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B1|A40 THE BEAUTY OF THE GRAND ROAD

DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE 2014 EINE AUSSTELLUNG IM STADTRAUM DER A40 VON DUISBURG BIS DORTMUND 14.06.2014 – 07.09.2014 MAP MARKUS AMBACH PROJEKTE URBANE KÜNSTE RUHR (HG.) WIENAND

DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE 2014
EINE AUSSTELLUNG IM STADTRAUM DER A40 VON DUISBURG BIS DORTMUND
14.06.2014 – 07.09.2014

MAP MARKUS AMBACH PROJEKTE
URBANE KÜNSTE RUHR
(HG.)

WIENAND

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ßenwelt völlig zu vergessen. Die Siedlung ändert<br />

sich, Siedlerfamilien verkaufen und neues<br />

Blut kommt in die Gemeinschaft, manchmal<br />

von richtig weit her. Das wird begrüßt, man<br />

wünscht sich Beteiligung, aber für einige Neuankömmlinge<br />

ist so viel lang kultivierter Zusammenhalt<br />

vielleicht manchmal ein bisschen<br />

überwältigend.<br />

Samira erzählt: „Nach reiflicher Überlegung<br />

und vor allem wegen der tollen Gemeinschaft<br />

hier in der Siedlung war mir<br />

dann klar, ich möchte – trotz des Lärms –<br />

hierbleiben. Es hieß dann aber auch: Jetzt<br />

müssen wir Schippe und Schaufel in die<br />

Hand nehmen und das Haus noch einmal<br />

komplett sanieren. Das ist mittlerweile<br />

vier Jahre her und jetzt sind wir an einem<br />

Punkt, wo wir wieder ans Motorradfahren<br />

denken können.“<br />

DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE „Die<br />

Leute meinen, man könne hier einfach seinen<br />

Müll ablegen, pinkeln oder verrostete Autos<br />

abstellen, alte Reifen, alles, was man nicht<br />

mehr braucht. Die sind ja auch nur auf der<br />

Durchreise, aber wir wohnen hier“, sagt eine<br />

Anwohnerin der Dörnerhofstraße. Wenn sie<br />

von zu Hause telefoniert, wird sie oft gefragt,<br />

warum sie denn von der Autobahnraststätte<br />

anrufe.<br />

Auf die ihm oft gestellte Frage, warum um<br />

Himmels willen man denn so nah an eine Autobahn<br />

ziehe, sagt ein anderer Anwohner: „Dass<br />

die Autobahn vielleicht bei uns eingezogen ist,<br />

darauf kommt selten jemand.“<br />

Und wenn man sich dann mit der Autobahn abgefunden<br />

hat, dann steht plötzlich ein neuer<br />

unerwünschter Nachbar auf der Matte. Denn<br />

als Verkehrsknotenpunkt zieht das Kreuz Kaiserberg<br />

Investoren an, die von der Nähe zur<br />

Autobahn profitieren können. Schon lange im<br />

Gespräch ist in diesem Zusammenhang der<br />

Bau eines Autohofs. Zwar geht es offiziell um<br />

Stellplätze für Lkws, aber die sind für einen<br />

Investor nur rentabel im Zusammenhang mit<br />

Hotel und Billig-Gastronomie – für viele Anwohner<br />

ein Albtraum.<br />

Als die Idee zum ersten Mal publik wurde,<br />

stand in der Zeitung: „Für die wenigen Anwohner<br />

an der Dörnerhofstraße ist ja sowieso<br />

nichts mehr zu verderben.“<br />

DIE DAME SCHWEIGT UND WARTET Sie wurde<br />

besungen und umschwärmt, geliebt, umsorgt<br />

und manchmal auch gepeinigt. Angeblich<br />

sollen ihr in ihrer Jugend Kaiser Maximilian<br />

und auch Napoleon einen Besuch abgestattet<br />

haben und später – zumindest wird es so<br />

erzählt – sei wohl auch Heinz Rühmann dem<br />

Charme von Yn ghen Dörnen, heute bekannt als<br />

Dörnerhof, erlegen.<br />

Heute wird der Hof von Herrn Gogoll, einem<br />

Nachfahren der Kolkmanns, bewohnt und bewirtschaftet.<br />

In über 20 Jahren harter Arbeit<br />

hat er die Dörnerhof-Gebäude komplett restauriert<br />

und modernisiert. Der Dörnerhof ist<br />

als Wohn- und Arbeitsidylle keine schlechte<br />

Wahl. Der geplante Autohof direkt nebenan allerdings<br />

macht den Anwohnern Sorge.<br />

Yn ghen Dörnen äußert sich nicht weiter zu<br />

diesen Kleinigkeiten. Sie ist jetzt eine Grande<br />

Dame und sie hat Zeit zu warten. Die Dinge<br />

kommen und gehen. Das weiß sie aus Erfahrung.<br />

Eines Tages wird unweigerlich auch die<br />

Zeit der Autobahn vorbei sein und vielleicht<br />

wird sie dann wieder Verbindung zu ihrem alten<br />

Freund, dem Kaiserberg, aufnehmen.<br />

BETONFREIES UND NATURNAHES WOHNEN<br />

Für Sonic, der jetzt schon seit zwölf Jahren<br />

hier ist, ist es weiterhin wichtig, dass sein alter<br />

Traktor immer startklar bleibt. Er hat zwar<br />

seinen Bauwagen seit zwölf Jahren nicht mehr<br />

vom Platz ziehen müssen, aber geprägt durch<br />

seine Wagenburgvergangenheit weiß er, dass<br />

man sich nie wirklich in Sicherheit wiegen sollte.<br />

„Man muss halt gewissermaßen mobil bleiben.“<br />

Wer hier lebt, kommt mit wenig aus. „Es<br />

ist schon seltsam“, sagt Sonics Freundin Eva,<br />

„dass einige Leute den ‚Müll‘ kommentieren,<br />

der hier rumsteht. Dabei benutzen wir ja all die<br />

Dinge und verwerten sie einfach länger als andere.<br />

Wirklich produzieren tun wir sicherlich<br />

sehr viel weniger Müll als die meisten Leute.“<br />

Besuchern gegenüber ist man vorsichtig bis<br />

misstrauisch. „Das musst du verstehen“, sagt<br />

ein Freund, der hier seinen Wohnwagen unterstellt.<br />

„Das hier ist für viele Menschen eine<br />

Oase, das muss man beschützen.“<br />

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