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RAD DES MONATS<br />
Das Cannondale SuperSix<br />
Evo von Michael Woods<br />
RICK ZABEL<br />
Schwierige Zeiten –<br />
Zwangspause im August<br />
EUROBIKE<br />
Von Basso bis Sigma –<br />
Highlights aus Friedrichshafen<br />
OKTOBER <strong>2019</strong><br />
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www.procycling.de<br />
DEUTSCH-<br />
LAND TOUR<br />
GROSSE NACHLESE –<br />
VIER TAGE VOLLER<br />
ERFOLG<br />
VUELTA<br />
A ESPAÑA<br />
DIE BILDER DER<br />
SPANIEN-RUNDFAHRT<br />
RIGOBERTO<br />
URÁN<br />
MUSIK- UND<br />
MODE-GURU<br />
MICHAEL<br />
WOODS<br />
LAUFWUNDER<br />
TEJAY VAN<br />
GARDEREN<br />
US-SPORT-<br />
FANATIKER<br />
EF EDUCATION FIRST<br />
KÄMPFEN<br />
BIS ZUM ENDE<br />
EXKLUSIVER EINBLICK: UNTERWEGS MIT AMERIKAS VORZEIGE-TEAM
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INSTAGRAM<br />
PERISCOPE
EDITORIAL<br />
RADSPORT IM WANDEL<br />
Mit dem Vuelta-Sieg von Primož Roglič neigt sich ein aufregendes und überraschungsvolles Jahr<br />
seinem Ende entgegen. In dieser Saison haben sich nicht nur drei Neulinge mit ihren Grand-Tour-<br />
Titeln einen Platz in der Ruhmeshalle des Radsports erobert – Richard Carapaz (Giro), Egan Bernal<br />
(Tour) und Roglič –, auch für ihre Heimatländer sind es die ersten Erfolge dieser Art. Noch nie<br />
haben ein Ecuadorianer (Carapaz) und ein Slowene (Roglič) bei einer großen Rundfahrt ganz oben<br />
auf dem Podium gestanden; für Kolumbien holte Bernal zudem den lange ersehnten ersten Sieg<br />
bei der Frankreich-Rundfahrt. Diese Entwicklungen werden uns in naher Zukunft weiter beschäftigen<br />
und für spannende Rennen sorgen – dafür muss man nur einen Blick auf die Transfers für<br />
das kommende Jahr werfen: Ineos hat sich bereits die Dienste von Carapaz gesichert und damit<br />
2020 vier Grand-Tour-Sieger in seinen Reihen. Jumbo–Visma hält mit der Verpflichtung von Tom<br />
Dumoulin dagegen und stellt seinen Klassementfahrern Roglič und Steven Kruijswijk einen weiteren<br />
Topmann zur Seite. Da kommt also noch einiges auf uns zu. Vielleicht wird die kommende<br />
Saison die aktuelle in Sachen Spannung sogar noch toppen.<br />
Und die deutschen Fahrer? Abgesehen von den starken Buch-, Schach- und Ackermännern bei<br />
Bora–hansgrohe und dem herausragenden Frühjahr von Nils Politt sah <strong>2019</strong> bislang eher düster<br />
aus. Zwar holte sich Nikias Arndt eine Etappe bei der Vuelta und Tony Martin überzeugte als Lokomotive<br />
bei Jumbo–Visma, doch drei Leistungsträger der Vergangenheit trafen in diesem Jahr auf<br />
ungewohnte Widerstände: André Greipels Wechsel zu Arkea-Samsic scheint bislang ein Missverständnis<br />
zu sein, John Degenkolb konnte seinem Palmarès bis Mitte September gerade mal einen<br />
Sieg hinzufügen – und das bereits am 17. Februar. Und mit Marcel Kittel hat sich zudem der erfolgreichste<br />
deutsche Fahrer seiner Generation aus dem Sport verabschiedet. Die Zeichen deuten auch<br />
hier also ganz klar auf Umbruch. Ob dieser bereits im kommenden Jahr vollzogen sein wird, bleibt<br />
abzuwarten – ihr Potenzial hat die neue Generation aber schon mehr als nur einmal offenbart.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe von Procycling!<br />
Chris Hauke<br />
Redaktion
INHALT<br />
AUSGABE 188 / OKTOBER <strong>2019</strong><br />
36<br />
AUF TOUR MIT EF EDUCATION FIRST<br />
Hinter den Kulissen von Amerikas buntestem und verrücktestem<br />
Radteam – wir tauchen ab in die Welt von EF Education First.<br />
38<br />
RIGOBERTO URÁN<br />
Der beste Rundfahrer des Teams erläutert uns seine<br />
Sichtweise auf den Profiradsport.<br />
RUBRIKEN<br />
© Gruber Images<br />
6<br />
SCHNAPP-<br />
SCHUSS<br />
Vuelta-Rückblick<br />
12<br />
PROLOG<br />
Aus dem Herzen<br />
des Pelotons<br />
26<br />
INSIDER<br />
Rick Zabel<br />
& Ralph Denk<br />
28<br />
STRAVA<br />
Die Daten<br />
der Profis<br />
74<br />
NACHLESE<br />
Analysen, Daten,<br />
Erkenntnisse<br />
88<br />
WUNSCH-<br />
LISTE<br />
Eurobike-Spezial<br />
96<br />
JENS VOIGT<br />
Das letzte<br />
Wort<br />
98<br />
VORSCHAU<br />
Themen der<br />
nächsten Ausgabe<br />
4 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
30<br />
DEUTSCHLAND TOUR<br />
Große Nachlese – vier Tage voller Erfolg von Hannover bis Erfurt.<br />
44<br />
JONATHAN VAUGHTERS<br />
Der Chef von EF über seine lange Reise mit dem Team.<br />
52<br />
ALBERTO BETTIOL<br />
Der Flandern-Sieger erklärt, wie er das Rennen gewinnen konnte.<br />
58<br />
LACHLAN MORTON BEIM GBDURO<br />
Beeindruckende Bilder eines außergewöhnlichen Trips.<br />
68<br />
TOUR-NOTIZEN AUS DEM TEAMWAGEN<br />
EF-Sportdirektor Tom Southam plaudert aus dem Nähkästchen.<br />
84<br />
TILL SCHRAMM<br />
Triathlon versus Radsport – Unterschiede und Gemeinsamkeiten.<br />
© Deutschland Tour/Marcel Hilger, Kramon, Darren Wheeler/thatcameraman.com<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 5
SCHNAPPSCHUSS<br />
IMPRESSIONEN DER VUELTA A ESPAÑA<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4 5<br />
6 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
1. ETAPPE<br />
Salinas de Torrevieja–Torrevieja,<br />
13,4 km (MZF), 24.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Astana<br />
Gesamtführender:<br />
Miguel Angel Lopez<br />
(Astana Pro Team)<br />
2. ETAPPE<br />
Benidorm–Calpe,<br />
199,6 km, 25.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Nairo Quintana (Movistar Team)<br />
Gesamtführender:<br />
Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />
3. ETAPPE<br />
Ibi. Ciudad del Juguete–Alicante,<br />
188 km, 26.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Sam Bennett (Bora–hansgrohe)<br />
Gesamtführender:<br />
Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />
4. ETAPPE<br />
Cullera–El Puig,<br />
175,5 km, 27.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Fabio Jakobsen<br />
(Deceuninck–Quick-Step)<br />
Gesamtführender:<br />
Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />
6<br />
7<br />
1 Die Vuelta startet mit<br />
einem Teamzeitfahren in<br />
den Salinen von Torrevieja.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
2 Kolumbianische Fans<br />
feiern den Etappensieg<br />
von Nairo Quintana.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
3 Sam Bennett gewinnt<br />
den Sprint in Alicante.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
4 Steven Kruijswijk wird<br />
der erste prominente Ausfall<br />
des Rennens.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
5 Der Spanier Angel Madrazo<br />
dominiert die erste<br />
Bergankunft.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
6 Freude bei Tagessieger<br />
Jesus Herrada.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
7 Kampf der Favoriten in<br />
Richtung Mas de la Costa.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
5. ETAPPE<br />
L’Eliana–Observatorio<br />
Astrofísico de Javalambre,<br />
170,7 km, 28.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Angel Madrazo (Burgos-BH)<br />
Gesamtführender:<br />
Miguel Angel Lopez<br />
(Astana Pro Team)<br />
6. ETAPPE<br />
Mora de Rubielos–Ares del<br />
Maestrat, 198,9 km, 29.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Jesus Herrada<br />
(Cofidis, Solutions Credits)<br />
Gesamtführender:<br />
Dylan Teuns (Bahrain-Merida)<br />
7. ETAPPE<br />
Onda–Mas de la Costa,<br />
183,2 km, 30.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Alejandro Valverde<br />
(Movistar Team)<br />
Gesamtführender:<br />
Miguel Angel Lopez<br />
(Astana Pro Team)<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 7
SCHNAPPSCHUSS<br />
8<br />
8. ETAPPE<br />
Valls–Igualada,<br />
166,9 km, 31.08.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Nikias Arndt (Team Sunweb)<br />
Gesamtführender:<br />
Nicolas Edet<br />
(Cofidis, Solutions Credits)<br />
9. ETAPPE<br />
Andorra la Vella–<br />
Cortals d’Encamp,<br />
94,4 km, 01.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Tadej Pogačar<br />
(UAE Team Emirates)<br />
Gesamtführender:<br />
Nairo Quintana (Movistar Team)<br />
<strong>10</strong>. ETAPPE<br />
Jurançon–Pau,<br />
36,2 km (EZF), 03.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
11. ETAPPE<br />
Saint-Palais–Urdax-Dantxarinea,<br />
180 km, 04.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Mikel Iturria (Euskadi-Murias)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
12. ETAPPE<br />
Circuito de Navarra–Bilbao,<br />
171,4 km, 05.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Philippe Gilbert<br />
(Deceuninck–Quick-Step)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
13. ETAPPE<br />
Bilbao–Los Machucos,<br />
166,4 km, 06.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Tadej Pogačar<br />
(UAE Team Emirates)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
14. ETAPPE<br />
San Vicente de la Barquera–<br />
Oviedo, 188 km, 07.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Sam Bennett (Bora–hansgrohe)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
8 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
SCHNAPPSCHUSS<br />
9 12<br />
<strong>10</strong><br />
8 Nikias Arndt hält mit der<br />
Siegtrophäe auch die deutsche<br />
Sprinterehre hoch.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
9 Schlechtes Wetter und<br />
eine Schotterstraße fordern<br />
Fahrer und Material.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
<strong>10</strong> Mit seinem Erfolg im<br />
Zeitfahren übernimmt Primož<br />
Roglič das Rote Trikot.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
11 Mikel Itturia wird nach<br />
seinem Sieg von Reportern<br />
umringt.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
13<br />
12 Ungewohnter Start 1: die<br />
Rennstrecke von Navarra.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
11<br />
14<br />
13 Ungewohnter Start 2:<br />
Fußballstadion, Bilbao.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
14 Das Feld passiert den<br />
Strand von San Antolin.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 9
SCHNAPPSCHUSS<br />
15 Sepp Kuss lässt sich<br />
vor seinem Sieg feiern.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
16 Historischer Moment:<br />
der erste Grand-Tour-<br />
Erfolg für Jakob Fuglsang.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
17 Kollegen oder Kontrahenten?<br />
Quintana und<br />
Valverde vor dem Start.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
18 Sergio Higuita kann sein<br />
Glück kaum fassen.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
19 Tony Martin muss das<br />
Rennen nach einem<br />
schweren Sturz beenden.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
15<br />
20 Auf dem Weg zur Plataforma<br />
de Gredos.<br />
© Tim De Waele/Getty Images<br />
16 17<br />
21 Das finale Podium:<br />
Primož Roglič gewinnt die<br />
Vuelta <strong>2019</strong> vor Alejandro<br />
Valverde und dem<br />
Dreifach-Etappensieger<br />
Tadej Pogačar.<br />
© Justin Setterfield/Getty Images<br />
18<br />
<strong>10</strong> PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
SCHNAPPSCHUSS<br />
15. ETAPPE<br />
Tineo–Santuario del Acebo,<br />
154,4 km, 08.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Sepp Kuss (Jumbo–Visma)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
16. ETAPPE<br />
Pravia–Alto de La Cubilla,<br />
144,4 km, 09.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Jakob Fuglsang (Astana Pro Team)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
19<br />
17. ETAPPE<br />
Aranda de Duero–Guadalajara,<br />
219,6 km, 11.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Philippe Gilbert<br />
(Deceuninck–Quick-Step)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
18. ETAPPE<br />
Colmenar Viejo–<br />
Becerril de la Sierra,<br />
177,5 km, 12.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Sergio Higuita (EF Education First)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
20<br />
19. ETAPPE<br />
Ávila–Toledo,<br />
165,2 km, 13.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Rémi Cavagna<br />
(Deceuninck–Quick-Step)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
20. ETAPPE<br />
Arenas de San Pedro–<br />
Plataforma de Gredos,<br />
190,4 km, 14.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Tadej Pogačar<br />
(UAE Team Emirates)<br />
Gesamtführender:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
21<br />
21. ETAPPE<br />
Fuenlabrada–Madrid,<br />
<strong>10</strong>6,6 km, 15.09.<strong>2019</strong><br />
Etappensieger:<br />
Fabio Jakobsen<br />
(Deceuninck–Quick-Step)<br />
Gesamtsieger:<br />
Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 11
PROLOG<br />
AUS DEM HERZEN DES PELOTONS<br />
JUMBO–VISMA GREIFT AN<br />
Kann Jumbo mit Dumoulins Unterstützung Ineos schlagen?<br />
© Getty Images<br />
Wenn Jumbo–Visma bei der Tour im<br />
nächsten Jahr antritt, ist es möglich,<br />
dass bis dahin drei der acht Fahrer<br />
zuvor auf dem Podium einer anderen großen<br />
Rundfahrt im Jahr 2020 standen: Primož Roglic,<br />
Gewinner der Vuelta <strong>2019</strong>, Steven Kruijswijk,<br />
Dritter bei der Tour, und Tom Dumoulin, Gewinner<br />
des Giro 2017. Nur ein Team kann ähnliche<br />
Feuerkraft aufbringen: Ineos.<br />
Jumbo–Visma hat einen großen Schritt nach<br />
vorne gemacht. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2015,<br />
als das Team nur sechs Rennen gewann, wurde<br />
es zu einer Siegermannschaft umgebaut. Im Jahr<br />
2017 gewann es 25 Rennen und im Jahr 2018<br />
33. In diesem Jahr, Stand Mitte September, hat es<br />
43 Rennen gewonnen. Damit ist <strong>2019</strong> das quantitativ<br />
erfolgreichste Jahr in seiner 35-jährigen<br />
Geschichte. Teamchef Richard Plugge und sein<br />
Team um Merijn Zeeman und Nico Verhoeven<br />
haben gut rekrutiert und den Erfolg im Team<br />
etabliert. Eines bedingt das andere: Laurens De<br />
Plus sagte Procycling im Dezember, dass der<br />
Erfolg des Teams dazu führte, dass es hochkarätige<br />
Fahrer einstellen konnte.<br />
Bei den großen Rundfahrten belegten im<br />
vergangenen Jahr zwei Fahrer die Plätze vier<br />
und fünf der Tour, und in diesem Jahr wurde<br />
Kruijswijk in Paris Dritter und Roglic siegte bei<br />
der Vuelta. Aber in der Welt des Grand-Tour-<br />
Rennsports sind wahre Sieger selten gesät, und<br />
man kann sagen, dass sowohl Roglic als auch<br />
Kruijswijk ein äußerst glückliches Händchen<br />
bräuchten, um das Team Ineos in Frankreich<br />
herauszufordern, das sieben der letzten acht<br />
Touren gewann. Doch die Siegeschancen von<br />
Jumbo–Visma verbesserten sich weiter, als der<br />
nächstjährige Wechsel von Tom Dumoulin zum<br />
Team bekannt gegeben wurde.<br />
Als Dumoulins Zugang offiziell gemacht wurde,<br />
sagte Plugge: „Wir können jetzt das stärkste Team<br />
im Kampf gegen ein Team wie Ineos zusammenstellen.“<br />
Auf dem Papier sehen die Dinge sehr<br />
gut aus. Das Budget von Plugge ist angeblich auf<br />
20 Millionen Euro gestiegen, und unter seiner<br />
Flagge fahren Kletterer wie George Bennett, Antwan<br />
Toelhoek und De Plus sowie aussichtsreiche<br />
Fahrer wie Sepp Kuss und Jonas Vingegaard. Ein<br />
Indikator für die Stärke des Teams ist, dass Robert<br />
Gesink, einst als Hollands nächster Toursieger<br />
angekündigt, es in diesem Jahr nicht einmal<br />
ins Tour-Team schaffte.<br />
Als Rouleure stehen Tony Martin, Wout Van<br />
Aert und Mike Teunissen bereit. Einen Nachweis<br />
der Stärke stellt ebenso die Siegerleistung des<br />
Teams beim Brüsseler Zeitfahren dar. Der Abstand<br />
von 20 Sekunden zu Ineos war der größte<br />
Vorsprung in einem Tour-Zeitfahren seit 2004.<br />
12 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
"<br />
©Geobasisdaten BezReg Köln/GEObasis.nrw<br />
©OpenStreetMap (ODbL v1.0)<br />
Die Veröffentlichung und Vervielfältigung im Zusammenhang mit dem Sparkassen Münsterland Giro <strong>2019</strong> ist zulässig.<br />
MÜNSTERLAND GIRO<br />
Ausreißer gegen Sprinter –<br />
Saisonfinale in der Fahrradhochburg<br />
Dumoulin verstärkt das Team im<br />
nächsten Jahr und sorgt für eine insgesamt<br />
sehr schlagkräftige Truppe.<br />
Ineos dominierte bisher die Tour de<br />
France, aber Jumbo hat große Pläne<br />
für 2020.<br />
Wenn alles passt, können Plugge, Zeeman und<br />
Verhoeven also ein sehr starkes Team für die<br />
nächste Tour zusammenstellen. Aber all diese<br />
Feuerkraft schafft eine neue Herausforderung:<br />
Die Ambitionen jedes Fahrers zu erfüllen, ist ein<br />
schwieriges Spiel. Jetzt hat es mehrere Fahrer, die<br />
in der Lage sind, eine große Tour zu gewinnen,<br />
und ein paar mehr, die ihren Marktwert bei den<br />
großen einwöchigen Rennen erhöhen wollen. Und<br />
was tun mit Dylan Groenewegen, einem der besten<br />
Sprinter der Welt? Er hat in den letzten drei<br />
Jahren vier Etappen bei der Tour gewonnen und<br />
wird seine Position sicher schützen. Nicht zu vergessen<br />
Van Aert, der bei seinem Tour-Debüt eine<br />
schwierige Etappe gewann. Wird ein solch einzigartiges<br />
Talent weiterhin damit zufrieden sein, im<br />
Frühjahr der Hauptdarsteller und im Sommer ein<br />
Helfer zu sein? Plugge besprach die Situation mit<br />
seinen Hauptfahrern. „Zuerst sprachen wir ausführlich<br />
mit unseren Kapitänen Primož und Steven.<br />
Beide erkannten, dass die Ankunft von Dumoulin<br />
eine Verstärkung ist“, sagte er. „Es erhöht<br />
die Chance für jeden, einmal zu gewinnen. Unser<br />
Ziel ist es nicht nur, die Tour zu gewinnen. Beginnend<br />
mit der Vuelta, streben wir bei jeder großen<br />
Rundfahrt den Sieg an.“<br />
Ineos’ Direktor Dave Brailsford bemerkt gerne,<br />
dass es ein Luxusproblem ist, ein Tour-Aufgebot<br />
aus seinem Pool an Fahrern auszuwählen. Plugge<br />
wird im nächsten Jahr dem gleichen ausgesetzt<br />
sein. Aber während Brailsford auf den Sieg<br />
des Gelben Trikots fokussiert ist und dank seiner<br />
finanziellen Ressourcen, die doppelt so hoch wie<br />
die von Plugge sind, gute Chancen hat, ist die<br />
Mannschaft von Jumbo–Visma anfälliger für einen<br />
Ausfall. Wir sind gespannt, wie sich dieses<br />
Duell der Teams entwickeln wird.<br />
Zum Abschluss einer langen Saison trifft<br />
sich die Elite des Radsports am 3. Oktober<br />
in Münster und Umgebung. Der Kurs führt<br />
das Feld durch das Münsterland und dann in einer<br />
großen Schleife Richtung Münster. Spätestens<br />
auf der Zielrunde in Münsters Innenstadt<br />
wird sich zeigen, wer seine Kräfte zum Saisonschluss<br />
am besten eingeteilt hat. Bereits in den<br />
letzten Jahren haben die Profis festgestellt, dass<br />
es auch im Münsterland zahlreiche selektive Anstiege<br />
gibt. Bei der 14. Auflage des Rennens wartet<br />
erneut eine attraktive Strecke auf Ausreißer<br />
und Fluchtgruppen. Der Sparkassen Münsterland<br />
Giro <strong>2019</strong> gehört zu den wichtigsten Eintagesrennen<br />
in Deutschland und lockt mit dem Duell<br />
Ausreißer gegen Sprinter.<br />
SPRUNGBRETT FÜR CONTINENTAL-TEAMS<br />
Neben den Teams der WorldTour sind auch Continental-Mannschaften<br />
ein fester Bestandteil des<br />
Rennens. Auf der Jagd nach einer guten Platzierung<br />
kämpfen in diesem Jahr gleich vier Teams<br />
aus Deutschland: Bike Aid, Heizomatrad-net.de,<br />
Team Lotto Kern-Haus und Team Sauerland<br />
NRW p/b SKS Germany. Wie wichtig es für junge<br />
"<br />
"<br />
"<br />
Talente ist, sich einem großen Publikum und<br />
Sponsoren zu präsentieren und mit den Profis<br />
zu messen, wissen die Organisatoren nur zu gut.<br />
Organisationsleiter Rainer Bergmann stellt dem<br />
Nachwuchs deshalb ganz gezielt Startplätze zur<br />
Verfügung und erklärt: „Junge Talente brauchen<br />
Unterstützung und müssen gefördert werden,<br />
nur durch Wettkampferfahrung auf Weltklasseniveau<br />
haben sie die Chance, sich zu entwickeln.<br />
Dabei spielt ihnen auch unsere TV-Liveübertragung<br />
in die Karten.“<br />
„Wir haben in Deutschland viele junge Talente,<br />
die eine Plattform brauchen“, pflichtet der Sportliche<br />
Leiter Fabian Wegmann bei und ergänzt: „Leider<br />
können wir nicht alle einladen und hoffen daher,<br />
dass die Fahrer ihre Chance nutzen, um sich<br />
zu zeigen und vielleicht den Schritt in das Profilager<br />
zu schaffen, so wie Pascal Ackermann von<br />
Bora–hansgrohe, der in diesem Jahr zwei Etappen<br />
beim Giro d’Italia gewonnen hat.“<br />
Neben einem hochkarätig besetzten Profirennen,<br />
den Jedermannrennen mit mehr als<br />
4.500 Teilnehmern, Rennen für die Jugend und<br />
Deutschlands größtem „Fette-Reifen-Rennen“<br />
für den jüngsten Radsport-Nachwuchs bietet der<br />
Münsterland Giro auch ein umfangreiches Messe-<br />
und Rahmenprogramm an.<br />
0 1 2 3 4 Basisk@rte Kreis Borken<br />
Kilometer Stand: 04.09.<strong>2019</strong><br />
© Kreis Borken - sämtliche Geodaten sind urheberrechtlich geschützt!<br />
"<br />
"<br />
Strecke Cup der<br />
Profi-Rennen 200 Kilometer<br />
ca. 1800 Höhenmeter<br />
"<br />
© Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 13
PROLOG<br />
„BEI SOCIAL MEDIA GIBT<br />
ES KEIN ZURÜCK. WIR<br />
HABEN DIE BÜCHSE DER<br />
PANDORA GEÖFFNET.“<br />
F&A<br />
MICHAEL<br />
WOODS<br />
Der kanadische Bücherwurm über seine gesammelten<br />
Narben und warum er gerne im Baskenland fährt.<br />
© CorVos<br />
14 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
Was ist dein Lieblingsrennen?<br />
Die Tour. Dieses Jahr bin ich sie zum ersten Mal gefahren,<br />
aber es war irre. Das Niveau, die Größe, das Interesse, alles<br />
ging durch die Decke, und ich habe es geliebt.<br />
Was ist dein Lieblingsberg?<br />
Der letzte Anstieg der Clásica San Sebastián [der Alto de Murgil]. Er<br />
passt in die Bandbreite meiner Fähigkeiten: steil, nicht sehr lang und<br />
die Menschenmengen sind Wahnsinn. Die Energie von diesen Massen<br />
ist unglaublich. Ich liebe es, im Baskenland zu fahren.<br />
Wer ist der beste Domestik im Peloton?<br />
Es ist schwer, nur einen zu nennen. Mitch Docker, Simon Clarke, Tom<br />
Scully und Nate Brown fallen mir alle ein. Ich habe Glück, mit vielen guten<br />
Domestiken gefahren zu sein, und diese Jungs haben mir mehr als<br />
ein paar Mal den Hintern gerettet.<br />
Wer ist dein lustigster Teamkollege?<br />
Hugh Carthy bringt mich immer zum Lachen, genau wie Alberto Bettiol.<br />
Alex Howes kann supergut Leute nachahmen.<br />
Auf welche Resultate bist du in deiner Karriere besonders stolz?<br />
Ich bin vor allem stolz, wie weit ich es gebracht habe. Da ich so spät<br />
angefangen habe, gibt es bei fast jedem Rennen, das ich fahre, einen<br />
Moment, wo ich einfach nur stolz bin, in der WorldTour zu fahren.<br />
Das Finale eines WT-Rennens zu bestreiten ist schwer, aber es ist noch<br />
schwerer, wenn du erst mit 25 mit dem Radsport anfängst.<br />
SPEED<br />
ROCKER<br />
READY TO ROCK THE GRAVEL!<br />
Was war die letzte App, die du heruntergeladen hast?<br />
Tour Tracker. Ich musste mich auf dem Laufenden halten über die Tour<br />
of Utah.<br />
Social Media: ein Geschenk des Himmels oder Teufelszeug?<br />
Teufelszeug. Bei Social Media gibt es kein Zurück. Wir haben die Büchse<br />
der Pandora geöffnet. Es hat Vorteile – ich kann die Fans erreichen und<br />
bin leichter erreichbar. Aber die Forschung zeigt, dass es den Schlaf, die<br />
psychische Verfassung und das Wohlbefinden überhaupt beeinträchtigt.<br />
Im letzten Jahr habe ich versucht, die Zeit, die ich mit meinem Telefon<br />
und Social-Media-Apps verbringe, zu minimieren.<br />
Was war dein schwerster Tag auf dem Rad?<br />
Die <strong>10</strong>. Etappe des Giro 2018 war barbarisch. Es war der erste Tag nach<br />
dem Ruhetag und Esteban Chaves fiel am ersten Anstieg der 240 Kilometer<br />
langen Etappe zurück. Ein paar der Klassementfahrer konnten Blut<br />
riechen und verschärften das Tempo. Wir fuhren vom Start bis ins Ziel<br />
am Anschlag, die Etappe dauerte über sechs Stunden, es regnete und<br />
Mohoric gewann als Solist. Ich beendete den Tag und war total fertig.<br />
Wem folgst du am liebsten auf Instagram?<br />
Siehe oben … aber wenn ich antworten muss: Larry Enticer.<br />
Haben deine Narben eine Geschichte?<br />
Bei den vielen Narben, die ich habe, vergiss die Geschichte, ich könnte<br />
eine Anthologie zusammenstellen. Ich habe so viele, dass ich vergessen<br />
habe, wo sie herkommen.<br />
Wer gewinnt die Tour in fünf Jahren?<br />
Derselbe, der sie dieses Jahr gewonnen hat: Bernal. Der Junge ist erst 22!<br />
Welches Buch hast du zuletzt gelesen?<br />
Ich lese im Moment gerade Educated [von Tara Westover]. Es liest<br />
sich super und erinnert einen daran, dass das Leben die seltsamsten<br />
Geschichten schreibt. Die letzten beiden Bücher, die ich – während der<br />
Tour – gelesen habe, waren Solitary von Albert Woodfox und Jonathan<br />
Vaughters Buch One-Way Ticket.<br />
MORE INFO ON<br />
SKS-GERMANY.COM
PROLOG<br />
IN ALLER KÜRZE<br />
18<br />
Die Anzahl der großen Rundfahrten,<br />
bei denen Andrey Zeits<br />
in seiner zwölfjährigen Karriere<br />
bei Astana startete und ankam.<br />
Im Jahr 2020 wechselt der<br />
32-Jährige mit einem Zweijahresvertrag<br />
zu Mitchelton-Scott.<br />
GROSSES<br />
DING<br />
Die Fahrerinnen des Colorado<br />
Classic der Damen kämpften um<br />
ein Preisgeld von 68.000 Euro<br />
– 4.500 Euro mehr als bei den<br />
Herren im vergangenen Jahr.<br />
„Für mich macht es einen großen<br />
Unterschied in meinem Leben“,<br />
sagte die Zweitplatzierte Brodie<br />
Chapman von Tibco-Silicon Valley<br />
Bank. „Es ist ermutigend, als die<br />
Athleten anerkannt zu werden,<br />
die wir sind. Für mich ist das ein<br />
großes Ding.“<br />
Elia Viviani sagt, dass<br />
er überzeugt sei dass<br />
er mit seinem Wechsel zu<br />
Cofidis im nächsten Jahr<br />
weiter große Siege einfahren<br />
wird. „Es ist wahr, dass das<br />
Team einen Unterschied<br />
macht, aber wenn es darauf<br />
ankommt, kann man nicht<br />
dem Team die Schuld geben,<br />
wenn man nicht gewinnt.<br />
Die Leistungen des Athleten<br />
hängen vom Athleten selbst<br />
ab“, sagte der neue Straßen-<br />
Europameister.<br />
„ICH HEBE DIE MESSLATTE<br />
IMMER WEITER AN, ABER<br />
ICH WEISS AUCH, DASS SIE<br />
IRGENDWANN ZU HOCH<br />
FÜR MICH SEIN WIRD.<br />
MEINE ANSTRENGUNGEN<br />
VERSCHLEISSEN<br />
DEN KÖRPER UND<br />
ERMÜDEN DEN<br />
FAHRER.“<br />
Julian Alaphilippe erläutert<br />
gegenüber L’Équipe die<br />
Schwierigkeit, sein diesjähriges<br />
Annus Miribalis zu wiederholen.<br />
40<br />
Das Alter von Philippe Gilbert,<br />
wenn sein neuer Dreijahresvertrag<br />
mit Lotto Soudal Ende 2022 ausläuft.<br />
Zu der Unterzeichnung sagte<br />
Marc Sergeant, General Manager<br />
von Lotto Soudal: „Sein Alter ist ein<br />
relativer Begriff, du bist so alt oder<br />
fit, wie du dich fühlst. Er hat immer<br />
noch den großen Drang, sich zu<br />
beweisen.“<br />
Matteo Trentin wird<br />
2020 mit Greg Van<br />
Avermaet bei CCC zusammenarbeiten.<br />
Der vielseitige<br />
Italiener sagt, er glaube,<br />
dass das Duo mehr Möglichkeiten<br />
haben wird,<br />
Rennen für statt gegeneinander<br />
zu gewinnen.<br />
© Getty Images<br />
Chris Froome wurde im August offiziell als Gewinner der Vuelta a<br />
España 2011 ausgezeichnet. Nachdem er das Rote Trikot erhalten hatte,<br />
sagte er: „Acht Jahre später zum Sieger ernannt zu werden, fühlt sich<br />
einerseits etwas seltsam an, ist aber andererseits auch etwas ganz<br />
Besonderes, das ich meinem Palmarès hinzufügen kann.“<br />
„Sie sagten uns, dass<br />
es Optimierungspotenzial<br />
gibt, wie etwa die Bereitstel<br />
lung von mehr Informationen<br />
und Daten während<br />
der Übertragungen“, kommen<br />
tiert UCI-Präsident David<br />
Lap partient die Umfrage<br />
des Verbandes, die von den<br />
Fans wissen wollte, wie man<br />
Straßenradrennen attraktiver<br />
für die Zuschauer<br />
gestalten könne.<br />
Neun<br />
Die Anzahl der amerikanischen<br />
Fahrer auf der Startliste der Vuelta.<br />
Insgesamt starteten 22 Fahrer aus<br />
Nord- und Südamerika bei dem<br />
spanischen Rennen.<br />
16 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
4<br />
Chloe Dygert-Owen gewann alle<br />
vier Etappen und das GC der<br />
Colorado Classic. Das bedeutete<br />
eine Schicksalswende für die<br />
Sho-Air-Twenty20-Fahrerin und<br />
fünffache Bahn-Weltmeisterin,<br />
die bei einem Sturz während<br />
der Tour of California 2018 eine<br />
Gehirnerschütterung erlitt und<br />
sich dann im Winter eine schwere<br />
Knieverletzung zuzog.<br />
Marcel Kittel hat seinen<br />
Rückzug aus dem Profi-<br />
Radsport angekündigt und<br />
erklärt, dass er „alle Motivation<br />
verloren hat, sich weiterhin<br />
auf dem Fahrrad zu quälen“.<br />
Kittel gewann 14 Etappen der<br />
Tour – ein deutscher Rekord<br />
– unter insgesamt 89 Siegen.<br />
KRUIJSWIJK<br />
VERLÄSST<br />
DIE VUELTA<br />
„ICH BIN FROH, DASS ICH<br />
MEIN LAND IN UNSEREN<br />
NATIONALFARBEN STOLZ<br />
MACHEN KANN.“<br />
Die gute Form des irischen Meisters Sam Bennett brachte<br />
ihm im August drei aufeinanderfolgende Etappensiege bei<br />
der BinckBanck-Tour; außerdem gewann er den ersten<br />
Massensprint der Vuelta.<br />
„ICH KONNTE NICHT<br />
DAS BESTE AUS MIR<br />
HERAUSHOLEN, UND<br />
WIR KONNTEN UNS<br />
GEGENSEITIG NICHT<br />
WEITER NACH<br />
VORNE BRINGEN.“<br />
Der Giro-Sieger von 2017,<br />
Tom Dumoulin, wechselt 2020<br />
zu Jumbo–Visma nach dem<br />
schwierigen Ende einer<br />
herausragenden Karriere<br />
bei Sunweb.<br />
NEUE<br />
KARRIERE<br />
Bradley Wiggins macht eine<br />
Ausbildung zum Sozialarbeiter.<br />
„Ich schere mich einen Dreck um<br />
meine Radsportkarriere. Ich bin<br />
einfach losgelöst davon und will<br />
nicht ewig daran festhalten“, sagte<br />
er der Big Issue. Und weiter: Er<br />
wolle seine Erfahrung aus einer<br />
schwierigen Kindheit nutzen, um<br />
anderen zu helfen.<br />
Kirsten Wild wurde<br />
wegen Verlassens<br />
ihrer Linie beim RideLondon<br />
Classique disqualifiziert. Elinor<br />
Barker, die sich bei dem Unfall<br />
das Schlüsselbein brach,<br />
verteidigte Wild. „Es ist<br />
beunruhi gend, wenn man<br />
Kommentare sieht, die gegen<br />
Kirsten gerichtet sind“, twitterte<br />
sie. „Die Realität ist, dass<br />
jeder nur hofft, dass die<br />
schnell getroffene Entscheidung<br />
ihm selbst nützt, ohne<br />
jemand anderem zu schaden.“<br />
19<br />
Das Alter, in dem Remco Evenepoel<br />
die Clásica San Sebastián gewann.<br />
Er wurde damit der jüngste Fahrer,<br />
der ein Rennen auf WorldTour-<br />
Level gewonnen hat.<br />
Nach einem Sturz beim<br />
Eröffnungszeitfahren wurde<br />
Jumbo-Vismas Chance auf den<br />
Sieg bei der spanischen Rundfahrt<br />
ein Dämpfer versetzt, als der<br />
Niederländer nach 50 Kilometern<br />
der vierten Etappe mit Knieschmerzen<br />
ausstieg.<br />
„ICH HABE<br />
NICHT DAS<br />
BEWUSSTSEIN<br />
VERLOREN UND<br />
ICH ERINNERE<br />
MICH AN ALLES.<br />
ICH HATTE<br />
GROSSE ANGST.“<br />
Domenico Pozzovivo erinnert<br />
sich an den Moment,<br />
als er während des Trainings<br />
von einem Auto<br />
angefahren wurde. Die<br />
Liste der Verletzun -<br />
gen umfasste ein<br />
gebrochenes<br />
Schlüsselbein,<br />
Oberarmknochen<br />
und die Elle des<br />
linken Armes. Das<br />
rechte Schien- und<br />
Wadenbein waren<br />
ebenfalls gebrochen.<br />
© Tim de Waele/Getty Images (Bennett), Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 17
PROLOG<br />
MICHAEL WOODS<br />
CANNONDALE<br />
SUPERSIX EVO<br />
Der Kanadier gab sein Tour-<br />
Debüt auf dem neuen und<br />
leichten SuperSix.<br />
Michael Woods fuhr bei seinem Tour-Debüt auf<br />
dem brandneuen Cannondale SuperSix Evo,<br />
das erstmals im Juni beim Critérium du Dauphiné<br />
zu bewundern war, bevor es einige Wochen später<br />
offiziell vorgestellt wurde. Das neue SuperSix setzt komplett<br />
auf einen aerodynamisch optimierten und geformten<br />
Rahmen.<br />
Im Handel ist das SuperSix Evo sowohl als Scheibenals<br />
auch als Felgenbremsen-Variante erhältlich. Während<br />
die Disc-Version aus leichterem Hi-Mod-Carbon<br />
gefertigt ist, wird beim Felgenbremsen-Modell auf Cannondales<br />
Standardcarbon gesetzt. Ein Vertreter von<br />
Cannondale sagte uns, dass die Teamräder mit Felgenbremsen<br />
die Gewichtsgrenze von 6,8 Kilogramm erfüllen,<br />
was darauf hindeutet, dass diese Rahmensätze eine<br />
Spezialanfertigung sind. EF Education First kombiniert<br />
seine Rahmensets mit einer Mischung aus Shimano-<br />
Dura-Ace-R9<strong>10</strong>0-Bremsen plus -Antrieb und FSA-,<br />
Vision-, Tacx- und Prologo-Komponenten. Die von Cannondale<br />
entwickelten SiSL2-Kurbeln verfügen nun auch<br />
über eine Teamausgabe des Power2Max-Leistungsmessers.<br />
Die Vision-Metron-Laufräder aus Carbon rollen auf<br />
25-Millimeter-Schlauchreifen von Vittoria Corsa.<br />
AUSSTATTUNG<br />
© Chris Auld, Getty Images (Porträt)<br />
Rahmen Cannondale-SuperSix-Evo-Hi-Mod-Felgenbremse<br />
(Team) Ausstattung Vision-Metron-Lenker und<br />
-Vorbau; hauseigene SuperSix-Evo-Sattelstütze; Shimano-<br />
Dura-Ace-SPD-SL-Pedale; Prologo-Nago-Evo-Sattel,<br />
Tacx-Ciro-Flaschenhalter Schaltgruppe Dura-Ace-Di2-<br />
9150-Hebel, -Schaltung und -Bremsen Kurbel Cannondale<br />
SiSL2 mit Power2Max-Leistungsmesser und FSA-<br />
Kettenblättern Laufräder Vision Metron 40 SL Tubular<br />
Reifen Vittoria Corsa G+ 25 mm<br />
TOP POSITION<br />
Der windschnittige Vision-Metron-<br />
Carbonlenker bietet optimierte Steifigkeit<br />
und reduziertes Gewicht bei<br />
angenehmer Griffposition.<br />
PRO POPO<br />
Der Prologo-Nago-Evo-Sattel sitzt<br />
auf der rahmenspezifischen Stütze<br />
mit D-Profil und bietet so aerodynamisch<br />
optimierten Komfort.<br />
18 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
STARKE LEISTUNG<br />
EF nutzt Cannondales hauseigene<br />
SiSL2-Kurbel in Kombination mit<br />
FSA-Kettenblättern und einer<br />
Power2Max-Leistungsmessung.<br />
AERO-FRONT<br />
Die Gabel von Cannondales SuperSix<br />
Evo ist perfekt in das Unterrohr<br />
integriert und reduziert<br />
ebenfalls den Luftwiderstand.<br />
NICHT BLOSS EINE NUMMER<br />
Woods startete bei seiner ersten<br />
Tour de France als Edelhelfer für<br />
EF Education Firsts kolumbianischen<br />
Kapitän Rigoberto Urán.<br />
DER BESTE GUMMI<br />
Vittoria-Corsa-G+-Schlauchreifen<br />
sind sehr beliebt in der WorldTour.<br />
Fahrer dieser Reifen gewannen acht<br />
Etappen bei der diesjährigen Tour.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 19
PROLOG<br />
© Getty Images<br />
20 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
TEJAY VAN GARDEREN<br />
Der Amerikaner spricht über seine Wandlung vom Hoffnungsträger<br />
zum Veteranen und seinen Respekt vor der Tour.<br />
Wir hatten bei EF Education First<br />
eine gute Mannschaftszeitfahrer-Fraktion.<br />
Das Team hat viel<br />
Zeit, Energie und Ressourcen investiert,<br />
um zu einer guten Truppe gegen die Uhr<br />
zu werden, denn es geht mehr um die Details<br />
als um die Stärke der Fahrer. Mein<br />
altes Team, BMC, war beim Mannschaftszeitfahren<br />
sehr gut eingespielt, und ich<br />
freue mich, dass dieses Team mich gebeten<br />
hat, sie zu beraten und an meinem<br />
Wissen teilhaben zu lassen.<br />
Know-how bleibt in diesem Sport nicht<br />
lange geheim. Ich erinnere mich, dass ich<br />
2014 dachte, wir hätten bei BMC die Nase<br />
vorn, und dann schaust du dich um und<br />
siehst, dass es alle machen. Die Leute<br />
wechseln die Teams und verteilen sich<br />
im Peloton und lassen andere an ihrem<br />
Know-how teilhaben. Deswegen sind die<br />
Unterschiede zwischen den Topteams so<br />
gering. Die besten Fahrer zu haben, wird<br />
immer den Ausschlag geben – so wie es<br />
sein sollte.<br />
Ich hatte sieben tolle Jahre bei BMC, aber<br />
ich war bereit für eine Veränderung. Ich<br />
war bereit für einen Tapetenwechsel und<br />
ein paar neue Gesichter. Hierher zu kommen,<br />
war eine einfache Wahl, denn ich<br />
habe Freunde hier. Es ist ein amerikanisches<br />
Team und es hat viel Persönlichkeit<br />
und Identität. Ich fand es wirklich attraktiv,<br />
hierher zu kommen.<br />
Der Unterschied zwischen BMC und<br />
diesem Team wurde am Tag des Mannschaftsfotos<br />
klar. Bei BMC bekamen wir<br />
eine E-Mail, in der stand, dass sich alle<br />
Fahrer die Haare schneiden lassen und<br />
die Beine und das Gesicht rasieren sollten.<br />
In diesem Team haben die Fahrer Schnurrbart<br />
und langes Haar. Es ist nicht mein<br />
Stil, aber ich finde es cool, dass sie einen<br />
ermutigen, eine Identität und einen Stil zu<br />
haben. Keines von beiden ist falsch, aber<br />
ich finde, es spricht Bände über den Unterschied<br />
zwischen den beiden Teams. Ich<br />
glaube, ich bringe eine Veteranen-Präsenz<br />
in das Team. Das hört sich komisch an,<br />
aber du fängst an als junger Typ, von dem<br />
die Sportlichen Leiter zu den älteren Fahrern<br />
sagen: „Hey, passt mir auf diesen Jungen<br />
auf“, und dann scheint es, als würdest<br />
du nur einmal mit den Augen blinzeln,<br />
schon sagt jemand zu dir, dass du auf diesen<br />
jungen Kerl aufpassen sollst. Ich kann<br />
nicht sagen, dass es je einen Moment gab,<br />
wo ich das Gefühl hatte, dass sich diese<br />
Wandlung vom jungen Fahrer zum Veteranen<br />
vollzogen hat; ich habe nur keine<br />
Fragen mehr gestellt und war stattdessen<br />
derjenige, dem Fragen gestellt wurden.<br />
Ich habe einen mit Groll verbundenen Respekt<br />
vor der Tour de France. Es ist das<br />
Rennen, bei dem Karrieren gemacht werden.<br />
Ich hatte zwei gute, aber noch mehr<br />
nicht so gute Rennen. Es ist eines von denen,<br />
wo es wirklich nicht angenehm ist,<br />
wenn du es fährst, weil es das stressigste,<br />
gefährlichste und von den meisten Medien<br />
begleitete Rennen ist. Aber gleichzeitig<br />
erkennt man, dass Radsport ohne die Tour<br />
nur eine olympische Sportart wäre, die alle<br />
vier Jahre von Interesse wäre. Man muss<br />
honorieren, was die Tour ist und dass sie<br />
dem Radsport seine Identität gibt und ihn<br />
zu einem legitimen Sport macht und es dir<br />
ermöglicht, gut davon zu leben. Wenn du<br />
bei der Tour gut fährst, ist es ein unvergleichliches<br />
Gefühl. Als ich bei der Tour<br />
2012 das Weiße Trikot gewann, war es<br />
FAHRER-<br />
PROFIL<br />
Geburtsort<br />
Tacoma, USA<br />
Alter 31<br />
Profi seit 20<strong>10</strong><br />
TEAMS<br />
20<strong>10</strong> HTC-<br />
Columbia<br />
2012 BMC Racing<br />
<strong>2019</strong> EF Education<br />
First<br />
KARRIERE-<br />
HÖHEPUNKTE<br />
2013, 2018<br />
Etappensieg Tour<br />
of California<br />
2017 Etappensieg<br />
Giro d’Italia<br />
2016 Etappensieg<br />
Tour de Suisse<br />
2014, 2015<br />
Etappensieg Katalonien-Rundfahrt<br />
2014 WM-Titel<br />
Mannschaftszeitfahren<br />
2013, 2014<br />
Gesamtsieg<br />
Tour of Colorado<br />
2018 Zweiter<br />
Tour of California<br />
2015, <strong>2019</strong><br />
Zweiter Critérium<br />
du Dauphiné<br />
2013 Etappen-Zweiter<br />
Tour de France<br />
2014 Dritter<br />
Katalonien-<br />
Rundfahrt<br />
20<strong>10</strong> Dritter<br />
Critérium du<br />
Dauphiné<br />
wohl das beste Gefühl, das ich je als Radrennfahrer<br />
hatte. Das würde ich gegen<br />
nichts eintauschen, aber die Tour ist nicht<br />
immer nett zu dir.<br />
Ich glaube nicht, dass mich das Etikett<br />
„nächster amerikanischer Toursieger“<br />
beeinträchtigt hat. Ich finde es toll, wie<br />
meine Fans mich unterstützt haben. Die<br />
amerikanischen Fans wollten einen amerikanischen<br />
Fahrer anfeuern. Als sie mich<br />
aufkommen sahen, sagten sie: „Okay, das<br />
ist unser nächster Mann.“ Aber ihre Hoffnungen<br />
waren größer als meine Fähigkeiten.<br />
Wenn du es mit Froome oder Quin -<br />
tana zu tun bekommst, kannst du nur dein<br />
Bestes geben. Ich glaube, jeder kann sehen,<br />
dass sie einfach besser waren als ich.<br />
Mein Rat an junge, aufstrebende Amerikaner<br />
ist, sich nicht endlos Gedanken zu<br />
machen. Wenn ihr Talent habt und vielversprechend<br />
fahrt, denken die Leute, ihr<br />
könnt X, Y und Z machen. Ihr bekommt<br />
viele Ratschläge von Leuten, die es alle gut<br />
meinen mit euch und ihren Senf dazugeben<br />
wollen. Ihr müsst einfach Leute finden,<br />
denen ihr vertraut, und sie bei euch<br />
behalten und dann versuchen, den Lärm<br />
respektvoll zu dämpfen.<br />
Ich habe fast das Gefühl, EF ist das Team,<br />
bei dem ich von Anfang an hätte sein sollen.<br />
Als ich jung war, bin ich für Jonathans<br />
Juniorenteam gefahren. Als es Zeit war für<br />
die U23, bin ich zu Rabobank CT gegangen.<br />
Als ich bereit war, Profi zu werden,<br />
habe ich bei HTC unterschrieben. Es war<br />
immer eine geschäftliche oder sportliche<br />
Entscheidung, die mich davon abgehalten<br />
hat hierher zu kommen. 15 Jahre später<br />
bin ich schließlich zurück und es fühlt<br />
sich fast an, als hätte ich immer hier sein<br />
sollen. Aber andererseits möchte ich auch<br />
kein Jahr missen, das ich bei Rabobank<br />
CT, HTC oder BMC verbracht habe. Es<br />
waren alles tolle Jahre, aber 15 Jahre später<br />
fühlte es sich auch an, als wäre ich nie<br />
weggewesen.<br />
© Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 21
PROLOG<br />
SCHAUFENSTER<br />
PRODUKTEMPFEHLUNGEN<br />
Zwift<br />
VIRTUELLE WELTMEISTERSCHAFTEN<br />
© Hersteller<br />
Pünktlich zur Austragung der Straßen-WM vom 22. bis zum 29. September in der ehemaligen britischen<br />
Grafschaft und heutigen Region Yorkshire haben die Macher der Online-Trainings- und -Rennplattform<br />
Zwift einen neuen virtuellen Kurs mit einer Nachbildung der WM-Strecke veröffentlicht. Fans können so<br />
unter anderem den originalen Harrogate-Zielkurs nachfahren und virtuelles Yorkshire-Flair erleben. „Es ist<br />
fantastisch, dass Zwift als offizieller Supplier zurückkehrt“, sagte UCI-Präsident David Lappartient bei der<br />
Präsentation der Online-Strecke Ende August. „Zwift ist ein aufregendes neues Produkt in unserer Sphäre.<br />
Es ist toll zu sehen, wie Zwift Menschen aus der ganzen Welt auf rein virtuelle Weise näher an die<br />
Weltmeisterschaft bringen kann. Darüber hinaus bietet der Kurs den Teilnehmern die Möglichkeit, sich<br />
mit dem offensichtlich sehr selektiven Finalkurs in diesem Jahr vertraut zu machen.“<br />
Bereits während der WM 2015 in Richmond und während der Titelkämpfe im vergangenen<br />
Jahr in Innsbruck hatte Zwift die Original-WM-Strecken veröffentlicht. Rund um die<br />
Weltmeisterschaften sind zahlreiche weitere Aktivitäten der Marke geplant.<br />
www.zwift.com/yorkshire<br />
22 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
Bkool<br />
VIRTUELLE<br />
DEUTSCHLAND<br />
TOUR<br />
Die Deutschland Tour <strong>2019</strong> ist zwar<br />
bereits seit einem Monat Geschichte<br />
– Fans des einzigen deutschen Profi-<br />
Etappenrennens können es allerdings<br />
auch auf dem Rollentrainer nachfahren.<br />
Der Hersteller Bkool hat die Etappen<br />
der diesjährigen Deutschland Tour<br />
virtuell nachgebildet. Um die vier<br />
Tagesabschnitte gemeinsam mit<br />
Spielern aus aller Welt zu entdecken,<br />
sind lediglich ein Rollentrainer einer<br />
kompatiblen Marke und die Bkool-<br />
Online-Software notwendig.<br />
www.bkool.com<br />
Pirelli<br />
TOUR-DE-FRANCE-REIFEN<br />
Stolze vier Etappensiege feierte das Team<br />
Mitchelton-Scott bei der diesjährigen Tour<br />
de France. Simon Yates, Matteo Trentin, Daryl<br />
Impey und Co. waren dabei auf den P Zero Velo<br />
Tubular Tires des italienischen Reifenspezialisten<br />
unterwegs. Der Pneu ist ein renntauglicher,<br />
moderner Schlauchreifen, der aus einem<br />
320-TPI-Corespun mit aramidverstärkter Kar -<br />
kasse und einem modifizierten Latexschlauch<br />
besteht. Die Yellow-Soft-Gummimischung soll<br />
zusätzlich für ein kompromissloses Fahrverhalten<br />
und eine entsprechende Bodenhaftung<br />
sorgen. Erhältlich ist der Reifen in den Breiten<br />
25 und 28 Millimeter.<br />
www.pirelli.com<br />
Sportful<br />
PARTNERSCHAFT MIT BORA<br />
Bereits in diesem Jahr waren die Profis von Bora–<br />
hansgrohe mit der Bekleidung von Sportful unter -<br />
wegs. Im Vorfeld der diesjährigen Vuelta haben<br />
der italienische Bekleidungshersteller und die<br />
Mannschaft aus Raubling eine Verlängerung ihrer<br />
Partnerschaft bis zur Saison 2021 bekanntgegeben.<br />
„In unserem Performance-Team arbeiten wir hart,<br />
um für unsere Fahrer das bestmögliche Material an<br />
den Start zu bekommen. Der Rennbekleidung kommt<br />
da besondere Bedeutung zu, denn in diesem Bereich<br />
geht es um Performance wie Aerodynamik und<br />
Heat Management, gleichzeitig aber auch um<br />
Komfort. Ich freue mich, dass wir diese äußerst<br />
erfolgreiche und produktive Partnerschaft weiter<br />
fortsetzen können“, sagte Teammanager Ralph<br />
Denk zum Vertragsabschluss. Die neuen Designs<br />
der Bora–hansgrohe-Rennbekleidung 2020 werden<br />
bis Ende des Jahres bekanntgegeben.<br />
www.sportful.com<br />
© Hersteller<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 23
PROLOG<br />
Evoc<br />
TASCHE FÜRS TRAININGSLAGER<br />
© Hersteller<br />
Winterzeit ist Trainingslagerzeit. Pünktlich für<br />
die kalte Jahreshälfte stellt Evoc seine neue<br />
Road Bike Bag Pro vor. Die Radreisetasche<br />
ermöglicht das sichere Verpacken von Renn -<br />
rädern und Triathlonmaschinen. Das Besondere:<br />
Sattelstützen und Lenker müssen nicht länger<br />
verstellt oder abmontiert werden. Hat man die<br />
Laufräder und Pedale abgenommen, wird der<br />
Rahmen nämlich mit wenigen Handgriffen auf<br />
dem längenverstellbaren Evoc-Road-Bike-Stand<br />
aus Aluminium und Hartplastik montiert. In der<br />
Road Bike Bag Pro wird der Rahmen samt Stand<br />
Specialized<br />
NEUE<br />
ZEITFAHR-<br />
MASCHINE<br />
Im Rahmen der Tour de France gab das neue<br />
Specialized S-Works Shiv TT Disc sein Debüt<br />
bei der Tour de France. Sowohl Bora–hansgrohe<br />
als auch Deceuninck–Quick-Step waren<br />
auf den Aerorädern unterwegs, die unter<br />
anderem mit den Roval-321-Disc-Laufrädern<br />
ausgestattet waren. Ein Hingucker: Die Schei -<br />
benräder waren mit dem Logo der Aktion<br />
„Riding for Focus“ bedruckt, einem Projekt,<br />
das erforscht, wie Radfahren einen positiven<br />
Effekt auf Gesundheit und Co., insbesondere<br />
im Hinblick auf ADHD, hat.<br />
www.specialized.com<br />
dann an strategischen Punkten mit einfach<br />
erkennbaren roten Klettriemen an den<br />
Seitenwänden fixiert. Ein Cockpit-Pad bietet<br />
zusätzliche Polsterung für die Lenkerkonstruktion.<br />
Die Laufräder finden in den mitgelieferten<br />
Wheel Bags mit verstärktem Achsschutz Platz<br />
und werden seitlich neben dem Rahmen<br />
platziert. Ein variabel fixierbarer, innen liegender<br />
Seitenstabilisator schützt vor seitlichem<br />
Druck auf das Rad.<br />
www.evocsports.com<br />
POC<br />
SMARTER<br />
KOPFSCHUTZ<br />
Mit dem Ventral Air Spin NFC präsen -<br />
tiert POC einen Helm, der das Thema<br />
Sicherheit auf ein neues Level bringen<br />
soll. Dank integriertem NFC-Chip sendet<br />
der Kopfschutz nämlich direkt nach<br />
einem Unfall lebenswichtige medizinische<br />
Daten an Retter und Helfer – zum<br />
Beispiel die Blutgruppe, Vorerkrankungen<br />
oder Allergien, wenn der Fahrer<br />
selbst keine Auskunft mehr geben kann.<br />
Dazu muss lediglich ein NFC-fähiges<br />
Smartphone direkt über den Helm<br />
gehalten werden. Internet, Telefon- oder<br />
Satellitenverbindung sind zum Auslesen<br />
nicht notwendig. Programmiert wird<br />
die Medical ID nach ICAR-Standard<br />
(International Commission for Alpine<br />
Rescue) über eine kostenlose App. Der<br />
„sprechende Helm“ basiert auf dem<br />
Rennradhelm Ventral Air Spin, der für<br />
seinen geringen Luftwiderstand, seine<br />
ausgezeichnete Belüftung auch bei<br />
langsamem Tempo und die optimale<br />
Temperaturregulierung durch eine<br />
ausgeklügelte Luftzirkulation im Inne -<br />
ren bekannt ist. Erhältlich ist das neue<br />
Modell ab Frühjahr 2020.<br />
www.pocsports.com<br />
24 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
Schwalbe<br />
LEICHTLAUF<br />
MAL DREI<br />
Geschmeidiger, leichter, schneller:<br />
Mit der neuen „Pro One“-Familie will<br />
Schwalbe die Spitzenposition bei den<br />
Road-Tubeless-Reifen zurückerobern.<br />
Procycling konnte die neuen Modelle<br />
bereits ausprobieren.<br />
Schwalbe bietet Road Tubeless ab sofort<br />
in drei Varianten an: als minimalistischen<br />
Wettkampfreifen „TT“ (oben), als aufgefrischten<br />
Allrounder „One“ (Mitte) und als<br />
komplett neu entwickelten „Pro One“ mit<br />
„Turn-up“-Karkasse.<br />
Der Pro One hat sich Schwalbe zufolge<br />
auf so ziemlich jedem Gebiet verbessert:<br />
Er ist leichter geworden und soll in 25 Mil -<br />
limeter Breite nun nur noch 245 Gramm<br />
wiegen; dazu wurde der Rollwiderstand<br />
im Vergleich zum Vor gänger um 13 Prozent<br />
reduziert. Die neue Addix-Gummimischung<br />
soll für deutlich bessere Kur -<br />
venhaftung sorgen, gleichzeitig aber<br />
eine höhere Kilometerleistung ermöglichen.<br />
Eine besonders geschmeidige<br />
„V-Guard“-Pannenschutzschicht soll den<br />
Reifen widerstandsfähiger machen, und<br />
über allem steht eine geheimnisvolle Eigenschaft<br />
namens „Souplesse“ – ein insgesamt<br />
geschmeidigerer Charakter, der<br />
durch einen neuen Aufbau der Kar kasse<br />
möglich wurde. Bei der sogenannten<br />
„Turn-up“-Konstruktion liegen nur noch<br />
zwei statt vier Gewe belagen unter der<br />
Lauffläche; die dreila gige Seitenwand soll<br />
flexibel, aber dennoch schnittfest sein.<br />
Auf der Straße fährt sich der neue Pro<br />
One außerordentlich angenehm. Der Reifen<br />
rollt leicht und gefühlt widerstandsarm<br />
ab, dazu erlaubt er in schnell gefah -<br />
renen Kurven enorm viel Schräg lage.<br />
Das spricht nicht nur für die Addix-Gum -<br />
mi mischung, sondern auch für die Ge -<br />
schmeidigkeit der Karkasse, die sich<br />
dem Straßenbelag feinfühlig anpasst.<br />
Noch etwas schneller dürfte der Pro<br />
One TT sein, ein superleichter Wettkampfreifen<br />
(als 25er mit 205 Gramm)<br />
mit noch einmal 21 Prozent weniger Roll -<br />
widerstand. Er fühlt sich auf der Straße<br />
wirklich schnell an, macht aber Kompro -<br />
misse beim Pannenschutz nötig, der hier<br />
nur durch die Dichtmilch gegeben ist.<br />
Während Pro One und Pro One TT für<br />
jeweils 69,90 Euro angeboten werden,<br />
ist der neue One Tubeless bereits für<br />
54,90 Euro erhältlich. Dies ist der bishe -<br />
rige Pro One, ergänzt um die Addix-Mischung<br />
und mit konventionellem Auf -<br />
bau nicht ganz so rollwiderstandsarm.<br />
Attraktiv wird der günstige Allrounder<br />
dadurch, dass er ab sofort mit „Classic<br />
Skin“-Seitenwand ver fügbar ist. Den Pro<br />
One gibt’s nur in Schwarz, den TT nur in<br />
klassischem Beige.<br />
© Irmo Keizer<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 25
PROLOG<br />
INSIDER<br />
RICK ZABEL<br />
SCHWIERIGE ZEITEN<br />
Der Katusha-Alpecin-Profi berichtet über seine Zwangspause im August.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Luc Claessen/Getty Images<br />
Meine Saison <strong>2019</strong> ist offiziell<br />
vorbei. Eigentlich<br />
sollte ich in diesen Wochen<br />
noch einige Eintagesrennen im<br />
Herbst bestreiten, aufgrund meiner<br />
lange Zeit gesundheitlich schwierigen<br />
Situation in diesem Sommer<br />
habe ich aber gemeinsam mit dem<br />
Team entschieden, bereits frühzeitig<br />
in die Winterpause zu gehen.<br />
Nachdem ich mir bei der Tour de<br />
France eine Virusinfektion eingefangen<br />
hatte, aufgrund derer ich die<br />
Frankreich-Rundfahrt nach dem<br />
ersten Ruhetag verlassen musste,<br />
musste ich eine dreiwöchige Komplettpause<br />
einlegen. Kein Rad, kein<br />
Training, einfach nur Ruhe. Von<br />
<strong>10</strong>0 zurück auf null – man kann<br />
sich vorstellen, was das mit dem<br />
Körper eines Leistungssportlers<br />
macht. Als ich dann Anfang August<br />
wieder die ersten Trainingseinheiten<br />
abspulen konnte, fing ich wieder<br />
komplett von vorne an. Anfangs verfolgte<br />
ich zwar noch das Ziel, rechtzeitig<br />
bis zu den Cyclassics in Hamburg<br />
und zur Deutschland Tour fit<br />
zu werden, aber zweieinhalb Wochen<br />
reichten für einen schnellen<br />
Formaufbau einfach nicht aus.<br />
Kein Start in Hamburg, kein Start<br />
bei der Deutschland Tour – der<br />
nächste Rückschlag für mich in den<br />
sowieso schon schwierigen letzten<br />
Wochen. In Anbetracht der Tatsache,<br />
dass die Saison bald vorüber<br />
sein würde, musste nun eine Grundsatzentscheidung<br />
getroffen werden:<br />
entweder weiter trainieren und versuchen,<br />
für Paris–Tours und die<br />
WorldTour-Rundfahrt in China in<br />
Form zu kommen oder frühzeitig in<br />
die Winterpause zu gehen, um dann<br />
nächste Saison stärker zurückzukommen.<br />
Gemeinsam mit dem Performance<br />
Team unserer Mannschaft<br />
entschied ich mich für Letzteres.<br />
Manchmal ist es besser, auf ein paar<br />
Rennen zu verzichten und im Hinblick<br />
auf das kommende Jahr stattdessen<br />
langfristig zu denken.<br />
„MANCHMAL MUSS MAN EINEN SCHRITT<br />
ZURÜCKGEHEN, UM ZWEI SCHRITTE NACH<br />
VORNE MACHEN ZU KÖNNEN.“<br />
Nach einer schweren Virusinfektion<br />
bei der Tour de France beendete Rick<br />
Zabel seine Saison frühzeitig.<br />
Genaue Beobachter des Renngeschehens<br />
werden sich jetzt natürlich<br />
wundern: Denn sowohl beim Bretagne<br />
Classic Anfang September in<br />
Frankreich als auch bei den beiden<br />
WorldTour-Rennen in Kanada Mitte<br />
des Monats tauche ich mit einem<br />
dicken DNF [Did Not Finish; Anm.<br />
d. Red] in den Ergebnislisten auf.<br />
Die Erklärung ist so einfach wie seltsam:<br />
Ich wurde vom Team trotz<br />
meiner Pause tatsächlich für diese<br />
Rennen nominiert. Der Grund dafür<br />
ist eine UCI-Regelung, die besagt,<br />
dass eine Mannschaft bei World<br />
Tour-Rennen immer vollzählig am<br />
Start stehen muss. Schickt das<br />
Team nicht genügend Fahrer, muss<br />
eine hohe Strafe bezahlt werden.<br />
Da Katusha-Alpecin nach dem Karriereende<br />
von Marcel Kittel, einer<br />
Langzeitverletzung des US-Amerikaners<br />
Ian Boswell und einem Visaproblem<br />
des Russen Dmitry Strakhov<br />
derzeit nur 22 aktive Fahrer<br />
hat, sind wir hier absolut am Limit.<br />
Ich musste also aushelfen, zu den<br />
Rennen reisen und mich dort in die<br />
Startliste eintragen – um so dem<br />
Team die UCI-Strafe zu ersparen.<br />
Gefahren bin ich die Rennen allerdings<br />
nicht.<br />
Wenn ihr diese Zeilen lest, befinde<br />
ich mich nun allerdings endgültig<br />
in meiner vorgezogenen Winterpause.<br />
Ich möchte die Auszeit nutzen,<br />
um meine Batterien für das kommende<br />
Jahr wieder voll aufzuladen.<br />
Bereits Anfang Oktober – so früh<br />
wie noch nie – will ich dann mit den<br />
Vorbereitungen auf die Saison 2020<br />
beginnen. Wie heißt es so schön:<br />
Manchmal muss man einen Schritt<br />
zurückgehen, um zwei Schritte nach<br />
vorne machen zu können. Ich hoffe,<br />
die Entscheidung, meine Saison<br />
frühzeitig zu beenden, zahlt sich am<br />
Ende aus.<br />
Geboren am 7. Dezember 1993, zog<br />
es den Sohn von Erik Zabel schon<br />
früh zum Radsport. Nach guten<br />
Platzierungen bei den Junioren<br />
wechselte er 2012 zum Rabobank<br />
Development Team. 2014 wurde<br />
Rick Zabel Profi bei BMC und fuhr<br />
drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />
Equipe. 2017 wechselte er<br />
zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />
erstmals die Tour de France und<br />
die Straßen-WM.<br />
26 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
INSIDER<br />
RALPH DENK<br />
EINE GUTE VUELTA<br />
Der Teamchef von Bora–hansgrohe blickt auf die Spanien-Rundfahrt zurück.<br />
Zwei Etappensiege durch Sam<br />
Bennett sowie Platz sechs in<br />
der Gesamtwertung durch<br />
Rafał Majka – wie schon beim Giro<br />
d’Italia und bei der Tour de France<br />
können wir auch mit unserem Auftritt<br />
bei der Spanien-Rundfahrt sehr<br />
zufrieden sein. Das ganze Team hat<br />
erneut gezeigt, dass wir bei den<br />
Grand Tours im Vergleich zum Vorjahr<br />
einen großen Schritt nach vorne<br />
gemacht haben – das macht mich<br />
sehr stolz.<br />
Rafał hat sich in diesem Jahr<br />
komplett auf die Grand Tours konzentriert<br />
– ein Fokus, der sich sowohl<br />
beim Giro d’Italia als auch bei<br />
der Vuelta a España bezahlt gemacht<br />
hat. Seine konstant starken<br />
Leistungen sind dabei auch einer<br />
Umstellung seiner Fahrweise geschuldet:<br />
Im Vergleich zu früher, wo<br />
er oftmals mit sehr spektakulären<br />
Attacken aufgefallen ist und um<br />
Bergtrikots gekämpft hat, fährt er<br />
heute eher zurückhaltend. Genau<br />
diese Fahrweise braucht es aber, um<br />
sich bei der hohen Leistungsdichte<br />
bei Grand Tours vorne platzieren zu<br />
können. Für uns als Team und unsere<br />
Sponsoren sind solche Platzierungen<br />
im Hinblick auf das World<br />
Tour-Ranking extrem wichtig. Und<br />
für einen Top-Ten-Platz in der Gesamtwertung<br />
einer großen Landesrundfahrt<br />
gibt es eben deutlich mehr<br />
Punkte als für ein Bergtrikot.<br />
Besonders hervorheben möchte ich<br />
auch die Leistung von Sam Bennett.<br />
Im Laufe der Vuelta hat Sam endgültig<br />
bewiesen, dass er einer der<br />
besten Sprinter der Welt ist. 13 Saisonsiege,<br />
davon alleine elf in der<br />
WorldTour – das muss man erst einmal<br />
schaffen. Sam ist 2014 bei uns<br />
Profi geworden – damals noch in<br />
den Farben von NetApp-Endura. Er<br />
hat sich seitdem konstant weiterentwickelt<br />
und jedes Jahr einen weiteren<br />
Schritt nach vorne gemacht. Seine<br />
„DAS GANZE TEAM HAT GEZEIGT, DASS WIR<br />
BEI DEN GRAND TOURS IM VERGLEICH ZUM<br />
VORJAHR EINEN GROSSEN SCHRITT NACH<br />
VORNE GEMACHT HABEN.“<br />
derzeitigen Erfolge sind nun der<br />
Lohn für diese konstante Arbeit.<br />
In den vergangenen Wochen gab es<br />
ja immer wieder Gerüchte darüber,<br />
dass Sam das Team wechseln würde.<br />
Wir beteiligen uns an solchen<br />
Spekulationen nicht, aber ich würde<br />
nicht allem Glauben schenken, was<br />
man in den Medien liest.<br />
Damit sind wir mittendrin in der<br />
sogenannten silly season. Das<br />
Transferkarussell dreht sich derzeit<br />
rasend schnell und viele Teams verstärken<br />
sich für das nächste Jahr. Ich<br />
freue mich, dass wir mit Lennard<br />
Kämna und Ide Schelling bereits<br />
zwei hoffnungsvolle Talente verpflichten<br />
konnten, die wir genauso<br />
Bora-Profi Sam Bennett war mit<br />
zwei Etappensiegen der stärkste<br />
Sprinter der Vuelta <strong>2019</strong>.<br />
entwickeln wollen wie unsere anderen<br />
jungen Fahrer in den letzten Jahren.<br />
Lennard ist unbestritten ein<br />
großes Talent und war mit Sicher heit<br />
bei einigen Teams auf der Wunschliste.<br />
Es war beeindruckend zu sehen,<br />
wie er sich in der letzten Tour-<br />
Woche präsentiert hat. Immer aktiv,<br />
immer vorne dabei – und das jeden<br />
Tag. Da kann man schon erahnen,<br />
dass er sehr belastungsfähig ist und<br />
einen großen Motor hat.<br />
Ide ist wohl nur wenigen Fans bekannt,<br />
aber genau das macht ihn so<br />
interessant: Er ist ein vielseitiger<br />
junger Fahrer, der großes Potenzial<br />
hat. In der kommenden Saison müssen<br />
wir ihn erst einmal an das Niveau<br />
in der WorldTour heranführen,<br />
aber ich erhoffe mir, dass er unserem<br />
Kader bei Rennen wie den Ardennenklassikern<br />
weitere Tiefe gibt und<br />
dort das Team auch entsprechend<br />
tatkräftig unterstützt. Er wird die<br />
nötige Zeit, aber auch die Chancen<br />
bekommen, um mit uns gemeinsam<br />
herauszufinden, wo genau seine Zukunft<br />
als Rennfahrer liegt.<br />
Ralph Denk ist Teammanager der<br />
deutschen WorldTour-Mannschaft<br />
Bora–hansgrohe. Nach jahrelanger<br />
Aufbauarbeit ist die Equipe mit Sitz<br />
im oberbayerischen Raubling seit<br />
2017 in der höchsten Radsportliga<br />
aktiv. In Procycling berichtet Denk,<br />
in früheren Jahren selbst aktiver<br />
Rennfahrer, jeden Monat über seinen<br />
Alltag als Teamchef.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 27
PROLOG<br />
DIE ATTACKE DES<br />
WELTMEISTERS<br />
So machte Alejandro Valverde Jagd auf das Vuelta-Podium.<br />
Text Werner Müller-Schell<br />
schnittlich fast zehn Prozent steilen Bergstrecke<br />
konnte nur Roglic folgen, und bis ins Ziel fuhren<br />
die beiden mehr als 40 Sekunden auf die anderen<br />
Favoriten in der Gesamtwertung heraus.<br />
1.842 HÖHENMETER<br />
PRO STUNDE<br />
© Strava (Screenshots)<br />
Zu Beginn des Jahres schien auf Alejandro<br />
Valverde noch der Fluch des Weltmeistertrikots<br />
zu liegen. Doch spätestens seit Juni<br />
ist der 39-jährige Altmeister aus den Reihen der<br />
spanischen Movistar-Equipe wieder in Bestform.<br />
Das zeigte er zuletzt eindrucksvoll bei der Spanien-Rundfahrt:<br />
Im Laufe der Vuelta fuhr sich<br />
Valverde nämlich nicht nur in die Kapitänsrolle<br />
seiner unter anderem mit Nairo Quintana (Kolumbien)<br />
stark besetzten Equipe, sondern kämpfte<br />
auch bis zum Ende um das Podium in der Gesamtwertung<br />
mit. Dabei beließ es „Balaverde“<br />
in der für ihn typisch angriffslustigen Fahrweise<br />
nicht nur bei taktischem Mitrollen: Auf der<br />
15. Etappe etwa setzte er eine der stärksten<br />
Attacken der gesamten Spanien-Rundfahrt –<br />
und konnte bis auf den dominierenden Slowenen<br />
Primož Roglic alle anderen Mitfavoriten wie den<br />
Kolumbianer Miguel Ángel López oder Roglic’<br />
Landsmann Tadej Pogacar distanzieren.<br />
Schauplatz jener Bergankunft war der Anstieg<br />
zum Santuario del Acebo in Asturien, der am<br />
Ende des bergigen, 155 Kilometer langen Tagesabschnitts<br />
mit Start in Tineo auf dem Programm<br />
stand. Während vorne eine Ausreißergruppe den<br />
Sieg unter sich ausmachte – mit dem glücklichen<br />
Ende für den US-Amerikaner Sepp Kuss –, attackierte<br />
Valverde direkt am Fuß der 7,8 Kilometer<br />
langen und 756 Meter hohen Schlusssteigung.<br />
Dem Antritt des Weltmeisters auf der durch-<br />
Attacke vom Fuße des Schlussanstieges bis ins Ziel<br />
– lange haben wir auf einen solchen Angriff von<br />
Valverde bei der Spanien-Rundfahrt gewartet. Wie<br />
kraftvoll der Antritt des Altmeisters war, zeigen die<br />
Zahlen: Gerade einmal 24:37 Minuten benötigte<br />
er für den 7,8 Kilometer langen Anstieg, was eine<br />
enorm hohe Steigungsrate von 1.842 Metern pro<br />
Stunde ergibt. Sicherlich trug die steile Durchschnittssteigung<br />
bei einer verhältnismäßig kurzen<br />
Fahrzeit dazu bei, dass Valverde und sein Begleiter<br />
Roglic hier in Sachen Aufstiegsrate auf Augenhöhe<br />
mit früheren Höhenmeterleistungen etwa von<br />
Alberto Contador lagen, der solche Werte auch<br />
auf längeren Bergstrecken erreichte. Dennoch zeigten<br />
Roglic und Valverde am Schlussanstieg der<br />
15. Etappe sicherlich eine der stärksten Bergleistungen<br />
der gesamten Spanien-Rundfahrt <strong>2019</strong>.<br />
Das untermauert auch ein Blick auf die Wattwerte:<br />
Da Valverde auf Strava weder Herzfrequenz-<br />
noch Leistungsdaten veröffentlichte, errechnete<br />
die Online-Plattform stellvertretend per<br />
Algorithmus eine durchschnittliche Aufstiegsleistung<br />
von 393 Watt. Bei einem Körpergewicht<br />
von 61 Kilogramm lag Valverde über die knappen<br />
28 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
PROLOG<br />
Das Strava-Ranking<br />
Santuario del Acebo por Castro de Limés<br />
(7,8 Kilometer / 756 Höhenmeter)<br />
Setzte die Strava-Bestzeit hinauf zum<br />
Santuario del Acebo por Castro de<br />
Limés: Alejandro Valverde. Das Strava-<br />
Segment am Santuario del Acebo findet<br />
ihr unter www.strava.com/<br />
segments/16394765<br />
25 Minuten Fahrzeit so bei 6,4 Watt pro Kilogramm.<br />
Zum Vergleich: Tadej Pogacar, der<br />
42 Sekunden hinter Valverde die Ziellinie überquerte<br />
und mit Powermeter unterwegs war, erreichte<br />
421 Watt bei 66 Kilogramm Körpergewicht<br />
– eine gemessene Durchschnittsleistung<br />
von 6,3 Watt pro Kilogramm. Auch Tagessieger<br />
Sepp Kuss verewigte sich im Strava-Ranking auf<br />
Rang drei: Er war trotz der langen Flucht nur<br />
1:16 Minuten langsamer als Valverde und trat im<br />
Schnitt immer noch 6,1 Watt pro Kilogramm.<br />
1. Alejandro Valverde Movistar<br />
24:37 Minuten<br />
2. Tadej Pogačar UAE<br />
25:19<br />
3. Sepp Kuss Jumbo–Visma<br />
25:53<br />
4. Nicolas Edet Cofidis<br />
26:12<br />
5. Carl Fredrik Hagen Lotto Soudal<br />
26:23<br />
6. James Knox Deceuninck<br />
26:26<br />
7. Ruben Guerreiro Katusha-Alpecin<br />
26:39<br />
8. Óscar Rodríguez Euskadi<br />
26:47<br />
9. Ben O’Connor Dimension Data<br />
27:52<br />
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RENNKULTUR<br />
DIE ZWEITE<br />
RUNDE<br />
Nach dem Comeback im vergangenen Jahr<br />
wurde auch die zweite Austragung der „neuen“<br />
Deutschland Tour zum vollen Erfolg.<br />
Ein Rückblick auf die vier spannenden<br />
Etappen von Hannover nach Erfurt.<br />
Text Werner Müller-Schell<br />
30 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 31
REVANCHE GEGLÜCKT<br />
© Deutschland Tour/Marcel Hilger<br />
Bei der Auftaktetappe der Deutschland Tour im vergangenen Jahr<br />
hatte Pascal Ackermann als Zweiter noch knapp das Nachsehen.<br />
Beim diesjährigen Start der D-Tour zeigte der Profi aus den Reihen<br />
von Bora–hansgrohe, dass er derzeit nicht umsonst als schnellster Sprinter<br />
der Welt gilt. Nach 167 Kilometern und Start in Hannover entschied Ackermann<br />
das Kräftemessen der schnellen Leute auf der Zielgeraden in Halberstadt<br />
für sich. Damit übernahm der Sprinter aus Kandel gleichzeitig das<br />
erste Rote Trikot des Gesamtführenden dieser Deutschland Tour. Platz zwei<br />
auf der leicht ansteigenden Zielgeraden ging an den Norweger Alexander<br />
Kristoff (UAE Team Emirates), der vor seinem italienischen Teamkollegen<br />
Simone Consonni die Ziellinie überquerte. „Wir hatten es heute nicht einfach,<br />
jedes Team hatte uns auf dem Kieker und wollte uns den Sieg streitig machen.<br />
Wir haben aber die Ruhe behalten und das Team hat im Finale einen unglaublichen<br />
Job gemacht. Auf dem letzten Kilometer haben wir sogar noch<br />
ein wenig taktiert und uns noch einmal kurz zurückfallen lassen. Mit der<br />
Gesamtführung müssen wir nun von Tag zu Tag schauen. Es wird sehr<br />
schwer, wir werden aber alles versuchen, hier noch eine Etappe zu gewin -<br />
nen“, sagte Ackermann im Ziel.<br />
Ackermanns Sieg war der perfekte Auftakt für das derzeit einzige Profietappenrennen<br />
auf deutschem Boden. Ihren Anfang hatte die Deutschland<br />
Tour <strong>2019</strong> bereits am Vorabend mit einer gefeierten Teampräsentation in<br />
Hannover genommen. Dabei zeigte sich erneut, dass die Rückkehr des<br />
größten deutschen Etappenrennens ins Peloton nach der bis zum letzten<br />
Sommer zehnjährigen Pause längst überfällig war. So hatte sich eine Rekordzahl<br />
von 15 WorldTour-Mannschaften gemeldet und die Startliste war mit<br />
Grand-Tour-Gewinnern, mehr als einem Dutzend Etappensieger der Tour<br />
de France, Welt-, Europa- und Landesmeistern sowie Monumentgewinnern<br />
gespickt. Neben heimischen Assen wie Ackermann, Emanuel Buchmann<br />
(ebenfalls Bora–hansgrohe), Nils Politt (Katusha-Alpecin) und Lennard Kämna<br />
(Team Sunweb) standen unter anderem so berühmte Namen wie Julian<br />
Alaphilippe (Deceuninck–Quick-Step), Geraint Thomas, Michal Kwiatkowski<br />
(beide Team Sky) oder Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) am Start.<br />
Dass die Strecke, die als Hommage an das 30-jährige Jubiläum der Öffnung<br />
der innerdeutschen Grenze von Hannover nach Erfurt führen sollte,<br />
Spannung versprach, zeigte bereits die erste Etappe: Eine Fluchtgruppe mit<br />
Nikodemus Holler (Bike Aid), Igor Boev (Gazprom-RusVelo), Joshua Huppertz<br />
(Team Lotto Kern-Haus) und Julien Bernard (Trek-Segafredo) sorgte<br />
so gleich zu Beginn für Spannung an der Spitze des Rennens. Die Ausreißer<br />
konnten sich aber letztlich nicht gegen die heraneilenden Mannschaften<br />
der Sprinter wehren – mit dem besten Ausgang für Ackermann. Damit revanchierte<br />
sich der 25-Jährige für seinen zweiten Platz zum Auftakt der<br />
Deutschland Tour im Vorjahr.<br />
32 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
DER (FAST) PERFEKTE AUFTAKT<br />
Ein erster Schlagabtausch der Favoriten, eine lange Solofahrt eines verheißungsvollen<br />
Talents und am Ende ein Sieger, der eigentlich schon<br />
abgehängt war … das zweite Teilstück der Deutschland Tour war an<br />
Ereignisreichtum kaum zu überbieten. Auf der welligen Etappe über 202 Kilometer<br />
von Marburg nach Göttingen setzte sich der Norweger Alexander<br />
Kristoff (UAE) im Schlusssprint einer dezimierten Gruppe vor Sonny Colbrelli<br />
(Bahrain-Merida) und Yves Lampaert (Deceuninck–Quick-Step) durch. Mit<br />
dem Sieg übernahm Kristoff das Rote Trikot des Gesamtführenden von<br />
Pascal Ackermann (Bora–hansgrohe). „Während der Etappe hatte ich bereits<br />
den Anschluss verloren, ich kam jedoch zurück, und im Finale fühlte ich mich<br />
immer besser. Im Zielsprint war ich kurz eingebaut, aber ich konnte mich befreien<br />
und noch an Colbrelli vorbeifahren. Gestern fühlte ich mich schon gut,<br />
aber der Sieg ist natürlich besser“, sagte Kristoff im Ziel. Am Vortag hatte er<br />
als Zweiter hinter Ackermann noch den Tagessieg verpasst. Ackermann verlor<br />
hingegen an Boden und erreichte das Ziel mit Rückstand. „Wir haben alles<br />
versucht, gegen die Bergfahrer haben wir berghoch aber keine Chance. Die<br />
Anfangsphase war extrem schnell, da mussten wir mitgehen, und das war am<br />
Ende einfach etwas zu viel“, sagte der deutsche Topsprinter im Ziel.<br />
Nach Start im hessischen Marburg hatte sich auf leicht welligem Terrain<br />
eine offensive und temporeiche Anfangsphase entwickelt, aus der nach rund<br />
25 Kilometern eine 25-köpfige Spitzengruppe entsprang. Die Gruppe umfasste<br />
unter anderem Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida), Julian Alaphilippe<br />
(Deceuninck–Quick-Step), Simon Geschke (CCC) sowie Emanuel Buchmann<br />
und den Gesamtführenden Ackermann von Bora–hansgrohe, kam allerdings<br />
nur rund 80 Kilometer weit. Zwischendrin gewann der Italiener Davide Villella<br />
(Astana) die erste Bergwertung und holte sich das Bergtrikot.<br />
Prägender Fahrer der Etappe war hingegen Remco Evenepoel (Deceuninck–<br />
Quick-Step), der über <strong>10</strong>0 Kilometer als Solist an der Spitze lag. Der 19-Jährige<br />
setzte sich nach 94 Kilometern ab und fuhr einen Vorsprung von über<br />
drei Minuten heraus. Zunächst organisierte Bora–hansgrohe die Verfolgungsarbeit,<br />
bei hohem Tempo teilte sich später jedoch das Hauptfeld in zwei Gruppen<br />
– zu den abgehängten Fahrern gehörten auch Alaphilippe und Ackermann.<br />
Evenepoel gewann noch die zweite Bergwertung sowie die beiden<br />
Sprintwertungen. An der zweiten Überfahrt an der Herzberger Landstraße<br />
in Göttingen holte das dezimierte Feld den Belgier jedoch wieder ein. „Der<br />
Tag war nicht einfach, die Strecke war sehr anspruchsvoll. Ich dachte auch<br />
an den Sieg, am letzten Anstieg holten sie mich aber zu früh ein, weshalb ich<br />
nicht mehr mitfahren konnte. Am Ende war es aber ein guter Trainingstag“,<br />
sagte der junge Belgier. Auf den letzten acht Kilometern probierten es der<br />
U23-Weltmeister Marc Hirschi (Sunweb) und Alexey Lutsenko (Astana) mit<br />
einem Vorstoß – allerdings erfolglos. Die Entscheidung fiel im Sprint eines<br />
reduzierten Feldes.<br />
© Deutschland Tour/Marcel Hilger<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 33
ASGREENS SPÄTE ATTACKE<br />
© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />
Simon Geschke, Nils Politt oder gar Emanuel Buchmann – die deutschen<br />
Fans hätten sich auf der hügeligen dritten Etappe durch den<br />
Thüringer Wald einen heimischen Sieger gewünscht. Am Ende lachte<br />
allerdings ein Däne: Kurz vor dem Ziel der 189 Kilometer zwischen Göttingen<br />
und Eisenach hatten sich Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) und Kasper<br />
Asgreen (Deceuninck–Quick-Step) aus einer kleinen Gruppe abgesetzt, den<br />
Schlusssprint gewann schließlich Asgreen. Sonny Colbrelli (Bahrain-Merida)<br />
führte die Verfolger um Buchmann, der zwischenzeitlich selbst attackiert<br />
hatte, und Geschke 17 Sekunden später ins Ziel. Stuyven übernahm das Rote<br />
Trikot des Gesamtführenden der Deutschland Tour <strong>2019</strong>. „Es war eine tolle<br />
Teamleistung heute. Wir hatten Julian Alaphilippe in der Spitzengruppe und<br />
konnten uns deshalb im Feld schonen. Für das Finale hatten wir einen Plan,<br />
und jeder trug seinen Teil dazu perfekt bei. Ich habe meine Sprintfähigkeiten<br />
verbessert, und einen Fahrer wie Stuyven zu schlagen, ist eine tolle Bestätigung“,<br />
sagte Sieger Asgreen.<br />
Nach Start im niedersächsischen Göttingen hatte sich nach wenigen Kilometern<br />
mit Julian Alaphilippe (Deceuninck–Quick-Step), Mads Pedersen<br />
(Trek-Segafredo) und Miká Heming (Dauner Akkon) die Fluchtgruppe des Tages<br />
zusammengefunden. Das Trio bekam zeitweise einen Vorsprung von über<br />
sieben Minuten vom Feld zugestanden, die Bergwertung in Heilbad Heiligenstadt<br />
sowie die Sprintwertung in Treffurt ging an Heming. Entscheidend waren<br />
die letzten 40 Kilometer mit drei Anstiegen durch den nordwestlichen<br />
Thüringer Wald. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei hohen sommerlichen Temperaturen<br />
nur noch Alaphilippe und Pedersen mit rund 1:30 Minuten an der<br />
Spitze. Alaphilippe sicherte sich noch die Bergwertung an der Hohen Sonne,<br />
Pedersen 27 Kilometer vor dem Ziel die Sprintwertung bei der ersten Zielpassage<br />
in Eisenach – unmittelbar danach war ihre Flucht beendet. Im Anschluss<br />
bildete sich im Anstieg über den Vachaer Stein eine neue, rund<br />
20-köpfige Spitzengruppe, zu der allerdings nicht der Gesamtführende Alexander<br />
Kristoff (Team UAE Emirates) gehörte. Die Spitzengruppe blieb auch<br />
im erneuten Aufstieg zur Hohen Sonne größtenteils zusammen, erst auf den<br />
letzten drei Kilometern löste sich zunächst Stuyven und bekam kurz darauf<br />
Begleitung durch den späteren Sieger Asgreen.<br />
„Das Finale war sehr schwer und taktisch. Deceuninck–Quick-Step hatte<br />
noch drei Fahrer in der Gruppe dabei. Ich bin dann noch einmal mit Emanuel<br />
Buchmann weggefahren, das war unsere einzige Chance. Aber wir wurden<br />
wieder eingeholt. Stuyven und Asgreen waren dann zum Schluss aber zu<br />
stark“, sagte Simon Geschke im Ziel. Und Tour-de-France-Star Buchmann<br />
erklärte: „Im letzten Anstieg war das Tempo extrem hoch. Als ich im Finale<br />
angriff, zog Stuyven an mir vorbei. Die Stimmung bei der Deutschland Tour<br />
ist super und es wird richtig hart gefahren, das macht es natürlich spannend.<br />
Morgen hoffen wir auf einen Sprint für Ackermann.“<br />
34 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
COLBRELLIS SCHLUSSAKT<br />
Nach den Plätzen drei und zwei auf den Voretappen platzte bei Sonny<br />
Colbrelli (Bahrain-Merida) auf der Schlussetappe der Deutschland<br />
Tour der Knoten: Der Italiener verwies in einem umkämpften Sprint<br />
nach 159,5 Kilometern von Eisenach nach Erfurt Yves Lampaert (Deceuninck–Quick-Step)<br />
und Alexander Kristoff (Team UAE Emirates) auf die weiteren<br />
Ränge. Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) reichte Platz fünf im Tagesergebnis,<br />
um sein rotes Führungstrikot zu verteidigen und den Gesamtsieg der<br />
Deutschland Tour zu feiern. „Meine Mannschaft hat die Etappe toll kontrolliert,<br />
und am Ende kam es auf mich an. Ich bin sehr glücklich mit diesem<br />
Sieg. Es ist mein erster Gesamterfolg bei einer Rundfahrt, das macht es zusätzlich<br />
sehr besonders für mich. Ich hörte bereits im vergangenen Jahr, dass<br />
die Rundfahrt toll ist, mit wenig kontrollierten Etappen. Und da war für mich<br />
klar, ich möchte hier unbedingt teilnehmen“, zeigte sich der Gesamtsieger im<br />
Ziel zufrieden.<br />
Direkt nach dem Start in Eisenach hatten sich der Vortagesetappensieger<br />
Kasper Asgreen (Deceuninck–Quick-Step) und Mads Pedersen (Trek-Segafredo)<br />
aus dem Feld abgesetzt, später stießen Jenthe Biermans (Team Katusha-Alpecin),<br />
Nans Peters (AG2R La Mondiale), Magnus Cort Nielsen (Astana),<br />
Kamil Gradek (CCC) sowie Evgeny Shalunov (Gazprom-RusVelo) zur<br />
Spitzengruppe hinzu. Ihr Vorsprung überstieg jedoch nie mehr als zwei Minuten,<br />
und nach 80 Kilometern war ihre Flucht zu Ende – einzig Cort Nielsen<br />
rettete sich noch einige Kilometer weiter und gewann den Bergpreis auf über<br />
800 Meter Höhe in Oberhof. Damit sicherte sich der Däne mit acht Punkten<br />
die Bergwertung dieser Deutschland Tour. Im Anschluss verlief die Strecke<br />
weitestgehend ohne Schwierigkeiten bis nach Erfurt. Zwischenzeitlich attackierte<br />
erst der Luxemburger Ben Gastauer (AG2R) und später Joshua Huppertz<br />
aus Aachen (Team Lotto Kern-Haus); beide kamen allerdings nicht weit.<br />
Die Entscheidung fiel auf zwei Schlussrunden mit ansteigender Zielgeraden in<br />
Erfurt, auf denen insbesondere Deceuninck–Quick-Step ein hohes Tempo<br />
forcierte. Den Tagessieg verpasste die belgische Mannschaft aber knapp.<br />
Bester deutscher Fahrer im Tagesergebnis war Simon Geschke (CCC), der<br />
im Sprint aus der Gruppe heraus Platz zehn erreichte. „Es war noch einmal<br />
eine schwere Etappe und ich hätte nicht gedacht, dass die Gruppe am Ende<br />
so klein ist. Deshalb konnte ich auch in den Sprint reinhalten. In der Gesamtwertung<br />
bin ich leider nicht ganz so weit vorne, wie ich gehofft hatte. Die Tour<br />
hat trotzdem sehr viel Spaß gemacht“, sagte Geschke. Der gebürtige Berliner<br />
beendete die Deutschland Tour schlussendlich mit 23 Sekunden Rückstand<br />
auf Platz zwölf als bester deutscher Profi in der Gesamtwertung. Mitfavorit<br />
Emanuel Buchmann (Bora–hansgrohe) landete einen Platz dahinter auf Rang<br />
13, ebenfalls mit 23 Sekunden Rückstand auf den Gesamtsieger Jasper Stuyven.<br />
Für den Kletterspezialisten fehlten im diesjährigen Profil der Deutschland<br />
Tour längere Anstiege.<br />
© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 35
UNTERWEGS MIT<br />
ERSTKLASSIGE<br />
ERZIEHUNG<br />
EF Education First ist wegweisend. Gestartet als Team<br />
Garmin im Jahr 2008, setzte es sich in einer Zeit für den<br />
Anti-Doping-Kampf ein, in der der Radsport durch Skandale<br />
wieder in die Knie gezwungen worden war. Heutzutage<br />
bringt das Team frischen Wind in den Radsport, indem es<br />
aus dem klassischen Rennkalender ausbricht und auch mal<br />
Gravel-, Mountainbike- oder Langstreckenrennen fährt. All<br />
dies unter Beibehaltung des eigenwilligen Ethos, der es seit<br />
jeher geprägt hat. In einer speziellen Sammlung von Artikeln<br />
folgt Procycling dem Pionierteam hinter die Kulissen, um<br />
herauszufinden, was es wirklich antreibt.<br />
Fotografie Gruber Images<br />
RIGOBERTO URÁN 38<br />
DER MACHER DES TEAMS 44<br />
MAMMA DI PASTA 52<br />
LACHLANS ABENTEUER 58<br />
TOMS TOUR-TAGEBUCH 68<br />
36 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 37
38 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
UNTERWEGS MIT<br />
DER GROSSE<br />
ENTERTAINER<br />
Wegen seiner unbekümmerten Art gilt Rigoberto Urán<br />
vielen als Spaßvogel des Pelotons, aber in Wirklichkeit ist er<br />
einer der professionellsten Fahrer im Feld. Procycling untersucht Uráns<br />
einzigartige Einstellung zum Radsport, zu den Rennen – und zum Leben.<br />
Text Fran Reyes Fotografie Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 39
RIGOBERTO URÁN<br />
Foder einem Akrobaten: Jeden Tag werfen Athleten<br />
ein Dutzend Bälle hoch, die Training, Ernährung,<br />
Familie, Ambitionen, Freundschaften, Verträge,<br />
Teamkollegen, Bosse und Erwartungsdruck sein<br />
können, und versuchen dann, sie alle möglichst<br />
lang in der Luft zu halten. Und wenn sie wirklich<br />
gut sind, kombinieren sie das mit einem Gang<br />
über ein Hochseil – ein dünner Draht, der ihre<br />
schwierige Vergangenheit mit einer unsicheren<br />
Zukunft verbindet. Bei ein paar Glücklichen ist<br />
die Fähigkeit, im Gleichgewicht zu bleiben, während<br />
sie mit verschiedenen Objekten jonglieren,<br />
angeboren. Bei anderen entwickelt sie sich mit der<br />
Erfahrung. Viele andere schaffen es nie, weil es<br />
schwer ist da oben auf dem Seil, wenn alle einen<br />
anschauen.<br />
Rigoberto Urán ist einer von denen, die hart an<br />
ihrer Fähigkeit arbeiten mussten, alles in der Luft<br />
zu halten. Aber nach einem Leben voller lehrreicher<br />
Erfahrungen kam die Erleuchtung vor nicht<br />
allzu langer Zeit. „Ich habe bei einer Tour de France<br />
ür viele mag ein Berufssportler wie eine Maschine eine sehr hässliche, verstörende Erfahrung gemacht.<br />
Ich hätte eine große Leistung abliefern<br />
wirken, dazu erschaffen, in die Pedale zu treten,<br />
zu laufen oder Tore zu schießen – ein Roboter, sollen und habe eine beschissene abgeliefert“,<br />
den man einschaltet, wenn der Wettkampf losgeht,<br />
und der dann in Watte gehüllt wird, wenn es unangenehme war. „Ich habe immer davon ge<br />
sagt er und vermeidet es zu sagen, welche Tour die<br />
vorbei ist. Das ist vielleicht ein Grund, warum es träumt, mit dem Radfahren meinen Lebensunterhalt<br />
zu verdienen, und plötzlich hat mir keine ein<br />
bei Fußballspielen von den Rängen Spott und Beschimpfungen<br />
hagelt – als würde ein Spitzensportler<br />
von den Beleidigungen weniger hart ge<br />
habe ich beschlossen, meine Einstellung zu änzige<br />
Pedalumdrehung mehr Spaß gemacht. Da<br />
troffen als ein normaler Mensch.<br />
dern, sodass mein Glück nie wieder von meinen<br />
Aber natürlich sind auch Athleten aus Fleisch Resultaten abhängt.“<br />
und Blut, nur dass sich ihr Leben mit einem Zirkusartisten<br />
vergleichen lässt – einem Jongleur „Ich fange jede Saison bei null an. Ich trage keine<br />
Und so definiert Urán seine neue Philosophie:<br />
Resultate von früheren Jahren mit mir herum,<br />
egal ob gut oder schlecht. Ich versuche alles zu<br />
genießen, was ich auf dem Rad mache. Manchmal<br />
ist es schwer, besonders bei Rennen wie der<br />
Tour, wo es ununterbrochen Druck und Stress<br />
gibt. Aber sogar im Juli versuche ich, das Rennen<br />
Tag für Tag anzugehen und die Straße sprechen<br />
zu lassen.“<br />
Wir führen diese Unterhaltung am zweiten<br />
Ruhetag der Tour <strong>2019</strong>. Urán befindet sich auf<br />
einem mittelmäßigen zehnten Gesamtrang, der<br />
bis Paris zum siebten wird, doch er hält sich an<br />
seine Worte: Die Enttäuschung wird beiseitegewischt,<br />
er ist gesprächig und fröhlich. Seine<br />
Philosophie klingt schön und gut, aber was ist sie<br />
wert, wenn es mal nicht läuft? „Ich lasse Arbeitsprobleme<br />
immer auf der Arbeit und familiäre<br />
Probleme immer zu Hause. Wir können nicht<br />
den ganzen Tag das Gewicht all unserer Sorgen<br />
auf den Schultern tragen. Die Tour ist nicht mein<br />
Leben. Radsport ist nicht mein Leben. Ich liebe<br />
Sport und bin in guter Form, aber die Resultate<br />
bedeuten mir nicht so viel wie anderen Fahrern<br />
– oder wie mir selbst früher.“<br />
Er sagt weiter: „Ein 20-Jähriger nimmt vielleicht<br />
alles als selbstverständlich hin, wenn er nicht<br />
nach Resultaten beurteilt wird. Aber wenn du in<br />
deinem Leben genug Erfahrungen gemacht hast,<br />
bist du auf einem anderen Niveau. Es ist schwer<br />
zu erklären, aber du weißt einfach, wie es läuft.<br />
Du bereitest dich gewissenhaft vor, du weißt,<br />
was du brauchst, um der Aufgabe gewachsen zu<br />
sein. Du glaubst an dich, du meisterst die Teamarbeit<br />
– du tust dein Bestes. Aber wir sind alle<br />
menschlich. Manchmal bist du obenauf, manchmal<br />
nicht. Und das sollte unsere Einstellung<br />
nicht ändern.“<br />
Der spanische Fahrer Luis Pasamontes kennt<br />
Urán gut. Die beiden waren vier Jahre im selben<br />
40 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
RIGOBERTO URÁN<br />
Im Sprint setzt sich Urán bei der<br />
Tour 2017 knapp gegen Barguil durch.<br />
Team, als der Kolumbianer seine Profikarriere begann,<br />
erst 2007 beim belgischen Team Unibat<br />
und dann drei Jahre bei Caisse d’Épargne, dem<br />
Vorläufer von Movi star. „Bei Unibet haben mich<br />
die Sport lichen Leiter gebeten, auf ihn aufzupassen,<br />
weil er erst 20 war und sich hätte schwertun<br />
können, sich im Team einzuleben. Er war zwar<br />
ein sehr junger, aber sehr reifer Mann. Eine Woche<br />
später sagte ich dem Sportdirektor, dass er am<br />
Ende vielleicht auf mich aufpasst!“<br />
RIGO ZIEHT AN<br />
Urán und seine Entourage haben letzten Jahr ein Jedermannrennen<br />
organisiert: El Giro de Rigo. „Es zog 2.000 Teilnehmer aus<br />
19 Ländern an“, sagt er stolz. Unter ihnen war Chris Froome.<br />
Seit 2014 betreibt er auch die Bekleidungsmarke Go Rigo Go.<br />
„Es begann als Hobby, aber jetzt denke ich, das ist etwas,<br />
woran ich auch nach meinem Karriereende Spaß haben<br />
werde. Ich mag es auch, etwas zu schaffen, das den<br />
Leuten gefällt – und eine ganze Handvoll Arbeitsplätze.“<br />
Urán macht es auf seine persönliche Art. Die kolumbianische<br />
Presse berichtet, dass er einige Sachen<br />
persönlich ausliefert – auf dem Fahrrad. Das Logo der<br />
Marke ist ein Totenkopf, erklärt er, „weil wir<br />
schwarz, weiß, reich, arm, schön, hässlich, klug,<br />
dumm, dick oder dünn sein können – aber wir<br />
haben alle einen Schädel unter der Haut.“<br />
© Gruber Images (oben)<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 41
RIGOBERTO URÁN<br />
Urán kämpft sich am<br />
Tourmalet zum siebten<br />
Schlussrang der Tour <strong>2019</strong>.<br />
2014 führte Urán vier<br />
Tage lang den Giro d’Italia an.<br />
Pasamontes arbeitet heute als Mentaltrainer<br />
und sieht Uráns Einstellung zum Radsport anders.<br />
„Er hat die Fähigkeit, alles richtig zu machen,<br />
und hat immer noch Raum und Zeit, um<br />
sich um sein Bekleidungs-Business zu kümmern<br />
und zu Veranstaltungen und Konzerten zu gehen<br />
… Diese Projekte und Hobbys sind wichtig, um die<br />
emotionale Belastung von Radrennen zu verringern<br />
und länger als üblich Radsport auf höchstem<br />
Niveau machen zu können. Superprofessionell zu<br />
sein, kann einen Fahrer verrückt machen und seine<br />
Karriere ruinieren. Rigo hat bewiesen, dass es<br />
nicht sein muss, jeden Bissen Essen abzuwiegen,<br />
um ein hervorragender Radprofi zu sein.“<br />
In der Tat ist Urán der kolumbianische Fahrer<br />
mit der längsten Karriere im Oberhaus des Radsports:<br />
zwölf Jahre – und kein Ende in Sicht. Santiago<br />
Botero fuhr zehn und Víctor Hugo Peña<br />
neun Jahre, und keiner von beiden hatte einen<br />
Grand-Tour-Podiumsplatz zu Buche stehen.<br />
Urán dagegen war zweimal Zweiter beim Giro<br />
d’Italia und einmal bei der Tour de France.<br />
Doch trotz seiner drei zweiten Plätze hat er<br />
nie eine große Rundfahrt gewonnen.<br />
„Muss ich das?“, fragt er, als er darauf angesprochen<br />
wird. „Wozu? Es wäre schön und<br />
ich trainiere gern dafür. Aber es bereitet mir<br />
keine schlaflosen Nächte. Ein Grand-Tour-<br />
Sieg würde mein Leben nicht ändern. Das<br />
habe ich hinter mir.“ Einige mögen diese Denkweise<br />
als mangelnden Willen auslegen, doch er<br />
sieht das anders. „Im Gegenteil. Ich meine es<br />
ernst mit dem Radsport und damit, mein Bestes<br />
zu geben. Ich weiß, wenn ich das alles irgendeinem<br />
anderen Team in der Welt erzählen würde,<br />
würden sie es vielleicht nicht verstehen. Aber<br />
bei EF Education First verstehen sie es. Sie kennen<br />
mich und sie wissen, dass ich absolut Radsport<br />
auf höchstem Niveau betreiben will. Sie<br />
wissen auch, dass ich jederzeit aufhören kann,<br />
wenn ich es satt habe. Es ist sehr wichtig für<br />
mich, mich von meinem Team unterstützt zu<br />
fühlen und zu wissen, dass es meine Lebens <br />
weise respektiert.“<br />
„Er hat die seltene Gabe zu verstehen, was<br />
wichtig ist im Leben“, sagt Pasamontes. „Ich<br />
habe es in diesem Maße bei keinem anderen erlebt.<br />
Seine Lebenserfahrung sagt ihm, was wichtig<br />
ist und was nicht.“ An diesem Punkt muss<br />
man daran erinnern, dass Urán mit 14 seinen<br />
Vater verlor, der von Paramilitärs ermordet wurde,<br />
und auf einmal die Familie ernähren musste.<br />
Er sah den Radsport als Ausweg aus dieser<br />
schweren Situa tion.<br />
„2001, als ich mein erstes Rennen fuhr, hat <br />
ten wir es zu Hause nicht leicht“, sagt Urán. „Ich<br />
erreichte die Junioren-Kategorie und begann,<br />
mit dem Radsport Geld zu verdienen. Ich sah den<br />
24<br />
GROSSE<br />
ERFOLGE<br />
Urán stand ganze 57-mal auf dem Treppchen. Sein<br />
größter Erfolg ist ein Tour-Etappensieg, doch er<br />
war auch Gesamt-Zweiter bei Tour und Giro.<br />
1. PLATZ 2. PLATZ 3. PLATZ<br />
57<br />
13<br />
20<br />
Radsport als mögliche Lösung in einem kritischen<br />
Moment für meine Familie und mich. Ich brauchte<br />
dringend einen Job, um Geld nach Hause zu<br />
bringen.“<br />
Der Manager Giuseppe Acquadro besorgte ihm<br />
einen Platz im kleinen italienischen Tenax-Team.<br />
„Es war schwer für ihn, seine Familie zu verlassen<br />
und nach Europa zu ziehen“, sagt Pasamontes.<br />
„Aber er wusste, dass seine Familie der Grund für<br />
seinen Umzug war.“ Urán betont: „Der Radsport<br />
hat das Leben meiner ganzen Familie geändert,<br />
und zwar zum Besseren.“<br />
Und trotzdem ist Geld nicht alles für unseren<br />
Zirkus-Performer. Die Menschen stehen an erster<br />
Stelle. Wenn er über seine ersten Jahre in Europa<br />
spricht, erinnert sich Urán zu allererst an seine<br />
„italienischen Eltern“. „Das Tenax-Team hatte<br />
eine Wohnung von einem älteren Ehepaar angemietet“,<br />
sagt er. „Von Anfang an waren sie meine<br />
italienischen Eltern und unterstützten mich, wo<br />
sie konnten. Ich besuche sie immer noch gele<br />
42 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
RIGOBERTO URÁN<br />
SPIEL’S NOCH<br />
EINMAL, RIGO<br />
gentlich und sie haben mein Zimmer gelassen, wie<br />
es war – meine Bekleidung, mein altes Rad und<br />
meine Preise. Diese Bekanntschaft zählt mit zum<br />
Schönsten, was mir je im Radsport passiert ist.“<br />
Eine vielsagende Äußerung von Rigoberto<br />
Urán: „Ich liebe es, barfuß zu laufen“, sagt er. „Da<br />
habe ich das Gefühl, im Kontakt mit der Natur zu<br />
sein. Wenn ich in Kolumbien auf dem Lande bin,<br />
liebe ich es, die Schuhe auszuziehen, herumzulaufen,<br />
Bäume zu umarmen … Meine Oma hat<br />
immer gesagt, so können wir unsere Batterien mit<br />
natürlicher Energie aufladen.“<br />
Kaum etwas ist so pur wie barfuß zu laufen.<br />
Und übrigens: Einige sagen, barfuß bewege man<br />
sich auf dem Hochseil am besten. Bei Urán<br />
scheint es zu funktionieren.<br />
Ein Aspekt der kolumbianischen Kultur,<br />
den Urán vorangebracht hat, ist die<br />
Musik seines Landes. „Als ich bei Caisse<br />
d’Épargne war, habe ich im Bus<br />
Reggaeton gehört, und meine Teamkollegen<br />
haben mich gebeten, die Musik<br />
auszumachen“, erinnert er sich lachend.<br />
„Jetzt hört jeder diese Musik. Der<br />
Rhythmus ist sehr eingängig.“ Durch<br />
seine Leidenschaft<br />
für Musik hat er einige Bekanntschaften<br />
in dieser Welt gemacht. „Ich kenne<br />
einige kolumbianische Musiker wie<br />
Carlos Vives. Sie laden mich zu ihren<br />
Konzerten ein, wenn sie wissen, dass ich<br />
in der Gegend bin, aber diese Gelegenheiten<br />
gibt es nicht oft, da ich jetzt in<br />
Monaco lebe. Ich besuche weniger<br />
Konzerte, als ich gerne würde.“<br />
© Kramon<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 43
UNTERWEGS MIT<br />
© Joseph Branston<br />
L’ÉQUIPE,<br />
C’EST MOI<br />
2003 gründete Jonathan Vaughters die Mannschaft,<br />
die zu EF Education First wurde, als Junioren-<br />
Nachwuchsteam. Seitdem hat sich seine Truppe zu<br />
einem festen Bestandteil der WorldTour entwickelt.<br />
Gegenüber Procycling erzählt der Manager, was sich<br />
in diesen 17 Jahren geändert hat – und was nicht.<br />
Text Edward Pickering<br />
Im November ist es zwölf Jahre her, dass ich<br />
bei einer Trainingsfahrt in Boulder, Colorado,<br />
im Slipstream-Mannschaftswagen saß und<br />
Jonathan Vaughters mir seine große Idee erklärte.<br />
Vor ihm trat Magnus Backstedt in einem Anstieg<br />
kräftig in die Pedale, während es andere Fahrer<br />
locker angehen ließen, nachdem sie am Vorabend<br />
durch die Bars von Boulder gezogen waren.<br />
„Warum steckt ein Sponsor Geld in ein Radsportteam?“,<br />
fragte er mich. „Publicity. Und wie<br />
bekommt man Publicity? Die Antwort lautet bis<br />
heute, dass man Publicity und damit ein positives<br />
Image bekommt, indem man Rennen gewinnt.“<br />
Im Kontext von Ende 2007, als Vaughters für<br />
Schlagzeilen sorgte, indem er ein Team gründete,<br />
das für sauberen Radsport stand, war Gewinnen<br />
wahrscheinlich gleichbedeutend mit Dopen. Die<br />
Sieger der drei großen Rundfahrten jenes Jahres<br />
hießen Danilo Di Luca, Alberto Contador und<br />
Denis Mentschow, deren Karrieren nicht ohne<br />
Dopingmakel blieben. Das Gleiche galt für die<br />
meisten Monumente: Ballan in Flandern, O’Grady<br />
in Roubaix und Di Luca in Lüttich waren Sieger,<br />
die irgendwann entweder positiv getestet wurden<br />
oder Doping zugaben. Vaughters wusste Ende<br />
2007, dass er keinem Sponsor gute Resultate ga-<br />
44 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
antieren konnte (obwohl er sie bekam), also<br />
machte er das Gewinnen zum Nebenerzeugnis<br />
statt zum Ziel seines gerade in die ProConti-<br />
Division aufgestiegenen Teams.<br />
„Du kannst dich von diesem Paradigma [siegen<br />
zu müssen] lösen, indem du andere Wege findest,<br />
deinem Sponsor ein positives Image zu geben –<br />
und eine Publicity, die nichts mit Siegen zu tun<br />
hat“, sagte Vaughters zu mir.<br />
Heutzutage ist es dasselbe, aber anders. Der<br />
Dopingkrieg ist zwar nicht endgültig gewonnen,<br />
aber der biologische Pass, bessere Kontrollen, eine<br />
veränderte Kultur und einige andere Faktoren bedeuten,<br />
dass EF Education First sich nicht mehr<br />
als „sauberes Team“ des Radsports verkaufen<br />
kann wie 2008 – es hat kein Monopol mehr.<br />
Doch das Team versucht weiter, seinen Wert für<br />
seinen Sponsor über Radrennen und Siege hinaus<br />
zu vergrößern. Die Ironie ist natürlich, dass es<br />
tatsächlich viele bedeutende Rennen gewonnen<br />
hat – das Team hat eine große Rundfahrt für sich<br />
entschieden und ist eines von nur vier Teams in<br />
der WorldTour, die vier der fünf Monumente gewonnen<br />
haben (Deceuninck und Lotto mit fünf<br />
und Mitchelton mit vier sind die anderen.) <strong>2019</strong><br />
ist man sogar mit einem Monument im Plus –<br />
„WIR SIND DAS AMERI KA -<br />
NISCHE TEAM, DAS AM<br />
LÄNGSTEN BEI DER TOUR<br />
DE FRANCE IST.“<br />
nach Alberto Bettiols eindrucksvollem Sieg bei der<br />
Flandern-Rundfahrt –, aber die größere<br />
Geschichte ist die Betätigung des Teams in der<br />
Offroad- und Endurance-Szene abseits des<br />
WorldTour-Kalenders. Ob das Experiment, an<br />
Rennen wie GBDuro, Dirty Kanza und Leadville<br />
<strong>10</strong>0 teilzunehmen, wegweisend ist oder nicht,<br />
wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen, aber<br />
bemerkenswert ist, dass EF Education First es<br />
schon zwei Jahre macht und dabei nicht das einzige<br />
Team ist – auch Trek-Segafredo-Profi Peter<br />
Stetina hat ein ähnlich gemischtes Programm mit<br />
Gravel- und Straßenrennen bestritten.<br />
Aber die größte Geschichte und der größte Erfolg<br />
des Teams ist, dass es noch existiert. Vaughters<br />
ist älter, ein bisschen fülliger, faltiger und<br />
unendlich erfahrener als 2007, als ihn eine Mischung<br />
aus Idealismus, Naivität und aufkeimendem<br />
Geschäftssinn neben einer gut versteckten<br />
obsessiven Ader, die seine Karriere als Teammanager<br />
voranbringen und sein Privatleben ruinieren<br />
sollte, befähigte, das Team nicht nur auf die Beine<br />
zu stellen, sondern einige große Resultate zu erzielen:<br />
Vierter der Tour 2008 mit Christian Vande<br />
Velde, Dritter bei der folgenden mit Bradley Wiggins.<br />
Aber Resultate zu erreichen war nur ein<br />
Kampf – die Rechnungen dafür zu bezahlen war<br />
der andere.<br />
EF Education First erreicht das Ende seiner<br />
17. Saison und seiner zwölften auf höchstem Niveau.<br />
Damit ist die Formation, verglichen mit anderen<br />
Teams, im mittleren Alter. Großvater der<br />
World Tour ist Movistar, das es seit 1980 gibt; mit<br />
Jumbo–Visma and Lotto Soudal gehen zwei weitere<br />
Teams auf die 1980er zurück. (Das jüngste<br />
Team ist Bahrain-Merida, das seine vierte Saison<br />
beendet.) Vaughters hat wechselnde Sponso-<br />
Vaughters hat ein freundliches Team aufgebaut,<br />
dessen Atmosphäre einen guten Ruf hat.<br />
© Gruber Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 45
JONATHAN VAUGHTERS<br />
© Getty Images<br />
46 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
JONATHAN VAUGHTERS<br />
Vaughters hat den Ruf, der Presse<br />
gegenüber offen und ehrlich zu sein.<br />
„ALEX PASSTE DAMALS REIN<br />
UND ER PASST HEUTE REIN.<br />
ER IST HOCHINTELLIGENT,<br />
INDIVIDUALISTISCH, ABER<br />
UNGLAUBLICH SELBSTLOS.“<br />
ren, zwei Fusionen und eine Phase in der Saison<br />
2017 erlebt, wo der Fortbestand des Teams auf<br />
der Kippe stand. Dass es überhaupt noch hier ist,<br />
ist eine Art Wunder. 2008 war die Truppe der<br />
Neuankömmling; heute, als wir am zweiten Ruhetag<br />
der Tour <strong>2019</strong> mit ihr reden, leitet Vaughters<br />
eines der ältesten Teams.<br />
„Wir sind das amerikanische Team, das am<br />
längsten bei der Tour de France ist“, sagt Vaughters.<br />
„Damit ein amerikanisches Team – abgesehen<br />
von Trek – überlebt, musst du sehr agil sein.<br />
US-Firmen geben dir zwei- bis dreijährige Sponsorenverträge.<br />
Sie bekommen, was sie brauchen,<br />
und dann ziehen sie weiter. So funktioniert das<br />
einfach. Auf dem amerikanischen Markt brauchst<br />
du unter kommerziellen Gesichtspunkten einen<br />
kugelsicheren Plan. So gern ich auch die Flandern-Rundfahrt<br />
gewinnen würde, würde ein Sieg<br />
bei dem Rennen absolut niemanden überzeugen,<br />
ein Radsportteam zu finanzieren.“<br />
Alex Howes ist einer der Senioren des<br />
Teams, dem er schon als Junior angehörte.<br />
Er sagt weiter: „Wir haben keinen starken na tionalen<br />
Sponsoren-Markt, aus dem wir etwas herausangeln<br />
können. In Amerika dreht sich alles<br />
um Shareholder Value, den Aktionärswert – passt<br />
ein Radsportteam da rein oder fährt ein Unternehmen<br />
besser damit, einen Packen Google-Anzeigen<br />
zu kaufen, die gezielt geschaltet werden?<br />
Damit müssen wir konkurrieren. Die Tatsache,<br />
dass wir so lange überlebt haben, ist außerordentlich.<br />
Und jetzt haben wir ein langes Leben vor<br />
uns, weil die EF-Leute sehr engagiert sind.“<br />
Der antike griechische Schriftsteller Plutarch<br />
stellte in dem Gedankenexperiment „Schiff des<br />
Theseus“ die Frage: Wenn das Schiff des griechischen<br />
Helden im Laufe der Zeit repariert wurde,<br />
seine Holzplanken nach und nach ausgetauscht<br />
DIE <strong>10</strong> WICHTIGSTEN RESULTATE FÜR EF<br />
GIRO D’ITALIA 2008<br />
Das Team startet mit einem perfekten<br />
Mannschaftszeitfahren in den Giro 2008 und<br />
Christian Vande Velde trägt das erste Rosa<br />
Trikot. Wichtigste Fahrer des Tages: Vande<br />
Velde, Zabriskie und Millar.<br />
wurden, bis vom Original nichts mehr übrig war,<br />
war es dann noch dasselbe Boot?<br />
<strong>2019</strong> ist keiner der ursprünglichen Fahrer von<br />
2008 mehr bei EF Education First. Drei der Fahrer<br />
der Erstbesetzung blieben bis 2015 – Tom<br />
Danielson, Ryder Hesjedal und Dan Martin. Am<br />
längsten dabei ist heute Alex Howes, der seit 2012<br />
für das Profiteam fährt und seit 2007 mit zwei<br />
Unterbrechungen beim Nachwuchsteam war.<br />
„Alex ist schon ewig hier“, sagt Vaughters. „Ist<br />
Slipstream gleich geblieben? Er ist das beste Beispiel.<br />
Er passte damals rein und er passt heute<br />
rein. Er ist hochintelligent, individualistisch, aber<br />
unglaublich selbstlos.“<br />
Doch wer wirklich immer schon da war, ist<br />
Vaughters selbst. Genau wie Deceuninck–Quick-<br />
Step mit Patrick Lefevere und Groupama-FDJ mit<br />
Marc Madiot, kann man sich das Team nicht ohne<br />
seinen Generalmanager vorstellen. Das Gute da ran<br />
ist, dass Vaughters das praktisch unkündbar<br />
macht. Als er und sein Geschäftspartner Doug Ellis<br />
gemeinsam Eigentümer des Teams waren, war<br />
das selbstverständlich, auch wenn Vaughters in<br />
seinem unlängst erschienenen Buch One Way Ticket<br />
den Versuch einer Gruppe von Fahrern beschreibt,<br />
ihn auszubooten. Jetzt, wo das Team an<br />
EF Education First verkauft wurde, ist es theoretisch<br />
denkbar, dass er eines Tages ersetzt werden<br />
könnte, aber immer noch unvorstellbar.<br />
Die allgemeine Wahrnehmung von Slipstream<br />
im Laufe der Jahre ist, dass es das ursprüngliche,<br />
saubere Team war, und es gilt noch heute als Gegensatz<br />
zu den schlechten alten Zeiten von Lance<br />
Armstrong, dessen Antipathie zu Vaughters<br />
TOUR DE FRANCE 2008<br />
Obwohl ihn niemand für die Gesamtwertung auf<br />
der Rechnung hatte, fährt Christian Vande Velde<br />
das ganze Rennen über superb und wird<br />
Gesamt-Vierter. Ein schlechter Tag in den Alpen<br />
kostet ihn einen Podestplatz.<br />
© Gruber Images, Getty Images (Leiste)<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 47
JONATHAN VAUGHTERS<br />
und dem Team so groß war, dass es angeblich eine<br />
Motivation für sein unseliges Comeback und seinen<br />
anschließenden Sturz war. Aber die saubere<br />
Masche konnte nur so lange gehen, wie Doping<br />
eine große Geschichte im Radsport war, und das<br />
eigentlich verbindende Thema des Teams ist die<br />
Eigenwilligkeit und der Charakter, den Vaughters<br />
selbst ihm durch sein Verhalten und seine Personalpolitik<br />
verliehen hat. Ja, er engagiert die physisch<br />
stärksten Fahrer, die er sich leisten kann,<br />
aber sie brauchen ein gewisses Faible für die Art<br />
und Weise, wie das Team geführt wird – wenn<br />
Fahrer irgendeines Teams am Tisch säßen und<br />
ein auf Plutarch zurückgehendes Gedankenexperiment<br />
durchführten, wären es die von EF<br />
Education First. Wahrscheinlich Phinney.<br />
„Das Team hat sich entwickelt, aber im Wesentlichen<br />
ist der Charakter noch da“, sagt Vaughters.<br />
„Ich würde sagen, dass die Fahrer eine viel<br />
nettere, höflichere Gruppe von Leuten sind. 2008<br />
war es ein ziemlich wildes Team. Jetzt ist es viel<br />
weniger wild. Die Jungs sind konzentrierter und<br />
profes sioneller – die Abstände sind viel geringer,<br />
daher können sie es sich nicht leisten, auf einem<br />
dreistündigen Transfer bei einer Giro-Etappe zwei<br />
Sixpacks zu trinken. Das geht nicht mehr. Die<br />
Fahrer, besonders bei diesem Team, sind gesellschaftlich<br />
verantwortungsvollere, gewissenhaftere<br />
und nettere Leute.“<br />
Einer der größten Unterschiede zwischen 2008<br />
und <strong>2019</strong> ist, dass Vaughters selbst mit seinem<br />
Team wachsen und sich entwickeln musste.<br />
2008 war er 35 Jahre alt, kaum älter als einige<br />
seiner Fahrer und erst seit ein paar Jahren nicht<br />
mehr aktiv. Und da war noch etwas: Als Fahrer<br />
war er weniger erfolgreich gewesen als einige seiner<br />
selbstbewussteren Teammitglieder wie David<br />
Millar und Christian Vande Velde.<br />
„MANCHMAL GESTATTET ES<br />
MIR DIESE GRUPPE, EIN<br />
GLEICHRANGIGER ZU SEIN,<br />
ABER ES IST EHER EINE<br />
VÄTERLICHE BEZIEHUNG.“<br />
Vaughters freut sich mit seinen<br />
Fahrern über einen Sieg im Mannschaftszeitfahren<br />
bei der Tour 2011.<br />
„Plötzlich gab ich ihnen Anweisungen als jemand,<br />
der als Fahrer nicht erfolgreich gewesen<br />
war. Das war für sie schwer zu akzeptieren, daher<br />
gab es dauernd Reibereien. Heute gibt es<br />
keine Spannungen mehr. Die Beziehung zu den<br />
Fahrern ist anders. Damals war ich fast wie ein<br />
Gleichrangiger, und es war nervig, dass ich der<br />
Boss war“, sagt er. „Manchmal gestattet es mir<br />
diese Gruppe, eine Weile ein Gleichrangiger zu<br />
sein, aber es ist eher eine väterliche als eine brüderliche<br />
Beziehung.“<br />
Die Idee, dass es einen bestimmten psycholo -<br />
gischen „Typ“ Fahrer bei EF Education First gibt,<br />
hält einer Überprüfung stand. Als Vaughters erwähnte,<br />
seine Fahrer seien gewissenhafter und<br />
netter, bezog er sich teilweise darauf, dass sein<br />
Team 2008 außer Kontrolle zu geraten drohte,<br />
aber er bezog sich auch generell auf seine Sponsoren<br />
und Fahrer.<br />
„EF ist superintelligent, wie sie das Team se -<br />
hen. Sie sehen es als Argument für ihre rund<br />
50.000 Mitarbeiter und als eine Art, eine Marke<br />
zu bewerben, die nur sehr wenige Leute kannten.<br />
In den USA ist es heutzutage schwer, Personal<br />
anzuwerben und zu behalten. Wir haben eine geringe<br />
Arbeitslosigkeit, die Leute können häufig<br />
den Arbeitgeber wechseln, und wir haben Firmen,<br />
die etwas Attraktives und Interessantes machen,<br />
womit sich die Arbeitnehmer identifizieren können<br />
– diese Strategien sind erfolgreicher, als den<br />
Menschen nur mehr zu bezahlen. Unsere Generation<br />
bezahlt den Menschen einfach mehr. Die<br />
Millennials fragen: ‚Wofür steht meine Firma?‘“<br />
Gilt das auch für seine Fahrer? „Vielleicht ist es<br />
nicht so verrückt wie damals, aber ich glaube, wir<br />
gelten als eines der lockereren, fröhlicheren und<br />
lustigeren Teams. Das liegt irgendwie an meiner<br />
Persönlichkeit. Es gibt Fahrer und Fans, die sich<br />
von dieser exzentrischen Lockerheit angezogen<br />
fühlen, und es gibt Fahrer und Fans, die finden,<br />
dass es wie eine Clownshow aussieht. Am Ende<br />
hast du eine Gruppe von Fahrern, die sich von diesem<br />
Umfeld angezogen fühlen, wie Rigo oder Higuita.<br />
Alberto Bettiol ist ein klassisches Beispiel<br />
– ihm gefällt es hier. Fahrer, die mehr Strenge und<br />
Anweisungen brauchen, sind hier nicht so gut<br />
aufgehoben. Aber das gilt auch für die Fans.<br />
© Getty Images<br />
TOUR DE FRANCE 2009<br />
Der Ruf des Teams, ein Händchen für<br />
Talente zu haben, bestätigt sich, als<br />
Bradley Wiggins bei der Tour Vierter<br />
wird (später auf den dritten Platz<br />
hochgestuft). Vande Velde ist Achter<br />
(später Siebter), womit das Team zwei<br />
Fahrer in den Top Ten hat.<br />
PARIS–ROUBAIX 2011<br />
Als Garmin-Cervélo führt das Team<br />
einen perfekten taktischen Plan aus:<br />
Erst spielt Vaughters die überlegene<br />
Stärke von Fabian Cancellara aus, dann<br />
wird Johan Vansummeren in eine<br />
Position gebracht, aus der heraus er das<br />
erste Monument des Teams gewinnt.<br />
TOUR DE<br />
FRANCE 2011<br />
Die wohl beste Tour des Teams.<br />
Es gewinnt vier Etappen: das<br />
Mannschaftszeitfahren, einen<br />
Sprintsieg mit Farrar und zwei mit<br />
Hushovd. Tom Danielson wird<br />
Gesamt-Achter in Paris.<br />
GIRO D’ITALIA 2012<br />
Der große Sieg. Ryder Hesjedal<br />
ist nicht der Stärkste, aber er<br />
überrascht den besseren<br />
Kletterer Joaquim Rodríguez,<br />
und der Kanadier fährt mithilfe<br />
seines Teams ins Rosa Trikot<br />
und zum Gesamtsieg.<br />
48 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
JONATHAN VAUGHTERS<br />
© Gruber Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 49
JONATHAN VAUGHTERS<br />
Vaughters und Lance Armstrong<br />
kamen nie wirklich gut miteinander aus.<br />
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Fans<br />
von Deceuninck–Quick-Step gibt, die auch EF-<br />
Fans sind. Sie sind so: ‚Wir sind das Wolfs rudel.<br />
Rarrrr.‘“<br />
Er fügt hinzu: „Ich kann da nur mit den Augen<br />
rollen, aber auch bei diesem Team, das sehr darauf<br />
konzentriert ist, so viel zu gewinnen wie<br />
möglich, und sehr auf die sportlichen Qualitäten<br />
konzen triert ist und nicht unbedingt auf die breitere<br />
Wirkung seines Outputs, funktioniert es für<br />
seine Fans und eine bestimmte Gruppe von Fahrern.<br />
Wir bewegen uns in einem anderen Raum.<br />
Unter kommerziellen Gesichtspunkten sehe ich<br />
das Team nicht als Konkurrenten und es sieht<br />
mich nicht als Konkurrenten. Ich bin bei der<br />
Suche nach einem Sponsor noch nie Patrick Lefevere<br />
in die Quere gekommen. Er und ich fischen<br />
nicht im selben Teich.“<br />
Es gab eine weitere Erinnerung aus den<br />
2000ern, eine aus dem folgenden Jahr, die mir<br />
blieb: Die Saison, als Slipstream startete, das<br />
Rosa Trikot beim Giro trug und Vierter der Tour<br />
wurde – 2008 –, war das Jahr, in dem Lance<br />
Arm strong sein Comeback ankündigte. Ich war<br />
nach Austin gereist, um ihn zu interviewen, und<br />
weil ich mich für Slipstream interessierte und<br />
für Armstrong, fragte ich ihn nach seinen Landsleuten.<br />
Armstrong war damals noch ein größeres<br />
Arschloch, und ich erinnere mich, dass er gereizt<br />
auf das „sauberes Team“-Ethos reagierte. Er sagte,<br />
ja, es sei zwar ein sauberes Team, aber fragte<br />
dann am Thema vorbei – ob absichtlich oder<br />
nicht: „Ist es ein siegreiches Team?“<br />
Das Urteil ist jetzt teilweise gefällt. Slipstream<br />
ist bis zu einem gewissen Punkt kein siegreiches<br />
Team – aber das ist laut Vaughters der Punkt.<br />
„Das Ding bei diesem Team ist, dass wir nicht<br />
eine hohe Zahl von Siegen einfahren“, sagt er. „So<br />
haben wir von Anfang an funktioniert. Nokere<br />
Koerse zu gewinnen war nie eine Priorität. Wir<br />
haben immer den großen, interessanten Rennen<br />
Priorität gegeben. Roubaix, Lüttich, großen Rundfahrten<br />
… Wenn wir Fahrer einstellen, denke ich<br />
immer: Ist das jemand für Paris–Roubaix? Ist das<br />
jemand, der die Lombardei-Rundfahrt gewinnen<br />
kann? Ist das jemand, der beim Giro oder der Tour<br />
gut fahren kann? Ich wollte nie einen Fahrer, der<br />
unbedingt die Tour de Romandie gewinnen will.“<br />
Bei dem Budget, das Vaughters hat, muss er Kompromisse<br />
machen – aber Kompromisse, was die<br />
Taktik angeht, nicht die Ambitionen. „Bei einem<br />
größeren Budget hast du einen größeren Spielraum<br />
für Fehler. Ineos fährt vorne und hat nicht<br />
so viele Stürze – weil es eine Million Euro teure<br />
Fahrer hat, die vorne Tempo machen. Wenn wir<br />
eine solche Strategie hätten, wären wir nach nicht<br />
mal einem Jahr erledigt. Wenn du das nicht<br />
kannst, musst du hinten mitrollen, aber da bist du<br />
an einer gefährlicheren Position und wirst in mehr<br />
Stürze verwickelt sein. Es ist kein Glück und es ist<br />
keine Superhirn-Strategie, es sind einfach schiere<br />
Pferdestärken, mit denen sich Ineos aus Problemen<br />
raushalten kann.“<br />
© Getty Images<br />
LÜTTICH–BASTOGNE–<br />
LÜTTICH 2013<br />
Eine solide Vorarbeit von Ryder<br />
Hesjedal, der attackiert und die<br />
anderen Teams zur Aufholjagd zwingt,<br />
bringt Dan Martin im Schlussanstieg<br />
nach Ans in die Spitzengruppe, wo er<br />
seine Rivalen im Sprint bezwingt.<br />
LOMBARDEI-<br />
RUNDFAHRT 2014<br />
Dan Martin gewinnt mit dem Rennen der<br />
fallenden Blätter sein zweites Monument,<br />
das dritte des Teams. Er löst sich 1,5 Kilometer<br />
vor dem Ziel aus einer kleinen<br />
Spitzengruppe und fährt als Solist zum<br />
Sieg, während die anderen zögern.<br />
TOUR DE FRANCE 2017<br />
Das Team erreicht seine beste<br />
Platzierung in der Gesamtwertung<br />
der Tour, als Rigoberto Urán Zweiter<br />
wird, nicht weit hinter dem Sieger<br />
Froome. Außerdem feiert Urán<br />
einen spektakulären Etappensieg<br />
in Chambéry.<br />
FLANDERN-<br />
RUNDFAHRT <strong>2019</strong><br />
EF Education First gewinnt sein<br />
erstes Monument, als Alberto Bettiol<br />
am Oude Kwaremont attackiert.<br />
Während Sebastian Langeveld<br />
auf die Verfolger aufpasst,<br />
gewinnt der Italiener als Solist.<br />
50 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
JONATHAN VAUGHTERS<br />
Er fügt hinzu: „Ich hätte Dylan van Baarle<br />
sehr gerne behalten, aber ich konnte ihn mir nicht<br />
mehr leisten. Was macht er bei Ineos?<br />
Tempo. Und er ist ein verdammt starker Typ. In<br />
meinem Team habe ich ihn als künftigen Flandern-Rundfahrt-<br />
oder Roubaix-Sieger gesehen.<br />
Bei Ineos ist er ein Windblocker, und zwar ein<br />
sehr effektiver. Im Prinzip bezahlen sie einen Typ<br />
dafür, dass er seine persönlichen Ambitionen<br />
aufgibt; ich kann Fahrern nicht genug bezahlen,<br />
damit sie das tun.“<br />
Aber auch wenn EF bei der Tour nicht fahren<br />
kann wie Ineos, scheint zumindest die Zukunft<br />
des Teams gesichert zu sein. Bedenkt man dazu,<br />
dass das Team noch 2017 fast hätte dichtmachen<br />
müssen, ist es wohl die solideste Grundlage, die<br />
Vaughters seit zehn Jahren oder überhaupt je hatte.<br />
„2017 war finanziell das magerste Jahr, und<br />
wir waren trotzdem Zweiter der Tour. Du kommst<br />
mit knapper Kasse nicht ewig über die Runden“,<br />
ICH KANN MIR NICHT VOR-<br />
STELLEN, DASS ES VIELE FANS<br />
VON DECEUNINCK–QUICK-<br />
STEP GIBT, DIE AUCH EF-FANS<br />
SIND. SIE SIND SO: ‚WIR SIND<br />
DAS WOLFSRUDEL. RARRRR.‘“<br />
sagt er. „Der Schlüssel zur Unterstützung ist jetzt,<br />
dass sie sehr langfristig angelegt ist. Wir haben<br />
einige Probleme gelöst und ich habe etwas mehr<br />
Geld, um auf den Fahrermarkt zu gehen. Das<br />
heißt nicht, dass ich hingehe und Peter Sagan<br />
kaufe, aber ich hatte neulich eine Diskussion mit<br />
dem Vorstandschef von EF und wir sprachen darüber,<br />
wie wir in fünf, sechs, sieben Jahren die<br />
Paris–Roubaix gehört zu den größten<br />
Zielen von EF. 2011 war das Team hier<br />
schon einmal erfolgreich.<br />
Tour de France gewinnen können. Also, was sind<br />
die langfristigen strategischen Ziele?“<br />
Und Vaughters ergänzt: „Diesen Luxus hatte<br />
ich noch nie. In der Vergangenheit hieß es eher:<br />
Wir haben noch dreieinhalb Monate Sponsoring<br />
übrig. Mich zu bitten, fünf Jahre im Voraus zu<br />
denken, wäre so ähnlich gewesen wie mich zu<br />
bitten, ein Team zum Mond zu schicken.“<br />
Rechnet man diese fünf Jahre zu den zwölf Jahren<br />
hinzu, die Vaughters schon hinter sich hat,<br />
kommt man auf fast zwei Jahrzehnte ununterbrochener<br />
Fortexistenz im Oberhaus des Radsports.<br />
Für ein Team, das seit seinen Anfängen von Jahr<br />
zu Jahr gelebt hat, ist schon die Zielsetzung „Tour<br />
2024“ Sieg genug.<br />
© Gruber Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 51
UNTERWEGS MIT<br />
DER GROSSE<br />
DURCHBRUCH<br />
Alberto Bettiol war der Sieger, mit dem bei der<br />
Flandern-Rundfahrt in diesem Frühjahr niemand<br />
gerechnet hatte. Der Italiener erzählt Procycling von<br />
jenem Tag im April, als „Mamma di Pasta“ seinen<br />
ersten Profisieg feierte und sich alles änderte.<br />
Text Sophie Hurcom<br />
52 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
© Kramon<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 53
ALBERTO BETTIOL<br />
Als Alberto Bettiol sich auf der Pressekonferenz<br />
des Siegers bei der Flandern-Rundfahrt<br />
setzte, war es eine Stunde her, dass<br />
er als Solist über die Ziellinie gefahren war, aber<br />
er trug immer noch denselben Ausdruck der Verwunderung<br />
im Gesicht. Als er das Mikrofon nahm<br />
und in den Raum mit den Fotografen und Journalisten<br />
schaute, wurden seine Augen fast noch größer.<br />
Ein kleiner Junge hatte sich hinter ihm reingeschlichen,<br />
stand an der Seite und schaute zu,<br />
darauf wartend, dass Bettiol fertig wurde, sodass<br />
er sich mit ihm fotografieren lassen konnte.<br />
Vor dem 7. April war Alberto Bettiol kein Begriff<br />
im Radsport; die wenigsten konnten mit seinem<br />
Namen etwas anfangen. Der 25-Jährige hatte<br />
nie ein Rennen gewonnen, ganz zu schweigen<br />
von einem Monument. Als klar wurde, dass Bettiol<br />
im Begriff war, als Solist zum Sieg bei der<br />
Flandern-Rundfahrt zu fahren, nachdem er am<br />
Oude Kwaremont aus einer kleinen Gruppe entwischt<br />
war, konnte man die Journalisten hinter<br />
der Ziellinie etwas ratlos vor den Bildschirmen<br />
stehen sehen. Wer war dieser junge Italiener, der<br />
die Klassiker-Spezialisten taktisch ausgetrickst<br />
hatte und kurz davor stand, ihnen den Sieg beim<br />
größten belgischen Eintagesrennen vor der Nase<br />
wegzuschnappen? Bettiol war sich über seinen<br />
Underdog-Status im Klaren. Als er die Linie überquerte,<br />
richtete er sich auf, nahm seine Sonnenbrille<br />
ab, deutete mit zwei Fingern erst auf seine<br />
Augen und dann in die Ferne. Wenn die Radsport<br />
welt Bettiol zuvor nicht sehen konnte, konnte<br />
sie es jetzt bestimmt. „Ich habe nie ein Rennen<br />
gewonnen. Warum sollte ich<br />
die Flandern-Rundfahrt gewinnen?“,<br />
kommentierte er<br />
seine Siegergeste. „Warum<br />
sollte ich überhaupt ein Favorit<br />
sein?“<br />
Mehr als drei Monate<br />
später hat man das Gefühl,<br />
dass sich Bettiol immer noch<br />
an sein neues Leben nach<br />
dem 7. April gewöhnt. Interviews,<br />
Fotoshootings und<br />
Leute, die mit ihm reden<br />
wollen – all das ist ein neues<br />
Phänomen für ihn. Er begrüßt<br />
uns und setzt sich<br />
hin, aber während er sein Telefon auf den Tisch<br />
zwischen uns legt, sind seine Füße kaum darunter.<br />
Stattdessen ist sein Körper sofort leicht geneigt,<br />
zur Seite gedreht, als wollte er lieber wieder<br />
aufstehen und gehen.<br />
ICH HABE NIE EIN<br />
RENNEN GEWONNEN.<br />
WARUM SOLLTE<br />
ICH DIE FLANDERN-<br />
RUND FAHRT<br />
GEWINNEN?<br />
Es ist Tag zehn der Tour de France, der erste Ruhetag,<br />
und für Bettiol ist die Flandern-Rundfahrt<br />
mittlerweile wahrscheinlich Schnee von gestern.<br />
Am Vortag unterlief seinem Team EF Education<br />
First ein taktischer Patzer bei Seitenwind, den er<br />
bestimmt gerne vergessen würde. Außerdem sind<br />
es draußen 33 Grad. Kein<br />
Wunder, dass er aussieht, als<br />
wäre er lieber woanders.<br />
„Es hat eine Weile gedauert,<br />
bis mir klar wurde, was<br />
ich erreicht habe“, sagt er zu<br />
Procycling. „Jetzt wollen<br />
mehr Leute etwas von mir,<br />
also muss ich mein Leben<br />
anders einteilen; meine Zeit,<br />
meine Termine, mein Training<br />
… Aber wenn ich denke,<br />
was ich erreicht habe, will<br />
ich das nicht ändern. Ich<br />
habe immer gesagt, die Leute<br />
sehen mich deswegen anders,<br />
aber ich sehe die Leute nicht anders – meine<br />
Familie, meine Freunde, mein Team. Es hat mein<br />
Leben ein bisschen geändert, aber nicht viel. Ich<br />
fühle mich immer noch als derselbe Mensch wie<br />
vor dem 7. April.“<br />
Bettiol kann sagen, dass der Sieg bei einem<br />
großen Rennen wie der Flandern-Rundfahrt ihn<br />
nicht verändert hat, aber für Bettiol hat es in diesem<br />
Jahr sicherlich so etwas wie Veränderungen<br />
gegeben. <strong>2019</strong> war der Italiener zu EF Education<br />
First zurückgekehrt, wo er 2014 Profi geworden<br />
war. Bettiol war erst 20, als er zu Cannondale<br />
ging, und er blieb bei dem Team, als es ein Jahr<br />
später mit Garmin fusionierte und das amerikanische<br />
Team die Lizenz übernahm. Seine Karriere<br />
ging stetig bergan, und er ließ 2016 und 2017<br />
mit einigen Platzierungen sein Talent aufblitzen:<br />
Dritter der Polen-Rundfahrt, Zweiter des Bretagne<br />
Classic; Dritter und Siebter beim GP Québec<br />
und GP Montréal; Sechster der Clásica San Sebastián.<br />
Doch als Cannondale ankündigte, Ende<br />
2017 als Titelsponsor auszusteigen, und Teamchef<br />
Jonathan Vaughters unsicher war, ob er einen<br />
neuen Geldgeber finden würde, beschloss Bettiol,<br />
es in einer neuen Umgebung zu versuchen, und<br />
wechselte zu BMC.<br />
© Getty Images<br />
Bettiol kämpft sich mit sichtbarem Vorsprung<br />
den Paterberg hoch, den letzten<br />
Anstieg der Ronde <strong>2019</strong>.<br />
Als Bettiol in Oudenaarde über den Zielstrich<br />
rollt, ist er vom Nobody zum gefragten<br />
Rennfahrer geworden.<br />
54 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
ALBERTO BETTIOL<br />
© Gruber Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 55
ALBERTO BETTIOL<br />
© Kramon<br />
Erstmals kann Bettiol das Gefühl genießen,<br />
auf der höchsten Stufe des Treppchens<br />
zu stehen – und dann gleich hier!<br />
Er hatte gehofft, der Wechsel würde ihm guttun,<br />
aber das Gegenteil war der Fall. Plötzlich war Bettiol<br />
der Neue in einem Team mit vollkommen anderen<br />
Abläufen, Strukturen und Gepflogenheiten.<br />
2018 war eines seiner schlechtesten Jahre, und<br />
als die Chance kam, zu EF zurückzugehen, zögerte<br />
er nicht.<br />
„Wenn du das Team wechselst, ist es wie eine<br />
Familie zu wechseln, du fängst bei null an. Sich<br />
einer Gruppe von Leuten anzuschließen, die sich<br />
schon lange kannten, war ohnehin schwer, außerdem<br />
hatte ich meine eigenen Probleme. Vielleicht<br />
ist es auch dank BMC, dass ich die Flandern-<br />
Rundfahrt gewonnen habe, weil ich verstehe, wie<br />
wichtig dieses Team [EF] ist und dass es am Ende<br />
nicht so schlecht war“, sagt er. „Die Umgebung<br />
war ganz anders, vieles war anders. Ich könnte<br />
eine Woche lang die Unterschiede erklären. Es ist<br />
keine gute oder schlechte Umgebung, es ist einfach<br />
anders, und jeder Mensch reagiert auf die<br />
Umgebung, in der er ist. Wenn du nur eine Umgebung<br />
siehst, weißt du nie, wie unterschiedlich die<br />
Dinge sind.“<br />
Der Wechsel zurück gab Bettiol eine neue<br />
Wertschätzung für EF und brachte ihn wieder zurück<br />
in eine Trainingsumgebung, von der er gar<br />
nicht erkannt hatte, dass sie von Anfang an perfekt<br />
auf ihn zugeschnitten war. Vor allem gab das<br />
Team ihm den Glauben an sich selbst und die Zuversicht,<br />
die ihm oft fehlten, wie er sagt.<br />
„Es gibt wenige Leute, die immer an mich<br />
glaubten. Zwei davon sind Jonathan Vaughters<br />
und Charly Wegelius. Ich habe nie wirklich an<br />
mich geglaubt. Selbst heute noch brauche ich<br />
jemanden, der mir sagt, was ich kann“, gibt Bettiol<br />
zu. „Im letzten Jahr war das Team [BMC]<br />
ganz auf Greg Van Avermaet ausgerichtet, und<br />
das war … okay, das ist normal, aber für mich<br />
war es nicht gut.“<br />
Bettiol hat weitere Veränderungen vorgenommen.<br />
Er nahm drei Kilo ab und verfeinerte sein<br />
Training, achtete mehr auf Regeneration, Ruhetage,<br />
Schlafen und Ernährung. Nicht leicht für einen<br />
italienischen Fahrer, dessen Vorliebe für italienische<br />
Küche ihm den Spitznamen „Mamma di<br />
Pasta“ eingebracht hat.<br />
„Ich dachte, wenn du etwas tun willst, was du<br />
noch nie getan hast, musst du etwas tun, was du<br />
noch nie getan hast. Also sagte ich: Okay, mit diesem<br />
Körper habe ich gute Resultate geholt, aber<br />
ich will mich steigern. Ich stellte mein Training<br />
um, ich versuchte, Gewicht zu verlieren“, sagt er.<br />
„Bis dahin war ich, als ich alles machte wie immer,<br />
Vierter, Siebter, Fünfter, Zehnter geworden.<br />
Ich versuchte, einen weiteren Schritt zu gehen.“<br />
56 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
ALBERTO BETTIOL<br />
Bettiol beginnt sich an seinen Stuhl zu gewöhnen,<br />
als die Minuten vorbeigehen, streckt seine<br />
Beine nach und nach unter dem Tisch aus, als<br />
fühlte er sich mit jedem Wort wohler, das aus<br />
seinem Mund kommt. Er dreht sein Telefon um,<br />
Gesicht nach unten, als eine Botschaft auf dem<br />
Schirm auftaucht.<br />
Der Wechsel zu EF Education First brachte<br />
die Dinge ins Rollen, als die Flandern-Rundfahrt<br />
kam. Von neuem Selbstbewusstsein erfüllt, fuhr<br />
Bettiol, wie er 2017 aufgehört hatte. Bei Tirreno–<br />
Adriatico war er auf vier Etappen in die Top Ten<br />
gefahren; bei Mailand–San Remo startete er eine<br />
couragierte Attacke am Poggio. Beim E3 Binck-<br />
Bank Classic war er Teil der fünfköpfigen Gruppe,<br />
die den Sieg unter sich ausmachte. Als die Flandern-Rundfahrt<br />
kam, wusste er, dass er in guter<br />
Form war.<br />
„An dem Morgen habe ich an mich geglaubt.<br />
Ich wusste, dass ich bereit war. Als ich dort ankam,<br />
hatte ich <strong>10</strong>0 Prozent von dem gemacht,<br />
was ich konnte“, sagt er. „Es war eine Überraschung,<br />
denn es war mein erster Sieg, aber ich<br />
musste irgendwo anfangen, und deswegen habe<br />
ich beschlossen, bei dem Rennen anzufangen, das<br />
wohl am schwersten zu gewinnen ist.“<br />
Bettiol und sein Team fuhren das perfekte<br />
Rennen. Er war immer genau in der richtigen Position<br />
und verbrauchte kein Quäntchen Energie<br />
mehr als nötig. Nach der<br />
Muur van Geraardsbergen<br />
hatte das Team immer noch<br />
vier Fahrer vorn. Erst infiltrierte<br />
Matti Breschel eine<br />
gefährliche Attacke von vier<br />
Fahrern, dann entwischte<br />
Sep Vanmarcke 50 Kilometer<br />
vor der Linie mit einem<br />
Trio. Als das reduzierte<br />
Peloton den Kwaremont<br />
17 Kilometer vor dem Ziel<br />
zum letzten Mal in Angriff<br />
nahm, beschleunigte Bettiol<br />
und setzte sich ab. Sein<br />
Teamkollege Sebastian<br />
Langeveld war immer noch<br />
in der Gruppe dahinter mit den Favoriten, konnte<br />
die Verfolgung stören und hätte eine Konterattacke<br />
fahren können, wenn nötig.<br />
„Ich habe immer gesagt, dass ich nicht der<br />
Stärkste war, aber ich war der Frischeste, weil<br />
mein Team mich bis zum Kwaremont geschont<br />
hatte. Meine Teamkollegen haben den Job gemacht,<br />
den Greg Van Avermaet an der Muur<br />
selbst machen musste. [Oliver] Naesen musste es<br />
selbst machen. Quick-Step-Fahrer bekämpfen<br />
sich gegenseitig, um zuerst dort hinzukommen,<br />
gegen ihre Teamkollegen. Das ist nicht unsere<br />
ICH WAR NICHT DER<br />
STÄRKSTE, ABER<br />
ICH WAR DER<br />
FRISCHESTE, WEIL<br />
MEIN TEAM MICH<br />
GESCHONT HAT.<br />
Strategie. Unsere Strategie war, dass wir einen<br />
sehr klaren Plan hatten. Wir hatten ihn zwei Tage<br />
zuvor alle zusammen besprochen, und wir setzen<br />
diesen Plan zu 1<strong>10</strong> Prozent um. Alle in meiner<br />
Gruppe wussten ganz genau, was sie zu tun hatten“,<br />
sagt er. „Am Ende waren wir an dem Tag<br />
eine Art Quick-Step, weil es super war, was wir<br />
gemacht haben. Du kannst die ganze Zeit der<br />
Stärkste sein, aber ohne das Team gewinnst du<br />
nie die Flandern-Rundfahrt.“<br />
Obwohl Bettiol versichert, dass es Parallelen<br />
gebe zwischen den Straßen in seiner heimischen<br />
Toskana und denen in Belgien, fehlt ihm einiges<br />
von der Erfahrung, die normalerweise notwendig<br />
ist, um sich bei der Flandern-Rundfahrt zu behaupten.<br />
Dieses Jahr war nach zwei Aufgaben und<br />
einem 24. Platz erst sein vierter Start bei dem<br />
Rennen. Aber in diesem Jahr strahlte Bettiol die<br />
taktische Sicherheit eines viel älteren Fahrers oder<br />
eines Fahrers aus der Region aus. Als seine Rivalen<br />
mehr als 90 Kilometer vor dem Ziel nach vorne<br />
zu fahren begannen, wusste Bettiol, dass es<br />
am besten war, zu bleiben, wo er war, und Energie<br />
zu sparen. Als er angriff, hatte niemand die Beine,<br />
um ihm zu folgen.<br />
„Ich sagte mir einfach: Nein, ich muss am Hinterrad<br />
bleiben; ich kann nicht gehen, es ist zu<br />
früh. Meine Rivalen wollten nach vorn, ich weiß<br />
nicht, warum, aber sie haben so viel Energie verbraucht.<br />
Schließlich zählt<br />
nach 250 Kilometern alle<br />
Energie, und als ich ging,<br />
glaube ich nicht, dass sie<br />
sich da gegenseitig angeschaut<br />
haben. Sie konnten<br />
einfach nicht“, sagt er.<br />
„Ich wusste nicht, dass es<br />
die richtige Attacke war,<br />
denn ich hätte nie gedacht,<br />
dass ich alleine mit 15 Sekunden<br />
Vorsprung ankommen<br />
würde. Ich wollte sie<br />
unter Druck setzen, vielleicht<br />
mit zwei oder drei<br />
Fahrern entwischen und<br />
dann meine Karten im Finale<br />
ausspielen. Aber schließlich hatte ich nach dem<br />
Paterberg so viele Sekunden herausgefahren.“<br />
Die Herausforderung für Bettiol ist jetzt, dafür<br />
zu sorgen, dass die Flandern-Rundfahrt kein einmaliger<br />
Treffer ist, sondern der erste von mehreren<br />
großen Siegen. Er stand im Juni beim Straßenrennen<br />
und Zeitfahren der italienischen Meisterschaf -<br />
ten auf dem Podium und hat sich für die Weltmeisterschaft<br />
in Yorkshire einiges vorgenommen.<br />
„Mein Fokus ist auch, diese Einstellung zu behalten<br />
– einen Plan zu haben, aber mich gleichzeitig<br />
frei zu fühlen, Fehler zu machen, und mit<br />
ITALIENISCHE<br />
GEWINNER<br />
DER FLANDERN-<br />
RUNDFAHRT<br />
In der 116-jährigen Geschichte der<br />
Flandern-Rundfahrt hat es nur elf ita -<br />
lie nische Sieger bzw. Siegerinnen des<br />
Rennens in Belgien gegeben. Der aus<br />
der Toskana stammende Alberto Bettiol<br />
sagt: „Wenn du die Straßen in der Toskana<br />
siehst – würdest du das Kopfsteinpflaster<br />
hinzufügen, wäre es mehr oder<br />
weniger dasselbe [wie in Flandern].“<br />
Aber der 25-Jährige, der in der Region<br />
lebt und trainiert, ist einer von nur vier<br />
Fahrern aus der Toskana, die den Titel<br />
gewonnen haben. Die anderen sind<br />
Fiorenzo Magni, der die Ronde als erster<br />
Italiener über haupt gewann – und dann<br />
gleich drei Mal von 1949 bis 1951 –, der<br />
Sieger von 1996, Michele Bartoli, und<br />
der Champion von 2002, Andrea Tafi.<br />
Der letzte italienische Sieger vor Bettiol<br />
war Alessandro Ballan 2007.<br />
Alberto BETTIOL <strong>2019</strong><br />
Marta BASTIANELLI <strong>2019</strong><br />
Elisa LONGO BORGHINI 2015<br />
Alessandro BALLAN 2007<br />
Andrea TAFI 2002<br />
Gianluca BORTOLAMI 2001<br />
Michele BARTOLI 1996<br />
Gianni BUGNO 1994<br />
Moreno ARGENTIN 1990<br />
Dino ZANDEGÙ 1967<br />
Fiorenzo MAGNI 1949–1951<br />
einem freien Kopf, ohne jeden Druck und ohne<br />
etwas, was dich müde machen kann, Rennen zu<br />
fahren“, sagt er.<br />
So oder so dürfte Alberto Bettiol wohl nie wieder<br />
ganz der sein, der er vor dem 7. April war. „Ich<br />
erinnere mich daran, dass ich zwei Tage später,<br />
am Dienstag, mit meinem Rad rausfuhr und nicht<br />
trainieren konnte, weil all die Autos anhielten und<br />
ein Foto mit mir wollten.“<br />
Mittlerweile sitzt er da und schaut uns direkt<br />
an, seine Arme ruhen auf dem Tisch, als er sich<br />
vorbeugt. Das scheint eine Geschichte zu sein, die<br />
zu erzählen er nicht müde wird.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 57
UNTERWEGS MIT<br />
LACHLAN MORTON FÄHRT GBDURO<br />
„ES WAR DIE INTENSIVSTE<br />
ERFAHRUNG, DIE ICH JE<br />
GEMACHT HABE.“<br />
Fotografie Dan Monaghan & Jered Gruber<br />
Ende 2018 kündigte EF Education First an,<br />
einige der Fahrer einen sogenannten alternativen<br />
Kalender bestreiten zu lassen –<br />
eine inoffizielle Liste von Ultra-Endurance-Rennen<br />
mit Massenstart, bei denen viel im Gelände<br />
gefahren wird. Eben wegen dieser Möglichkeit,<br />
Straßenradsport mit Offroad zu verbinden, kehrte<br />
der Australier Lachlan Morton nach vier Jahren zu<br />
dem Team zurück.<br />
„Der alternative Kalender kombiniert Wettkampf<br />
und Abenteuer, und es ist eine riesige<br />
Welt“, sagte er zu Procycling. Im Juni gewann<br />
Morton das GBDuro, ein Offroad-Rennen für<br />
Bike packer über 2.000 Kilometer von Land’s End<br />
am südwestlichsten Zipfel Englands nach John<br />
O’Groats an der Nordostspitze Schottlands.<br />
„Es war etwas zwischen Rennen und Überlebenstraining“,<br />
sagte er. „Es war das intensivste Erlebnis,<br />
das ich je hatte. Ich tue mich mit dem Sinn<br />
und Zweck von Profirennen immer schwer. Wofür<br />
fahre ich? Nach dieser Veranstaltung, nach den<br />
Reaktionen der Leute, hatte ich das Gefühl, dass<br />
die Leute mehr Interesse zeigen. Andere sagten,<br />
es habe sie inspiriert, ihren eigenen ,Epic‘ zu fahren,<br />
und das gibt mir das Gefühl, zu helfen und<br />
etwas zurückzugeben.“<br />
Dass Morton Kraft aus einer neuen Quelle<br />
geschöpft hatte, zeigte sich bei der Tour of Utah,<br />
wo er die 5. Etappe gewann – sein erster Sieg<br />
seit 2016. „Das Radfahren hat mir in diesem<br />
Jahr mehr Spaß gemacht als in meiner ganzen<br />
Kar riere“, sagte er.<br />
58 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
YSBYTY CYNFYN,<br />
CEREDIGION, WALES<br />
Die erste Etappe des GBDuro war<br />
auch die längste: 680 Kilometer<br />
von Land’s End in einen kleinen Ort<br />
in Mittelwales. Morton absolvierte<br />
das Teilstück in 32 Stunden.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 59
GBDURO<br />
YSBYTY CYNFYN,<br />
CEREDIGION, WALES<br />
Morton macht sich bereit für sein<br />
erstes Schläfchen. Kein Abendessen mit<br />
der Mannschaft, keine Besprechung<br />
oder Massage, nur ein Schafsack in<br />
einem Zelt in Wales. Wenn die GBDuro-<br />
Fahrer einen Kontrollpunkt erreichen,<br />
wird die Uhr angehalten und sie können<br />
sich so lange ausruhen, wie sie wollen.<br />
Morton war am nächsten Morgen schon<br />
wieder um sieben Uhr auf den Beinen.<br />
NANT-Y-MOCH,<br />
CEREDIGION, WALES<br />
Morton am Start seines zweiten<br />
Abschnitts. Bis zum Ziel in Garrigill im<br />
Gebirgszug der North Pennines war<br />
Morton durch Hagel und Hochwasser<br />
gelaufen und gefahren. Der Tiefpunkt<br />
kam, als er über den Killhope-Pass<br />
kletterte und auf einen unbefahrbaren<br />
Fußweg geleitet wurde. „Ich hatte einen<br />
Moment der Hilflosigkeit. Ich habe zehn<br />
Minuten geweint. Aber als ich das<br />
überwunden hatte, war es ein großer<br />
Moment, einer der größten Momente<br />
meines Lebens, weil ich so viel Kraft<br />
daraus gezogen habe. Ich weine selten,<br />
aber es fühlte sich an wie Befreiung<br />
von allem, was sich in meiner ganzen<br />
Radsportkarriere aufgestaut hatte.“<br />
60 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
GBDURO<br />
BWLCH-Y-GROES,<br />
CEREDIGION, WALES<br />
Das GBDuro war bei Weitem nicht<br />
die direkteste Route von Land’s End<br />
nach John O’Groats. Stattdessen hatten<br />
die Organisatoren Straßen und Wege<br />
abgesteckt, die die ländlichen und<br />
industriellen Gegenden von Großbritannien<br />
in Szene setzten. Hier fährt<br />
Morton durch das Hochland von<br />
Nord-Wales am Ostrand des Snow -<br />
donia-Nationalparks.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 61
GBDURO<br />
LLANDRILLO,<br />
DENBIGHSHIRE, WALES<br />
Wo es hinaufgeht, geht es auch<br />
wieder hinunter – Morton fährt den<br />
Wayfarer Way in Nord-Wales hinab.<br />
Schlechtes Wetter kündigte sich an<br />
und ein schwerer Abschnitt durch<br />
das Mittelgebirge der Pennines stand<br />
bevor. „Da habe ich angefangen, ganz<br />
klein zu denken, wie ich diesen Berg<br />
hoch komme und ihn in ganz kleine<br />
Abschnitte unterteile“, sagte Morton.<br />
ALSTON, CUMBRIA,<br />
ENGLAND<br />
Morton am frühen Morgen der<br />
3. Etappe. Er begann den Abschnitt im<br />
kleinen Ort Garrigill um drei Uhr nachts<br />
und hatte bereits mehr als 1.000 Kilo -<br />
meter in fünf Tagen zurückgelegt. Nach<br />
der Verzweiflung am Killhope-Pass<br />
konnte Morton nichts mehr schrecken.<br />
„Ich erkannte, dass ich mich vor nichts<br />
zu fürchten und über nichts zu ärgern<br />
brauchte und dachte: Jetzt kann ich<br />
alles machen.“<br />
62 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
GBDURO<br />
LAMBLEY VIADUCT,<br />
NORTHUMBERLAND,<br />
ENGLAND<br />
Morton war auf der GBDuro-Route<br />
die meiste Zeit alleine. Er begann seinen<br />
Tag häufig um drei Uhr nachts, um das<br />
Tageslicht im Hochsommer zu nutzen.<br />
In Nordengland war es rund 17 Stunden<br />
am Tag hell. „Ich kann es kaum<br />
abwarten, die Strecke mit etwas mehr<br />
Zeit noch einmal zu fahren“, sagte er.<br />
TORWOOD, FALKIRK,<br />
SCHOTTLAND<br />
Weil man das Rennen im Internet<br />
verfolgen konnte, bekam Morton<br />
vorübergehend Gesellschaft von<br />
Fahrern aus der Gegend – hier Murray<br />
Ferguson vom Falkirk Bicycle Club.<br />
„Radsport ist so vielfältig“, sagte<br />
Morton. „Es tut gut, rauszukommen<br />
und an verschiedenen Events teilzunehmen<br />
und mehr in die Radsport-<br />
Community involviert zu sein.“<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 63
GBDURO<br />
STIRLING, SCHOTTLAND<br />
Morton isst Sushi aus dem Sonderangebot, während er in<br />
einem Park in Stirling campt. Er glaubt, dass das Abenteuer,<br />
das Ultra-Events auszeichnet, attraktiv für die breite<br />
Bevölkerung ist. „Wie kann man ein zwölfjähriges Kind fürs<br />
Radfahren begeistern? Wie bekommen wir mehr Leute dazu,<br />
Rad zu fahren? Ich glaube, dazu gehört mehr, als tagein,<br />
tagaus Straßentouren zu machen.“<br />
LOCH LAGGAN, SCHOTTLAND<br />
Morton sagte, er habe sich nie dazu hingezogen gefühlt, in<br />
Großbritannien zu fahren. Er musste lange nachdenken, bevor<br />
er sich daran erinnerte, schon einmal auf den britischen Inseln<br />
gewesen zu sein, nämlich bei der Großbritannien-Rundfahrt<br />
2012. „Es gab nie eine Zeit, wo ich dachte, ich würde gerne im<br />
Vereinigten Königreich fahren. Ich habe immer gesagt, es sei<br />
mein erstes Mal, aber dann dachte ich: Moment mal, ich bin bei<br />
der Tour of Britain eine Etappe in Schottland gefahren.“<br />
64 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
GBDURO<br />
FORT AUGUSTUS,<br />
SCHOTTLAND<br />
Morton klettert über den<br />
Corrieyairack-Pass kurz vor dem Ende<br />
der 3. Etappe in Fort Augustus. „Die<br />
ganze Strecke war landschaftlich<br />
unglaublich, aber Schottland hat mich<br />
umgehauen. Es war wilder als ich<br />
dachte. Es war unglaublich, wie einsam<br />
es über weite Strecken war.“<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 65
GBDURO<br />
TOMICH, HIGHLANDS,<br />
SCHOTTLAND<br />
Die Route führte über öffentliche<br />
Wege, aber man musste trotzdem<br />
mit dem beladenen Fahrrad schwie -<br />
rige Gatter überwinden. „Es war<br />
faszinierend. In Australien oder den<br />
USA wäre es schwer, so viel Land<br />
miteinander zu verbinden wie in<br />
Großbritannien.“<br />
FORSINARD,<br />
SUTHERLAND, SCHOTTLAND<br />
EF ist das erste WorldTour-Team,<br />
das am sogenannten alternativen<br />
Kalender teilnimmt. „Deswegen<br />
bin ich zum Team zurückgekehrt,<br />
<strong>10</strong>0 Prozent. Das eröffnet mir die<br />
Möglichkeit, so zu fahren, wie ich in<br />
meiner eigenen Zeit fahren will.“<br />
66 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
GBDURO<br />
KIRKSTYLE, CAITHNESS,<br />
SCHOTTLAND<br />
„Ich dachte, das ist etwas, was ich<br />
mache und anschließend mein Rad<br />
einen Monat lang nicht anrühre“, sagte<br />
Morton. Aber er wachte auf und wollte<br />
weiterfahren. Nun denkt er, dass die<br />
Tour ihn bei Radrennen stärker machen<br />
wird: „Ich vertraue einfach meinen<br />
Fähigkeiten mehr, mit Situationen<br />
zurechtzukommen“, erklärte er. „Ich<br />
kann leiden, aber jetzt denke ich: Was<br />
ist das gegen die letzten <strong>10</strong>0 Kilometer<br />
der 2. Etappe?‘“<br />
KIRKSTYLE, CAITHNESS,<br />
SCHOTTLAND<br />
Der Australier absolvierte das GBDuro<br />
in 111 Stunden und 44 Minuten, 38 Stunden<br />
vor dem zweitplatzierten Fahrer<br />
Angus Young. „Nachdem ich es zu Ende<br />
gefahren bin, sehe ich den Radsport mit<br />
ganz neuen Augen“, sagte Morton.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 67
UNTERWEGS MIT<br />
NOTIZEN AUS DEM<br />
MANN-<br />
SCHAFTS-<br />
WAGEN<br />
TEXT VON TOM SOUTHAM<br />
68 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
© Phil Barker<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 69
UNTERWEGS MIT EF<br />
© Getty Images<br />
Exprofi Tom Southam<br />
ist Sportlicher Leiter bei<br />
EF Education First. Bei<br />
der Tour dirigiert er die<br />
Fahrer, wenn sie in einer<br />
Ausreißergruppe sind,<br />
und er ist für die Logistik<br />
zuständig. Hier erinnert<br />
er sich an prägende<br />
Momente der Tour<br />
de France <strong>2019</strong>.<br />
WOCHE EINS<br />
NIEMAND SAGT<br />
SO RESOLUT<br />
UND MIT SO VIEL<br />
ENDGÜLTIGKEIT<br />
„NON“ WIE EIN<br />
MÜRRISCHER<br />
GENDARM.<br />
Freitag, 5. Juli – der Vortag: Das Holiday Inn<br />
Brussels Airport ist das erste von 18 Hotels, in<br />
denen wir in den nächsten drei Wochen übernachten<br />
werden. Es ist ein nüchterner Durchgangsort<br />
für Geschäftsleute, und sechs Tage<br />
kommen einem hier wie eine Ewigkeit vor. Die<br />
Tage vor dem Rennen sind eine endlose Flut von<br />
administrativen Aufgaben und Presseinterviews.<br />
Obendrein sind alle gestresst und scheinen nach<br />
ihrer Akkreditierung zu suchen. Ehrlich gesagt<br />
nutze ich meine nur, um mir das Brathähnchen<br />
und die Pommes zu holen, die es im Village<br />
Départ gibt, aber dann sitze ich die meiste Zeit<br />
im Auto. Doch die Tour ist das eine Rennen, bei<br />
dem es zu einem Problem werden kann, wenn<br />
man nicht das richtige Stück Kunststoff um den<br />
Hals baumeln hat, daher darf man sich schon Sorgen<br />
machen, wo es ist. Niemand sagt so resolut<br />
und mit einer solchen Endgültigkeit „non“ wie ein<br />
mürrischer, unter der Hitze leidender Gendarm.<br />
Samstag, 6. Juli – Grand Départ: Wenn sie<br />
im Ausland startet, zieht die Tour immer mehr<br />
Menschen an. Dass die Tour zum 50. Jahrestag<br />
von Eddy Merckx’ erstem Toursieg im radsportverrückten<br />
Belgien beginnt, führt dazu, dass<br />
Brüssel beim Grand Départ brechend voll ist. Große<br />
Mengen bedeuten viel Verkehr, was potenzielle<br />
logis tische Albträume bedeutet. Am Morgen der<br />
1. Etappe freue ich mich festzustellen, dass die<br />
Hauptverkehrsstraße für die Öffentlichkeit gesperrt<br />
ist, sodass die Teams mit dem Bus in die<br />
Stadt fahren können. Eine Polizeieskorte ist gut<br />
– eine ganze Schnellstraße für uns zu sperren ist<br />
noch besser.<br />
Montag, 8. Juli – 3. Etappe: Das Rennen ist<br />
im Gange. Die Nerven beruhigen sich und die<br />
Routine beginnt. In der ersten Woche kommen<br />
die Ausreißergruppen selten durch und meine<br />
Hauptaufgabe im zweiten Mannschaftswagen<br />
ist, wach zu bleiben. Aber hin und wieder siehst<br />
du etwas, bei dem du dich fragst, ob du das jetzt<br />
wirklich gerade gesehen hast. Im Schlussanstieg<br />
der 3. Etappe nach Epernay kam ich an einem<br />
perplexen Zuschauer vorbei, der in einem Weinberg<br />
stand und eine Colnago-Rennmaschine in<br />
den Teamfarben von UAE Emirates festhielt. Ein<br />
Blick in den Rückwinkel bestätigte, dass kein<br />
UAE-Wagen folgte, was hieß, dass der genannte<br />
Zuschauer sich wohl fragte (genau wie ich), welche<br />
Verkettung von Ereignissen dazu geführt<br />
hatte, dass man Fabio Aru ein Ersatz-Colnago<br />
gegeben hatte, ohne das defekte Rad mitzunehmen.<br />
Ich bin überrascht, dass der Fan so ehrlich<br />
war, bis dahin nicht damit abgehauen zu sein.<br />
Freitag, 12. Juli – 7. Etappe: Lustiges im Äther<br />
heute. Mit 230 Kilometern war die Etappe von<br />
Belfort nach Chalon-sur-Saône die längste und<br />
bisher einschläferndste. Stéphane Rossetto und<br />
Yoann Offredo waren den ganzen Tag mit zwei<br />
Minuten Vorsprung vor dem Feld hergefahren und<br />
hatten nicht den Hauch einer Chance, es ins Ziel<br />
zu schaffen. Aber rund 60 Kilometer vor dem<br />
Ziel kam plötzlich Leben in Radio Tour und die<br />
Stimme des Rennens, Seb Piquet, verkündete den<br />
Zeitabstand mit 14 Minuten 45 Sekunden. Für<br />
den Bruchteil einer Sekunde fingen die Mannschaftswagen<br />
an, aus dem Konvoi auszuscheren,<br />
da alle halb dösenden Sportlichen Leiter einen<br />
„Was zum Teufel ist jetzt los“-Moment hatten.<br />
Monsieur Piquet meldete sich gleich wieder und<br />
teilte mit, er habe einen Scherz gemacht und der<br />
Abstand betrage immer noch zwei Minuten. Oh,<br />
was haben wir gelacht. Trotzdem fühlte es sich<br />
an wie ein Arzt, der einen Witz macht, wenn er<br />
dir die Untersuchungsergebnisse sagt.<br />
Viel Platz im Kofferraum ist bei<br />
der Tour de France unerlässlich.<br />
70 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
UNTERWEGS MIT EF<br />
CHEF OLGA<br />
Southam (l.)<br />
bespricht Taktik<br />
und Strecke mit<br />
seinem Kollegen<br />
Andreas Klier.<br />
WOCHE ZWEI<br />
MEINE<br />
TURNSCHUHE<br />
SIND KAPUTT.<br />
DANKE,<br />
ANDREAS!<br />
Sonntag, 14. Juli – 9. Etappe: Während des<br />
Rennens finden die meisten Mitarbeiter etwas,<br />
was ihnen hilft, jeden Tag mental abzuschalten.<br />
Da viele Sportdirektoren früher selbst Radprofis<br />
waren, hilft ihnen ein bisschen Sport, ein körperliches<br />
und mentales Gleichgewicht zu halten. Ich<br />
gehe meistens mit Andreas Klier joggen. Wir haben<br />
einfach willkürlich festgelegt, dass wir bis<br />
zum Ende der Tour <strong>10</strong>0 Kilometer laufen wollen,<br />
also rund fünf am Tag. Meistens laufen wir<br />
abends eine halbe Stunde. Klier, der seinerzeit<br />
ein Klassiker-Spezialist war,<br />
weigert sich heute entschieden,<br />
irgendwelche Hügel hochzurennen,<br />
also müssen wir so viel laufen,<br />
wie wir können, bevor das<br />
Terrain nicht nach seinem Geschmack<br />
ist. Heute, im Zentralmassiv,<br />
sind wir durch<br />
den Wald und über eine<br />
lange, matschige Strecke<br />
gelaufen. Meine Turnschuhe<br />
sind ruiniert.<br />
Toll! Vielen Dank,<br />
Andreas!<br />
Donnerstag,<br />
18. Juli –<br />
12. Etappe:<br />
Nach den ersten<br />
Bergetappen ist die<br />
Tour ein Rennen<br />
aus zwei Teilen gewonnen: der Kampf um die Gesamtwertung<br />
und der Kampf um Etappensiege.<br />
Und inzwischen ist meine Rolle auch nicht mehr,<br />
hinter dem Gruppetto herzubummeln, sondern<br />
tatsächlich ein Teil des Rennens zu sein. Die Ausreißergruppen<br />
sind in dieser Phase des Rennens<br />
immer groß, und deswegen muss man viele Fragen<br />
stellen und an viele Dinge denken. Der Job<br />
eines Sportlichen Leiters ist, auf Dinge zu achten,<br />
die die Fahrer nicht sehen können, entweder<br />
auf dem vor ihnen liegenden Terrain oder<br />
in der Zusammensetzung der Gruppe.<br />
Es gibt viele taktische Überlegungen:<br />
Welche Fahrer werden abwarten und<br />
welche werden versuchen, sich vor<br />
dem Schlussanstieg oder dem<br />
Sprint abzusetzen? Auf wen können<br />
wir setzen, dass er Lücken<br />
zufährt, und an welchem Punkt<br />
wollen wir sie lieber nicht mehr<br />
dabei haben? Das ist die Arbeit<br />
des Sportlichen Leiters, die ich<br />
liebe, und es ist eine Erleichterung<br />
nach der endlosen Schufterei<br />
und der logistischen Überlastung<br />
der ersten Woche.<br />
© Gruber Images (oben), Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 71
UNTERWEGS MIT EF<br />
© Chris Auld<br />
72 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
UNTERWEGS MIT EF<br />
An der Hourquette d’Ancizan, dem wichtigsten<br />
Anstieg der Etappe, waren wir in einer guten Position.<br />
Das Peloton hat die Ausreißer gewähren lassen,<br />
und wir waren zahlenmäßig in der Gruppe<br />
gut vertreten, und mit starken Fahrern und Taktik<br />
hatte das gut funktioniert. Simon Clarke war mit<br />
anderthalb Minuten Vorsprung alleine an der<br />
Spitze des Rennens und wir hatten Alberto Bettiol<br />
in der Gruppe dahinter. Alberto Contador kam auf<br />
seinem Eurosport-Motorrad zu uns vorgefahren,<br />
um uns Komplimente für unsere Taktik zu machen.<br />
Er fragte, ob alles genau nach Plan laufe.<br />
Und ich antwortete cool: „Natürlich.“ Es wäre<br />
alles viel knapper geworden, wenn einer unserer<br />
beiden Fahrer hätte gewinnen können.<br />
Samstag, 20. Juli – 14. Etappe: Von der Spitze<br />
des Rennens ans Ende. Meistens sind es jeden<br />
Tag dieselben Jungs am Ende des Rennens, aus<br />
verschiedenen Gründen – Verletzungen, Erkrankungen,<br />
schlechte Form … In diesem Jahr waren<br />
es Michael Hepburn, Max Richeze und unser<br />
Fahrer Sebastian Langeveld. Keiner von ihnen ist<br />
ein Kletterer, daher war es nicht überraschend.<br />
Aber am Col du Tourmalet kam ein Fahrer, den<br />
man an diesem Ende eines Radrennens eigentlich<br />
nicht vermuten würde. Romain Bardet tauchte<br />
am Fenster auf und bat um eine Trinkflasche. Ich<br />
konnte nicht umhin, mit dem Fahrer mitzufühlen,<br />
der als größte französische Hoffnung für die<br />
Gesamtwertung galt. Als er fragte, standen zwei<br />
andere Franzosen – Thibaut Pinot und Julian Alaphilippe<br />
– Arm in Arm mit dem Präsidenten der<br />
Republik am Gipfel, und Bardet hatte nicht mal<br />
seinen eigenen Mannschaftswagen dabei, der<br />
ihm eine Flasche geben konnte.<br />
Die Fans am Tourmalet waren die wildsten,<br />
die ich bei der ganzen Tour in diesem Jahr gesehen<br />
habe. Angesichts der Anzahl männlicher Gliedmaßen<br />
und behaarter Kehrseiten, die den langsam<br />
fahrenden Autos gezeigt wurden, vermute<br />
ich, dass ziemlich viel Alkohol konsumiert worden<br />
war, als wir ankamen. Man muss meine Beifahrerin<br />
dafür bewundern, dass sie bei diesen Szenen<br />
eine stoische Gelassenheit an den Tag legte.<br />
Michael Woods von EF fuhr eine<br />
solide Tour, die er als 32. beendete.<br />
Die Fahrer von EF beglückwünschen<br />
sich gegenseitig am Ende der Tour <strong>2019</strong>.<br />
WOCHE DREI<br />
EIN KURZER<br />
ANRUF BEI DER<br />
ASO LÖST SO<br />
ZIEMLICH ALLES<br />
BEI DER TOUR.<br />
Montag, 22. Juli – zweiter Ruhetag: Das beste<br />
Hotel des Rennens kommt genau, wenn man es<br />
am dringendsten braucht: am zweiten Ruhetag.<br />
Wir drei Sportlichen Leiter können nicht nur eine<br />
gesellige Ausfahrt durch die heißen Weinberge<br />
von Nîmes machen, sondern genießen auch den<br />
Luxus eines Pools, an dem wir den ganzen Nachmittag<br />
sitzen können. Aber das Beste von allem<br />
ist, dass wir hier nur ein Team sind. Es ist selten,<br />
dass man sich an einem Ruhetag tatsächlich ausruhen<br />
kann, aber wenn dir das gelingt, fühlst du<br />
dich wie neugeboren.<br />
Dienstag, 23. Juli – 16. Etappe: Als Logistikverantwortlicher<br />
ist meine größte Sorge, auf dem<br />
Weg zum Start ein Problem zu haben und dort<br />
zu spät anzukommen. Es ist wie der Albtraum,<br />
in dem man vergessen hat, sich zum ersten<br />
Schultag seine Sachen anzuziehen. Obwohl meine<br />
Logistik arbeit in den Wochen vor dem Rennen<br />
abgeschlossen ist, ist da immer die Angst,<br />
dass ein Verkehrsstau oder eine gesperrte Straße<br />
deine Pläne über den Haufen wirft. Ein solcher<br />
Knüppel wurde uns heute zwischen die Beine<br />
geworfen. Eine Straßensperre war über Nacht<br />
zwischen unserem Hotel und dem Start in Nîmes<br />
aufgebaut worden, und die Umleitung war<br />
unmöglich mit dem Bus zu befahren. Ich hatte<br />
unseren Busfahrer Biso noch nie in Stress geraten<br />
sehen, aber als er den Bus auf einer unglaublich<br />
schmalen Landstraße wendete, wobei die<br />
Mechaniker einen Baum zurückbogen, damit<br />
dieser uns nicht den Außenspiegel abriss, konnte<br />
ich die Panik einsetzen sehen.<br />
Glücklicherweise löst ein kurzer Anruf bei der ASO<br />
so gut wie alles bei der Tour. Ein paar Augenblicke<br />
nach dem Telefonat wurden wir von einer Polizeieskorte<br />
gerettet, die uns durch einen Sechs-Kilometer-Stau<br />
in die Innenstadt und zum Start des<br />
Rennens pilotierte. Krise abgewendet, aber der Erholungseffekt<br />
des Ruhetages war praktisch dahin.<br />
Sonntag, 28. Juli – 21. Etappe: Es ist ja schon<br />
beeindruckend, wie die ASO in einer Stadt wie<br />
Nîmes ein Problem lösen kann, doch die Etappe<br />
nach Paris ist der Ort, wo die Organisation wirklich<br />
ihre Muskeln spielen lässt. Der ganze Tag ist<br />
ein Wirbelwind von Polizeieskorten und blinkenden<br />
Sirenen, die uns von unserem Hotel in den<br />
Bergen von Val Thorens zu den Stufen der wartenden<br />
Flugzeuge in Chambéry bringen und dann<br />
nach Paris zum Start.<br />
Es nach Paris zu schaffen, ist großartig. Egal,<br />
wie gut oder schlecht das Team gefahren ist, das<br />
Ende der Tour ist immer ein Highlight. Allein dort<br />
anzukommen, ist immer noch eine Errungenschaft.<br />
Meine Tour endet um vier Uhr nachts, als<br />
unser Taxifahrer uns in die falsche Bar fährt, die<br />
geschlossen und am falschen Ende der Stadt ist.<br />
Wir geben uns geschlagen und fahren zurück<br />
zum Hotel. Am Montagmorgen nach der Tour wache<br />
ich 15 Minuten vor dem Abflug meines Flugzeugs<br />
auf. Nachdem ich ein Team von 33 Leuten<br />
fast vier Wochen lang auf dem rechten Weg gehalten<br />
habe, finde ich, dass eine Verspätung am<br />
ersten Tag, wo es nicht mehr darauf ankommt,<br />
perfektes Timing ist.<br />
© Gruber Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 73
NACHLESE<br />
ANALYSE • ERKENNTNISSE • DATEN<br />
© Getty Images<br />
BINCKBANK TOUR / 12.–18.08.<strong>2019</strong><br />
DE PLUS ERZIELT A-PLUS<br />
BEIM BINCKBANK<br />
Um Etappenrennen zu gewinnen,<br />
muss man manchmal verstehen,<br />
wie Mengendiagramme funktionieren.<br />
Im Fall der BinckBank Tour <strong>2019</strong><br />
bräuchte man ein klassisches Diagramm<br />
mit drei Kreisen. Ein Kreis wäre Etappe 4,<br />
eine hügelige, 96 Kilometer lange Runde<br />
mit Start und Ziel in Houffalize. Ein weite-<br />
ERGEBNIS<br />
rer wäre das Zeitfahren der 6. Etappe. Und<br />
der dritte wäre das traditionelle Finale zum<br />
Abschluss des Rennens in Geraards bergen.<br />
Eine Drei-Mann-Gruppe machte Etappe<br />
4 unter sich aus: Tagessieger Tim Wellens,<br />
die junge Schweizer Sensation Marc Hirschi<br />
und Jumbo–Visma-Fahrer Laurens De<br />
Plus. Indem es fast eine halbe Minute vor<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Laurens De Plus Jumbo-Visma 21:29:55<br />
2 Oliver Naesen Ag2r La Mondiale + 0:35<br />
3 Tim Wellens Lotto Soudal + 0:36<br />
4 Greg Van Avermaet CCC Team + 0:37<br />
5 Marc Hirschi Team Sunweb + 0:44<br />
De Plus (r.) gewann<br />
keine Etappe,<br />
war aber immer<br />
zur Stelle, wenn es<br />
darauf ankam.<br />
43<br />
Siege für<br />
Jumbo–Visma<br />
in diesem Jahr<br />
den Verfolgern ins Ziel fuhr, brachte sich<br />
dieses Trio in eine starke Position, um die<br />
Gesamtwertung zu bestreiten. Beim Zeitfahren<br />
war das Ergebnis nuancierter – die<br />
Spezialisten dominierten, aber viele der<br />
Klassement-Anwärter kamen relativ dicht<br />
gedrängt ins Ziel, rund 20 Sekunden hinter<br />
Etappensieger Filippo Ganna. Die Besten<br />
unter ihnen: De Plus als Neunter mit<br />
18 Sekunden und Wellens mit 20 Sekunden.<br />
Und beim Finale in Geraardsbergen<br />
machte ein anderes Trio den Etappensieg<br />
unter sich aus: Oliver Naesen setzte sich<br />
knapp vor Greg Van Avermaet durch und<br />
De Plus war gleich dahinter. Die nächsten<br />
Fahrer waren rund eine halbe Minute zurück,<br />
genau wie auf Etappe 4.<br />
In der entscheidenden Schnittmenge<br />
der drei Kreise unseres BinckBank-Diagramms<br />
tauchte nur der Name eines Fahrers<br />
auf: Laurens De Plus. Wellens und<br />
Hirschi waren auf den Etappen 4 und 6<br />
vorn; Naesen und Van Avermaet lieferten<br />
anständige Zeitfahren ab und waren auf<br />
Etappe 7 die beiden Ersten im Ziel. Aber<br />
De Plus war als einziger Fahrer bei allen<br />
drei wichtigen Rendezvous zur Stelle. Die<br />
Ironie – und sie ist bei Etappenrennen<br />
74 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
EDWARD PICKERING<br />
Herausgeber<br />
Ed vermisst Marcel Kittel jetzt schon<br />
bei den Sprints. Wenn er in Form<br />
war, war er unschlagbar.<br />
SAM DANSIE<br />
Redakteur<br />
Die vielen großen Siege junger Fahrer<br />
lassen für Sam nur einen Schluss<br />
zu: Die Zeit der 1990er-Generation<br />
geht ihrem Ende entgegen.<br />
SOPHIE HURCOM<br />
Procycling-Autorin<br />
Sophie ist immer wieder<br />
beeindruckt von Van der<br />
Poel und fragt sich, was er<br />
bei der WM erreichen kann.<br />
nicht selten – war, dass er bei den beiden<br />
wichtigen Straßenetappen das Nachsehen<br />
hatte. Er musste von hinten zuschauen,<br />
als Wellens Hirschi in Houffalize auf der<br />
Linie abfing. Auch in Geraardsbergen hatten<br />
Naesen und Van Avermaet die Nase<br />
vorn und nahmen ihrem belgischen Rivalen<br />
vier Sekunden ab. De Plus fuhr die<br />
970 Kilometer der BinckBank Tour in weniger<br />
Zeit als alle anderen (ungeachtet der<br />
klugen Akkumulation von Bonussekunden<br />
bei den „Golden Kilometre“-Sprints der<br />
letzten Etappe), also war er der Sieger.<br />
Wellens und Naesen standen häufiger im<br />
Rampenlicht, aber Radrennen zu gewinnen<br />
heißt manchmal, im Hintergrund hart<br />
vor sich hin zu arbeiten.<br />
Die BinckBank Tour ist eine Anomalie<br />
auf dem Kalender, obwohl ihr das eher<br />
zum Vorteil als zum Nachteil gereicht.<br />
Anders als viele einwöchige Etappenrennen<br />
des Frühjahrs ist es kein Vorbereitungsrennen<br />
– wer die Vuelta anpeilt, ruht<br />
sich vielleicht nach der Tour aus oder spult<br />
bei der Vuelta a Burgos kurzfristig noch<br />
ein paar Kletterkilometer ab. Sie ist nicht<br />
gebirgig genug, um dasselbe Feld wie die<br />
meisten anderen Etappenrennen anzulocken,<br />
und sie fällt in die Flaute Mitte August<br />
zwischen Tour und Vuelta. Aber viele<br />
A-Promis der Klassiker bevölkerten die<br />
Top 15, die durchsetzt waren mit robusteren<br />
Zeitfahrern, die auf Etappe 6 gut<br />
fuhren und ihre Verluste dann auf den<br />
Sam Bennett domininierte mit<br />
drei Etappensiegen die Sprints.<br />
DE PLUS FUHR DIE<br />
BINCKBANK TOUR IN<br />
WENIGER ZEIT ALS<br />
ALLE ANDEREN. RAD-<br />
RENNEN ZU GEWINNEN<br />
HEISST MANCHMAL, IM<br />
HINTERGRUND HART<br />
ZU ARBEITEN.<br />
beiden hügeligeren Etappen begrenzten.<br />
Bis zur Weltmeisterschaft waren es noch<br />
sechs Wochen, aber Fahrer wie Van Avermaet<br />
und Philippe Gilbert galten als Favoriten<br />
für Yorkshire, und die intensive Woche<br />
mit Sprints und wiederholten kurzen<br />
Anstiegen war ein gutes Formbarometer.<br />
Natürlich sind die andere Kategorie von<br />
Fahrern, die bei der BinckBank in ihrem<br />
Element sind, die Sprinter, und das Rennen<br />
<strong>2019</strong> hatte ein gut besetztes Feld.<br />
Zwei der besten Sprinter der Welt waren<br />
dabei – Sam Bennett und Dylan Groenewegen<br />
–, und während Elia Viviani, Fernando<br />
Ga viria und Caleb Ewan anderweitig<br />
unterwegs waren, gab es eine Tiefe im<br />
Feld der Sprinter in Form von Álvaro Hodeg<br />
und Jasper Philipsen. Bennett, der bei<br />
seinem Bora-Team bei Giro und Tour fehlte,<br />
aber bei unserem Redaktionsschluss<br />
bereits zwei Etappen der Vuelta gewonnen<br />
hatte, war dominant. Er gewann die ersten<br />
drei Etappen der BinckBank-Tour und war<br />
Zweiter hinter Hodeg beim Sprint am<br />
fünften Tag. Bennetts wachsendes Selbstbewusstsein<br />
war in den letzten zwei Jahren<br />
deutlich, und ein möglicher Wechsel zu<br />
Deceuninck–Quick-Step 2020 könnte<br />
entscheidend für seine Karriere sein.<br />
Aber die glänzendste Zukunft von allen<br />
könnte die von Laurens De Plus sein, für<br />
den die BinckBank-Gesamtwertung der<br />
erste individuelle Sieg seiner Karriere war.<br />
Beiträge zu drei Siegen im Mannschaftszeitfahren,<br />
darunter die Weltmeisterschaft<br />
mit Quick-Step Floors 2018 und<br />
bei der Tour de France <strong>2019</strong>, zeigen seine<br />
Allrounder-Qualitäten. Es sind genau diese<br />
Attribute, die ihn die BinckBank Tour<br />
gewinnen ließen.<br />
JUMBO–VISMA:<br />
EIN TEAM IM<br />
HÖHENFLUG<br />
Der BinckBank-Gesamtsieg von Laurens De Plus<br />
war Jumbo–Vismas 41. Sieg <strong>2019</strong>. Zwei Monate<br />
vor dem Ende der Saison konnte das holländische<br />
Team, dessen Geschichte bis 1984 zurückreicht,<br />
bereits sein Jahr mit den bisher meisten Siegen<br />
feiern – die Vuelta-Etappensiege von Primož Roglič<br />
und Sepp Kuss nicht mal mit eingerechnet.<br />
Zuvor war ihr siegreichstes Jahr 2013 gewesen,<br />
als sie von Belkin gesponsert wurden. Damals<br />
holten sie 38 Erfolge, wobei in dieser Summe alle<br />
neun Etappen und die Gesamtwertung der Tour of<br />
Hainan Ende Oktober enthalten sind, was unterm<br />
Strich relativ weiche Siege sind. Ansonsten knackte<br />
das Team die 30-Siege-Marke nur dreimal, in den<br />
Jahren 2004, 2007 und letztes Jahr.<br />
Von den größten Rennen gewann die Truppe<br />
je einmal den Giro und die Vuelta (allerdings von<br />
Denis Mentschow, dessen Doping-Historie nicht<br />
ohne Makel ist), dreimal Mailand–San Remo und<br />
viermal die Flandern-Rundfahrt. Bei Roubaix, Lüt -<br />
tich und Lombardei stehen insgesamt 16 Podiumsplätze<br />
zu Buche, wobei es nie zum Sieg reichte.<br />
Beim Heim rennen Amstel Gold erzielte das Team<br />
sechs Siege, aber keinen seit 2001. Der letzte<br />
wirklich große Sieg war Óscar Freires Mailand–San<br />
Remo 20<strong>10</strong>. So stark wie jetzt war das Team noch<br />
nie – erst recht, wenn 2020 Tom Dumoulin kommt.<br />
Die Fans dürfen gespannt sein, ob der Quantität<br />
der Siege die Qualität entsprechen wird.<br />
43 SIEGE: JUMBOS ERFOLGSJAHR<br />
SIEGE JAHR SPONSOR GRÖSSTER SIEG<br />
43+ <strong>2019</strong> Jumbo–Visma Vuelta a España<br />
38 2013 Belkin GP de Québec<br />
33 2018 LottoNL–Jumbo Tour de Romandie<br />
32 2007 Rabobank Vuelta a España<br />
31 2004 Rabobank Mailand–San Remo<br />
28 2005 Rabobank Tirreno–Adriatico<br />
26 2001, ’09, ’11 Rabobank Amstel Gold Race (2001)<br />
24 1990 Buckler 3 Tour-Etappensiege<br />
© Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 75
NACHLESE<br />
TOUR DE POLOGNE / 03.–09.08.<strong>2019</strong><br />
SIWAKOW GEWINNT<br />
TRAGISCHE POLEN-<br />
RUNDFAHRT<br />
© Getty Images<br />
Die Polen-Rundfahrt <strong>2019</strong> war<br />
durch den tödlichen Sturz von<br />
Bjorg Lambrecht auf der 3. Etappe<br />
nicht nur in menschlicher Hinsicht beeinträchtigt<br />
– die Tragödie sorgte auch für ein<br />
radikal geändertes Rennen.<br />
Eine neue, sehr schwere Bergankunft<br />
– die einzige des siebentägigen Rennens<br />
– war für die 4. Etappe in Kocierz vorgesehen.<br />
Ursprünglich hatte das bedeutet,<br />
dass nach drei Flachetappen in Kocierz<br />
Bewegung in die Gesamtwertung kommen<br />
würde, die in der deutlich hügeligeren<br />
zweiten Hälfte des Rennens entschieden<br />
werden sollte.<br />
Aber die Neutralisierung der Etappe<br />
nach Kocierz nach Lambrechts Tod und<br />
einem zweiten Sprintsieg für Luka Mezgec<br />
24 Stunden später – nach fünf Jahren ohne<br />
WorldTour-Sieg holte der Slowene zwei in<br />
vier Tagen – sorgten für einen fünftägigen<br />
Stillstand in der Gesamt wertung.<br />
Die Polen-Rundfahrt wurde daher auf<br />
zwei kurzen hügeligen Etappen entschieden.<br />
Statt dass sich auf der 4. Etappe ein<br />
echter Klassementfahrer hervorgetan hätte,<br />
wie es der Fall gewesen wäre, wenn<br />
ERGEBNIS<br />
Kocierz in Angriff genommen worden<br />
wäre, war die allgemeine Schlagkraft und<br />
Beständigkeit der Teams auf dem anspruchsvollen<br />
Terrain der wichtigste Faktor<br />
in der Gesamtwertung.<br />
Die ersten zwei Stunden der 6. Etappe<br />
beschrieb der Brite James Knox später als<br />
die härtesten seiner bisherigen Karriere.<br />
Die Folge war, dass ganze 20 Fahrer das<br />
Rennen aufgaben. Der Kampf auf Biegen<br />
und Brechen führte dazu, dass die beiden<br />
stärksten Teams des Rennens den Ton<br />
angaben, wobei sich Jumbo–Vismas Kletterer-Trio<br />
Robert Gesink, Antwan Tolhoek<br />
und Jonas Vingegaard mit drei Ineos-<br />
Männern auseinandersetzte: Ben Swift,<br />
Tao Geoghegan Hart und Pawel Siwakow.<br />
Als Jumbo–Visma-Profi Vingegaard<br />
sich im Finale der 6. Etappe gegen Siwakow<br />
behauptete, schien das holländische<br />
Team die Oberhand gewonnen zu haben.<br />
Aber nach Vingegaards Angriff und der<br />
Gesamtführung musste Tolhoek, theoretisch<br />
Jumbos Topmann für das Rennen,<br />
das Trikot seines Teamkollegen auf der<br />
7. Etappe verteidigen. Als Vingegaard auf<br />
der 7. Etappe komplett einbrach und Gesink<br />
nach langer Auszeit in Folge eines<br />
schweren Sturzes im Frühjahr keinen Rennrhythmus<br />
fand, war Tolhoek schnell isoliert<br />
und Ineos übernahm das Kommando.<br />
Bereits auf der 6. Etappe hatten die unterschiedlichen<br />
Stärken – und mithin Strategien<br />
– der drei Ineos-Kapitäne effektiv<br />
zusammengespielt. Swifts späte Attacke<br />
hatte den Ausdünnungsprozess fortgeführt,<br />
den Geoghegan Hart mit seinen früheren<br />
Angriffen eingeleitet hatte.<br />
Nach seinen eigenen Worten war Siwakow<br />
schwächer als Geoghegan Hart. Aber<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Pavel Siwakow Team Ineos 26:20:58<br />
2 Jai Hindley Team Sunweb + 0:02<br />
3 Diego Ulissi UAE Team Emirates + 0:12<br />
4 Sergio Higuita EF Education First + 0:14<br />
5 Tao Geoghegan Hart Team Ineos + 0:14<br />
Die Fahrer von<br />
Lotto Soudal trauern<br />
um ihren jungen<br />
Kameraden<br />
Bjorg Lambrecht.<br />
8<br />
Gesamtsiege<br />
für Ineos in der<br />
Saison <strong>2019</strong><br />
auf der 6. Etappe war er bis zum Schlussanstieg<br />
besser beschützt und deswegen<br />
besser in der Lage, seine Energien zu nutzen,<br />
als es am meisten darauf ankam, sodass<br />
er Zweiter hinter Vingegaard wurde.<br />
Auf der 7. Etappe zerstörte Geoghegan<br />
Hart mit seinen wiederholten Angriffen<br />
die defensive Strategie von Jumbo und<br />
brachte Vingegaard in Bedrängnis. Siwakow<br />
konnte es sich leisten, auf den letzten<br />
50 Kilometern defensiv zu fahren, während<br />
ein erschöpftes Peloton anscheinend<br />
bereit war, den Status quo zu akzeptieren.<br />
Geoghegan Hart hatte eine äußerst effektive<br />
Rolle als Wachhund und Königsmacher<br />
für Siwakow gespielt.<br />
Eine weitere Trumpfkarte, die Siwakow<br />
auf der 7. Etappe in den Schoß fiel, war<br />
eine frühe Ausreißergruppe, deren Speerspitze<br />
Matej Mohoric war. Der Slowene<br />
76 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
NACHLESE<br />
THE LARRY H. MILLER TOUR OF UTAH / 12.–18.08.<strong>2019</strong><br />
BEN HERMANS’<br />
GROSSES ABENTEUER<br />
legte ein 47-Kilometer-Solo hin und hielt<br />
eine Gruppe von Verfolgern auf Trab.<br />
Die Ausreißer saugten alle Zeitgutschriften<br />
auf, die ihn unter Druck hätten<br />
setzen können. Aber die grundsolide Strategie<br />
von Ineos auf der 6. Etappe erlaubte<br />
es dem britischen Team, die Gesamtwertung<br />
einen Tag später nach Belieben umzukrempeln.<br />
Wie bei einem Rennen, das in einer<br />
Höhenlage zwischen rund<br />
1.300 und 3.000 Metern ausgetragen<br />
wurde, nicht anders zu erwarten,<br />
war die 15. Tour of Utah ein Test für Beine<br />
und Lunge, kein Strategiespiel.<br />
Nach sieben Tagen und mehr als 11.500<br />
Klettermetern erwies sich Ben Hermans<br />
(Israel Cycling Academy) als bester Bergfahrer<br />
des Rennens – er sicherte sich zwei<br />
Etappensiege und den Gesamtsieg mit<br />
50 Sekunden Vorsprung auf James Piccoli,<br />
einen 27 Jahre alten Kanadier vom US-<br />
Continental-Team Elevate-KHS.<br />
Die Rennorganisatoren trafen die wichtige<br />
Entscheidung, die Länge der Etappen<br />
<strong>2019</strong> zu verringern; sie kappten die Anzahl<br />
von Kilometern, auf denen das Peloton<br />
nur „herumbummelte“, wie der Gewinner<br />
der 7. Etappe, Joe Dombrowski,<br />
es nannte, und das führte zu spannenden<br />
Rennen mit sechs verschiedenen Etappensiegern.<br />
Dombrowski, der hier 2015<br />
gewann, profitierte von der Dynamik und<br />
feierte einen Solosieg am letzten Tag,<br />
nachdem er am Empire Pass angegriffen<br />
und die rasante Abfahrt nach Park City<br />
wie auf Schienen heruntergerauscht war.<br />
Bei den kurzen Etappen, die nach dem<br />
5,3-Kilometer-Prolog zwischen 86,5 und<br />
140 Kilometer lang waren, gab es keine<br />
verschwendeten Momente. Fast jeder Angriff<br />
hatte Folgen, und da sich das Peloton<br />
dessen bewusst war, dauerte es jeden Tag<br />
mehr als eine Stunde, bis die Ausreißergruppe<br />
stand.<br />
Hermans fuhr fehlerfrei und sparte sich<br />
seine Körner für die entscheidenden Augenblicke<br />
auf. Nachdem Piccoli das Feld<br />
mit einem Prologsieg überrascht hatte,<br />
startete EF-Mann Lawson Craddock auf<br />
der 1. Etappe einen späten Angriff, der<br />
ERGEBNIS<br />
Neri-Sottoli-Profi Umberto Marengo zum<br />
Etappensieg und Craddock ins Spitzenreitertrikot<br />
beförderte.<br />
Doch auf der 2. Etappe mit der Bergankunft<br />
am Powder Mountain war Hermans<br />
an der Reihe. Er gewann die Etappe mit<br />
20 Sekunden Vorsprung auf Piccoli und<br />
übernahm die Führung des Rennens, die<br />
er den Rest der Woche nicht mehr abgab.<br />
Hermans gewann erneut am nächsten<br />
Tag, um keinen Zweifel aufkommen zu<br />
lassen, wer das Rennen dominierte.<br />
An den folgenden Tagen gab es Etappensiege<br />
für Marco Canola (Nippo–Vini<br />
Fantini), Lachlan Morton (EF Education<br />
First) und Dombrowski, aber es war Hermans,<br />
der das Rennen eroberte, das sich<br />
selbst America’s Toughest nennt.<br />
Mit zwei Etappenerfolgen<br />
zementierte Ben Hermans seinen<br />
Gesamtsieg bei der Tour of Utah.<br />
Ineos ließ Jumbo<br />
die Arbeit machen,<br />
doch Siwakow (l.)<br />
wartete schon auf<br />
seine Chance.<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Ben Hermans Israel Cycling Academy 18:46:09<br />
2 James Piccoli Elevate–KHS Pro Cycling + 0:50<br />
3 Joe Dombrowski EF Education First + 1:32<br />
4 João Almeida Hagens Berman Axeon + 2:26<br />
5 Niklas Eg Trek-Segafredo + 2:57<br />
© Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 77
NACHLESE<br />
Deceuninck–Quick-Step<br />
Bora–hansgrohe<br />
Jumbo–Visma<br />
Astana<br />
Mitchelton-Scott<br />
Israel Cycling Academy<br />
56<br />
43<br />
41<br />
32<br />
31<br />
26<br />
SIEGE<br />
PRO<br />
TEAM<br />
SIEGE<br />
PRO LAND<br />
77<br />
ITALIEN<br />
51<br />
70<br />
FRANKREICH<br />
48<br />
12<br />
JULIAN<br />
ALAPHILIPPE<br />
SIEGE<br />
PRO FAHRER<br />
12<br />
SAM<br />
BENNETT<br />
DECEUNINCK–QUICK-STEP BORA–HANSGROHE<br />
11<br />
DYLAN<br />
GROENEWEGEN<br />
JUMBO–VISMA<br />
Team Ineos ....................................25<br />
UAE Emirates ..................................21<br />
Lotto Soudal ...................................21<br />
Movistar ......................................20<br />
Androni Giocattoli ............................ 19<br />
NIEDERLANDE<br />
BELGIEN<br />
Groupama-FDJ ................................ 19<br />
AG2R La Mondiale .............................15<br />
Cofidis ........................................ 14<br />
EF Education First ..............................13<br />
Bahrain-Merida ................................13<br />
Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step <strong>10</strong><br />
Caleb Ewan Lotto Soudal 9<br />
Primož Roglič Jumbo–Visma 9<br />
Pascal Ackermann Bora–hansgrohe 9<br />
Bryan Coquard Vital Concept–B&B Hotels 8<br />
Alexey Lutsenko Astana 8<br />
Daryl Impey Mitchelton-Scott 6<br />
Álvaro Hodeg Deceuninck–Quick-Step 6<br />
Max Schachmann Bora–hansgrohe 6<br />
M. van der Poel Corendon-Circus 6<br />
Ben Dyball Team Sapura 6<br />
© Getty Images (Bennett), BettiniPhoto (Alaphilippe), Yuzuru Sunada (Groenewegen); Stand: 12.09.<strong>2019</strong><br />
RIDELONDON-SURREY CLASSIC /<br />
04.08.<strong>2019</strong><br />
VIVIANI DOMINIERT<br />
IN LONDON<br />
Da es eine Woche nach der Tour de France<br />
kommt, würde man es den Tour-Fahrern<br />
nachsehen, wenn sie komplett auf das<br />
RideLondon-Surrey Classic verzichten würden.<br />
Aber Elia Viviani bewies, dass es tatsächlich ein<br />
Vorteil sein kann, die Tour de France in den Beinen<br />
zu haben. Er schlug Sam Bennett im Sprint<br />
auf der Mall im Zentrum von London vor dem<br />
Buckingham-Palast; der Ire war die Tour übrigens<br />
nicht gefahren. Damit gewann Viviani zum vierten<br />
Mal ein anderes WorldTour-Eintagesrennen<br />
in seiner Karriere, wobei seine bisher acht Siege<br />
<strong>2019</strong> alle auf WorldTour-Niveau waren.<br />
FAHRER<br />
TEAM<br />
1 Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step<br />
2 Sam Bennett Bora–hansgrohe<br />
3 Michael Mørkøv Deceuninck–Quick-Step<br />
WOMEN’S TOUR OF<br />
SCOTLAND / O9.–11.08.<strong>2019</strong><br />
VERREGNETE<br />
ERSTAUFLAGE<br />
Die erste Women’s Tour of Scotland erwies<br />
sich als gutes Pflaster für nordamerikanische<br />
Fahrerinnen, gewannen doch die<br />
Kanadierin Alison Jackson und die US-Amerikanerin<br />
Leah Thomas die beiden Etappen des Rennens,<br />
wobei Letztere auch die Gesamtwertung für<br />
sich entschied. Die Organisatoren hatten sich eher<br />
ein Feuerwerk versprochen als den meteorologischen<br />
Schlag ins Wasser bei der ersten Auflage, der sie<br />
zwang, die 1. Etappe wegen Unwetters abzusagen.<br />
Von den zwei verbleibenden Tagesabschnitten gewann<br />
Jackson den Sprint auf der 2. Etappe in Perth,<br />
während Thomas dasselbe auf der 3. Etappe in<br />
Edinburgh machte. Die Bonussekunden im Ziel<br />
reichten der Amerikanerin für den Gesamtsieg.<br />
FAHRERIN<br />
TEAM<br />
1 Leah Thomas Bigla Pro Cycling<br />
2 Alison Jackson Team TIBCO-SVB<br />
3 Stine Borgli Norway<br />
EM FRAUEN STRASSE / <strong>10</strong>.08.<strong>2019</strong><br />
PIETERS GLÄNZT,<br />
HOLLÄNDERINNEN<br />
DOMINIEREN<br />
Es ist klar, warum die Holländerinnen so dominant<br />
sind – weil sie eine solche Tiefe im<br />
Team haben. Mit Fahrerinnen wie Marianne<br />
Vos, Kirsten Wild und Lorena Wiebes auf der<br />
Startliste hatte das Team bei der Europameisterschaft<br />
in Alkmaar eine Vielzahl an Optionen plus<br />
den Heimvorteil. Amy Pieters infiltrierte die erste<br />
Ausreißergruppe des Tages und initiierte dann<br />
76 Ki lometer eine dreiköpfige Gruppe, die den<br />
Rivalinnen die Hände band. Hätten sie sie gestellt,<br />
hätten die Holländerinnen drei Sprinterinnen<br />
in Reserve gehabt. Während ihre Rivalinnen<br />
sich nicht einig wurden, setzte sich das Trio weiter<br />
ab und Pieters gewann den Dreiersprint.<br />
FAHRERIN<br />
1 Amy Pieters<br />
2 Elena Cecchini<br />
3 Lisa Klein<br />
LAND<br />
78 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
NACHLESE<br />
An Elia Viviani<br />
ist dieses Jahr nur<br />
schwer vorbeizukommen.<br />
Unter<br />
anderem gewann<br />
er die EuroEyes<br />
Cyclassics in<br />
Hamburg.<br />
SIEGE PRO LAND – FRAUEN<br />
50 21<br />
20 19<br />
SIEGE<br />
PRO<br />
TEAM –<br />
FRAUEN<br />
19<br />
17<br />
NIEDERLANDE<br />
ITALIEN<br />
EM MÄNNER STRASSE / 11.08.<strong>2019</strong><br />
EIN BRUCH<br />
TAKTISCHER<br />
KONVENTIONEN<br />
USA<br />
AUSTRALIEN<br />
EUROEYES CYCLASSICS / 25.08.<strong>2019</strong><br />
ALLER GUTEN<br />
DINGE SIND DREI<br />
Trek-Segafredo<br />
Boels-Dolmans<br />
Mitchelton-Scott<br />
Team Virtu Cycling<br />
CCC-Liv<br />
16<br />
17<br />
17<br />
Es ist selten, dass Sprinter auf einem vollkommen<br />
flachen Kurs etwas anderes machen,<br />
als auf einen Massensprint zu warten.<br />
Bei der Europameisterschaft im nordhollän dischen<br />
Alkmaar wurde also ein Massensprint erwartet,<br />
und Elia Viviani ging nach seinen Erfolgen bei der<br />
Tour de France und dem RideLondon als einer der<br />
Favoriten ins Rennen. Aber da er zwei Jahre zuvor<br />
im Sprint von Alexander Kristoff geschlagen worden<br />
war, beschloss der Italiener, alle Vorsicht in<br />
den Wind zu schlagen und sich 26 Kilometer vor<br />
dem Ziel mit einer dreiköpfigen Gruppe abzusetzen.<br />
Dann schloss Viviani zu seinem Teamkollegen<br />
Yves Lampaert auf, ließ Pascal Ackermann<br />
stehen und fing den Belgier auf der Linie ab.<br />
FAHRER<br />
1 Elia Viviani<br />
2 Yves Lampaert<br />
3 Pascal Ackermann<br />
LAND<br />
Elia Viviani komplettierte im August den<br />
Hattrick von prestigeträchtigen Eintages-<br />
Siegen, als er seine dritten Cyclassics<br />
Hamburg in Serie im Massensprint gewann. Das<br />
Rennen in der Hansestadt lockte ein erlesenes<br />
Feld von Sprintern an, darunter die früheren Sieger<br />
Arnaud Démare, Alexander Kristoff, André<br />
Greipel und Caleb Ewan sowie Peter Sagan und<br />
den immer selbstbewussteren Mike Teunissen.<br />
Viviani zeigte, dass er bei einem langen, flachen<br />
Eintagesrennen seinesgleichen sucht, und verwies<br />
Ewan und Giacomo Nizzolo (Dimension Data) auf<br />
die Plätze. Mit seinem dritten Sieg ist er Rekordhalter<br />
bei dem Rennen.<br />
FAHRER<br />
TEAM<br />
1 Elia Viviani Deceuninck–QS<br />
2 Caleb Ewan Lotto Soudal<br />
3 Giacomo Nizzolo Dimension Data<br />
SIEGE PRO<br />
FAHRERIN<br />
12 13 12<br />
LORENA<br />
WIEBES<br />
PARKHOTEL<br />
VALKENBURG<br />
MARIANNE<br />
VOS<br />
CCC-LIV<br />
CHLOE<br />
DYGERT<br />
SHO-AIR –<br />
TWENTY 20<br />
Marta Bastianelli Virtu Cycling 9<br />
Arlenis Sierra Astana 7<br />
Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 6<br />
Kirsten Wild WNT-Rotor 6<br />
Lisa Klein Canyon-SRAM 6<br />
© Getty Images; Stand: 12.09.<strong>2019</strong><br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 79
NACHLESE<br />
Fahrer im Fokus<br />
MAX SCHACHMANN<br />
© Kramon<br />
Manchmal gehen Resultate im Lärm unter,<br />
und die hügeligen Klassiker waren<br />
<strong>2019</strong> besonders laut. Das Echo von<br />
Mathieu van der Poels Amstel-Gold-Sieg hallt<br />
noch nach, während ein immer selbstbewussterer<br />
Jakob Fuglsang auf einen dritten Platz hinter<br />
van der Poel und einen zweiten beim Flèche Wallonne<br />
(hinter einem weiteren Shootingstar, Julian<br />
Alaphilippe) schließlich einen Sieg in Lüttich<br />
draufsetzte.<br />
Inmitten von all diesem Getöse sind die Resultate<br />
des Bora-Fahrers Max Schachmann irgendwie<br />
untergegangen. Der Berliner war bei den<br />
Rennen Fünfter, Fünfter und Dritter. Das sind<br />
glänzende Ergebnisse für einen 25-Jährigen, nur<br />
dass van der Poel ein Jahr jünger ist. Er war beständig,<br />
aber Fuglsang war noch beständiger. Bei<br />
Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />
wurde sein Teamkollege Davide<br />
Formolo Zweiter, sodass<br />
er nicht einmal der beste junge<br />
Bora-Fahrer war. Schachmann<br />
wurde in den Meldungen<br />
pflichtgemäß erwähnt,<br />
JAHR RENNEN<br />
dann vergessen.<br />
Schachmann ist ein Puncheur-Sprinter,<br />
der die Stellen<br />
erreicht, die andere Sprinter<br />
nicht erreichen können, und<br />
auf Siege nach späten Angriffen<br />
spezialisiert ist. Er bestreitet<br />
Finals mit Leuten wie<br />
Michael Matthews und Daryl<br />
Impey – endschnelle Männer, die klettern können.<br />
Aber er ist bergauf vielleicht sogar noch<br />
schneller: Bei der Baskenland-Rundfahrt gewann<br />
er eine Etappe aus einer Ausreißergruppe heraus,<br />
die er am Anstieg mit Tadej Pogacar, Fuglsang<br />
und Adam Yates erzwungen hatte. Bei jenem<br />
Rennen war er in bestechender Form – er gewann<br />
auch eine Straßenetappe im Sprint einer kleineren<br />
Gruppe und das Auftakt-Zeitfahren. Bei der Kalifornien-Rundfahrt<br />
wurde er Zehnter, hätte aber<br />
besser abgeschnitten, wenn er nicht bei einer frühen<br />
spektakulären Attacke auf der Etappe zum<br />
Mount Baldy Zeit verloren hätte.<br />
Eine gebrochene Hand bei der Tour verlangsamte<br />
die Fortschritte des deutschen Meisters,<br />
aber früher oder später sollte er für einen großen<br />
Sieg gut sein.<br />
MAX SCHACHMANNS SIEGE<br />
METHODE<br />
2018 Katalonien-Rundfahrt, 6. Etappe Zweiergruppe<br />
2018 Giro d’Italia, 18. Etappe Solo aus Fluchtgruppe am Berg<br />
2018 Deutschland Tour, 2. Etappe Sprint einer späten Vierergruppe<br />
<strong>2019</strong> GP Industria & Artigianato Zweiergruppe<br />
<strong>2019</strong> Volta a Catalunya, 5. Etappe Zweiergruppe<br />
<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 1. Etappe Kurzes Zeitfahren<br />
<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 3. Etappe Sprint mit 40 Fahrern<br />
<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 4. Etappe Späte Vierergruppe<br />
<strong>2019</strong> Deutsche Straßenmeisterschaft Dreierflucht aus großer Gruppe<br />
WAS WIR<br />
DIESEN MONAT<br />
GELERNT HABEN<br />
Remco Evenepoel ist eine<br />
Klasse für sich<br />
Wo waren Sie, als Sie erkannt haben,<br />
dass Remco Evenepoel mehr ist als<br />
einer von vielen guten Neuprofis? War<br />
es nach dem dritten Platz, den er beim Zeitfahren<br />
in San Juan erreichte, vier Tage nach seinem<br />
19. Geburtstag? Waren es der Etappensieg und<br />
die Gesamtwertung der Belgien-Rundfahrt? War<br />
es vielleicht der denkwürdige Sieg bei der Junioren-Weltmeisterschaft<br />
2018, als er wegen eines<br />
Defekts zwei Minuten verlor, dann allein durch<br />
das ganze Feld nach vorn fuhr und als Solist gewann?<br />
Oder sind Sie noch früher draufgekommen,<br />
als Sie seine 22 Junioren-Siege 2018 mitgezählt<br />
haben?<br />
Zweifler mögen darauf hinweisen, dass er sich<br />
bei den großen WorldTour-Rennen schwerer tat.<br />
So beendete er die meisten Etappen der Tour de<br />
Romandie im mittleren Drittel des Feldes.<br />
Aber Evenepoels Sieg bei der Clásica San Sebastián<br />
ließ die Welt aufhorchen. Er schüttelte<br />
alle ab und widersetzte sich Verfolgern wie Greg<br />
Van Avermaet und Alejandro Valverde. Dann<br />
setzte er mit einem Sieg im Zeitfahren bei der<br />
Europameisterschaft noch einen drauf.<br />
Es gibt gute Gründe, die Kirche im Dorf zu<br />
lassen. Es ist wichtig, dass Evenepoels Team<br />
ihn vor Druck beschützt. Und <strong>2019</strong> war ein Jahr<br />
der Jungstars – Egan Bernal, drei Jahre älter als<br />
Evene poel, ist ein Toursieger; Tadej Pogacar gewann<br />
die Kalifornien-Rundfahrt mit 20; Mathieu<br />
van der Poel ist 24, aber ein Neuling im Straßenradsport<br />
mit einem Amstel-Gold-Titel. Die Sportwissenschaft<br />
hat jüngere Champions hervorgebracht,<br />
aber die großen Verbesserungen scheinen<br />
immer früher zu kommen – Evenepoel scheint mit<br />
19 näher an seinem Zenit zu sein als früher Fahrer<br />
mit 23 oder 24. In der Zwischenzeit wird sich<br />
der Radsport am Anblick eines furchtlosen, talentierten<br />
Jungprofis erfreuen, der die Rennen im<br />
Sturm erobert.<br />
80 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
NACHLESE<br />
TAKTIK-TIPPS: AUGEN AUF BEI DER ANFAHRER-WAHL<br />
Elia Viviani hatte ein gutes Jahr.<br />
Zwar noch nicht ganz so gut wie<br />
2018: Nach einem relativ langsamen<br />
Start in die erste Hälfte der Saison<br />
sind <strong>2019</strong> bisher zehn Siege auf seinem<br />
Konto, verglichen mit insgesamt 18 im<br />
letzten Jahr. Aber es waren gute Siege:<br />
eine erste Tour-Etappe und ein Hattrick<br />
von pres tigeträchtigen Eintagesrennen<br />
im Spä t sommer – RideLondon, das EM-<br />
Straßen rennen und sein dritter Sieg in<br />
Serie beim Hamburg Cyclassics, was ein<br />
Rekord ist.<br />
Viviani gewinnt viele Rennen, weil er ein<br />
sehr schneller Sprinter ist. Aber es gibt<br />
noch einen Faktor, den viele seiner Siege<br />
gemeinsam haben: die Anwesenheit von<br />
Michael Mørkøv. Das letzte Rennen –<br />
abgesehen von der italienischen Meisterschaft<br />
oder Einsätzen mit dem Nationalteam<br />
–, das Viviani ohne den Dänen in<br />
seinem Team gewinnen konnte, war Adriatica<br />
Ionica im Juni 2018. Andersherum<br />
war bei den Rennen, bei denen Viviani<br />
nicht gewann – der Giro und die Tour de<br />
Romandie plus Mailand–San Remo und<br />
Mørkøv (l.) ist für<br />
Viviani ein unverzichtbarer<br />
Anfahrer<br />
und war <strong>2019</strong> an<br />
bislang zehn Siegen<br />
beteiligt.<br />
Gent–Wevelgem –, Mørkøv auch nicht<br />
im Team. Das einzige Mal, dass sie in<br />
dieser Saison gepatzt haben, wenn sie zusammen<br />
fuhren, war bei De Panne, als<br />
Viviani Dritter wurde. Mørkøv ist ein guter<br />
Sprinter, aber seine eigentliche Stärke ist<br />
das Anfahren, und er ist vielseitig genug,<br />
um letzter Mann zu sein oder früher in<br />
Aktion zu treten.<br />
Im nächsten Jahr wechselt Viviani zu<br />
Cofidis, während Mørkøv bei Deceuninck<br />
bleibt. Wir werden sehen, wie wichtig der<br />
Däne für die Siege des Italieners war.<br />
© BettiniPhoto<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 81
NACHLESE<br />
DIE GRÖSSTE<br />
BANDBREITE<br />
AN SIEGERN<br />
Welche Teams haben die größte Stärke in der Tiefe, was Sieger angeht?<br />
Wir haben uns nicht nur angeschaut, welche Teams die<br />
meisten Rennen gewonnen haben (Deceuninck, vorhersehbar),<br />
sondern auch, welche Teams die meisten Fahrer haben, die <strong>2019</strong> wenigstens<br />
ein Rennen für sich entschieden haben.<br />
Ebenfalls vorhersehbar, hat Deceuninck in diesem Jahr die bisher größte<br />
Bandbreite an Siegern – 14 seiner Fahrer haben wenigstens ein Rennen<br />
gewonnen, wobei Julian Alaphilippe am meisten beigetragen hat. Gleich dahinter<br />
rangieren Astana mit 13 sowie Bora und Ineos mit je zwölf Siegern.<br />
Jumbo–Visma ist ein interessanter Fall – das Team hat 41 Rennen gewonnen<br />
und ist Zweiter auf der Siegesliste, aber nur zehn seiner Fahrer waren erfolgreich.<br />
Am unteren Ende: CCC, für das Greg Van Avermaet und Pat Bevin bisher<br />
die einzigen Sieger sind.<br />
WORLDTOUR-<br />
TEAM<br />
ZAHL DER SIEGER<br />
ERFOLGREICHSTER<br />
FAHRER<br />
SIEGE INSGESAMT<br />
DIE<br />
MEISTEN<br />
SIEGE<br />
ALLER<br />
ZEITEN<br />
Die großen Sieger <strong>2019</strong> waren<br />
tendenziell aus einer jüngeren<br />
Generation, so Elia Viviani,<br />
Julian Alaphilippe und Dylan Groenewegen.<br />
Aber André Greipel führt<br />
die Allzeit-Siegesliste im Peloton immer<br />
noch an, obwohl er <strong>2019</strong> nur<br />
einen weiteren Sieg verbuchten konnte.<br />
Ihm folgen Cavendish, Valverde,<br />
Sagan und Marcel Kittel, der seine<br />
Karriere vor Kurzem beendet hat.<br />
FAHRER<br />
EINTAGSFLIEGER<br />
SIEGE<br />
André Greipel 156<br />
Mark Cavendish 146<br />
Alejandro Valverde 126<br />
Peter Sagan 113<br />
Marcel Kittel 89<br />
Siege bei Eintagesrennen werden zunehmend die Domäne einiger weniger<br />
Teams. Deceuninck und Bora haben dieses Jahr kombiniert 29 gewonnen;<br />
die anderen Teams kommen zusammen nur auf 30. Mit 19 Siegen<br />
liegt Deceuninck auf Platz eins, deutlich vor Bora mit zehn Eintagessiegen.<br />
AG2R kommt mit fünf Erfolgen in dieser Kategorie <strong>2019</strong> auf den dritten Platz.<br />
© Getty Images<br />
Deceuninck–Quick-Step 14 Julian Alaphilippe 12 56<br />
Astana 13 Alexey Lutsenko 8 34<br />
Bora–hansgrohe 12 Sam Bennett 12 41<br />
Team Ineos 12 Egan Bernal 5 26<br />
Mitchelton-Scott 11 Daryl Impey 6 31<br />
Jumbo–Visma <strong>10</strong> Dylan Groenewegen 11 43<br />
Bahrain-Merida <strong>10</strong> Mark Padun 3 13<br />
EF Education First <strong>10</strong> Jonathan Caicedo 2 13<br />
Movistar 11 Richard Carapaz 5 20<br />
Groupama-FDJ 8 Thibaut Pinot 5 19<br />
AG2R La Mondiale 8 Benoît Cosnefroy 5 14<br />
UAE Emirates 7 Tadej Pogačar, Alexander Kristoff 5 23<br />
Lotto Soudal 7 Caleb Ewan 9 21<br />
Trek-Segafredo 5 Giulio Ciccone 2 6<br />
Katusha-Alpecin 5 Fünf Fahrer 1 5<br />
Dimension Data 4 Giacomo Nizzolo, Edvald Boasson Hagen 3 8<br />
Sunweb 3 Cees Bol 3 6<br />
CCC Team 2 Greg Van Avermaet, Pat Bevin 2 5<br />
Deceuninck–<br />
Quick-Step<br />
Siege: 19<br />
Podest: 12<br />
Education<br />
First<br />
Siege: 3<br />
Podest: 4<br />
Bahrain-<br />
Merida<br />
Siege: 1<br />
Podest: 4<br />
Bora–<br />
hansgrohe<br />
Siege: <strong>10</strong><br />
Podest: 11<br />
Movistar<br />
Team<br />
Siege: 3<br />
Podest: 2<br />
Mitchelton-<br />
Scott<br />
Siege: 1<br />
Podest: 3<br />
AG2R La<br />
Mondiale<br />
Siege: 5<br />
Podest: 7<br />
Jumbo–<br />
Visma<br />
Siege: 2<br />
Podest: 4<br />
Katusha-<br />
Alpecin<br />
Siege: 1<br />
Podest: 2<br />
UAE Team<br />
Emirates<br />
Siege: 4<br />
Podest: 9<br />
Lotto<br />
Soudal<br />
Siege: 1<br />
Podest: 6<br />
Team<br />
Sunweb<br />
Siege: 1<br />
Podest: 2<br />
Groupama-<br />
FDJ<br />
Siege: 3<br />
Podest: 7<br />
Team<br />
Ineos<br />
Siege: 1<br />
Podest: 6<br />
CCC<br />
Team<br />
Siege: 0<br />
Podest: 4<br />
Astana<br />
Siege: 3<br />
Podest: 6<br />
Trek-<br />
Segafredo<br />
Siege: 1<br />
Podest: 6<br />
Dimension<br />
Data<br />
Siege: 0<br />
Podest: 4<br />
82 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
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RADSPORT VS.<br />
TRIATHLON<br />
Wenn am 12. Oktober die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii<br />
stattfindet, richten sich die Blicke der Sportwelt auf den Triathlon.<br />
Auch viele Radsportler verfolgen den Kampf der Eisenmänner mit<br />
großem Interesse. Doch was sind eigentlich die Gemeinsamkeiten<br />
und Unterschiede der beiden Sportarten? Procycling sprach mit<br />
dem Kölner Triathlonprofi Till Schramm über die verschiedenen<br />
Anforderungen im Radsport und im Triathlon.<br />
Fotografie Darren Wheeler/thatcameraman.com<br />
84 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
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Till, du bist mittlerweile im zehnten<br />
Jahr Profitriathlet, hast im Laufe<br />
deiner Karriere aber auch immer wieder<br />
Einblicke in den Radsport gewinnen<br />
können. Wie viel Radsportler steckt eigentlich<br />
in dir?<br />
Doch mehr, als man auf den ersten Blick denken<br />
mag. Das Radfahren ist meine stärkste Disziplin<br />
im Triathlon, besonders auf bergigen und anspruchsvollen<br />
Strecken kann ich oft Zeit auf meine<br />
Konkurrenten gutmachen. Meine Verbindung<br />
zum Profiradsport reicht aber deutlich weiter: In<br />
Sachen Aerodynamik und Performance arbeite<br />
ich beispielsweise eng mit Lars Teutenberg zusammen,<br />
der ja unter anderem schon Performance-Trainer<br />
bei Bora–hansgrohe war. Zudem fahre<br />
ich oft mit Christian Knees zum Training, auch<br />
mit Gerald Ciolek war ich früher häufig unterwegs.<br />
Was sind denn die prinzipiellen Unterschiede<br />
zwischen Radsport und Triathlon?<br />
Der größte Unterschied sind sicherlich die Rennen<br />
an sich. Offensichtlich ist natürlich, dass im<br />
Triathlon drei Disziplinen – neben dem Radfahren<br />
eben noch Schwimmen und Laufen – in einem<br />
Wettkampf stattfinden. Beim Radsport ist man<br />
dagegen Spezialist. Aber auch das Radfahren als<br />
Disziplin an sich läuft im Profitriathlon ganz anders<br />
ab: So ist im Triathlon Windschattenfahren<br />
meist nicht erlaubt. Die Ausnahme ist die Olympische<br />
Distanz, auf der man auch im Pulk fährt.<br />
Ein weiterer Unterschied ist sicherlich, dass es im<br />
Triathlon keine Mehrtagesveranstaltungen oder<br />
Etappenrennen gibt. Im Triathlon ist jeder Wettkampf<br />
wie ein Klassiker.<br />
Bei einem Klassiker spielen allerdings Tempohärte<br />
und viele Belastungsspitzen eine<br />
große Rolle. Wie sieht das bei einem Triathlon<br />
aus?<br />
Das kommt ganz auf die Distanzen an. Auf kürzeren<br />
Strecken wie der Olympischen Distanz<br />
entscheidet sich ein Triathlon so gut wie immer<br />
beim Laufen, was unter anderem auch daran liegt,<br />
dass das Windschattenfahren dort erlaubt ist. Bei<br />
diesen Rennen spielt die Fahrtechnik eine große<br />
Rolle. Man muss möglichst effizient im Windschatten<br />
mitfahren, um so noch Kraft für das abschließende<br />
Laufen übrigzuhaben. Auf der Mittelund<br />
Langdistanz ist es dagegen wichtig, effizient<br />
und zugleich kraftvoll und aerodynamisch zu fahren.<br />
Aber auch hier muss man sich Körner für das<br />
Laufen aufsparen.<br />
Wie sehr ist das Radfahren beim Triathlon<br />
eigentlich mit einem Zeitfahren im Profiradsport<br />
zu vergleichen?<br />
Auf den ersten Blick sind sich beide Disziplinen<br />
sicherlich ähnlich – mit dem Unterschied, dass<br />
man beim Triathlon eben immer noch Reserven<br />
für das Laufen übriglassen muss. Während ein<br />
Radsportler sich im Zeitfahren immer am absoluten<br />
Limit bewegt, fahren wir grundsätzlich mit<br />
Luft nach oben – meist im GA2- oder EB-Bereich.<br />
Prinzipiell muss man sich im Triathlon sehr lange<br />
„PRINZIPIELL MUSS<br />
MAN SICH IM TRIATHLON<br />
SEHR LANGE IN DIESEM<br />
,EKELTEMPO‘ BEWEGEN<br />
KÖNNEN.“<br />
in diesem „Ekeltempo“ bewegen können. Ich fahre<br />
im Schnitt rund 300 Watt bei 70 Kilogramm<br />
über vier Stunden hinweg – die sehr guten Profitriathleten<br />
brauchen sich also von der reinen<br />
Durchschnittsleistung nicht vor Radsportlern zu<br />
verstecken. Aber klar: Eine Stunde Vollgas liegt<br />
mir wiederum nicht so gut, dafür kann ich eben<br />
vier Stunden konstant schnell fahren. [lacht]<br />
Provokativ gefragt: Könnte ein Profitriathlet<br />
bei einem Profiradrennen bestehen?<br />
Mit einer entsprechenden Vorbereitung könnte<br />
man eine Etappe wahrscheinlich schon zu Ende<br />
fahren. Es kommt aber ganz darauf an, wie das<br />
Rennen gefahren werden würde. Da Triathlon<br />
eine Einzelsportart ist, würden die meisten Triathleten<br />
sicherlich sehr schnell Schwierigkeiten<br />
bekommen, sich in einem Profifeld zu bewegen,<br />
und so viel Kraft verlieren. Ich bin aber davon<br />
überzeugt, dass manche Topprofitriathleten mit<br />
der richtigen Vorbereitung auch wirklich gute<br />
Radrennen fahren könnten.<br />
Mit dem Australier Cameron Wurf und dem<br />
Deutschen Ruben Zepuntke gibt es derzeit<br />
zwei ehemalige Profiradsportler, die im<br />
Triathlon sehr erfolgreich sind, während<br />
es kaum Umsteiger vom Triathlon zum Profiradsport<br />
gibt. Woran liegt das?<br />
Das liegt sicherlich daran, dass ein Profiradsportler<br />
ein so hohes Level an Ausdauer und Kraft mitbringt,<br />
dass er beispielsweise recht schnell sehr<br />
gut laufen kann. Das einzige Problem ist das<br />
Schwimmen. Da aber der Motor auch hier vorhanden<br />
ist, kann man sich auf die Schwimmtechnik<br />
konzentrieren und im Rennen hier Schadensbegrenzung<br />
betreiben. Ich könnte mir gut vorstellen,<br />
dass ein Julian Alaphilippe oder mein Freund<br />
Christian Knees sehr gute Ironmans absolvieren<br />
könnten.<br />
Der Triathlet kann dagegen alle drei Disziplinen<br />
überdurchschnittlich gut – im Radsport sind aber<br />
absolute Spezialisten gefragt. Das beginnt nicht<br />
nur beim Radfahren selbst, sondern führt weiter<br />
über das taktische Gespür bis hin zum Fahren<br />
im Feld. Um diese Fertigkeiten zu erlangen, muss<br />
man schon im Jugendalter anfangen. Übrigens:<br />
Ironman-Weltmeister Patrick Lange war in seiner<br />
Jugend ein reinrassiger Mountainbikefahrer.<br />
Der Radsport ist prinzipiell eine Mannschaftssportart.<br />
Im Triathlon gibt es Teams<br />
nur auf Bundesligaebene, bei Ironmans und<br />
Co. ist man aber auf sich alleine gestellt.<br />
Welche Auswirkungen hat das auf das<br />
Sportlerdasein?<br />
Sehr große. Auch wenn wir eine große Triathlonfamilie<br />
sind, gibt es im Rennen und im Training<br />
so gut wie keine Freunde. Aufgrund der Eins-zueins-Stituation<br />
im Wettkampf hat man immer<br />
sprichwörtlich die Ellbogen draußen und muss<br />
sich selber durchbeißen. Der Ironman ist wie ein<br />
Haifischbecken. Im Profiradsport ist man dagegen<br />
mit einem Team unterwegs – das macht einen<br />
großen Unterschied aus.<br />
Neben dem Radfahren müssen Triathleten<br />
auch im Schwimmen und beim Laufen ein<br />
sehr hohes Level erreichen.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 85
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BIOGRAFIE<br />
Till Schramm wurde am 20. März 1985<br />
in Köln geboren. Nachdem er in seiner<br />
Jugendzeit bereits ambitionierter<br />
Mountainbiker war und unter anderem<br />
in der deutschen Nationalmannschaft<br />
fuhr, wechselte er als Junior zum<br />
Duathlon. Dort wurde er 2006 Weltmeister<br />
der Kategorie U23 auf der<br />
Lang distanz, ein Jahr später folgte ein<br />
deutscher Meistertitel im Crosstriathlon.<br />
2008 wurde er zudem deutscher<br />
Meister in der Altersklasse 20 bis 24 auf<br />
der Triathlon-Langdistanz. Seit 20<strong>10</strong> ist<br />
er als Profitriathlet aktiv und konnte<br />
unter anderem viermal den Ostseeman,<br />
eine der größten Triathlonveranstaltungen<br />
Deutschlands, gewinnen. Mit sechs<br />
Siegen auf der Langdistanz gehört<br />
Till Schramm zu den erfolgreichsten<br />
deutschen Triathleten der letzten Jahre.<br />
Weitere Informationen zu Till Schramm<br />
finden Sie unter: www.tillschramm.com<br />
Till Schramm gewann in seiner<br />
Karriere unter anderem viermal den<br />
renommierten Ostseeman-Triathlon.<br />
Das heißt, du trainierst auch größtenteils<br />
alleine?<br />
Ja, sehr oft. Natürlich bin ich vor allem beim Radfahren<br />
gerne mit Freunden unterwegs, die Schlüsseleinheiten<br />
werden aber meist alleine abgespult.<br />
Viele unserer Leser interessieren sich für<br />
Trainingstipps. Worin unterscheiden sich<br />
Radsport- und Triathlontraining?<br />
Auf dem Rad fahren wir genauso wie Radsportler<br />
auch VO 2 max-Programme und drücken Wellen<br />
mit 700 bis 800 Watt hoch. Prinzipiell sind unsere<br />
Radumfänge aber natürlich deutlich niedriger<br />
als die eines Radprofis, weil wir drei Disziplinen<br />
abbilden müssen. Mein Training beschränkt sich<br />
deshalb auf sehr spezifische Einheiten, jede<br />
Woche etwa ein langes GA2-Zeitfahren. Auch<br />
Grundlage findet eher konzentriert statt. Sprints<br />
fahre ich so gut wie nie – das trainiere ich beim<br />
Laufen. Beim Triathlon ist die richtige Dosierung<br />
ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Denn wenn<br />
man alles so trainiert wie der Spezialist, platzt<br />
irgendwann der Motor.<br />
Wo liegen die Unterschiede zwischen beiden<br />
Sportarten in Sachen Ernährung? Gerade<br />
das Laufen stellt Triathleten in Sachen Nährstoffzufuhr<br />
ja immer wieder vor große Herausforderungen<br />
…<br />
Das ist in der Tat ein sehr heikles Thema. Ich<br />
habe lange wie ein Radsportler gegessen und getrunken,<br />
was aber im Rennen fatal sein kann.<br />
Nimmt man etwa zu viel Flüssigkeit auf, fühlt<br />
man sich beim Laufen wie ein Wasserkessel. Ich<br />
weiß mittlerweile genau, wie viel Energie ich pro<br />
Stunde dem Körper zuführen kann – und das mache<br />
ich mit dem geringstmöglichen Flüssigkeitsund<br />
Nahrungsaufwand. Dabei ist es übrigens<br />
ein Irrglaube, dass mineralienreiche Ernährung<br />
schnell Energie bringt. Ein mineralienarmes Getränk<br />
bringt Energie und Nährstoffe viel schneller<br />
in die Zelle.<br />
Einer deiner Partner ist die Wassermarke<br />
Lauretana, die sich als das „leichteste Wasser<br />
Europas“ bezeichnet.<br />
Das Wasser stammt aus der gleichnamigen Quelle,<br />
die in 1.200 Meter Höhe unweit des Monte-<br />
Rosa-Massivs im italienischen Graglia liegt. Es ist<br />
besonders rein, ganz ohne jegliche Schadstoffe<br />
wie etwa Nitrate. Mit nur 14 Milligramm Mineralsalzen<br />
ist es zudem entsprechend mineralarm.<br />
Wie zuvor schon gesagt, gelangt die Energie durch<br />
dieses mineralarme Wasser schneller in die Zellen.<br />
Umgekehrt geht auch der Abtransport von<br />
Stoffwechselabfällen schneller.<br />
Wir haben nun über die Rennen, das Training<br />
und die Ernährung gesprochen. Wo<br />
können Radsportler von Triathleten etwas<br />
voneinander lernen – und umgekehrt?<br />
Triathleten können sicherlich lernen, dass man<br />
nicht alles zu ernst nimmt. Viele Sportler sind hier<br />
so sehr auf Training und Co. fokussiert, dass wenig<br />
Zeit für anderes bleibt. Bei den Radsportlern,<br />
die ich kenne, geht es dagegen oftmals viel lockerer<br />
zu. Die Radsportler können wiederum lernen,<br />
dass man im Training auch einmal über den Tellerrand<br />
schauen kann. Das heißt, auch eine Laufeinheit<br />
zwischendurch oder ein Urlaub mit langen<br />
Wanderungen kann ein guter Reiz sein.<br />
Würde es dich reizen, einmal bei einem<br />
Profiradrennen am Start zu stehen? Und<br />
wenn ja, welches würdest du wählen?<br />
Definitiv. Am liebsten wäre mir Paris–Roubaix<br />
– das würde ich sofort ausprobieren wollen. Aber<br />
wie heißt es so schön: Schuster, bleib bei deinen<br />
Leisten. [lacht]<br />
Till, vielen Dank für das Gespräch!<br />
Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit<br />
Lauretana. Weitere Informationen zum Produkt<br />
gibt es unter: www.lauretana.de<br />
© Speedphotos.de/Mario Koberg (rechts)<br />
86 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
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IN VIER WOCHEN VOM<br />
RADLER ZUM TRIATHLETEN<br />
Der Crashkurs-Plan zur Olympischen Distanz von Triathlon-Profi Till Schramm<br />
WOCHE 1<br />
WOCHE 2<br />
WOCHE 3<br />
WOCHE 4 – RENNWOCHE<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– (4 x) 5 x 25 m mit 30 s Pause<br />
und 1:30 min Pause nach jedem<br />
5. – <strong>10</strong>0 m locker – 5 x 25 m<br />
Kraul Beinschlag – <strong>10</strong>0 m aus<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– <strong>10</strong> x 50 m Kraul – 50 m locker<br />
– <strong>10</strong> x 50 m Kraul mit Paddles<br />
und Pullbuoy – <strong>10</strong>0 m aus<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– 20 x 50 m Kraul (3 mittel<br />
+ 1 schnell im Wechsel mit<br />
1 min Pause) – 200 m aus<br />
1 h locker Rad mit hoher<br />
Trittfrequenz<br />
30 min nüchtern laufen vor der<br />
Arbeit im mittleren Tempo<br />
45 min nüchtern laufen vor<br />
der Arbeit (4:30 min mittleres<br />
Tempo + 30 s fast voll im<br />
Wechsel)<br />
60 min nüchtern am Morgen<br />
laufen (9 min mittel + 1 min fast<br />
voll im Wechsel)<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– 8’25 m Kraul schnell auf 45 s<br />
Start – <strong>10</strong>0 m locker – 8’25 m Kraul<br />
Sprint auf 1 min Start – 200 m aus<br />
2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />
4 x 5 min Kraft in TT-Position<br />
bei 70 % FTP und Trittfrequenz<br />
30–40<br />
2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />
6 x 6 min Kraft in TT-Position<br />
bei 70 % FTP und TF 30–40,<br />
dazwischen 4 min locker<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– <strong>10</strong> x <strong>10</strong>0 m Kraul mit Paddles<br />
und Pullbuoy, auf gute<br />
Druck phase achten, mit 15 s<br />
Pause – <strong>10</strong>0 m aus<br />
1 h TT-Rad mit 3’5 min (3 min<br />
80 % – 1 min 90 % – 1 min 95 %)<br />
+ 5 km laufen (5 x 1:30 min<br />
schnell + 1:30 min locker,<br />
Rest auslaufen)<br />
30 min laufen am Abend,<br />
je 5 min ruhig + 5 min flott im<br />
Wechsel<br />
45 min laufen am Abend<br />
(<strong>10</strong> min ein – 3 x 7 min schnell<br />
mit 3 min locker dazwischen –<br />
5 min aus)<br />
1,5 h TT-Rad (<strong>10</strong> x 3 min FTP<br />
mit 2 min locker dazwischen)<br />
+ 30 min laufen (<strong>10</strong> min ruhig,<br />
<strong>10</strong> min mittel, <strong>10</strong> min schnell)<br />
Ruhetag<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– 3 x <strong>10</strong>0 m Kraul – <strong>10</strong>0 m locker<br />
– 3 x <strong>10</strong>0 m Kraul mit Pullbuoy<br />
– <strong>10</strong>0 m locker – 3 x <strong>10</strong>0 mit<br />
Paddles – <strong>10</strong>0 m aus<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– 8’25 m Kraul Beine – 5’200 m<br />
Kraul, alle 5 s schneller als die<br />
vorherigen mit 60 s Pause –<br />
<strong>10</strong>0 m aus<br />
Ruhetag<br />
Ruhetag<br />
2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />
4 x <strong>10</strong> min Zeitfahren bei 90 %<br />
FTP + 30 min laufen, gesteigert<br />
von locker bis schnell<br />
2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle<br />
mit 6 x 5 min Zeitfahren FTP<br />
+ <strong>10</strong> min laufen schnell<br />
30 min schwimmen: 200 m ein<br />
– 3 x 400 m Kraul, die ersten<br />
<strong>10</strong>0 m schnell + 300 m mittel<br />
mit 1 min Pause – <strong>10</strong>0 m aus<br />
30 min locker Rad mit kurzen<br />
Abschnitten Renntempo<br />
2 h locker Rad am Morgen,<br />
dabei die erste Stunde nüchtern,<br />
danach pro Stunde eine Banane<br />
oder einen halben Riegel;<br />
Getränk: Wasser<br />
3 h locker Rad am Morgen, auf<br />
hohe Trittfrequenz (80–90)<br />
achten!<br />
1 h TT Rad (15 min ein – 30 min<br />
TT bei 85 % FTP – 15 min locker)<br />
+ 5 km laufen so schnell wie<br />
möglich<br />
Triathlon<br />
Till Schramm empfiehlt vor allen Einheiten zehn Minuten Rumpfstabilisation und nach allen Einheiten<br />
<strong>10</strong> Minuten dehnen. Außerdem hat es sich bewährt, bei den Koppeleinheiten am Samstag mit<br />
Rennernährung zu trainieren, dann weiß man, was man verträgt und was gut funktioniert.<br />
SIE WOLLEN EINMAL IN DIE TRIATHLONWELT HINEINSCHNUPPERN?<br />
WIR VERLOSEN EINEN EXKLUSIVEN TRAININGSTAG MIT TILL SCHRAMM.<br />
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SPIEL<br />
*Um zu gewinnen, schreiben Sie uns einfach die richtige Antwort auf die Gewinnspielfrage bis einschließlich 01.<strong>10</strong>.<strong>2019</strong> an folgende E-Mail-Adresse: gewinnspiel@wom-medien.de.<br />
Unter allen E-Mails wird der Gewinner bzw. die Gewinnerin ermittelt. Teilnahmeberechtigt sind Personen ab Vollendung des 18. Lebensjahres. Pro Person bzw. E-Mail-Adresse<br />
wird nur eine Teilnahme akzeptiert. Der Gewinner wird im Anschluss an das Gewinnspiel per E-Mail benachrichtigt. Die bereitgestellten Informationen werden von der WOM Medien GmbH<br />
ausschließlich für das Gewinnspiel verwendet und nach der Verlosung gelöscht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 87
WUNSCHLISTE<br />
EUROBIKE-SPEZIAL<br />
88 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
DE ROSA<br />
MERAK DISC<br />
<strong>10</strong>.790 € (Rahmenset 4.150 €)<br />
www.derosa.it<br />
Mit dem neuen Merak Disc stellt<br />
De Rosa eine Rennmaschine vor,<br />
wie man sie sich eleganter kaum<br />
vorstellen kann. Ihre glatten<br />
Formen zeigen alle Merkmale<br />
aktueller Aero-Rahmen, etwa die<br />
tief angesetzten Sitzstreben und<br />
die Abrisskante am Übergang vom<br />
Steuerrohr zum Unterrohr, nicht<br />
zu vergessen die integrierte<br />
Sitzklemme. Den Bogen von der<br />
Moderne zur klassischen Optik<br />
schlägt das waagerechte Oberrohr,<br />
dem aufgrund aerodynamischer<br />
Erwägungen ein Comeback ge -<br />
lungen ist. Das mit elektronischer<br />
Campagnolo EPS und Hydraulikbremsen<br />
ausgestattete Rad kann<br />
natürlich auch in Sachen Integration<br />
viel bieten; optisch stimmig ist<br />
die Komplettierung mit schwarzen<br />
Carbonteilen, die auch gewichtsmäßig<br />
gut mit dem 900-Gramm-<br />
Rahmen harmonieren.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 89
WUNSCHLISTE<br />
BASSO<br />
VENTA<br />
2.599 €<br />
www.bassobikes.com<br />
Das 1977 von Alcide Basso (Bruder des<br />
Straßenweltmeisters von 1972, Marino<br />
Basso) gegründete Traditionsunternehmen<br />
gehört zu den wenigen namhaften<br />
Anbietern, die die Produktion nicht aus<br />
der Hand gegeben haben. Basso<br />
zelebriert italienische Handwerkskunst<br />
mit glattflächigen, dezent gestalteten<br />
Carbonrahmen, und das auch zu<br />
günstigen Preisen: Das neue Modell<br />
Venta Disc ist mit Shimano Ultegra<br />
schon für 2.599 Euro verfügbar; die<br />
bereits bekannte Version mit Felgenbremsen<br />
kostet sogar nur 2.199 Euro.<br />
Die mattsilberne Rennmaschine bietet<br />
alle modernen Montagestandards und<br />
verspricht bei einem Rahmengewicht<br />
um 1.000 Gramm, schön leicht zu sein.<br />
Als Rahmenset wird der echte Italiener<br />
leider nicht angeboten, was angesichts<br />
dieses Freundschaftspreises aber auch<br />
nachvollziehbar ist.<br />
FULCRUM<br />
WIND 40 DB<br />
1.226 €<br />
www.fulcrumwheels.com<br />
Als Allrounder für Rennmaschinen<br />
mit Scheibenbremse stellt der Laufradspezialist<br />
den Wind 40 DB vor. Mit<br />
1.620 Gramm recht leicht, ist der Carbonradsatz<br />
mit 19 Millimeter Maulweite auf<br />
dem neuesten Stand und dank „2-Way<br />
Fit“ zudem mit Schlauchlosreifen<br />
kompatibel. Damit die Brems kräfte<br />
besser aufgenommen werden können,<br />
ist auch das Vorderrad zwei zu eins<br />
eingespeicht; vorne wie hinten kommen<br />
24 DD-Speichen zum Einsatz. Sie<br />
verfügen über raschenderweise über<br />
einen runden Querschnitt – an einem<br />
Aero-Laufradsatz eher ungewöhnlich.<br />
90 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
WUNSCHLISTE<br />
ABUS<br />
STORMCHASER<br />
129 €<br />
www.abus.com<br />
Mit dem Aero-Road-Helm Gamechanger<br />
schaffte Abus den Sprung in die Topliga<br />
der Helmanbieter und konnte den<br />
unterstützten Teams echtes High end-<br />
Material bieten. Nun werden zahlreiche<br />
Merkmale des Topmodells in einen<br />
preiswerten Helm gepackt, der mit<br />
280 Gramm Gewicht und angenehmer<br />
Passform zum Kassenschlager werden<br />
könnte. Ein besonders interessantes<br />
Merkmal sind die vernähten Gurte, die in<br />
Sachen Tragekomfort unschlagbar sind.<br />
Sie werden aus einem Material gefertigt,<br />
das aus der Damenbekleidung stammt,<br />
und erleichtern auch die Anpassung des<br />
Helms deutlich. Abus hält den Stormchaser<br />
in zahlreichen Farben bereit,<br />
auch eine Variante mit Visier ist erhältlich.<br />
SIGMA SPORT<br />
BLAZE<br />
24,95 €<br />
www.sigmasport.com<br />
Ein Rücklicht, das mehr kann: Im Blaze<br />
stecken Sensoren, die Bremsvorgänge<br />
erkennen (und von anderen Fahrmanövern<br />
unterscheiden) können und dann<br />
durch helles Erstrahlen den rückwärtigen<br />
Verkehr warnen – seien es die<br />
Trainingspartner oder Autofahrer. Die<br />
mit drei LED ausgestattete Lampe<br />
verfügt über Tag- und Nachtmodus und<br />
soll bis zu sieben Stunden Leuchtdauer<br />
bieten. Befestigt wird das kompakte<br />
Rücklicht per O-Ring.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 91
WUNSCHLISTE<br />
GIRO<br />
IMPERIAL<br />
429 €<br />
www.giro.com<br />
GIRO<br />
AGILIS<br />
99 €<br />
www.giro.com<br />
Mit dem Agilis stellt Giro ein ausgesprochen<br />
preisbewusstes Modell mit<br />
MIPS-Innenschale vor. Zur Erinnerung:<br />
Die schwimmend gelagerte Schicht soll<br />
bei einem Sturz Drehbewegungen des<br />
Kopfes abfangen, die die Halswirbelsäule<br />
schädigen könnten. Der mit<br />
280 Gramm nicht zu schwere Helm<br />
orien tiert sich optisch an den Topmodellen<br />
des US-Anbieters, ist aber geschlossener,<br />
um trotz etwas einfacherer Machart<br />
hohe Sicherheit zu gewährleisten.<br />
Aus superleichtem Material fertigt<br />
Giro den neuen Imperial, der dadurch<br />
nur 215 Gramm pro Stück wiegt und<br />
sich außerdem sehr gut dem Fuß<br />
anpasst. Zwei BOA-Verschlüsse sorgen<br />
für feinfühlige Verstellbarkeit; trotz<br />
der dünnen Lasche drückt bei enger<br />
Einstellung nichts, zumal auf harte<br />
Kunststoffösen für die Schnürdrähte<br />
verzichtet wird. Luftig wird der Schuh<br />
durch die seitlichen „Fenster“, die freilich<br />
auch Regen und Spritzwasser einlassen<br />
dürften. Mitgeliefert werden die<br />
bekannten Giro-Einlegesohlen mit<br />
austauschbarer Fußgewölbeunterstützung.<br />
92 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
WUNSCHLISTE<br />
BIORACER<br />
KAIMAN<br />
139 €<br />
www.bioracer.com<br />
Die komplett wasserdichte, dank hoher<br />
Elastizität bequeme Kaiman gab es<br />
schon, bislang aber nur in Schwarz. Nun<br />
kommt eine bei typisch belgischem<br />
Schmuddelwetter deutlich praxistauglichere<br />
Version auf den Markt, wahlweise<br />
in Gelb oder Orange und dank<br />
Reflex-Applikationen besonders<br />
auffällig. Enge Bündchen und eine<br />
verlängerte Rückenpartie sorgen an<br />
Regentagen für optimalen Schutz.<br />
CASTELLI<br />
FREE PROTECT<br />
RACE BIBSHORT<br />
199,95 €<br />
www.castelli-cycling.com<br />
Wer in der Kurve wegrutscht, bezahlt<br />
das nicht selten mit einer zerrissenen<br />
Radhose – ärgerlich, denn solche<br />
Beschädigungen lassen sich in der<br />
Regel nur schwer reparieren. Damit es<br />
gar nicht so weit kommt, hat Castelli<br />
gemeinsam mit dem Team Ineos ein<br />
neuartiges Material entwickelt, dessen<br />
Gitterstruktur an der Innenseite<br />
besonders resistent gegenüber Ein -<br />
reißen und Abrieb zu sein verspricht.<br />
Mit breiter Gummierung, luftdurchlässigem<br />
Material an den Trägern und<br />
durch Flachnähte verbundenen Bahnen<br />
bietet die Hose alle modernen Standards<br />
in Sachen Tragekomfort – und natürlich<br />
den berühmten Skorpion der italienischen<br />
Marke.<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 93
-AUSLAGE<br />
PLZ 20000 PLZ <strong>10</strong>000<br />
PLZ 00000<br />
Max-Brauer-Allee 36<br />
22765 Hamburg<br />
Tel.: 040/380 865 33<br />
Fax: 040/38907743<br />
info@cyclefactory.de<br />
www.cyclefactory.dee<br />
PLZ 20000<br />
PLZ 30000<br />
PLZ 40000<br />
Händlerverzeichnis Procycling:Layout 1<br />
DIANA<br />
S P O R T R E I S E N<br />
Rose biketown<br />
Werther Straße 44, 46395 Bocholt<br />
Tel.: 0 28 71/27 55-55<br />
Fax: 0 28 71/27 55-50<br />
Email: rosemail@rose.de, Internet: www.rose.de<br />
1984<br />
2014<br />
DIANA<br />
S P O JAHRE R T R E I S E N<br />
PLZ 50000<br />
PLZ 70000 PLZ 60000<br />
1984<br />
2014<br />
DIANA<br />
S P OJAHRE<br />
R T R E I S E N<br />
1984<br />
2014<br />
JAHRE<br />
TOP-Preise<br />
TOP-Service<br />
www.hwg-radsport.de<br />
www.<br />
dianasport.<br />
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JENS VOIGT<br />
Jens fragt sich, wo all die amerikanischen Helden geblieben sind.<br />
D<br />
ie Fans fast aller Länder, in denen Radsport<br />
beliebt ist, verehren mindestens einen<br />
Helden oder sogar einen Superhelden,<br />
der als Aushängeschild für ihre Nation dient.<br />
Großbritannien hat Chris Froome, Mark Cavendish<br />
und Geraint Thomas, Frankreich hat Julian<br />
Alaphilippe und Thibaut Pinot, Spanien Alejandro<br />
Valverde, Belgien Philippe Gilbert und Italien Vincenzo<br />
Nibali und Elia Viviani, um nur einige Beispiele<br />
zu nennen. Nicht schwer zu erraten, wer der<br />
Held der Slowakei ist … er hat viele Grüne und Regenbogentrikots<br />
gewonnen. Kolumbien? Sie haben<br />
mindestens ein halbes Dutzend!<br />
Aber es gibt eine große Ausnahme: den US-<br />
Markt. Wir haben ein paar solide und wirklich<br />
gute Fahrer in den Vereinigten Staaten, aber keinen<br />
Superhelden. Ich frage mich, warum; denn<br />
mit einer Bevölkerung von 330 Millionen Menschen<br />
muss es einige ernsthafte Talente geben.<br />
Vielleicht geht es um das Huhn und das Ei? Vielleicht<br />
braucht ein Land zuerst einen Superhelden,<br />
um die Kinder für diesen Sport zu gewinnen, um<br />
die Kinder zu inspirieren, in die Fußstapfen dieses<br />
Helden zu treten?<br />
Nach der diesjährigen Tour de France kann ich<br />
sehen, wie Tausende von französischen Kindern<br />
Julian Alaphilippe nacheifern oder ebenso ein<br />
paar kolumbianische Kinder, die ihren lokalen<br />
Vereinen beitreten, um Egan Bernal zu folgen. Ich<br />
wette, Ecuador wird auf eine ähnliche Reise gehen,<br />
nachdem Richard Carapaz in diesem Jahr<br />
den Giro d’Italia gewonnen hat.<br />
In den USA scheint es jedoch, dass Radfahren<br />
bei Erwachsenen, Menschen zwischen 30 und<br />
60 Jahren, Menschen, die eine gute Karriere hatten<br />
und jetzt Zeit und Geld haben, um es für<br />
Fahrräder und Radfahren auszugeben, sehr beliebt<br />
ist. Aber es scheint ein System zu fehlen,<br />
um Talente zu entdecken und sie im Radsport<br />
zu fördern. Außerdem scheint es, dass Kinder in<br />
den USA lieber Mountainbike oder BMX als Straßen-<br />
oder Bahnrad fahren. Es gibt also ein strukturelles<br />
Problem, die nächste Generation dem<br />
Radsport näherzubringen. Und wie wir alle wissen,<br />
ist es ein Teufelskreis: Kein Superheld mit<br />
spektakulären Ergebnissen, kein extravaganter<br />
Charakter bedeutet keine TV-Berichterstattung,<br />
gefolgt von fehlenden Sponsoren, gefolgt von ausbleibender<br />
Unterstützung und keiner nächsten<br />
Generation … und so weiter …<br />
In den USA haben wir nur die Tour of California<br />
und die Tour of Utah, die hauptsächlich lokale<br />
Teams anziehen. Dennoch sind die USA nach wie<br />
vor ein großer Markt für die Fahrradindustrie.<br />
Eine ganze Reihe von in den USA ansässigen<br />
Fahrradfirmen und Sponsoren ist am Profizirkus<br />
beteiligt. Das ist paradox, und ich bin sicher, dass<br />
sich diese Situation ändern wird: Wir müssen einen<br />
neuen amerikanischen Superhelden finden,<br />
um neues Interesse beim Nachwuchs zu wecken,<br />
um sicherzustellen, dass wir eine neue Generation<br />
haben, die uns nachfolgt, und um das amerikanische<br />
Fernsehen und die Sponsoren beim Radsport<br />
zu halten. Mit Sepp Kuss, Brandon McNulty und<br />
Neilson Powless gibt es dort Talente, aber sie werden<br />
noch ein paar Jahre brauchen, um ihr volles<br />
Potenzial auszuschöpfen. Es gibt also Hoffnung<br />
und sicherlich eine aussichtsreiche Zukunft.<br />
Zu guter Letzt möchte ich mich mit dieser<br />
Rub rik von Bjorg Lambrecht verabschieden, der<br />
nach einem Unfall bei der Polen-Rundfahrt verstorben<br />
ist. Ruhe in Frieden, mein junger Freund.<br />
Wir werden dich nie vergessen.<br />
Jens Voigt beendete seine Profi karriere 2014 nach<br />
18 Jahren. Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />
und beliebtesten Fahrer im Peloton. Unter anderem<br />
hielt er für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />
NACH DER DIESJÄHRIGEN TOUR DE FRANCE KANN ICH SEHEN,<br />
WIE TAUSENDE VON FRANZÖSISCHEN KINDERN JULIAN<br />
ALAPHILIPPE NACHEIFERN WOLLEN.<br />
96 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
Mit leuchtenden Augen<br />
und voller Eifer<br />
erwarten diese jungen<br />
Radsportfans<br />
ihren Superhelden.<br />
© Getty Images<br />
OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 97
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25.<strong>10</strong>.19<br />
Procycling erscheint monatlich bei<br />
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94469 Deggendorf<br />
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Redaktionsleitung Dieter Steiner<br />
Textchef Caspar Gebel<br />
E-Mail info@procycling.de<br />
Ständige redaktionelle Mitarbeiter<br />
Chris Hauke, Dominik Ruiz Morales,<br />
Peter Cossins, Sam Dansie, Alasdair<br />
Fotheringham, Daniel Friebe, Werner<br />
Müller-Schell, Sadhbh O’Shea, Herbie<br />
Sykes, John Whitney, Jamie Wilkins,<br />
Cam Winstanley<br />
Layout Saskia Funke<br />
Übersetzungen Esther Kriegel<br />
Lektorat Helga Peterz<br />
Fotos Andreas Meyer, Getty Images,<br />
Joseph Branston (Cover)<br />
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LA VUELTA<br />
A ESPAÑA<br />
+ RENNANALYSEN<br />
+ FELICE GIMONDI<br />
+ KASIA NIEWIADOMA<br />
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16. Jahrgang<br />
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Das Magazin Procycling und die<br />
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98 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>
CCT EVO DISC<br />
SECRET<br />
OF<br />
SPEED<br />
Secret of Speed - Eine Kombination aus Aerorennrad<br />
und Racebike ist die magische Formel<br />
des superschnellen CCT EVO´s . Es ist extrem<br />
leicht, besitzt aber dennoch einen besonders<br />
steifen Carbon Rahmen, der hervorragende Aerodynamikwerte<br />
mit sich bringt.<br />
Gewicht ab 6,8 kg /DISC /Sram Red eTap AXS