreten<br />

Beratungsangeboten bei der Stabilisierung von<br />

Produktionsstrukturen und Lieferketten unterstützen.“<br />

Hierfür sollen zum einen umfangreiche Datenmengen<br />

zu Produktionskapazitäten und Herstellungswegen<br />

gewonnen und mit Unterstützung<br />

Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Ziel einer<br />

neuen Koordinierungsstelle im BfArM soll sein,<br />

„Herstellungswege, Bedarfsprognosen, Produktionskapazitäten<br />

sowie Risikopotentiale möglichst<br />

lückenlos und weltweit abzubilden. Auf dieser Daten-Grundlage<br />

werden Maßnahmen zur Sicherung<br />

der kontinuierlichen Verfügbarkeit aller Komponenten<br />

im Herstellungsgeschehen entwickelt, um<br />

sich abzeichnende Veränderungen noch schneller<br />

erkennen zu können“, so das Ziel des BfArM.<br />

Zum anderen soll die neue Koordinierungsstelle<br />

die so gewonnenen Erkenntnisse über Herstellungsstrukturen<br />

und Kapazitäten nicht nur zur Vermeidung<br />

einzelner konkreter Lieferengpässe nutzen,<br />

sondern die Produktion wichtiger Wirkstoffe<br />

grundsätzlich stärken. Dazu will das BfArM „die relevanten<br />

Akteure der Herstellungsprozesse intensiv<br />

einbinden und diese hinsichtlich der Etablierung<br />

und Stärkung robuster Herstellungsketten - vom<br />

Wirkstoff bis zum Fertigarzneimittel - beraten und<br />

unterstützen“.<br />

Das <strong>knw</strong> wird diesen Prozess aufmerksam begleiten<br />

und berichten.<br />

(kjn) Aus: Nummer 11/21 vom 08.11.2021, In:<br />

https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/pm11-2021.html?nn=470400


Aus dem Gesundheitswesen


Aus dem Gesundheitswesen<br />

27<br />

Bald 18! Und dann?<br />

Dr. med. Gundula Ernst, Dipl.-Psych. Medizinische Psychologie<br />

Für Jugendliche mit chronischer Krankheit oder<br />

Behinderung ist der Übergang in das Erwachsenenalter<br />

nicht immer einfach. Sie müssen die ohnehin<br />

herausfordernden Entwicklungsaufgaben wie erste<br />

Liebe, Berufswahl und Lösung vom Elternhaus trotz<br />

bzw. mit ihrer Besonderheit schaffen und müssen<br />

zusätzlich die Verantwortung für ihre Gesundheit<br />

übernehmen. Zudem steht mit der Volljährigkeit<br />

ein Wechsel in die Erwachsenenmedizin an - die sogenannte<br />

Transition.<br />

Kinder- und Jugendärzt:innen dürfen ihre Patienten<br />

nur bis zum 18. Geburtstag betreuen – in Ausnahmen<br />

auch bis 21 Jahre. Danach muss ein Wechsel<br />

in die Erwachsenenmedizin erfolgen. Diesem sehen<br />

die jungen Patienten und ihre Eltern häufig mit gemischten<br />

Gefühlen entgegen. In der Regel kennen<br />

sie das Behandlungsteam in der Pädiatrie schon<br />

sehr lange und fühlen sich dort gut aufgehoben.<br />

Bei einem Wechsel befürchten sie, dass Informationen<br />

zur Krankengeschichte verloren gehen und<br />

dass Dinge geändert werden, die gut funktionieren.<br />

Diese Sorgen sind gut nachvollziehbar. Der Wechsel<br />

zu etwas Neuem ist immer ungewohnt. Zudem besteht<br />

durch den Wegfall gewohnter Strukturen die<br />

Gefahr der Unterversorgung (z.B. Therapieunterbrechungen<br />

oder -abbrüche) und einer Verschlechterung<br />

des Gesundheitszustandes. Damit dies nicht<br />

passiert, sollten Jugendliche und ihre Eltern auf<br />

diesen Schritt gut vorbereitet sein.<br />

Unterscheidet sich die Behandlung in der Erwachsenenmedizin<br />

von der beim Kinder- und Jugendarzt?<br />

Kinder- und Jugendärzt:innen haben häufig<br />

die Patientin bzw. den Patienten mit seinem gesamten<br />

Umfeld im Blick. Sie fragen also auch, ob familiär,<br />

schulisch und sozial alles in Ordnung ist. Die Gespräche<br />

in der Erwachsenenmedizin konzentrieren<br />

sich meist auf die Krankheit und ihre weitere Behandlung.<br />

Einige junge Patient:innen erleben das<br />

Verhältnis daher als weniger offen und persönlich.<br />

Anderen geht es damit sehr gut, dass nur noch sie<br />

und ihre Gesundheit im Mittelpunkt stehen.<br />

Die medizinische Behandlung unterscheidet sich<br />

in der Regel nicht, d.h. an der Therapie wird sich<br />

vermutlich nichts ändern. Allerdings unterscheiden<br />

sich die Erwartungen, die an die Patient:innen<br />

gestellt werden. In der Erwachsenenmedizin wird<br />

viel Selbständigkeit von den Patient:innen gefordert:<br />

sie müssen selbst an ihre Termine denken; auf<br />

Veränderungen ihres Gesundheitszustands achten;<br />

von sich aus sagen, wenn es Probleme gibt oder sie<br />

etwas nicht verstehen. Jungen Patient:innen fällt<br />

das recht schwer, wenn die Eltern bisher diese Aufgaben<br />

übernommen haben.<br />

Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Arztwechsel?<br />

Die meisten Jugendlichen wechseln im Alter von<br />

16 bis 18 Jahren in die Erwachsenenmedizin. Für<br />

den genauen Zeitpunkt sollten vor allem die Bereitschaft<br />

und die Fähigkeiten der Jugendlichen ausschlaggebend<br />

sein. Das heißt: Fühlt er oder sie sich<br />

noch wohl in der Kinder- und Jugendarztpraxis?<br />

Kann er oder sie in der Sprechstunde selbständig<br />

das Gespräch mit dem Behandlungsteam führen?<br />

Ist er oder sie in der Lage, sich weitgehend selbständig<br />

um die Behandlung zu kümmern?<br />

Bei manchen jungen Menschen kommt es zu Verzögerungen<br />

in der Selbständigkeit - beispielsweise<br />

aufgrund der Krankheit. In diesen Fällen kann mit<br />

dem Behandlungsteam erörtert werden, ob es<br />

Möglichkeiten der Weiterbehandlung gibt.<br />

Wie kann man Jugendliche auf den Arztwechsel


28<br />

Aus dem Gesundheitswesen<br />

vorbereiten? Am besten fangen Eltern schon früh<br />

damit an, in dem sie ihrem Kind schrittweise Aufgaben<br />

übertragen, wie z.B. selbständige Therapiedurchführung,<br />

Abholen von Medikamenten aus der<br />

Apotheke oder eigenständiges Telefonieren mit der<br />

Arztpraxis.<br />

Außerdem sollten Jugendliche ab dem Beginn der<br />

Pubertät die Chance haben, auch alleine mit ihrem<br />

Arzt oder ihrer Ärztin zu sprechen. Manches bespricht<br />

sich ohne Eltern einfach besser. Zudem wird<br />

der junge Mensch automatisch mehr in die Therapieplanung<br />

einbezogen, wenn die Eltern nicht die<br />

ganze Zeit dabei sind. Die Jugendlichen werden auf<br />

diese Weise nach und nach zu Experten für ihre eigene<br />

Gesundheit.<br />

Welche Rolle haben die Eltern? Auch für Eltern<br />

stellt das Erwachsenwerden ihrer Kinder eine neue<br />

Herausforderung dar. Sie haben sich über viele Jahre<br />

für eine qualifizierte Behandlung engagiert. Nun<br />

sollen sie die gewohnte Kontrolle abgeben und darauf<br />

vertrauen, dass ihr heranwachsendes Kind eigenverantwortlich<br />

handelt. Dies fällt Müttern und<br />

Vätern schwer, insbesondere dann, wenn sich die<br />

gesundheitliche Situation ihrer Tochter oder ihres<br />

Sohnes zunächst verschlechtert.<br />

So wie Jugendliche lernen müssen, schrittweise die<br />

Rolle eines verantwortlich Handelnden zu übernehmen,<br />

müssen sich Eltern umgekehrt bemühen, sich<br />

auf die Rolle des beratenden Coaches zurückzuziehen.<br />

Eltern bleiben in der Regel noch lange Zeit die<br />

wichtigsten Ansprechpartner:innen ihrer Kinder<br />

vor allem in Gesundheitsfragen. Wenn die Jugendlichen<br />

unsicher sind oder wichtige Entscheidungen<br />

anstehen, werden sie ihre Eltern gerne um Rat<br />

fragen.<br />

Grundsätzlich haben aber auch Jugendliche ein<br />

Recht auf Schweigepflicht. Diese gilt übrigens nicht<br />

erst mit der Volljährigkeit, sondern sobald ein<br />

Jugendlicher ‚einwilligungsfähig‘ ist.<br />

Wie findet man passende Ärzt:innen?<br />

Der Kinder- und Jugendarzt ist bei der Suche nach<br />

einem geeigneten Weiterbehandlungsangebot gerne<br />

behilflich. In der Regel kennen sich die Ärzt:innen<br />

untereinander und können Empfehlungen geben<br />

– ebenso wie Familienmitglieder, Bekannte oder<br />

auch Selbsthilfevereinigungen. Bei „Arztfindern“ im<br />

Internet sollte man sich auf offiziellen Seiten informieren<br />

z.B. von Krankenkassen, Fachgesellschaften<br />

oder der Kassenärztlichen Vereinigung des Bundeslandes.<br />

Die Anzahl der Fachärzt:innen unterscheidet sich<br />

sehr von Region zu Region. Im ländlichen Raum gibt<br />

es häufig nur wenig Alternativen, in der Stadt sieht<br />

das anders aus. Hier sollten sich die Jugendlichen<br />

vorab überlegen, was ihnen bei einem Arzt bzw. einer<br />

Ärztin wichtig ist (z.B. spezielle Leistungen, gute<br />

Verkehrsanbindung der Praxis, Geschlecht). Das<br />

Thema sollte nicht auf die lange Bank geschoben<br />

werden. Die Wartezeiten auf einen Termin können<br />

recht lang sein.<br />

Was muss beim ersten Besuch bei der neuen Ärztin<br />

bzw. dem neuen Arzt beachtet werden?<br />

Damit keine wichtigen Informationen verloren gehen,<br />

sollte man sich von der Kinder- und Jugendarztpraxis<br />

eine schriftliche Zusammenfassung des<br />

Krankheitsverlaufes mitgeben lassen. Außerdem<br />

sollten sich die Jugendlichen überlegen, wie der<br />

erste Besuch ablaufen soll: Will er bzw. sie alleine<br />

hingehen oder wünscht er bzw. sie sich Unterstützung?<br />

Wenn ja, sollen die Eltern mit ins Behandlungszimmer<br />

kommen oder vielleicht nur bis in den<br />

Wartebereich? Die Wünsche des Jugendlichen sind<br />

hier ausschlaggebend.<br />

Kontakt:<br />

Dr. Gundula Ernst, Dipl.-Psych. Medizinische<br />

Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover,<br />

Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover,<br />

ernst.gundula@mh-hannover.de


Aus dem Gesundheitswesen<br />

29<br />

Der nichtinvasive Bluttest,<br />

Fluch oder Segen?<br />

Kerstin Subtil, Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e.V.<br />

Seit August 2012 ist der nichtinvasive Bluttest zur<br />

Erkennung genetischer Abweichungen auf dem<br />

Markt. Es lässt sich ab der 10. Schwangerschaftswoche<br />

im Blut der Mutter so viel Erbgut des Kindes<br />

nachweisen, dass über eine Blutentnahme und Untersuchung<br />

eine genetische Abweichung erkannt<br />

werden kann.<br />

In der Öffentlichkeit wird darüber viel diskutiert.<br />

Leider wird aber nur über die Trisomien 13 (Pätau-<br />

Syndrom), 18 (Edwards-Syndrom) und 21 (Down-<br />

Syndrom) gesprochen. Vorrangig wird auf das<br />

Down-Syndrom eingegangen, das die häufigste<br />

Form ist. Selbst der Gemeinsame Bundesausschuss<br />

geht in seiner Versichertenbroschüre nur darauf<br />

ein. In den Broschüren der Anbieter solcher Bluttests<br />

lässt sich aber nachlesen, dass auch folgende<br />

genetische Veränderungen erkannt werden können:<br />

• Fehlverteilungen der Geschlechtschromosomen<br />

X und Y (Ullrich-Turner-Syndrom, Triple<br />

X-Syndrom, Klinefelter-Syndrom und<br />

XYY-Syndrom)<br />

• Monosomie 21, 18 und 13<br />

• Trisomien und Monosomien aller anderen<br />

Chromosomen 1-12, 14-17 sowie 19, 20 und 22<br />

• 22q11.2 Mikrodeletion (DiGeorge-Syndrom)<br />

Da stellt sich die Frage, ob den werdenden Eltern<br />

bewusst ist, womit sie eventuell konfrontiert werden.<br />

Ganz zu schweigen von den Konsequenzen,<br />

die daraus entstehen können: Sie werden möglicherweise<br />

plötzlich vor die Entscheidung gestellt,<br />

einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu<br />

lassen, und das in einer emotionalen Ausnahmesituation.<br />

Wie aussagekräftig sind diese Tests?<br />

Hierzu gehen die Meinungen, je nach Interessengruppe,<br />

auseinander. Sie sind aber anscheinend<br />

nicht so aussagekräftig, dass sie alleine die Beendigung<br />

der Schwangerschaft rechtfertigen.<br />

Das Ergebnis muss noch durch eines der beiden folgenden<br />

Verfahren bestätigt werden:<br />

• Entnahme von Gewebe aus der Plazenta (Chorionzottenbiopsie):<br />

möglich ab der 12. Schwangerschaftswoche.<br />

Das Gewebe wird im Labor untersucht.<br />

• Entnahme von Fruchtwasser (Amniozentese):<br />

möglich ab etwa der 16. Schwangerschaftswoche.<br />

Wie sinnvoll ist der Test?<br />

Mir stellt sich die Frage nach den Handlungsoptionen,<br />

die eine Schwangere in diesem Stadium hat.<br />

Kann dem Kind oder der Mutter im Falle eines auffälligen<br />

Befundes medizinisch geholfen werden?<br />

Ich würde sagen: Ein klares Nein! Wird der werdenden<br />

Mutter mit diesem Test die Möglichkeit<br />

gegeben eine Entscheidung für oder gegen das<br />

Kind zu treffen? Auch das ist nicht der Fall. Dieser<br />

Test muss ja noch bestätigt werden durch weitere


30<br />

Aus dem Gesundheitswesen<br />

Untersuchungen. Die Schwangere und ihr Umfeld<br />

werden aber in eine emotionale und psychische<br />

Ausnahmesituation versetzt. Tut das ihr oder dem<br />

werdenden Kind gut? Ganz sicher nicht!<br />

Die Rolle der Ärzt:innen<br />

Zunächst einmal sind Ärzt:innen auch nur Menschen.<br />

Eigentlich sollte in einer solchen Situation<br />

eine neutrale Beratung stattfinden. In Foren lese<br />

ich aber, dass gleich die Frage gestellt wird: „Wollen<br />

Sie abtreiben?“<br />

Sollte nicht die erste Frage lauten: „Wissen Sie was<br />

das bedeutet?“ Unter Down-Syndrom können sich<br />

viele vielleicht noch etwas vorstellen, aber Ullrich-<br />

Turner-Syndrom etc.? Was ist das überhaupt? Hier<br />

wäre es doch sinnvoll, wenn jeder Arzt, der in die<br />

Lage kommen kann, eine solche Diagnose zu vermitteln,<br />

auch eine regelmäßige Fortbildung für<br />

diese genetischen Abweichungen besucht, um auf<br />

dem neuesten Stand zu bleiben.<br />

Und die Betroffenen?<br />

Ich habe selbst das Ullrich-Turner-Syndrom und es<br />

schmerzt mich sehr zu sehen, dass so viele Schwangerschaftsabbrüche<br />

stattfinden. Wer entscheidet<br />

denn welches Leben lebenswert ist? Mit dieser Diagnose<br />

z.B. kommen nur 1-2 % der Babys überhaupt<br />

auf die Welt. Wir Überlebenden sind Kämpferinnen<br />

für das Leben und erfreuen uns eines fast normalen<br />

Lebens mit Beruf, Familie etc.! Die Natur richtet es<br />

sich schon so ein, dass die überleben, die auch dazu<br />

in der Lage sind. Ich selbst (und auch meine Eltern)<br />

habe erst mit 18 Jahren überhaupt erfahren, dass<br />

ich eine genetische Veränderung habe. Was wäre,<br />

wenn es diesen Bluttest damals bereits gegeben<br />

hätte? Wäre ich auf der Welt? Mir tut es weh in<br />

Foren zu lesen: „Ich möchte nicht, dass mein Kind<br />

unter Hänseleien in der Schule zu leiden hat“. Das<br />

ist das Leben. Kinder hänseln auch andere, die zu<br />

dick sind oder eine Brille tragen. Was ist mit unserer<br />

Gesellschaft passiert? Mütter und Väter haben<br />

die Möglichkeit, ihrem Kind mitzugeben, dass es so<br />

in Ordnung ist, wie es ist. Dann werden solche Hänseleien<br />

das Kind nicht aus der Bahn werfen.<br />

Fazit:<br />

Der nichtinvasive Bluttest scheint mir Ausdruck der<br />

Unfähigkeit unserer Gesellschaft, mit Andersartigkeit<br />

umzugehen. Man will doppelt und dreifach<br />

absichern, dass man ein perfektes Kind bekommt.<br />

Doch diese Gewissheit kann es nicht geben. Das<br />

Kind kann andere angeborene Fehlbildungen haben,<br />

oder im Laufe des Lebens entwickeln sich<br />

Krankheiten.<br />

In diesem Zusammenhang sind aus meiner Sicht<br />

folgende Aspekte wichtig:<br />

• Eine ergebnisoffene und einfühlsame Beratung.<br />

Die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch<br />

hat für die betroffenen Eltern<br />

lebenslange Konsequenzen.<br />

• Die genaue Kenntnis der jeweiligen Diagnose erfordert<br />

regelmäßige humangenetische Fortbildungen<br />

der Ärztinnen und Ärzte.<br />

• Die Weiterleitung an Selbsthilfegruppen. Hier<br />

können sich werdende Eltern mit anderen Eltern<br />

und Betroffenen austauschen.<br />

• Das Recht auf Nichtwissen sollte respektiert werden.<br />

Die Frauen sollten nicht unter Druck gesetzt<br />

werden, diesen Test durchführen zu lassen.<br />

Forderung:<br />

Es sollte für Frauen, die sich entscheiden, diesen<br />

Test durchzuführen, ein flächendeckendes kompetentes<br />

Beratungsangebot geben. Es muss gewährleistet<br />

sein, dass dieses Angebot vor einer


Aus dem Gesundheitswesen<br />

31<br />

Abtreibung in Anspruch genommen wird. Am besten<br />

können sich werdende Eltern ein Bild machen,<br />

wenn sie in Kontakt mit Betroffenen oder anderen<br />

Eltern kommen. Die Selbsthilfe sollte ein fester<br />

Bestandteil dieses Beratungsangebots sein und<br />

entsprechend mit finanziellen Mitteln ausgestattet<br />

werden.<br />

Kerstin Subtil, Turner-Syndrom-Vereinigung<br />

Deutschland e.V., Mail: kerstin.subtil@gmx.de<br />

Typ-1-Diabetes<br />

Früherkennung: Relevanz<br />

und Evidenz<br />

Prof. Dr. med. Peter Achenbach, Institut für Diabetesforschung<br />

Typ-1-Diabetes ist die häufigste chronische Stoffwechselerkrankung<br />

im Kindes- und Jugendalter.<br />

Die Prävalenz beträgt etwa 0,4%. Die Inzidenz ist<br />

steigend, insbesondere bei Kindern im Alter unter<br />

5 Jahren. Die Erkrankung entsteht durch eine autoimmune<br />

Zerstörung der insulinproduzierenden<br />

Betazellen im Pankreas und erfordert eine lebenslange<br />

Substitutionstherapie mit Insulin. Die Autoimmunerkrankung<br />

beginnt oftmals schon Jahre<br />

vor der klinischen Manifestation des Typ-1-Diabetes,<br />

am häufigsten in den ersten drei Lebensjahren,<br />

und ist durch das Auftreten von sogenannten Inselautoantikörpern<br />

im Blut gekennzeichnet. Werden<br />

mindestens zwei verschiedene Inselautoantikörper<br />

vor dem 5. Lebensjahr nachgewiesen, so erkrankt<br />

in etwa die Hälfte der Kinder innerhalb von 5 Jahren<br />

an einem klinisch-manifesten Typ-1-Diabetes,<br />

nach 10 Jahren sind es 75% und nach 20 Jahren<br />

annähernd 100%. Basierend auf diesen prospektiven<br />

Daten wurden neue präsymptomatische Frühstadien<br />

der Erkrankung definiert, die durch den<br />

Nachweis von multiplen Inselautoantikörpern bei<br />

Kindern mit Normoglykämie (Stadium 1) oder Dysglykämie<br />

(Stadium 2) diagnostiziert werden. Den<br />

Frühstadien folgt die Manifestation des klinischsymptomatischen<br />

Typ-1-Diabetes mit Hyperglykämie<br />

(Stadium 3).<br />

Zur Früherkennung der Erkrankung gibt es derzeit<br />

zwei verschiedene Screening-Ansätze: 1) Zum einen<br />

können Neugeborene in den ersten Lebenstagen<br />

mit Hilfe weniger Blutstropfen kostenlos<br />

auf ein erhöhtes genetisches Typ-1-Diabetes-Risiko<br />

untersucht werden (Freder1k-Studie). Dieses<br />

Screening wird deutschlandweit für Babys angeboten,<br />

deren Eltern oder Geschwister bereits an Typ-<br />

1-Diabetes erkrankt sind. In Bayern, Niedersachsen,<br />

Sachsen und Thüringen ist die Untersuchung<br />

auch für Neugeborene ohne nahe Verwandte mit<br />

Typ-1-Diabetes möglich. Kinder mit erhöhtem<br />

Typ-1-Diabetes-Risiko können an Primärpräventionsstudien<br />

teilnehmen, die das Ziel verfolgen, das<br />

Auftreten von Inselautoimmunität zu verhindern<br />

oder zu verzögern. 2) Zum anderen kann durch die<br />

Bestimmung der Inselautoantikörper im Blut ein<br />

Frühstadium der Erkrankung nachgewiesen werden.<br />

Im Rahmen der Fr1da-Studie „Typ-1-Diabetes:<br />

Früh erkennen – früh gut behandeln“ können Kinder<br />

im Alter von 2 bis 10 Jahren in Bayern kostenlos


32<br />

Aus dem Gesundheitswesen<br />

getestet werden. Das Screening wird auch in Niedersachsen<br />

und Hamburg im Rahmen der Fr1da im<br />

Norden-Initiative sowie in Sachsen angeboten.<br />

Bei jedem Screening stellt sich die Frage nach der<br />

Relevanz, dem Nutzen und der Belastung für die<br />

Kinder und deren Familien. Tatsache ist leider, dass<br />

die klinische Manifestation des Typ-1-Diabetes<br />

ohne entsprechende Früherkennungsmaßnahmen<br />

häufig erst erkannt wird, wenn bereits eine<br />

diabetische Ketoazidose (DKA) vorliegt und damit<br />

eine potentiell lebensbedrohliche Notfallsituation<br />

eingetreten ist. In Deutschland sind etwa 25-30%<br />

der neu erkrankten Kinder und Jugendlichen davon<br />

betroffen. Eine DKA zum Zeitpunkt der Diagnose ist<br />

auch mit einer verschlechterten Langzeit-Blutzuckereinstellung<br />

verbunden und erhöht das Risiko<br />

für vaskuläre Komplikationen sowie für kognitive<br />

Störungen. Maßnahmen zur Früherkennung der<br />

Erkrankung sind daher von sehr großer Bedeutung<br />

für die Gesundheit der Kinder. Ziel des Screenings<br />

ist es, gefährdete Kinder frühzeitig zu identifizieren,<br />

sie regelmäßig zu untersuchen und im Bedarfsfall<br />

früh zu behandeln und dadurch schweren metabolischen<br />

Entgleisungen vorzubeugen. Betroffene<br />

Familien können zudem umfangreich zum Umgang<br />

mit der Erkrankung geschult werden. Dabei<br />

werden sie über Krankheitssymptome und Therapiemöglichkeiten<br />

informiert und erhalten einen<br />

individuellen Vorsorgeplan für ihr Kind. Mit diesen<br />

Maßnahmen werden Eltern und Kinder bestmöglich<br />

für die Zukunft unterstützt, und Fragen oder<br />

Sorgen können in Ruhe besprochen werden. Die<br />

Familien werden ebenfalls über Möglichkeiten zur<br />

Teilnahme an klinischen Studien informiert, die das<br />

Ziel verfolgen, das Fortschreiten der Krankheitsentwicklung<br />

des Typ-1-Diabetes zu verhindern oder zu<br />

verzögern.<br />

Im Jahr 2015 haben wir die Fr1da-Studie in Bayern<br />

initiiert. Die Studie wurde als Modellprojekt konzipiert,<br />

um ein bevölkerungsbasiertes Screening auf<br />

multiple Inselautoantikörper zur Früherkennung<br />

des Typ-1-Diabetes bei Kindern zu evaluieren, und<br />

ist gegenwärtig das weltweit größte öffentliche<br />

Gesundheitsscreening-Programm für präsymptomatischen<br />

Typ-1-Diabetes. Die Studie wird in Zusammenarbeit<br />

mit Kinderarztpraxen im Rahmen<br />

der Routineversorgung durchgeführt, und es haben<br />

bisher über 150.000 Kinder daran teilgenommen.<br />

Bei 0,3% der Kinder wurde ein präsymptomatischer<br />

Typ-1-Diabetes diagnostiziert, und 25% dieser Kinder<br />

entwickelten innerhalb der folgenden 3 Jahre<br />

einen klinisch-manifesten Typ-1-Diabetes. Die jährliche<br />

Progressionsrate liegt bei etwa 9%. Die DKA<br />

Rate bei Manifestation beträgt bisher 3%, darunter<br />

keine schwere DKA (pH


Aus dem Gesundheitswesen<br />

33<br />

Erfahrungen aus Gesprächen mit Eltern bestätigen,<br />

dass diese Maßnahmen ein wichtiger und effektiver<br />

Bestandteil sind, um den Familien zu helfen, die<br />

Diagnose eines Frühstadiums gut zu verarbeiten,<br />

Ängste vor der Erkrankung und ihrer zukünftigen<br />

Behandlung zu nehmen, und Sicherheit im Umgang<br />

mit der neuen Situation zu vermitteln. Die Familien<br />

realisieren dabei, dass sie gut betreut und vorbereitet<br />

sind, um früh zu erkennen, wenn bei ihren<br />

Kindern die klinische Erkrankung auftritt, und dann<br />

richtig zu handeln, dass bis dahin keine Änderungen<br />

im Alltag notwendig sind, und dass ihre Kinder<br />

auch mit Typ-1-Diabetes unter Beachtung einiger<br />

Regeln ein normales Leben führen können.<br />

Da weniger als 20% der von Typ-1-Diabetes betroffenen<br />

Patient:innen einen nahen Verwandten<br />

mit der Erkrankung aufweisen und mehr als 80%<br />

der Betroffenen dies nicht tun, müssen Maßnahmen<br />

zur Früherkennung zukünftig bevölkerungsweit<br />

zum Einsatz kommen und sich nicht nur an<br />

vorbelastete Familien richten. Die Ergebnisse der<br />

Fr1da-Studie verdeutlichen, dass in Zusammenarbeit<br />

mit Kinder- und Jugendärzt:innen der Primärversorgung<br />

ein Screening zur Typ-1-Diabetes Früherkennung,<br />

gefolgt von Schulung, Beratung und<br />

Nachuntersuchungen in lokalen Diabeteszentren<br />

erfolgreich durchführbar ist. Um den steigenden Inzidenzzahlen<br />

und der hohen Anzahl von schweren<br />

metabolischen Entgleisungen bei Manifestation<br />

des Typ-1-Diabetes bei Kindern effektiv entgegen<br />

zu wirken, sollten entsprechende Früherkennungsuntersuchungen<br />

als Bestandteil der Regelversorgung<br />

durchgeführt werden können.<br />

Korrespondenz<br />

Prof. Dr. med. Peter Achenbach<br />

Institut für Diabetesforschung,<br />

Helmholtz Zentrum München<br />

Forschergruppe Diabetes, Klinikum rechts der Isar,<br />

Technische Universität München<br />

Heidemannstr. 1, 80939 München<br />

Tel: 089 3187 4595<br />

peter.achenbach@helmholtz-muenchen.de<br />

Quellen:<br />

Freder1k-Studie:<br />

https://www.gppad.org/de/frueherkennung<br />

Fr1daplus-Studie:<br />

https://www.typ1diabetes-frueherkennung.de<br />

Fr1da im Norden:<br />

https://www.fr1da.de/startseite<br />

Ziegler AG, Kick K, Bonifacio E et al.: Yield of<br />

a Public Health Screening of Children for Islet<br />

Autoantibodies in Bavaria, Germany. JAMA<br />

2020;323(4):339-351.


34<br />

Aus dem Gesundheitswesen<br />

Neue Medikamente<br />

– neue Herausforderungen<br />

Prof. Dr. med. Hans Michael Straßburg<br />

Der Begründer des Kindernetzwerks Raimund<br />

Schmid hat mit seinem 2020 erschienenen Buch<br />

„Viel zu Viel und doch zu wenig – Über- und Unterversorgung<br />

in der Medizin“ auf ein immer größer<br />

werdendes Problem hingewiesen. In der Ausgabe<br />

der American Academy of Neurology vom Oktober<br />

2021 wird dies an Hand neuer Zahlen aus den USA<br />

noch weiter ausgeführt: Die zunehmende Kostensteigerung<br />

von Medikamenten im Gesundheitswesen<br />

(„Ethical Perspectives on Costly Drugs and<br />

Health Care“ von A. Tsou, W. Graf u.a.).<br />

Zwischen 2004 und 2016 sind die Kosten für die<br />

Medikamentenbehandlung häufiger chronischer<br />

Erkrankungen wie eines insulinpflichtigen Diabetes<br />

mellitus oder einer mittelschweren Multiple<br />

Sklerose auf das 10- bis 20fache angestiegen. In<br />

den vergangenen Jahren wurden zusätzliche Medikamentengruppen<br />

eingeführt, die z.B. bei chronischen<br />

Immunerkrankungen signifikante Verbesserungen<br />

bewirken. Bei vielen Patienten konnten so<br />

eine vorzeitige Invalidisierung vermieden und eine<br />

früher nicht für möglich gehaltene Verbesserung<br />

der Lebensqualität erreicht werden.<br />

Ganz aktuell ist hierbei die spinale Muskelatrophie<br />

in den Fokus der Diskussionen geraten: Sie ist nach<br />

der Mukoviszidose die zweithäufigste schwere rezessiv<br />

erbliche Erkrankung. Bis vor wenigen Jahren<br />

haben die Kinder mit der schwersten Ausprägung<br />

in der Regel das 2. Lebensjahr nicht überlebt, jetzt<br />

kann die Krankheit durch Eingriffe am genetischen<br />

System so beeinflusst werden, dass die betroffenen<br />

Kinder zumindest die ersten Jahre überleben. Das<br />

zuerst eingeführte Medikament, das Antisense-<br />

Oligonukleotid (ASO) Nusinersen (SpinrazaR) hatte<br />

den Nachteil, dass es im Abstand von mehreren<br />

Wochen in das Nervenwasser eingeführt werden<br />

musste z.B. durch wiederholte Punktionen oder die<br />

Anlage eines Dauerkatheters in das Liquorsystem<br />

und bereits im ersten Jahr mehrere 100 000 € kostete.<br />

Dann wurde eine neue spezifische Gentherapie<br />

eingeführt, bei der mit einer einzigen Infusion<br />

von Onasemnogen (ZolgensmaR) eine genetische<br />

Veränderung im Körper herbeigeführt wurde – für<br />

Kosten von knapp 2 Million €! Es ist damit das aktuell<br />

teuerste Medikament der Welt. Die ersten damit<br />

behandelten Patienten wurden per Los weltweit<br />

ausgesucht – angeblich sollen die Kosten im Falle<br />

einer unzureichenden Wirksamkeit wieder zurückgezahlt<br />

werden. Da die Effektivität dieser neuen<br />

Behandlungen umso höher ist, je früher sie zur Anwendung<br />

kommt, wird seit dem 1. Oktober 2021 in<br />

Deutschland die genetische Untersuchung auf das<br />

Vorliegen einer spinalen Muskelatrophie bei jedem<br />

Neugeborenen angeboten. Schließlich ist Anfang<br />

2021 das Medikament Risdiplam (EvrysdiR) auf den<br />

Markt gekommen, das ebenfalls die genetische Veränderung<br />

auslösen kann, aber in Form eines Saftes,<br />

der täglich eingenommen wird. Auch hier belaufen<br />

sich die Kosten bereits im 1. Lebensjahr auf knapp<br />

100.000 €, es muss aber auch danach weiter regelmäßig<br />

gegeben werden.<br />

Mittlerweile ist bei einer Vielzahl weiterer seltener<br />

angeborener oder chronischer Krankheiten, die<br />

bisher nicht heilbar waren, die Einführung neuer<br />

Medikamente bereits erfolgt oder in Vorbereitung,<br />

sie alle sind in der Regel ebenfalls mit extrem hohen<br />

Kosten verbunden.


Aus dem Gesundheitswesen<br />

35<br />

Jetzt stehen die Krankenkassen und Ärzt:innen vor<br />

dem Problem, welche Patient:innen ein Anrecht<br />

auf solch eine aufwändige und teure, letztlich noch<br />

experimentelle Behandlung haben. Auch können<br />

seitens der Hersteller oft nicht für alle Patienten die<br />

Medikamente bereitgestellt werden.<br />

Ist eine solche Behandlung bei allen gesetzlich versicherten<br />

Patient:innen gerechtfertigt? Wer ist berechtigt,<br />

die Notwendigkeit und voraussichtliche<br />

Wirksamkeit zu bescheinigen? Können die Kosten<br />

von einer Krankenkasse abgelehnt werden? Haben<br />

Patient:innen mit Flüchtlingsstatus oder mit nur einer<br />

Absicherung des Sozialamtes einen Anspruch<br />

auf eine solche Behandlung? Wer bestimmt den<br />

Preis der neuen Medikamente? Kann die Industrie<br />

vor der Zulassung eines Generikums, das von<br />

jedem nachgemacht werden kann, jeden Preis<br />

verlangen? Darf sie damit ihre Entwicklungs- und<br />

Zulassungskosten begleichen und evtl. noch einen<br />

zusätzlichen Gewinn erwirtschaften?<br />

In mehreren Ländern versucht man, die Kostenübernahme<br />

mit einer „quality of adjusted life year“<br />

(QALY) zu rechtfertigen, und will dies mit den „real<br />

time benefit tools“ festlegen. Sollen die Kränksten<br />

oder die Jüngsten berücksichtigt werden? Wer bestimmt<br />

den Einsatz solcher Medikamente? Kann<br />

das jeder approbierte Arzt bzw. jede Ärztin veranlassen<br />

oder nur ein speziell qualifiziertes medizinisches<br />

Behandlungszentrum? Muss eine unabhängige<br />

Ethik-Kommission eingeschaltet werden? Wer<br />

bestimmt die Grenzen medizinisch nicht sicher gerechtfertigter<br />

Maßnahmen bei chronisch schwerkranken<br />

Patient:innen? Sind evtl. auch risikoreiche<br />

neue Behandlungsmaßnahmen bei schwerstkranken<br />

Patient:innen gerechtfertigt, um Erkenntnisse<br />

für zukünftige Behandlungsoptionen zu gewinnen?<br />

In den vergangenen 50 Jahren sind u.a. durch die<br />

Fortschritte der Onkologie und der Transplantationsmedizin<br />

die direkten Behandlungskosten<br />

immer weiter angestiegen, was sich aber auch in<br />

deutlichen Verlängerungen der Lebenserwartung<br />

und Verbesserungen der Lebensqualität ausgezahlt<br />

hat. In der Behandlung chronisch kranker und behinderter<br />

Kinder war die Linderung von Leid und<br />

Schmerzen, die Ausschöpfung der potentiellen Rehabilitationsmöglichkeiten<br />

und eine bestmögliche<br />

Versorgung der alltagsrelevanten Lebensumstände<br />

die wichtigsten Grundlagen zur Kompensation<br />

der Realitäten. Durch die Bekanntmachung neuer<br />

Behandlungsoptionen wächst bei vielen Betroffenen<br />

die Hoffnung, grundlegende Verbesserungen<br />

ihres Zustandes zu erreichen. Dabei muss aber berücksichtigt<br />

werden, dass die in der Presse mitgeteilten<br />

Behandlungserfolge nur bei einem kleinen<br />

Bruchteil der Patient:innen möglich sind und für<br />

die meisten Patient:innen eine grundsätzliche Änderung<br />

nicht in Aussicht steht.<br />

Jeder Patient, jede Patientin, speziell jedes Kind mit<br />

Einschränkungen, hat Anspruch auf eine qualitativ<br />

hochwertige Diagnostik, den Ausschluss potentiell<br />

behandelbarer Erkrankungen und regelmäßige<br />

Kontroll-Untersuchungen seiner Entwicklung. Hierfür<br />

sind die Kinder- und Jugendarzt-Praxen und bei<br />

komplexen Fragestellungen die Sozialpädiatrischen<br />

Zentren zuständig. In einigen wenigen Fällen werden<br />

in der kommenden Zeit neue sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten<br />

eingeführt werden können.<br />

Ansonsten sind unverändert die bestmögliche Vermeidung<br />

von Komplikationen vor, unter und nach<br />

der Geburt, andere anerkannte Präventionsmaßnahmen<br />

und die Begleitung der Entwicklung des<br />

Kindes und seiner Eltern die wichtigsten Grundlagen<br />

einer modernen sozialpädiatrischen Behandlung.<br />

Prof. i.R. Dr. med. Hans Michael Straßburg,<br />

E-Mail: strassburg_hm@icloud.com


36<br />

Aus dem Gesundheitswesen<br />

Kinder- und Jugendreha<br />

stärken<br />

Bei der Pandemie zeigt sich wieder einmal, wie wichtig eine Rehabilitation für Kinder und<br />

Jugend liche ist. Alwin Baumann ist Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V.,<br />

einem Zusammenschluss der Rehakliniken für Kinder und Jugendliche und ihrer medizinischen<br />

Fachgesellschaft und ihren Verbänden. Das Bündnis vertritt die Belange der Rehabilitation von<br />

Kindern und Jugendlichen gegenüber der Politik und der Öffentlichkeit. Ziel des gemeinnützigen<br />

Vereins ist es, dass alle, die von einer Rehabilitation profitieren würden, von diesem<br />

Angebot wissen und unterstützt werden.<br />

Alwin Baumann, Sprecher des Bündnis Kinder- und Jugendreha<br />

Kinder und Jugendliche, die gesundheitlich und<br />

persönlich über eine längere Zeit angeschlagen<br />

sind, können eine medizinische Rehabilitation in<br />

Anspruch nehmen. Die Rehabilitation findet für<br />

vier bis sechs Wochen stationär in einer spezialisierten<br />

Rehabilitationsklinik statt. In einigen wenigen<br />

Regionen gibt es mittlerweile auch ambulante<br />

Rehamaßnahmen. Auch Nachsorgemaßnahmen<br />

werden entwickelt. Die Corona-Pandemie hat auch<br />

die Rehabilitation herausgefordert. Neue Angebote<br />

wurden entwickelt.<br />

Schutz vor einer Infektion bei einem Rehaaufenthalt<br />

Mit Beginn der Pandemie haben die Rehakliniken<br />

mit Erfolg nichts unversucht gelassen, um die<br />

Patient:innen, Begleitpersonen, Besucher:innen<br />

und Mitarbeiter:innen vor einer Infektion zu schützen.<br />

Mit dem zuständigen Gesundheitsamt wurden<br />

Hygienekonzepte ausgearbeitet und umgesetzt.<br />

Wesentliche Maßnahmen sind Besucherregelungen,<br />

Tests und Masken tragen. Die Kinder und Jugendlichen<br />

werden gemeinsam und gleichzeitig in<br />

Gruppen aufgenommen und entlassen. Bei voller<br />

Personalstärke werden die Kliniken nicht voll belegt,<br />

um Abstandsregelungen einhalten zu können.<br />

Neue Rehaangebote zur Bewältigung der Infektionsfolgen<br />

Während der Pandemie zeigt sich, dass Kinder und<br />

Jugendliche von den Folgen besonders betroffen<br />

sind. Quarantäne, Lockdownmaßnahmen oder<br />

Kindergarten- und Schulschließungen mit Homeschooling<br />

bzw. Distanzunterricht belasten sie sehr.<br />

Besonders stark leiden Kinder und Jugendliche, die<br />

zudem in engen Wohnungen leben oder Corona-<br />

Fälle in der Familie hatten. Die Belastungen setzen<br />

der Psyche von Kindern und Jugendlichen mit sichtbaren<br />

Folgen zu. Diese gesundheitlichen Folgen<br />

werden mittlerweile unter dem Begriff Long-Lockdown<br />

Syndrom zusammengefasst.<br />

Eine weitere Folge der Pandemie sind gesundheitliche<br />

Probleme, die nach einer Coronainfektion auch<br />

bei Kindern und Jugendlichen auftreten können. Es<br />

geht um das Long-Covid oder Post-Covid Syndrom.<br />

Die Rehakliniken für Kinder und Jugendliche haben


Aus dem Gesundheitswesen<br />

37<br />

auf diese Entwicklung reagiert. Insbesondere die<br />

psychosomatischen, neuropädiatrischen und pneumologischen<br />

Kliniken bieten Rehamaßnahmen<br />

beim Long-Lockdown, Long-Covid und Post-Covid<br />

Syndrom an. Diese Angebote werden zunehmend<br />

verstärkt nachgefragt.<br />

Beihilfe gestellt, ist die Reha-Maßnahme mit einem<br />

ärztlichen Attest zu begründen. Mit der Bewilligung<br />

der Beihilfe wenden sich die Eltern an die PKV und<br />

klären, ob der PKV-Anteil übernommen wird. Sind<br />

die Eltern komplett privat krankenversichert, ist<br />

eine Klärung dort notwendig.<br />

Volle Kostenübernahme bei einem Aufenthalt in<br />

einer Rehaklinik<br />

Bei einer Kinder- und Jugendreha werden alle Kosten<br />

übernommen. Es sind die Kosten der Rehabilitation<br />

und die Reisekosten sowie die Kosten, die<br />

durch die Mitaufnahme einer Begleitperson oder<br />

von gesunden Geschwisterkindern entstehen. Ist<br />

die Begleitperson berufstätig, wird ein Verdienstausfall<br />

übernommen. Eine Zuzahlung wird bei Kindern<br />

und Jugendlichen nicht fällig. Übrigens ist die<br />

Mitaufnahme einer Begleitperson bei Kindern bis<br />

zum 12. Geburtstag obligat. Bei älteren Kindern<br />

muss die Mitaufnahme medizinisch notwendig<br />

sein.<br />

Rehaantrag wenn möglich bei der Rentenversicherung<br />

stellen<br />

Beratung und Information<br />

Das Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V. berät und<br />

unterstützt die betroffenen Familien, Ärzt:innen<br />

und Therapeut:innen in allen Fragen zur Kinderund<br />

Jugendreha, insbesondere bei der Antragstellung<br />

bei der Renten- oder Krankenversicherung.<br />

Alle Informationen sind zudem auf der Homepage<br />

www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de zu finden.<br />

Unentgeltlich können Flyer „Reha rettet Lebensläufe“<br />

und das Handbuch „Medizinische Rehabilitation<br />

von Kindern und Jugendlichen“ bestellt werden.<br />

Alwin Baumann<br />

Bündnis Kinder- und Jugendreha e.V. (BKJR)<br />

E-Mail: a.baumann@bkjr.de<br />

www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de<br />

Die Rentenversicherung hat ein weitergehendes<br />

Rehaverständnis, deswegen sollte der Antrag dort<br />

gestellt werden. Kinder und Jugendlichen erhalten<br />

die Reha aus der Versicherung eines Elternteils.<br />

Sind beide Elternteile gesetzlich rentenversichert,<br />

können sie auswählen, aus wessen Versicherung<br />

sie den Antrag stellen. Dabei spielt es keine Rolle,<br />

über wen das Kind krankenversichert ist. Die<br />

Eltern füllen den Antrag aus, ein Arzt/Ärztin oder<br />

Psychotherapeut:in den Befundbericht sowie den<br />

Honorarantrag. Sind weder Mutter, noch Vater rentenversichert,<br />

wird der Antrag über die Krankenversicherung<br />

gestellt. Hier füllt ein Arzt das sogenannte<br />

Formular 61 aus. Wird der Antrag über die


38<br />

Buchtipps<br />

Buchtipps<br />

Alle anderen gibt es schon<br />

Autor: Janis McDavid<br />

Buchcover mit Janis McDavid - Alle anderen gibt<br />

es schon<br />

Wer bist du, wenn niemand zusieht? Und wer, wenn<br />

alle Augen auf dich gerichtet sind? Janis McDavid<br />

wirft einen verblüffend provokanten Blick auf den<br />

Begriff des Selbstwerts im Verhältnis zu dem des<br />

Egos, welchem allgemein Selbstbezogenheit und<br />

Narzissmus unterstellt wird. Denn während der<br />

Selbstwert einen guten Ruf genießt, wird das sogenannte<br />

Ego allenfalls geduldet und erfährt selten<br />

ehrliche Wertschätzung. Dabei brauchen gesunde<br />

Selbstwertschätzung und Empathie ein kraftvolles<br />

Ich, das jederzeit zu sich selbst stehen kann.<br />

Mit Humor und Aha-Effekten stellt der renommierte<br />

Speaker und Motivations-Experte anschaulich<br />

und konkret dar, wie es gelingen kann, sich für sich<br />

selbst zu entscheiden: Die Basis dieser Entscheidung<br />

entspringt einer klaren Einschätzung und Anerkennung<br />

aller Facetten, Merkmale und Talente,<br />

die das eigene Ich ausmachen. Schonungslos und<br />

ehrlich zeigt das Buch anhand der persönlichen Geschichte<br />

des ohne Arme und Beine geborenen Autors,<br />

welche Wege und Mittel ihn zu einer gesunden<br />

und stabilen Selbstwertschätzung brachten.<br />

Ein Plädoyer für das Ego und ein Mutmachbuch,<br />

den eigenen Selbstwert zu erkennen und zu leben.<br />

Janis McDavid, geb. 1991, wuchs im Ruhrpott auf.<br />

Schon mit seinem ersten 2016 im Verlag Herder<br />

erschienenen Buch „Dein bestes Leben“ stellte der<br />

international mehrfach ausgezeichnete Vortragsund<br />

Motivationsredner althergebrachte Erfolgsbilder<br />

auf die Probe. Seine außergewöhnlichen Reisen<br />

und Lebensprojekte sorgen regelmäßig für mediale<br />

Aufmerksamkeit.<br />

(kjn, Informationen übernommen vom Verlag)<br />

Mehr unter www.janis-mcdavid.de


Buchtipps<br />

39<br />

Kathrin Jackel-Neusser hat dem Autor noch einige<br />

zusätzliche Fragen zu seinem interessanten Buch<br />

gestellt:<br />

Sind Sie immer schon so stark gewesen, so gut mit<br />

Ihrer Behinderung umgegangen?<br />

Meine Eltern haben mir von Anfang an gezeigt, wie<br />

wichtig es ist, mental stark zu sein, und haben mir<br />

als Kind eine Welt aufgebaut, in der es egal war,<br />

dass ich keine Arme und Beine hatte. Das prägt<br />

mich bis heute. Als Jugendlicher war das für mich<br />

nicht mehr so einfach, denn ich habe mit meiner<br />

Situation gehadert und musste erst quasi wieder<br />

dahin zurück, dass meine Gliedmaßen in meinem<br />

Leben keine Relevanz haben.<br />

Woher nehmen Sie Ihre besondere Kraft und Ihre<br />

Motivation?<br />

Ich ziehe eine große Kraft aus dem Vertrauen in meine<br />

Vision, aber auch aus dem großen Zuspruch der<br />

Zuhörer:innen meiner Vorträge, der Leser:innen<br />

meiner Bücher und allen Menschen, die mir über<br />

die sozialen Medien folgen. Außerdem motivieren<br />

mich die Zusammenarbeit mit UNICEF und die<br />

Reaktionen, die ich dadurch weltweit erhalte. Am<br />

wichtigsten sind jedoch meine Freunde, denn Erfolge,<br />

die ich mit guten Freunden teilen kann, sind<br />

doppelt so schön.<br />

Wie kam es zu der Entscheidung, dieses Buch zu<br />

schreiben?<br />

Gab es etwas, das Sie früher (und heute) wütend<br />

gemacht hat?<br />

Viele Dinge machen mich wütend, allen voran die<br />

vielen Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen<br />

aus völlig absurden Gründen: Es gibt kein<br />

Naturgesetz, das Gebäude immer Treppenstufen<br />

haben müssen, Frauen schlechter bezahlt werden<br />

und Menschen mit bestimmten Vornamen keine<br />

Chance bei der Wohnungssuche haben. Ich übe<br />

mich allerdings jeden Tag darin, meine Wut in eine<br />

positive Kraft zu verwandeln, denn ich habe die<br />

Vision einer Welt, in der Merkmale, die uns unterscheiden,<br />

nicht zur Unterscheidung führen.<br />

Ich möchte mit diesem Buch all denjenigen Mut<br />

machen, die ähnliche Erfahrungen mit Selbstablehnung<br />

oder der Ablehnung aufgrund von bestimmten<br />

Diversity-Merkmalen gemacht haben. Das Buch<br />

ist eine ganz persönliche Sammlung der Methoden<br />

und Tricks, die mir geholfen haben. Die Entscheidung<br />

dazu kam aus dem Gedanken, dass ich mit<br />

meinen Merkmalen und dem, was ich daraus gelernt<br />

habe, andere unterstützen kann.<br />

Danke Ihnen ganz herzlich und weiterhin viel<br />

Power und Erfolg!


40<br />

Buchtipps<br />

„Viel zu viel und doch zu wenig“<br />

– auch eine Fundgrube für Eltern<br />

Dr. med. Ulrich Fegeler, Kinder- und Jugendarzt<br />

„Die medizinische Bedarfslage und das, was ärztlich<br />

getan wird, klaffen eklatant auseinander“. Das<br />

betrifft gerade auch die Kinder- und Jugendmedizin.<br />

Für Heidemarie Marona, die seit mehr als zwei<br />

Jahrzehnten die Arbeit des <strong>knw</strong> nachhaltig unterstützt,<br />

kommt das von Raimund Schmid, dem langjährigen<br />

Geschäftsführer des <strong>knw</strong>, herausgegebene<br />

Buch „Viel zu viel und doch zu wenig – Über- und<br />

Unterversorgung in der Medizin“ deshalb genau zur<br />

richtigen Zeit. Sowohl Fachleute, als die Experten in<br />

eigener Sache, die Patienten und ihre Angehörigen,<br />

sollten diese Lektüre nicht versäumen, empfiehlt<br />

sie: „Nur so kann man gemeinsam etwas ändern.<br />

Und es muss sich was ändern!“<br />

Die 340 Seiten umfassende neue Publikation belegt,<br />

dass unser Gesundheitssystem trotz aller Vorzüge<br />

im Vergleich mit anderen Ländern nur scheinbar<br />

eine optimale Versorgung bietet. Vielfach werden<br />

große und kleine Patienten mit Unter- wie auch mit<br />

Überversorgung konfrontiert und damit nur suboptimal<br />

versorgt. Beispiele hierfür gibt es im neuen<br />

Buch insbesondere aus der Kinder- und Jugendmedizin<br />

zur Genüge. Einige Beispiele der insgesamt 19<br />

insbesondere auch für Eltern interessanten Themenkomplexe<br />

sind:<br />

• Unterversorgung in Kinderkliniken<br />

• Wie chronisch kranke Kinder unter<br />

mangelhaften Strukturen und Ressourcen leiden<br />

• Eltern chronisch kranker Kinder: Zu viele Versorgungsdefizite<br />

zu Lasten der Lebensqualität<br />

• Geregelte Transition mit Fallmanagement:<br />

Was wir vom Berliner Transitions-Programm<br />

lernen können<br />

• Komplexe Erkrankungen bei Kindern:<br />

Warum Behandlungen oft viel zu kurz greifen<br />

• Zu wenig politische Kindermedizin: Wo bleibt<br />

die child advocacy und wo bleiben die Kinderrechte<br />

zum Beispiel für Kinder aus armen und<br />

bildungsfernen Familien?<br />

Doch nicht nur inhaltlich ist der Lesestoff vielversprechend,<br />

auch formal werden die Leser:innen<br />

gut durch jeden Text geführt. Die Kapitel beginnen<br />

stets mit einem Fallbeispiel aus dem pädiatrischen<br />

Alltag, mit dem sie schon sehr bewegt oder gar<br />

aufgerüttelt werden. Es folgt eine Analyse des jeweiligen<br />

Themas („Wo ist das Problem?“) und Vorschläge<br />

zu einer möglichen Lösung („Was muss sich<br />

ändern?“). Dabei werden häufig auch vorbildhafte<br />

Modellansätze dargestellt, wie es besser gehen<br />

könnte. Am Ende des Kapitels schließt sich jeweils<br />

der Bogen, indem auf die anfangs aufgezeigten Fallbeispiele<br />

Bezug genommen und aufgezeigt wird,<br />

wie eine bessere Versorgung möglich wäre („So<br />

hätte es laufen müssen“).<br />

Dabei wird kaum ein Bereich, in dem es besonders<br />

brennt, ausgespart. Zum Komplex krankheitsspezifische<br />

(Unter-)Fehlversorgung seien hier nur<br />

beispielhaft die Fehlbehandlungen beim Diabetes<br />

mellitus Typ 1 im Krankenhaus aufgrund des DRG-<br />

Systems, die unzureichend abgedeckte Jungenmedizin<br />

und die zu geringe Aufmerksamkeit der<br />

Versorgung von Kindern psychisch kranker Eltern<br />

genannt.<br />

Alle Beiträge des Buches sind mit ungeheurem Detail-,<br />

Zahlen- und Faktenreichtum ausgestattet. Eine<br />

wahre Fundgrube insbesondere auch für Eltern mit<br />

Kindern mit besonderem Versorgungsbedarf, die


Buchtipps<br />

41<br />

tagtäglich nach einer optimierten Versorgung für<br />

ihr Kind streben, dabei häufig aber vor vielen Barrieren<br />

stehen. Diese zu kennen und zu überwinden,<br />

dafür liefert das Buch viel Hintergrundwissen.<br />

Man merkt Raimund Schmid seine jahrzehntelange<br />

Erfahrung als medienerfahrener Geschäftsführer<br />

des <strong>knw</strong> (bis 2019) an, wie er die Inhalte<br />

durch seine sanfte, aber nachhaltige thematische<br />

Führung geprägt hat. Dieses Buch sollte von allen<br />

engagierten Ärzt:innen, aber auch von Gesundheitspolitiker:innen,<br />

Medizin<strong>journal</strong>ist:innen und<br />

von allen im Gesund heitswesen engagierten<br />

Repräsentant:innen aus der (Eltern)-Selbsthilfe<br />

nicht nur gelesen, sondern als Aufrüttelung und zugleich<br />

als Ansporn verstanden werden.<br />

Konkrete und praktisch wie politisch gut umsetzbare<br />

Vorschläge hierfür werden in Hülle und Fülle<br />

geboten.<br />

Raimund Schmid: Viel zu viel und doch zu wenig,<br />

Elsevier-GmbH Deutschland, 2021<br />

ISBN 978-3-437-24061-4; Preis: 24 €<br />

„Siggi und Vikki und der Regenbogen“<br />

Anja und Dr. med. Richard Haaser<br />

Ein Buch über Freundschaft. Und Abenteuer.<br />

Diese Geschichte entstand während eines Projektes<br />

des Vereins „Auch Du Hast Stärken e.V.“ für<br />

Familien mit verhaltensauffälligen Kindern.<br />

Jeweils eine Woche lebten 15 Kinder und Jugendliche<br />

mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-<br />

Störung (ADHS) oder anderem problematischem<br />

Sozialverhalten zusammen auf der Edelweißhütte<br />

in der fränkischen Alb.<br />

Dabei durften diese „Jägerkinder“ nicht nur die<br />

Schwächen, sondern auch die Stärken der Gruppe<br />

intensiv miterleben. Viele von ihnen konnten zum<br />

ersten Mal gemeinsam mit anderen Kindern positive<br />

Erfahrungen sammeln und Freundschaften<br />

schließen. Das Buch soll Kinder dazu ermutigen,<br />

sich auf andere einzulassen und durch gemeinsame<br />

„Abenteuer“ neue Freunde zu finden.<br />

eupaed verlag 2008; Hardcover 300x210 mm; 96<br />

Seiten ganzseitig illustriert; Preis: 18,- € (+ 2,50 €<br />

Versand); Ab 6 J.; Direktbestellung unter<br />

https://eupaed.de/Content/Verlag<br />

Buchcover - Siggi und Vikki und der Regenbogen


42<br />

Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

Für unsere „very special<br />

children“: Unsere Kinderseiten<br />

Liebe Kinder, liebe VIPs des Kindernetzwerk,<br />

Ihr alle seid „very special“ – jede und jeder einzelne – und deshalb soll es natürlich auch für<br />

unsere jüngeren Leser:innen etwas geben. Erst mal eine Info für Euch und Eure Eltern:<br />

Neue App vom Kindernetzwerk:<br />

Ausmalbilder für alle<br />

Mit unserer kostenfreien Ausmal-App „Malbuch<br />

für Kinder Inklusion“ könnt ihr den Alltag bunter<br />

gestalten und dabei erleben wie Vielfalt bereichert.<br />

Die App hat 30 Malvorlagen für Euch, die unterschiedliche<br />

Aktivitäten wie Rollstuhlsport, Kinder<br />

bei Musik, beim Sport, mit Freunden und Familie<br />

zeigen.<br />

Mit und ohne Beeinträchtigungen<br />

Das Leben ist mehr als nur rosa und glitzer: Mit unserer<br />

Farbpalette von 54 Farben und 19 kreativen<br />

Füllfarben gelingt das Ausmalen spielend. Die fertigen<br />

Bilder können gleich über das Smartphone verschickt<br />

werden – die Oma und der Opa freuen sich.<br />

Ihr könnt die Ausmalbilder aber auch auf unserer<br />

Webseite als Vorlage herunterladen.<br />

Unsere Ausmal-App<br />

Wer macht mit?<br />

Malwettbewerb Besondere Superhelden<br />

Für unser inklusives digitales Ausmalbuch suchen<br />

wir noch weitere Superhelden: Das Einhorn mit<br />

dem Knick im Horn? Die Forscherin mit Hörgerät?<br />

Der beatmungspflichtige Musiker? Eurer Fantasie<br />

sind keine Grenzen gesetzt. Bitte schickt Eure<br />

Bilder bis zum 31.01.2022 per pdf- oder jpg-Datei<br />

an info@kindernetzwerk.de<br />

Das tollste Motiv erhält einen kleinen Preis und<br />

wird als neue Vorlage in unsere App aufgenommen.


Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

43<br />

Viel Spaß beim Ausmalen und Gewinnen!


44<br />

Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

Eine Geschichte<br />

nur für Euch<br />

Unsere Vorsitzende Annette Mund hat für Euch eine Geschichte über die Giraffe Giola<br />

geschrieben und diese Zeichnungen für Euch gemalt.<br />

Die Giraffe Giola<br />

Vor langer Zeit lebte in einem großen Urwald eine<br />

kleine Giraffe. Sie war eine richtige Schönheit, so<br />

hellbraun mit ihren Punkten. Und freundlich war<br />

sie auch. So freundlich, dass die anderen Tiere im<br />

Wald sie sehr mochten und sich immer wieder Tierjungen<br />

in sie verliebten.<br />

Nun müsst Ihr wissen, dass die Giraffen damals<br />

ganz anders als heute aussahen. Sie hatten zwar einen<br />

ähnlichen Körper, aber sie hatten einen kurzen<br />

Hals und ziemlich kurze Beine. Dafür waren sie eher<br />

dick. Auch der Kopf war ungefähr so wie bei den<br />

heutigen Giraffen, aber er wirkte anders, so direkt<br />

am Körper.<br />

Nun, Giola wusste nichts von den heutigen Giraffen.<br />

Für sie war klar, dass Giraffen aussehen wie sie, nur<br />

nicht so hübsch vielleicht. Denn Giola wusste wohl,<br />

dass sie eine reizende Schönheit war. Und weil sie<br />

das wusste und sich schon so viele verschiedene<br />

Tierjungen in sie verliebt hatten, konnte sie sich<br />

doch nie für einen entscheiden. Deshalb war sie<br />

manchmal sehr traurig. Sie hatte große Angst, ihr<br />

Leben lang allein bleiben zu müssen.<br />

Eines Tages kam ein Elefant in den Urwald. Er war<br />

im richtigen Alter, um eine Familie zu gründen, und<br />

er suchte eine Frau. Er war wunderschön, fand Giola,<br />

aber er war leider viel, viel größer als sie. Er hatte<br />

nicht die gewöhnliche graue Haut der Elefanten,<br />

sondern seine Haut war bräunlich, sie schimmerte<br />

sogar etwas golden. Er hatte wunderschön gebogene,<br />

blitzweiße Stoßzähne und elegante Ohren, die<br />

sich wie Palmwedel bewegten. Das Schönste aber<br />

waren seine Augen. Sie blickten stolz in die Welt<br />

und schienen neugierig alles erkunden zu wollen.<br />

Sie waren haselnussbraun und sahen irgendwie<br />

so aus, als ob der Elefant immer heimlich über irgendetwas<br />

lachen würde. Jedenfalls meinte Giola<br />

das. Sie fand ihn überwältigend. In ihren Augen<br />

war er das schönste Tier, das sie jemals gesehen<br />

hatte. Und klug war er wohl auch, denn sie hatte


Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

45<br />

öfters seinen Erzählungen gelauscht und die waren<br />

immer sehr klug gewesen. Wahrscheinlich war er<br />

sogar ganz schrecklich klug. Kurz gesagt war er für<br />

Giola der ideale Mann. Sie hatte sich bis über beide<br />

Ohren in ihn verliebt.<br />

Der Elefant hatte auch Gefallen an Giola gefunden,<br />

nur störte ihn, dass sie so klein war. Sie reichte ihm<br />

gerade bis zum Bauch, und er würde ja noch wachsen.<br />

Natürlich würde Giola auch noch größer werden,<br />

aber nicht mehr so viel. Giraffen wurden eben<br />

nicht sehr groß, das wusste ja nun jeder. Und wie<br />

sähe das denn dann aus? Ein Riese als Mann mit einer<br />

kümmerlich kleinen Frau? Nein, das wollte Ben,<br />

so hieß der Elefant, nun wirklich nicht. Also begann<br />

er, an Giola herumzumeckern.<br />

„Iss nicht so viel, sonst wirst Du zu dick. Wie sieht<br />

denn das aus, so klein und so dick? Iss mehr Vitamine,<br />

dann wächst Du vielleicht noch. Streng Dich<br />

doch ein bisschen an. Wenn Du mit mir zusammenbleiben<br />

willst, musst Du wachsen. So geht das nicht<br />

weiter.“<br />

Und wenn Giola dann kleinlaut fragte: „Aber wie<br />

soll ich denn wachsen? Man kann doch nicht auf<br />

Befehl größer werden, wie soll das denn gehen?“,<br />

dann runzelte Ben nur die Augenbrauen und sagte<br />

streng: “Wenn man will, dann geht alles!“ Und<br />

da Giola so schrecklich in Ben verliebt war und<br />

alles tun wollte, um ihm zu gefallen, versuchte<br />

sie, es ihm recht zu machen. Sie begleitete ihn auf<br />

seinen Streifzügen durch den Wald, und immer,<br />

wenn sich Ben etwas mit seinem Rüssel von oben<br />

im Baum holte, reckte und streckte Giola ihren<br />

Hals. Immer wieder versuchte sie, an die oberen<br />

Blätter und Früchte zu kommen., obwohl das für<br />

sie wirklich sehr schwer war. Aber sie gab nicht<br />

auf und eines Tages hatte sie tatsächlich das Gefühl,<br />

dass ihr Hals länger geworden sei. Sie streckte<br />

ihn weiter – und siehe da – er wuchs weiter.<br />

Zentimeter um Zentimeter schob es ihren Kopf<br />

nach oben. Es sah aus, als ob man eine Antenne<br />

ausziehen würde.<br />

Giola war ganz aus dem Häuschen. „Ben“, rief sie,<br />

„Ben, schau doch nur her, mein Hals!“<br />

„Was ist mit Deinem Hals?“, brummte Ben. „Schrei<br />

doch nicht so“.<br />

„Aber sieh doch“, rief Giola ganz aufgeregt, „er<br />

wächst und wächst.“ Ben traute seinen Augen<br />

kaum. Es war unglaublich, aber Giolas Hals wuchs<br />

wirklich. Immer länger wurde er, immer schöner.<br />

Die braunen Flecken verteilten sich gleichmäßig,<br />

und Giolas Kopf kam Bens Kopf immer näher.<br />

„Das ist ja wunderbar!“ Ben war ganz begeistert.<br />

„Siehst Du, ich habe Dir doch immer gesagt, dass<br />

man alles kann, wenn man es nur will. Aber – was<br />

ist denn jetzt los?“ Erschrocken schaute er auf Giola.<br />

Die war nämlich umgekippt. Ganz plötzlich<br />

lag sie auf dem Boden und versuchte verzweifelt,<br />

wieder aufzustehen. Aber es gelang ihr nicht. Immer<br />

wieder kippte sie um, das Gleichgewicht war<br />

gestört, der lange Hals war für den kleinen Körper<br />

zu schwer geworden, die kurzen dicken Beinchen<br />

schafften es einfach nicht, das neue Gewicht zu tragen.<br />

„Oh je, oh je, was mache ich denn jetzt, oh je, oh<br />

je?“ Giola begann zu weinen. Wie gemein das war!<br />

Erst bemühte sie sich wochenlang, größer zu werden,<br />

und kaum war ihr Hals lang genug, konnte sie<br />

nicht mehr stehen. Wieder begann sie zu weinen.<br />

Ben wusste nicht so richtig, was nun zu tun sei. Er<br />

lief hin und her und blies die ganze Zeit ganz aufgeregt<br />

durch seinen Rüssel. Ab und zu trompetete er<br />

kurz. Das war aber auch was. Und das konnte auch<br />

noch Ärger geben. Immerhin hatte Giola nur wegen<br />

ihm so einen schrecklich langen Hals bekommen.<br />

Was sollte er denn jetzt nur machen? Es war ja geradezu<br />

peinlich. Auf jeden Fall musste jetzt ein Arzt<br />

geholt werden oder jemand, der ihnen einen wirklich<br />

guten Rat geben konnte.


46<br />

Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

„Giola, wein doch nicht. Ich laufe schnell und hole<br />

Henra, die Schlange. Die ist doch immer so klug. Die<br />

weiß bestimmt, was jetzt zu tun ist.“ Er streichelte<br />

noch kurz mit seinem Rüssel über Giolas Gesicht<br />

und rannte dann, so schnell er konnte, in den Wald,<br />

um Henra zu suchen.<br />

Giola konnte derweil nichts anderes tun, als abzuwarten.<br />

Es war furchtbar. Wahrscheinlich geschah<br />

ihr das ganz recht. Immer war sie mit ihrem Äußeren<br />

zufrieden gewesen, immer hatte sie von sich<br />

gedacht, dass sie hübsch sei. Aber als Ben kam, war<br />

sie unzufrieden mit sich geworden. Sie hatte sich<br />

nur noch durch seine Augen gesehen. Was war das<br />

doch nur für ein Blödsinn! Er hätte sie doch so lieben<br />

müssen, wie sie war. Aber natürlich, es war ja nicht<br />

seine Schuld. Sie hätte eben ein stärkeres Selbstbewusstsein<br />

haben müssen. Sie hätte ihm erklären<br />

müssen: „Hör zu, lieber Ben, ich bin, wie ich bin.<br />

Daran kann man nichts ändern. Ich habe Dich sehr<br />

gern und wenn Du mich auch gernhast, dann musst<br />

Du eben auch meine kleinen dicken Beine und meinen<br />

Hals gernhaben. Basta!“ Aber stattdessen – na<br />

ja. Was konnte sie jetzt noch tun? Den Hals wieder<br />

kürzer machen? Wahrscheinlich war das nicht möglich.<br />

Hoffentlich musste sie nicht für den Rest ihres<br />

Lebens so liegen bleiben! Aus wäre es mit den gemütlichen<br />

Spaziergängen im Wald, vorbei wäre das<br />

Springen und Versteckspiel mit den anderen Tieren<br />

im Wald. Es wäre so schrecklich! Giola fing wieder<br />

an zu weinen.<br />

So fanden Sie Ben und Henra vor. Die Schlange hatte<br />

sich sofort bereiterklärt mitzukommen, aber sie<br />

war ja so schrecklich langsam. Also hatte Ben sie<br />

irgendwann einfach auf seinen Rücken genommen,


Für unsere „very special children“: Unsere Kinderseiten<br />

47<br />

und Henra hatte sich dreimal um seinen Hals geschlungen,<br />

um bei dem wilden Galopp nicht runterzufallen.<br />

Angenehm war Ben die ganze Sache nicht,<br />

aber er beeilte sich so, dass er seine Angst vor der<br />

Schlange völlig vergaß.<br />

Als sie ankamen, schaute sich Henra die arme Giola<br />

von allen Seiten an. Kurz ließ sie sich erzählen,<br />

wie alles gekommen war, und dann zog sie sich auf<br />

einen Ast zurück. Sie musste nachdenken und niemand<br />

durfte sie stören. Nach einer halben Stunde<br />

richtete sie sich wieder auf.<br />

„Ich hab’s! Es ist die einzige Lösung. Es wird nicht<br />

einfach werden, aber anders wird es nicht gehen!“<br />

„Ja was, wie? Nun sag doch schon!“ Giola war ganz<br />

aufgeregt.<br />

„Nun, Deine Beine müssen auch länger werden.<br />

Du musst sie genauso strecken und recken, wie Du<br />

das mit Deinem Hals gemacht hast. Nur wenn auch<br />

sie lang sind, wirst Du wieder gehen können, denn<br />

dann kannst Du Dein Gleichgewicht wieder halten.“<br />

Henra schaukelte sich ein wenig und schaute die<br />

beiden erwartungsvoll an.<br />

„Aber wie soll sie das denn machen?“ fragte Ben. Er<br />

war erstaunt, dass Henra einen solchen Vorschlag<br />

machte. Wie um alles in der Welt sollte Giola längere<br />

Beine bekommen?<br />

„Tja, das weiß ich auch nicht so genau, aber sie<br />

hat es ja auch geschafft, einen längeren Hals zu<br />

bekommen. Und das war so eigentlich auch nicht<br />

vorgesehen. Was auch immer sie dazu getan hat,<br />

sie muss das Gleiche nun mit den Beinen machen.<br />

Viel Gymnastik, immer wieder Übungen und so oft<br />

wie möglich versuchen, aufzustehen. Das wird die<br />

Beine kräftigen!“<br />

Giola schaute Ben kläglich an. Das würde ja furchtbar<br />

werden, aber was sollte sie anderes tun? Henra<br />

hatte offensichtlich recht, wie eigentlich immer.<br />

„Also ich muss auch jetzt mal gehen. Und Giola,<br />

Kopf hoch, Du wirst es schon schaffen!“ Und damit<br />

schlängelte sich Henra ihrer Wege.<br />

Für Giola begann eine harte Zeit. So oft sie konnte,<br />

versuchte sie aufzustehen. Anfangs fiel sie sofort<br />

immer wieder hin, aber durch die Übungen, die<br />

sie jeden Tag machte, wurden die Muskeln in ihren<br />

Beinen immer stärker. Sie nahm an Gewicht ab, das<br />

Fett schmolz und übrig blieben nur dünne, muskelbepackte<br />

Beine. Und dann, eines Tages, begannen<br />

sich die Beine zu strecken. Es war ein herrliches Gefühl.<br />

Es wurde immer besser mit dem Aufstehen,<br />

und manchmal schaffte Giola es sogar schon, ein<br />

paar Schritte zu gehen.<br />

Eines Tages war es schließlich so weit. Woher Giola<br />

es wusste, konnte sie nicht sagen, aber sie wusste,<br />

dass sie nun vollkommen war. Die Beine hatten die<br />

richtige Länge zum Hals, der Körper war im perfekten<br />

Gleichgewicht. Nun richtete sich Giola auf. Sie<br />

wurde größer und größer und als sie ganz stand, war<br />

sie das größte und gleichzeitig das schönste Tier im<br />

gesamten Wald. Froh und glücklich schaute sie sich<br />

um. Sie konnte über die meisten Bäume hinwegsehen<br />

und zu den weit entfernten Bergen schauen.<br />

Und dann sah sie Ben. Klein und unbedeutend sah<br />

sie ihn neben sich stehen. Er sagte gar nichts, war<br />

völlig überwältigt. Da stand sie nun, seine Giola.<br />

Sie war so schön, so herrlich und so fürchterlich<br />

groß. Nun hätte sie das Recht, an ihm herumzumeckern,<br />

denn jetzt war er der Kleine, der nicht an<br />

sie heranreichte. Aber, und das war das Traurigste<br />

überhaupt, sie schien gar kein Interesse daran zu<br />

haben. Ja, sie hatte überhaupt kein Interesse – weder<br />

an einer Meckerei, noch an ihm. Er war für sie<br />

gar nicht mehr interessant. Sie lebte jetzt in einer<br />

anderen Welt. Es war nur noch wichtig, was sich in<br />

ihrer neuen Kopfhöhe ereignete. Sie würden kein<br />

Liebespaar mehr sein können, das wusste er, aber –<br />

und das war ein wunderbares Gefühl – er würde sie<br />

immer gernhaben, denn sie war das schönste Tier<br />

im ganzen Wald.


48<br />

Unsere Glosse „zu guter letzt“<br />

Rache(n)abstrich<br />

Dr. med. Richard Haaser<br />

Besonders zur Erkältungszeit<br />

ist es keine Seltenheit,<br />

dass ein Kind arg schnieft und hustet<br />

und niesend durch die Gegend prustet.<br />

Ist es recht matt, dann auch noch fiebrig<br />

und vom Fiebersaft nichts übrig,<br />

sind Eltern oft schon überfordert:<br />

Es wird ein Arzttermin geordert.<br />

Der braucht nicht lange visitieren:<br />

„Das sind einfach Erkältungsviren.<br />

Da werden Hausmittelchen genügen,<br />

um diese Krankheit zu besiegen.“<br />

Doch steht Halsweh im Vordergrund,<br />

sähe er dem Kind gern in den Mund.<br />

Sind es vielleicht Corona-Viren,<br />

die im Rachenraum campieren?<br />

Es hieße von dem roten Rachen<br />

einen Keimabstrich zu machen.<br />

Das ist an sich gar kein Problem,<br />

im Gegenteil: So wird bequem<br />

per Schnelltest diagnostiziert,<br />

sofern das Kind kooperiert.<br />

Wenn es sich dagegen weigert<br />

und sein Geschrei sich stetig steigert,<br />

womit es für den Keim beweist,<br />

dass er zu Recht „Erreger“ heißt,<br />

dann muss man sich dem Schicksal beugen,<br />

es lassen – oder überzeugen.<br />

Man darf nicht stammeln oder zaudern,<br />

besser ist´s, einfach zu plaudern:<br />

„Es ist nicht schlimm, weil´s gar nicht schmerzt“,<br />

der Kinderarzt scheinheilig scherzt. -<br />

„Dass es nicht weh tut, zeig´ es mir<br />

und mach´ es doch mal vor bei dir.“ -<br />

„Kein Problem, ich werd´s probieren<br />

und von dem Abstrich gar nichts spüren.“<br />

Schiebt sich das Stäbchen in den Rachen<br />

und tut, als würd´ er dabei lachen.<br />

Doch als das Zäpfchen er erreicht,<br />

sieht man, wie plötzlich er erbleicht<br />

und heftig würgt, nach Atem ringt,<br />

zum Waschbecken hinüber springt<br />

und unter Tränen lauthals speibt.<br />

Womit uns die Erkenntnis bleibt,<br />

dass es beim Abstrich aus dem Rachen<br />

sich rächt, dem Kind ´was vorzumachen.<br />

Umfrage:<br />

Was können wir besser<br />

machen im <strong>knw</strong> <strong>journal</strong>?<br />

https://www.surveylegend.com/survey/-MpGXVr4Axq9BtWtAUlC


Impressum<br />

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Am Glockenturm 6, 63814 Mainaschaff<br />

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Fotonachweis iStockphoto: Umschlag innen, DenKuvaiev | Seite 08, DenKuvaiev,<br />

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