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Walter Schels. Andy Warhol – Joseph Beuys (Blick ins Buch)

1980 begegneten sich zwei Weltkünstler: Andy Warhol und Joseph Beuys, deren Werk oberflächlich betrachtet wenig Gemeinsamkeiten aufweist, stellten gemeinsam in einer Münchner Galerie aus. Als "Sternbegegnung" bezeichnete dies der Kunstsammler und große Beuys-Förderer Franz-Joseph van der Grinten. Der Fotograf Walter Schels, damals am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn, nutzte die Gelegenheit für Porträtaufnahmen. In klassischen Schwarzweiß-Porträts, Bewegungsstudien, Solarisationen, Übermalungen und Collagen setzte er sich mit beiden Revolutionären der Gegenwartskunst auseinander. Diese Publikation, entstanden mit freundlicher Förderung von Neustart Kultur und dem Deutschen Kulturstiftungsfonds, macht erstmals die Vielfalt dieses Werkzyklus sichtbar. - mit Texten von Franz-Joseph van der Grinten und Walter Schels - zweisprachig: Deutsch, Englisch - 63 Abbildungen, 88 Seiten - Softcover, hochwertiger Digitaldruck, Fadenbindung

1980 begegneten sich zwei Weltkünstler: Andy Warhol und Joseph Beuys, deren Werk oberflächlich betrachtet wenig Gemeinsamkeiten aufweist, stellten gemeinsam in einer Münchner Galerie aus. Als "Sternbegegnung" bezeichnete dies der Kunstsammler und große Beuys-Förderer Franz-Joseph van der Grinten. Der Fotograf Walter Schels, damals am Beginn seiner künstlerischen Laufbahn, nutzte die Gelegenheit für Porträtaufnahmen. In klassischen Schwarzweiß-Porträts, Bewegungsstudien, Solarisationen, Übermalungen und Collagen setzte er sich mit beiden Revolutionären der Gegenwartskunst auseinander. Diese Publikation, entstanden mit freundlicher Förderung von Neustart Kultur und dem Deutschen Kulturstiftungsfonds, macht erstmals die Vielfalt dieses Werkzyklus sichtbar.

- mit Texten von Franz-Joseph van der Grinten und Walter Schels
- zweisprachig: Deutsch, Englisch
- 63 Abbildungen, 88 Seiten
- Softcover, hochwertiger Digitaldruck, Fadenbindung

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WALTER SCHELS<br />

JOSEPH BEUYS ANDY WARHOL<br />

Herausgegeben von Beate Lakotta


2


<strong>Beuys</strong> <strong>–</strong> <strong>Warhol</strong>, Collage, 1980


STERNBEGEGNUNG<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong>‘ Porträts zweier Weltkünstler<br />

von Franz-<strong>Joseph</strong> van der Grinten<br />

Physiognomie, Landschaften <strong>–</strong> als Bilder sind sie einander<br />

nah verwandt, fast analog. Wuchs, Widerfahrnis<br />

und die Kontinuität des Lebensimpulses lassen von innen<br />

her eine Erscheinung nach außen gelangen, die<br />

sich selbst genügt. Erst der <strong>Blick</strong> des bildhaft Schauenden,<br />

der eine Korrespondenz herstellt zwischen sich<br />

und dem Geschauten, lässt dieses Bild transzendieren<br />

aus der Willkür momentanen Se<strong>ins</strong> <strong>ins</strong> Zeitenthoben-Beispielhafte.<br />

Diesem <strong>Blick</strong> verdankt sich alle<br />

Kunst. Erst er macht ein Gelände zur Landschaft, ein<br />

Gesicht zum Porträt.<br />

Das Antlitz als Seelenlandschaft <strong>–</strong> eine keineswegs<br />

neue Vorstellung. Schon Leonardo hat in seinen Anamorphosen<br />

beides verquickt. Das schauende Auge, es<br />

ist als dasjenige eines Fotografen mit geübter Eindringlichkeit<br />

dem Wesen dessen auf der Spur, den er bildhaft<br />

überliefern will.<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> ist vor allem Porträtist. Auch wo er nur<br />

Hände aufnimmt, sind es individuell sprechende, und<br />

seine Tiere stellen sich anscheinend der Kamera ihrer<br />

selbst bewusst. <strong>Schels</strong> bevorzugt die Frontalansicht.<br />

Der Dargestellte steht im <strong>Blick</strong>kontakt zum Schauenden.<br />

Nichts irrt ab, der Augenblick erhält Dauer. Der, der<br />

sich zu schauen gibt, bannt den Geschauten <strong>–</strong> die klassische<br />

Situation eines definitiven Porträts. Daneben<br />

zeigen Suiten von Fotografien den Darzustellenden im<br />

spontanen Wechsel seines Verhaltens. Sie entsprechen<br />

den vor dem Motiv gefertigten Landschaftsstudien, deren<br />

Offenheit im Wandern des <strong>Blick</strong>s von Bild zu Bild<br />

das Wesen summiert. Diese Summe mag als eine größere<br />

erscheinen, nicht durch die Zahl der Bilder, sondern<br />

weil sie die Wesenszüge als Einzelne wahrzunehmen<br />

gibt, sukzessiv und hin und her vergleichend.<br />

Jeder für sich repräsentierte eine künstlerische<br />

Welt, in die sie die Wege geöffnet haben<br />

Nicht jeder freilich setzt sich dem Objektiv der Kamera<br />

gleichermaßen rückhaltlos aus. Der unterschiedliche<br />

Grad der Zugänglichkeit zeigt sich in den Fotografien,<br />

die <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> von <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong> und <strong>Andy</strong> <strong>Warhol</strong><br />

aufgenommen hat, eindrucksvoll und exemplarisch.<br />

Der Anlass, der für beide derselbe war, hat Selbstdarstellung<br />

gezeitigt, die unterschiedlicher kaum sein könnte.<br />

Geme<strong>ins</strong>amkeit, obwohl es sie ja in der Begegnung gab,<br />

ist nicht dokumentiert. Nur in einer Suite von Montagen,<br />

die die Züge austauschen, hat <strong>Schels</strong> auf ein Geme<strong>ins</strong>ames<br />

Bezug genommen.<br />

Zwei Persönlichkeiten trafen aufeinander, die nicht<br />

nur als Exponenten ihres künstlerischen Zeitalters gel-<br />

4


STAR ENCOUNTER<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong>‘ portraits of two world artists<br />

by Franz-<strong>Joseph</strong> van der Grinten<br />

Physiognomy and landscapes, the depiction of the two<br />

is closely related, almost to the point of being analogous.<br />

The appearance is shaped by growth, experience<br />

and the continuity of life’s impulse, bringing to the<br />

surface something that is self-contained. Only the gaze<br />

of the observer, who establishes a correspondence<br />

between himself and what he sees, allows this image<br />

to transcend from the arbitrariness of momentary<br />

being to something that is representative, suspended<br />

in time. All art owes its existence to this gaze. It is the<br />

gaze that turns a terrain into a landscape, a face into a<br />

portrait.<br />

The face as a landscape of the soul <strong>–</strong> this notion is by<br />

no means new. Leonardo combined the two in his Anamorphoses.<br />

The observing eye is that of the photographer,<br />

on the trail of the innermost being of the sitter,<br />

eager to convey that person’s essence with practised<br />

penetration.<br />

the viewer. This is the classic constellation of the definitive<br />

portrait. To return to the premise of the opening<br />

sentence, it corresponds to the composed, the crafted<br />

landscape.<br />

Not everyone, of course, exposes himself equally unreservedly<br />

to the lens of the camera. The different degree<br />

of accessibility is impressively and exemplarily<br />

shown in the photographs <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> took of <strong>Joseph</strong><br />

<strong>Beuys</strong> and <strong>Andy</strong> <strong>Warhol</strong>. The occasion, which was the<br />

same for both, produced self-portrayals that could hardly<br />

be more different. Commonality, although it existed<br />

in the encounter, is not documented. Only in a suite of<br />

montages exchanging the moves did <strong>Schels</strong> refer to a<br />

commonality.<br />

Both of them represented an artistic world to<br />

which they opened paths<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong> is primarily a portraitist. Even when he<br />

records only hands, these hands speak eloquently of the<br />

individual, and his animals seem to face the camera<br />

with complete self-awareness. <strong>Schels</strong> favours the frontal<br />

view of the sitter, who gazes directly at the viewer.<br />

Nothing strays, the moment is enduring. The individual<br />

who offers himself up to being observed captivates<br />

Two individuals encountered each other, two men who<br />

could be considered not only outstanding representatives<br />

of their artistic periods, but who also uniquely represent<br />

an artistic world they themselves were <strong>ins</strong>trumental<br />

in opening up. Two worlds that were completely<br />

different in their essence, their <strong>ins</strong>ight and motivation.<br />

And two characters who had very little in common,<br />

5


PORTRÄTS<br />

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12


14


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BEUYS UND WARHOL<br />

Von <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong><br />

<strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong> erlebte ich zum ersten Mal auf der documenta<br />

1977 in Kassel, mit seiner Honigpumpe. Die<br />

Pumpe stand in einer Art Grube, aus der führte <strong>Beuys</strong><br />

den Dialog mit dem Publikum. Ich blieb lange dort<br />

stehen und beobachtete ihn. Seine weltoffenen Gedanken,<br />

die Verschmelzung von Kunst und menschlichem<br />

Zusammenleben, Vergleiche zwischen Honigpumpe<br />

und Blutkreislauf gefielen mir. Ebenso<br />

seine lebendige Körpersprache und Mimik. Sprache<br />

war für ihn Teil seiner Kunst, er erklärte sie sogar zur<br />

Plastik. Das hatte ich im Kopf, als ich ihn drei Jahre<br />

später porträtierte.<br />

<strong>Andy</strong> <strong>Warhol</strong> zählte für mich zu den Großen in der<br />

Kunst, seit ich in den Sechzigerjahren in New York gelebt<br />

hatte. Ich erinnere mich bis heute gut an den Tag<br />

des Attentats auf ihn, im Juni 1968. Die Täterin kam in<br />

die Psychiatrie, <strong>Warhol</strong> überlebte knapp und wurde erst<br />

zwei Monate später aus dem Krankenhaus entlassen.<br />

Danach wurden seine Bilder noch teurer <strong>–</strong> was ihn zweifellos<br />

befriedigte. Aber für den Rest seines Lebens wurde<br />

er Ängste und Schmerzen nicht mehr los. Einem Freund<br />

soll er gestanden haben: „Ich habe große Angst davor,<br />

glücklich zu sein, weil es ja doch nie hält.“ Er soll sich<br />

auch als körperlich nicht liebenswert empfunden haben.<br />

Dabei wären viele seiner Freunde und Verehrer für<br />

ihn gestorben.<br />

1979 zeigte das Whitney Museum eine umfangreiche<br />

<strong>Warhol</strong>-Ausstellung. Ich mochte die Suppendosen,<br />

fand seine „Death and Disaster“-Bilder mutig, aber noch<br />

viel mehr bewunderte ich seine großformatigen Porträtserien<br />

<strong>–</strong> absolut konsequent in Farbigkeit und Stil.<br />

Das Lenbachhaus gab 280 000 D-Mark für<br />

„Zeige Deine Wunde“ aus <strong>–</strong> damals ein Skandal<br />

Zeitgleich fand im Guggenheim Museum eine monumentale<br />

<strong>Beuys</strong>-Retrospektive statt. Zu der Zeit war in<br />

München der damalige Kulturreferent der Stadt, Jürgen<br />

Kolbe, mein Nachbar. Er hatte den Ankauf der <strong>Beuys</strong>-Installation<br />

„Zeige Deine Wunde“ vermittelt. Das Lenbachhaus<br />

gab dafür 280 000 D-Mark aus. Skandalös! Das<br />

war doch keine Kunst! Wie konnte man diesem Pfuscher<br />

so ein Gestell abkaufen <strong>–</strong> so war die öffentliche<br />

Meinung. Ich sammelte Zeitungsartikel, die sich damit<br />

befassten. <strong>Beuys</strong>’ Kunst <strong>–</strong> der VW-Bus mit den Schlitten<br />

hintendran, die ganzen Fettecken und Filzrollen <strong>–</strong> berührten<br />

mich offen gestanden wenig. Aber ich bewundere<br />

ihn sehr für seinen Mut, seine Konsequenz, sein<br />

Rebellentum und auch seine Frechheit. Sich mit der<br />

Ambulanz zum Flughafen fahren zu lassen, nach New<br />

York zu fliegen und sich dort drei Tage und Nächte mit<br />

38


BEUYS AND WARHOL<br />

By <strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong><br />

I first encountered <strong>Joseph</strong> <strong>Beuys</strong> at the documenta 1977<br />

in Kassel, where his honey pump was exhibited. The<br />

pump stood in a kind of pit, and from down there <strong>Beuys</strong><br />

conducted a dialogue with the audience. I stayed there<br />

for a long time and watched him. I liked his cosmopolitan<br />

thoughts, the fusion of art and human interaction,<br />

comparisons between honey pump and blood circulation,<br />

and his lively body language and facial expressions.<br />

<strong>Beuys</strong> considered language as part of his art, and<br />

even declared it a sculpture. I had that in mind when I<br />

portrayed him three years later.<br />

<strong>Andy</strong> <strong>Warhol</strong> had been one of the titans of art for me<br />

since I lived in New York in the Sixties. I still vividly<br />

remember the day of the assassination attempt on him,<br />

in June 1968. The perpetrator was sent to a psychiatric<br />

ward, <strong>Warhol</strong> barely survived and spent two months in<br />

hospital. After that his paintings became even more expensive<br />

<strong>–</strong> which no doubt filled him with glee. But for<br />

the rest of his life he struggled to deal with the fear and<br />

pain. He is said to have confessed to a friend, “I‘m very<br />

afraid of being happy because, after all, it never lasts.”<br />

He is also said to have felt physically unlovable, yet<br />

many of his friends and admirers would have died for<br />

him.<br />

In 1979, the Whitney Museum put on an extensive<br />

<strong>Warhol</strong> exhibition. I liked the soup cans, thought his<br />

“Death and Disaster” paintings were bold, but was<br />

bowled over by his large-scale portrait series with their<br />

stringent use of color and style.<br />

At the same time, a monumental <strong>Beuys</strong> retrospective<br />

was taking place at the Guggenheim Museum. Jürgen<br />

Kolbe, the city’s cultural advisor at the time, was my<br />

neighbor in Munich. He had arranged the purchase of<br />

His art frankly touched me little. But I admire<br />

<strong>Beuys</strong> very much for his courage, his consistency,<br />

his rebelliousness and his impudence<br />

the <strong>Beuys</strong> <strong>ins</strong>tallation “Zeige Deine Wunde” (“Show<br />

Your Wound”). The Lenbachhaus spent 300,000<br />

Deutschmarks on it. There was a public uproar: Scandalous!<br />

This wasn’t art! How could anyone buy claptrap<br />

from such an obvious charlatan. I collected all the newspaper<br />

articles I could find. <strong>Beuys</strong>’ art <strong>–</strong> the VW bus with<br />

the sleds behind it, all the grease corners and felt rolls<br />

<strong>–</strong> didn’t move me greatly, but I admire him very much<br />

for his courage, his consistency, his rebelliousness, and<br />

also his audacity. To be driven to the airport by ambulance,<br />

to fly to New York and be locked up there for three<br />

days and nights with a coyote, with the whole world<br />

witnessing it <strong>–</strong> I was deeply impressed.<br />

39


SOLARISATIONEN<br />

45


ÜBERMALUNGEN<br />

63


COLLAGEN<br />

79


Realisierung der Publikation mit freundlicher Unterstützung durch<br />

Realization of the publication with the kind support of<br />

Fotografie Photography<br />

<strong>Walter</strong> <strong>Schels</strong><br />

Redaktion und Gestaltung Editing<br />

Beate Lakotta<br />

Design Design<br />

QART Büro für Gestaltung<br />

www.noirblanche.de<br />

Lektorat / Übersetzung Proof Editing/Translation<br />

Stefan Moos, Fiona Sangster<br />

Druck Imprint<br />

Wegner GmbH, Stuhr<br />

© 2021 Fotografenverlag, Hamburg<br />

www.fotografenverlag.com<br />

ISBN: 978-3-9822605-3-2

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