Warsaw: Devastation, Modernization, (Re-)privatization, dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 72 (3/2018)

Warsaw is a city that has experienced radical breaks in its development over the last century, which are still relevant and visible in many different ways today. There is the Nazi occupation, the crushing of the Warsaw Ghetto Uprising and the subsequent systematic and almost complete destruction of the city; and more recently, the shift from a state-socialist to capitalist system. The new issue of dérive, entitled »Warsaw: Devastation, Modernization, (Re-)privatization«, sheds light both on these historical components and their impact on contemporary urban society – e.g. on the housing market. In addition, we talk to people who are self-organizing and working on alternative solutions that resist current socio-political conditions. The focal point is entirely in English. You can order it here: https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-72 Warsaw is a city that has experienced radical breaks in its development over the last century, which are still relevant and visible in many different ways today. There is the Nazi occupation, the crushing of the Warsaw Ghetto Uprising and the subsequent systematic and almost complete destruction of the city; and more recently, the shift from a state-socialist to capitalist system. The new issue of dérive, entitled »Warsaw: Devastation, Modernization, (Re-)privatization«, sheds light both on these historical components and their impact on contemporary urban society – e.g. on the housing market. In addition, we talk to people who are self-organizing and working on alternative solutions that resist current socio-political conditions. The focal point is entirely in English. You can order it here: https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/heft-72

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MANIFESTO 3 (2006): BOHDAN JAŁOWIECKI Is WARSAW becoming a city of the THIRD World? Heritage, capital, housing, investor, public space, creative city, public transport, mobility, gated communities, star architecture, social infrastructure »The city is being developed by foreign investors in line with their interests: it is a steered, dependent form of urban expansion.« Photo — Wistula. A city reflects its residents. It also shares their fortunes. The present state of Poland’s capital, Warsaw, arises from the situation in the country as a whole. It mirrors a large but relatively undeveloped country on the periphery of Europe. Conditions in Poland have come to mean that Warsaw currently fails to match the most important metropolitan centres of the continent. Equally, however, a large influx of foreign investment and the arrival of subsidiaries of international corporations have helped launch the process of re-developing a city that was destroyed by war and then badly reconstructed according to socialist realist architectural models. A meeting of old and new lies behind the contrasts and imbalances in the city. Similar phenomena may be noted in countries of the Developing World. But are these contrasts diminishing, remaining stable or increasing? The following article attempts to offer an answer to this question. Bohdan Jal / owiecki — Is WARSAW becoming a city of the THIRD World? 49

Besprechungen Otto Wagner – zweimal zum Gedenken Peter Leeb Der 100. Todestag Otto Wagners ist Anlass von Ausstellungen und Veranstaltungen, um den großen Architekten aus dem Hintergrund des Wiener Alltags in den Vordergrund der Reflexion zu bringen. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist es bereits her, als das Werk, im damals noch als Historisches Museum der Stadt Wien bezeichneten Haus am Karlsplatz, zum ersten Mal überhaupt vertieft gezeigt worden ist. Seit damals rückte der (Wiener) Vater der Moderne vermehrt ins architektonische, aber auch ins touristische Bewusstsein. Hier sollen zwei Ausstellungen besprochen werden, eine im Wien Museum und eine im Museum für angewandte Kunst. Die aktuelle, unter dem schlichten Titel Otto Wagner, im Wien Museum von Andreas Nierhaus und Eva-Maria Orocz zusammengestellte Schau ist die bisher größte zum Gesamtwerk und gliedert dieses in chronologischer Ordnung. Im gesamten Obergeschoß des Hauses werden unzählige Zeichnungen und Modelle aber auch Möbel sowie persönliche Gegenstände – die Sammlung von Fotografien und Visitenkarten bekannter und berühmter ZeitgenossInnen lassen hier eine vergangene Welt wiedererstehen – in 12 Stationen dem Publikum vorgestellt. Die atemberaubende Qualität der Zeichnungen, die durch die unermüdlichen MitarbeiterInnen Otto Wagners entstanden sind, überzeugt auch uns noch durch deren Klarheit und Schönheit. Die Blätter waren natürlich nicht Selbstzweck, sondern gezielt eingesetzte Mittel zur Durchsetzung von Projekten, ob als Wettbewerbsbeitrag bzw. mit oder ohne spezifischem Auftrag. So zeigt sich Wagner als früher Meister der Öffentlichkeitsarbeit. Für uns ist es aufschlussreich, im Fall gebauter Wirklichkeit, das Verhältnis zwischen Projektion und Realisierung zu erkunden, ein Thema mit durchaus aktuellem Bezug. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Idealentwurf des 22. Bezirks für die Studie »Die Grossstadt«, 1911, Otto Wagner, (c) Wien Museum Ausstellung genau an dem Ort stattfindet, für den Wagner ein neues Stadtmuseum als städtebauliche Rahmung des Karlsplatzes vorgesehen hatte und der derzeit auf seine Erweiterung in Form eines Aufbaus auf den Bestand wartet. Wagners überragende Könnerschaft wurde allerdings durch eine Bauaufgabe befördert, die in Art und Umfang ohne Beispiel war, nämlich der Gestaltung sämtlicher Bauten der neuen Wiener Stadtbahn. Seit dem Wettbewerbserfolg für den Wiener Generalregulierungsplan 1892 war Wagners strategisch-moderner Zugang zu den Problemen der rasant wachsenden Großstadt bekannt. Ein Zugang, der bewusst im Gegensatz zu den romantischen Vorstellungen seines Zeitgenossen Camillo Sitte stand. Obwohl für Wagner die brachiale Methodik eines Baron Haussmann in Paris nicht in Frage kam – er versuchte Bestehendes weitgehend in seine Planung zu integrieren – stellt die bewusst gewählte horizontale Trassierung der Stadtbahn gegenüber der Wiener Hügellandschaft einen topografisch radikalen Schritt dar. Die Bogen- und Stationsbauwerke gelangen auf diese Weise zu deren unverwechselbaren lokalen Eigenart. Wagners Meisterschaft wird aber auch beim eigentlichen Benützen der Bauwerke deutlich: gibt es denn bequemere Stufen oder angenehmere Geländer und Handläufe? Die überaus klar organisierten Stationen, ob nun als Torbauten über Niveau geführter Geleise oder als Pavillons einer unterirdischen Trassenführung, werden bis zum heutigen Tag vom Publikum einmütig geschätzt wie kein anderes Infrastrukturprojekt der Stadt, die Donauinsel einmal ausgenommen. Sind auch einige Stationsbahnhöfe und beinahe auch eine ganze Brücke fortschrittsgläubiger Erneuerungsbestrebungen zum Opfer gefallen – der Kampf um genau jene markiert ein Umdenken in der hiesigen geschichtlichen Architekturrezeption. So ließ sich die Stadtbahn in das heutige U-Bahnnetz der Stadt integrieren und ist derart im Nachhinein zu einem herausragenden Beispiel zukunftsweisender Gestaltung geworden, das bei jeder gegenwärtigen Planung ernst genommen anstatt als selbstverständlich vorausgesetzt werden sollte. In der Ausstellung wird immer wieder die Modernität Otto Wagners betont. Was aber bedeutet diese? Wagner erkannte, dass der Historismus keine adäquaten Antworten auf die Fragen dynamischer Industrialisierung und den sich daraus ergebenden Veränderungen des Lebens bieten kann. Sein Vorschlag eines Nutzstils, der Besprechungen 55

Besprechungen<br />

Otto Wagner – zweimal<br />

zum Gedenken<br />

Peter Leeb<br />

Der 100. Todestag Otto Wagners ist Anlass<br />

von Ausstellungen und Veranstaltungen, um<br />

den großen Architekten aus dem Hintergrund<br />

des Wiener Alltags in den Vordergrund<br />

der <strong>Re</strong>flexion zu bringen. Mehr als<br />

ein halbes Jahrhundert ist es bereits her, als<br />

das Werk, im damals noch als Historisches<br />

Museum der Stadt Wien bezeichneten Haus<br />

am Karlsplatz, zum ersten Mal überhaupt<br />

vertieft gezeigt worden ist. Seit damals<br />

rückte der (Wiener) Vater der Moderne vermehrt<br />

ins architektonische, aber auch ins<br />

touristische Bewusstsein. Hier sollen zwei<br />

Ausstellungen besprochen werden, eine im<br />

Wien Museum und eine im Museum <strong>für</strong> angewandte<br />

Kunst.<br />

Die aktuelle, unter dem schlichten Titel<br />

Otto Wagner, im Wien Museum von<br />

Andreas Nierhaus und Eva-Maria Orocz<br />

zusammengestellte Schau ist die bisher<br />

größte zum Gesamtwerk und gliedert dieses<br />

in chronologischer Ordnung. Im gesamten<br />

Obergeschoß des Hauses werden unzählige<br />

Zeichnungen und Modelle aber<br />

auch Möbel sowie persönliche Gegenstände<br />

– die Sammlung von Fotografien und<br />

Visitenkarten bekannter und berühmter ZeitgenossInnen<br />

lassen hier eine vergangene<br />

Welt wiedererstehen – in 12 Stationen dem<br />

Publikum vorgestellt. Die atemberaubende<br />

Qualität der Zeichnungen, die durch die unermüdlichen<br />

MitarbeiterInnen Otto Wagners<br />

entstanden sind, überzeugt auch uns noch<br />

durch deren Klarheit und Schönheit. Die<br />

Blätter waren natürlich nicht Selbstzweck,<br />

sondern gezielt eingesetzte Mittel zur<br />

Durchsetzung von Projekten, ob als Wettbewerbsbeitrag<br />

bzw. mit oder ohne spezifischem<br />

Auftrag. So zeigt sich Wagner als<br />

früher Meister der Öffentlichkeitsarbeit. Für<br />

uns ist es aufschlussreich, im Fall gebauter<br />

Wirklichkeit, das Verhältnis zwischen Projektion<br />

und <strong>Re</strong>alisierung zu erkunden, ein Thema<br />

mit durchaus aktuellem Bezug. Es entbehrt<br />

nicht einer gewissen Ironie, dass die<br />

Idealentwurf des 22. Bezirks <strong>für</strong> die Studie »Die Grossstadt«, 1911,<br />

Otto Wagner, (c) Wien Museum<br />

Ausstellung genau an dem Ort stattfindet,<br />

<strong>für</strong> den Wagner ein neues Stadtmuseum als<br />

städtebauliche Rahmung des Karlsplatzes<br />

vorgesehen hatte und der derzeit auf seine<br />

Erweiterung in Form eines Aufbaus auf den<br />

Bestand wartet. Wagners überragende<br />

Könnerschaft wurde allerdings durch eine<br />

Bauaufgabe befördert, die in Art und Umfang<br />

ohne Beispiel war, nämlich der Gestaltung<br />

sämtlicher Bauten der neuen Wiener<br />

Stadtbahn. Seit dem Wettbewerbserfolg <strong>für</strong><br />

den Wiener Generalregulierungsplan 1892<br />

war Wagners strategisch-moderner Zugang<br />

zu den Problemen der rasant wachsenden<br />

Großstadt bekannt. Ein Zugang, der bewusst<br />

im Gegensatz zu den romantischen<br />

Vorstellungen seines Zeitgenossen Camillo<br />

Sitte stand. Obwohl <strong>für</strong> Wagner die brachiale<br />

Methodik eines Baron Haussmann in<br />

Paris nicht in Frage kam – er versuchte Bestehendes<br />

weitgehend in seine Planung zu<br />

integrieren – stellt die bewusst gewählte<br />

horizontale Trassierung der Stadtbahn gegenüber<br />

der Wiener Hügellandschaft einen<br />

topografisch radikalen Schritt dar. Die Bogen-<br />

und Stationsbauwerke gelangen auf<br />

diese Weise zu deren unverwechselbaren<br />

lokalen Eigenart. Wagners Meisterschaft<br />

wird aber auch beim eigentlichen Benützen<br />

der Bauwerke deutlich: gibt es denn bequemere<br />

Stufen oder angenehmere Geländer<br />

und Handläufe? Die überaus klar organisierten<br />

Stationen, ob nun als Torbauten<br />

über Niveau geführter Geleise oder als Pavillons<br />

einer unterirdischen Trassenführung,<br />

werden bis zum heutigen Tag vom Publikum<br />

einmütig geschätzt wie kein anderes Infrastrukturprojekt<br />

der Stadt, die Donauinsel<br />

einmal ausgenommen. Sind auch einige<br />

Stationsbahnhöfe und beinahe auch eine<br />

ganze Brücke fortschrittsgläubiger Erneuerungsbestrebungen<br />

zum Opfer gefallen –<br />

der Kampf um genau jene markiert ein Umdenken<br />

in der hiesigen geschichtlichen<br />

Architekturrezeption. So ließ sich die Stadtbahn<br />

in das heutige U-Bahnnetz der Stadt<br />

integrieren und ist derart im Nachhinein zu<br />

einem herausragenden Beispiel zukunftsweisender<br />

Gestaltung geworden, das bei jeder<br />

gegenwärtigen Planung ernst genommen<br />

anstatt als selbstverständlich vorausgesetzt<br />

werden sollte.<br />

In der Ausstellung wird immer wieder die<br />

Modernität Otto Wagners betont. Was<br />

aber bedeutet diese? Wagner erkannte,<br />

dass der Historismus keine adäquaten Antworten<br />

auf die Fragen dynamischer Industrialisierung<br />

und den sich daraus ergebenden<br />

Veränderungen des Lebens bieten<br />

kann. Sein Vorschlag eines Nutzstils, der<br />

Besprechungen<br />

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