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B1|A40 THE BEAUTY OF THE GRAND ROAD

DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE 2014 EINE AUSSTELLUNG IM STADTRAUM DER A40 VON DUISBURG BIS DORTMUND 14.06.2014 – 07.09.2014 MAP MARKUS AMBACH PROJEKTE URBANE KÜNSTE RUHR (HG.) WIENAND

DIE SCHÖNHEIT DER GROSSEN STRASSE 2014
EINE AUSSTELLUNG IM STADTRAUM DER A40 VON DUISBURG BIS DORTMUND
14.06.2014 – 07.09.2014

MAP MARKUS AMBACH PROJEKTE
URBANE KÜNSTE RUHR
(HG.)

WIENAND

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einem traditionellen Transportmittel aus Südtirol, die Geschichte ihrer<br />

Herkunft und Heimat an die A40 importierte, suchte im ephemeren und<br />

unsteten Raum der Straße nach einem Fixpunkt über Begriffe wie Identität<br />

und Zugehörigkeit, die sie letztendlich auf dem Heißener Hof – einem<br />

nahezu vergleichbaren Ort zu ihrem heimischen Bauernhof – fand.<br />

Das Leben auf der Straße wurde auch in der Arbeit von Volker Lang<br />

gestreift. Sein 8 ½ Circus Space reflektierte einerseits den Zirkus als<br />

aussterbende Form, die das Fantastische in die industrialisierten Städte<br />

brachte. Gegenüber den Determinierungen eines Lebens auf Reisen<br />

verknüpfte sich die Arbeit intensiv mit dem Ort, indem ihr offenes Zirkuszelt<br />

ungewohnte Einblicke gewährte und als Skulptur die Anwohner<br />

dazu aufforderte, ihre eigenen Praktiken auf der Bühne aufzuführen.<br />

Die Analogie zwischen Alltags- und Hochkultur machte den Ort auf dem<br />

Feld in Mülheim zu einer Schnittstelle zwischen der Kultur des Eigenen<br />

und des Anderen, die sich auch in der heterogenen Nachbarschaft im<br />

Umfeld der U-Bahnstation Eichbaum widerspiegelte.<br />

HEIMAT AUTOBAHN Mit denjenigen Bewohnern, deren Heimat mit der<br />

Autobahn und den extremen Bedingungen eines unfreiwilligen Lebens<br />

im Fluss des Verkehrs konfrontiert wird, setzten sich mehrere Arbeiten<br />

auseinander. Im Stadtteil Essen-Frillendorf lebt man nur wenige<br />

Meter neben der Fahrspur. Wie man sich mit einer solchen Situation,<br />

sei es in einer alten oder in einer neuen Wohnlage anfreunden kann, ist<br />

manchem schleierhaft. Manuel Franke zeigte in seiner Arbeit Fixstern<br />

Strategien auf, mit de nen die Menschen hier ihre Häuser individualisieren,<br />

um die Notwendigkeit des Eigenen in einem so dermaßen veröffentlichten<br />

Raum sichtbar zu machen. Dass er dabei in Dialog mit der<br />

Nachbarfassade geriet, die immer zur Fußball-WM (so auch 2014) als<br />

Display genutzt wird, um die eigene Leidenschaft für diesen Sport zu<br />

artikulieren, schien künstlerisch gewollt. Indem Franke hintergründig<br />

die Sesshaftigkeit mit einem Leben auf Reisen kontrastierte, wurde seine<br />

skulptural anmutende Arbeit zu einer subtilen Auseinandersetzung<br />

zwischen Ort und Raum, Moment und Kontinuität.<br />

Einige Meter weiter nutzte die Arbeit von Leni Hoffmann die Situation<br />

eines geteilten Dorfs, um ebenfalls auf skulpturale Weise ein sozialräumliches<br />

Thema anzuschneiden. Denn die Intervention, die links und<br />

rechts von der Autobahn eine fein geschnörkelte Brücke in Beton brut<br />

als verbindende Klammer der getrennten Stadtteile inszenierte, veranschaulichte<br />

die markante Zäsur der sozialen Milieus durch den Ausbau<br />

der B1 zur Autobahn.<br />

Dass es neben der Drastik von Frillendorf auch idyllische Lebenswelten<br />

entlang der A40 gibt, zeigte sich in Dortmund. John Millers Arbeit<br />

A False Mirror nahm sich im Ortsteil Schönau einer vollkommen anderen<br />

Lebenssituation im Schatten der Autobahn an. Wo die Schnettkerbrücke<br />

das malerische Tal von Emscher und Rüppingsbach überspannt, inszenierte<br />

er den designierten Ortskern des Villenstandorts durch zwei Litfaßsäulen,<br />

die sich in dem leicht anachronistischen Habitus eines analogen<br />

Werbemittels ihrem Umfeld anzunähern schienen. Miller stellte<br />

diesem in der trügerischen Ruhe bürgerlicher Zufriedenheit schlummernden<br />

Ort zwei Träume aus der Ferne gegenüber. Die Idylle paradiesischer<br />

Einsamkeit spiegelte sich in der stereotypen Abbildung einer<br />

Palmeninsel gleichermaßen wie in den Einfamilienhäusern einer Gated<br />

Community der ersten Stunde. Nicht nur die Häuser dieser Siedlungsform<br />

wie auch das Inselidyll wurden als Traumbilder einer überindividualisierten<br />

Gesellschaft befragt, sondern auch der real vorhandene<br />

Ort in seiner Modellhaftigkeit.<br />

NEUE LANDSCHAFTEN Ein wesentlicher Aspekt der Autobahn ist ihre<br />

Wirkung auf Wahrnehmung, Bestand und Gestaltung der Landschaft<br />

als Lebensraum. Spätestens, seit der amerikanische Parkway als erster<br />

den Blick auf die Landschaft vollkommen neu inszenierte 13 , sie als<br />

großen Prospekt der Reise und als Bild einer domestizierten Natur generierte,<br />

ist offensichtlich, dass die Autobahn mannigfaltige faktische,<br />

soziale und ökonomische Effekte auf Stadt- und Landschaftsräume<br />

ausübt. Inwiefern Landschaft als eben der komplexe Lebensraum, als<br />

Schnittstelle zwischen Mensch, Kultur und Natur eine Zukunft hat, oder<br />

ob wir uns lediglich nur noch mit ihrer Rekonstruktion konfrontiert sehen,<br />

diskutierte die Ausstellung umfangreich an verschiedenen Orten in<br />

unterschiedlichen Formaten.<br />

In seiner Arbeit Überplanungen verwies Michael Fehr aus historischer<br />

Perspektive auf die verborgenen Qualitäten einer Landschaft wie der<br />

des Autobahnkreuzes Kaiserberg. An ihrer Oberfläche ganz unberührt<br />

naturbelassen wirkend, fungiert diese Landschaft im Untergrund als<br />

Schnittstelle verschiedener Energieträger wie Öl, Gas, Strom oder<br />

Wasser. Dass Fehr seine Forschungsergebnisse abbildete in Form einer<br />

Informationsskulptur auf den Wiesen des Dörnerhofs, der zu großen<br />

Teilen dem Bau des Autobahnkreuzes zum Opfer gefallen war, ist daher<br />

plausibel.<br />

Christian Odzucks Arbeit Polytopos Dortmund* wagte nicht nur die Konkurrenz<br />

zur Schnettkerbrücke, sondern setzte sich auch mit der Landschaft<br />

in Beziehung. Seine nüchterne Konstruktion systematisierte den<br />

Blick auf die großformatige Umgebung und setzte ihr skalierte Schemata<br />

in Form landschaftlicher Schüttungen zur Seite, die die Arbeit zwischen<br />

Großplastik, Modell und Ort changieren ließen. Dass diese Arbeit<br />

auch wie ein Auditorium Raum zum Nachdenken für die Raumplaner der<br />

TU Dortmund zur Verfügung stellte, machte sie zur Schnittstelle der<br />

Reflektion über den aktuellen Landschaftsbegriff. Die Studenten des<br />

Projekts Ruhrbanität von Christa Reicher und Ilka Mecklenbrauck näherten<br />

sich dabei der Spezifik der Ruhrgebietslandschaft in einem ausgedehnten<br />

Forschungsprojekt, das an der Arbeit von Odzuck öffentlich<br />

diskutiert wurde.<br />

Auch ökologisch-ökonomische Implikationen der Region, deren Landschaften<br />

so lange als reine Energieressource ausgebeutet wurden,<br />

wurden hinterfragt. Nicht zuletzt lieferte die Gruppe Performance Electrics<br />

um Firmengründer Pablo Wendel eine der eindrücklichsten Installationen<br />

mit diesem Themenschwerpunkt. Ihre Windkraftanlage im<br />

Autobahnohr, die komplett aus recycelten Straßenutensilien konstruiert<br />

war, forderte am Eingang von Dortmund mit viel Humor ein ernstes<br />

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