CHECK Nord #2
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GESELLSCHAFT<br />
LEGAL VS. ILLEGAL<br />
Bewusstseinserweiterung, mit Gott sprechen,<br />
inneren Frieden finden, einfach mal high sein,<br />
sexuelle Erlebnisse anreichern, augenblicklichen<br />
Schmerz betäuben. Die Liste der Gründe,<br />
warum Drogen in fast jeder Kultur der Welt<br />
auftauchen, ist lang. Selbst in der westlichen<br />
Kirchenkultur kamen sie zum Einsatz. In<br />
Weihrauch etwa ist der Wirkstoff Incensol enthalten.<br />
Auf Wildmäuse hat er einen ähnlichen<br />
Effekt wie Antidepressiva und Anxiolytika. Im<br />
Harz der Weihrauch-Spezies Boswellia papyrifera<br />
können Incensol und sein Acetat sogar<br />
einen Gesamtgehalt von bis zu 10 Prozent und<br />
mehr ausmachen. Das ist ziemlich potent.<br />
Millionen von Christ*innen gehen also regelmäßig<br />
sediert aus der Sonntagsmesse, was<br />
man dann fromm nennt. Und Millionen von<br />
Kiffer*innen haben Angst davor, berauscht von<br />
der Polizei erwischt zu werden. Weil man das<br />
kriminell nennt. Doch Scherz beiseite: Eine<br />
nicht-wissenschaftlich basierte Drogenpolitik<br />
birgt ganz reale Gefahren: für unsere Gesundheit<br />
wie auch für unsere Gesellschaft.<br />
DRUG-<strong>CHECK</strong>ING<br />
Der Körper einer sechzehnjährigen Ballerina<br />
reagiert auf eine Ecstasy-Tablette anders<br />
als der Körper eines vierzigjährigen Sumo-<br />
Ringers. Trotzdem kaufen beide am selben<br />
Abend in einem Club bei einer Dealer*in eine<br />
Pille und nehmen sie. Haben sie vorher ihre<br />
Ärzt*innen konsultiert? Wohl kaum. Gehen<br />
sie beide ein Risiko ein, das eventuell ihre<br />
Gesundheit enorm gefährdet? Ganz sicher.<br />
Denn die Chance, dass vor Ort, im Club, ein sogenanntes<br />
Drug-Checking angeboten wird, ist<br />
gering. Beim Drug-Checking kann man illegal<br />
erworbene Substanzen vor dem Konsum auf<br />
ihre Inhaltsstoffe prüfen lassen. Vor mehr als<br />
25 Jahren wurde in den Niederlanden das erste<br />
Angebot dafür eingerichtet. Inzwischen wird<br />
es in Österreich, der Schweiz, Spanien, Frankreich<br />
und anderen Ländern offiziell angeboten.<br />
Der Psychiater Dr. med. Felix Betzler, Klinik für<br />
Psychiatrie und Psychotherapie der Charité<br />
in Berlin, erklärte gegenüber dem Deutschen<br />
Ärzteblatt: „Aus medizinischer Sicht ist Drug-<br />
Checking unbedingt sinnvoll, weil wir wissen,<br />
dass der Konsum ohnehin stattfindet. Unser<br />
Interesse im Sinne der Harm Reduction ist<br />
dann natürlich, dass die Konsumenten möglichst<br />
viel über die Risiken wissen.“<br />
SAFETY FIRST!<br />
Auf globaler Ebene hat sich in den letzten<br />
Jahren eine Bewegung Gehör verschafft, die<br />
sehr konkrete Forderungen stellt. Die Global<br />
Commission on Drug Policy wurde im Januar<br />
2011 von einer Gruppe von Persönlichkeiten<br />
aus Amerika und Europa gegründet. Darunter<br />
befinden sich ehemalige Staats- und<br />
Regierungschefs wie etwa César Gaviria,<br />
ehemaliger Präsident von Kolumbien, Ruth<br />
Dreifuss, die ehemalige Bundespräsidenten<br />
der Schweiz sowie der Friedensnobelpreisträger<br />
Kofi Annan (1938-2018). Die Organisation<br />
fordert eine weltweite neue Drogenpolitik, die<br />
auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert<br />
und die Mitgefühl, Gesundheit und auch die<br />
Menschenrechte berücksichtigt.<br />
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