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09.02.2017 Views

48 PANORAMA PANORAMA 49 KOLLEGEN IN IHRER FREIZEIT FRAU MIT PFIFF Die Luxemburgerin Pascale Weiwers kommt aus einer basketballverrückten Familie. Weil es mit der eigenen Begabung hapert, wird sie Schiedsrichterin. Nun gehört sie zur internationalen Klasse. Manche Dinge bekommt man einfach in die Wiege gelegt. Traditionen muss man pflegen – und in der Familie von Pascale Weiwers ist die Liebe zu einem meist orangefarbenen Ball mit einem Umfang von rund 750 Millimetern seit einigen Generationen Ehrensache. „Mein Großvater hat schon Basketball gespielt, ich war bereits im Kinderwagen am Spielfeldrand und meine Kinder habe ich auch sehr früh mitgenommen“, erzählt Weiwers. Die filigrane Jagd nach Körben ist für sie der perfekte Teamsport – nicht so brutal wie Handball, nicht so stupide wie zuweilen Fußball. Allein: Der Weg zum Erfolg ist steinig und steil – und Weiwers hatte zwar die Liebe zum Sport in den Genen, die Befähigung aber offenbar weniger. Oder, wie sie es selbst mit knallharter Ehrlichkeit formuliert: „Ich war relativ talentfrei.“ Das freilich galt nicht ausschließlich. Über Spielverständnis und Spielübersicht verfügte sie sehr wohl. Über die nötige Athletik ebenso. Also sattelte Weiwers schon in jungen Jahren um und machte ihren ersten Schiedsrichterschein. „Ich bin auf die dunkle Seite gewechselt. Danach war ich das schwarze Schaf meiner Familie.“ Eine Frau als Referee galt in ihrer Anfangszeit noch als Rarität. „Die ersten beiden Jahre genoss ich Welpenschutz, danach gab's ein bisschen Haue“, erinnert sie sich. Heutzutage wundern sich höchstens US-Amerikaner, die frisch nach Europa kommen, über den ungewohnten Anblick einer Schiedsrichterin. Die einheimischen Spieler sind mit ihr groß geworden. Die Frau mit der Pfeife, die selbst 1,72 Meter misst, hat sich den Respekt der Riesen erkämpft. „Ich bin inzwischen einer von den Jungs“, sagt sie. Nie vergessen wird sie ihr erstes nationales Herren- Pokalspiel oder ihren ersten internationalen Auftritt. Aber auch eine Partie, in der der Underdog den Favoriten mit zwei Punkten Unterschied schlug und der Kapitän des Verlierers zu ihr kam und ihr die Hand schüttelte. „Egal wie das hier ausgegangen ist“, sagte er. „Geil gepfiffen.“ Im Nebenjob ständig auf Achse Die Spiele, in denen alles Spitz auf Knopf steht, in denen die Sportler „nicht mit Taschentüchern, sondern mit harten Bandagen hantieren“, sind ihr am liebsten. „Da bleibt die Konzentration hoch.“ Sie macht den Job inzwischen gewissermaßen nebenberuflich. Die Wochenenden gehen häufig ganz für Basketball drauf. Wenn sie nicht selbst pfeift, ist sie als Schiedsrichterbeobachterin unterwegs. Dreimal pro Woche stehen Trainingseinheiten auf dem Programm. Sie muss läuferisch mit athletischen 20-Jährigen mithalten. Im Sommer ist sie bei internationalen Turnieren zugange, diesen August verbrachte sie bei „Als Spielerin war ich relativ talentfrei. Also bin ich auf die dunkle Seite gewechselt.“ Pascale Weiwers, Luxemburg der U16-Europameisterschaft der Mädchen im rumänischen Oradea. Episoden wie jene mit dem unterlegenen Mannschaftskapitän, der ihr zu ihrer Leistung gratulierte, sind die Ausnahme geblieben. Es ist wie in jeder Sportart: Der Unparteiische steht häufig im Fadenkreuz der Kritik. Er muss sich für vermeintliche Fehlentscheidungen rechtfertigen. Die Gilde europäischer Spitzenschiedsrichter arbeitet mit Sportpsychologen. Sie lehren Deeskalationstechniken und Aggressionsmanagement. „Wir müssen schon einiges einstecken.“ Und reich ist sie durch den Sport auch nicht geworden. „Es ist ein kleiner, schlecht bezahlter Nebenjob.“ Doch das ändert nichts an der Liebe zu ihrem Hobby. Basketball und Pascale Weiwers – das gehört zusammen. ben

48 PANORAMA<br />

PANORAMA 49<br />

KOLLEGEN IN IHRER FREIZEIT<br />

FRAU MIT PFIFF<br />

Die Luxemburgerin Pascale Weiwers kommt aus einer basketballverrückten Familie.<br />

Weil es mit der eigenen Begabung hapert, wird sie Schiedsrichterin. Nun gehört sie zur<br />

internationalen Klasse.<br />

Manche Dinge bekommt man einfach in die<br />

Wiege gelegt. Traditionen muss man pflegen –<br />

und in der Familie von Pascale Weiwers ist<br />

die Liebe zu einem meist orangefarbenen Ball<br />

mit einem Umfang von rund 750 Millimetern<br />

seit einigen Generationen Ehrensache. „Mein<br />

Großvater hat schon Basketball gespielt, ich<br />

war bereits im Kinderwagen am Spielfeldrand<br />

und meine Kinder habe ich auch sehr früh<br />

mitgenommen“, erzählt Weiwers. Die filigrane<br />

Jagd nach Körben ist für sie der perfekte<br />

Teamsport – nicht so brutal wie Handball,<br />

nicht so stupide wie zuweilen Fußball.<br />

Allein: Der Weg zum Erfolg ist steinig und steil –<br />

und Weiwers hatte zwar die Liebe zum Sport<br />

in den Genen, die Befähigung aber offenbar<br />

weniger. Oder, wie sie es selbst mit knallharter<br />

Ehrlichkeit formuliert: „Ich war relativ<br />

talentfrei.“ Das freilich<br />

galt nicht ausschließlich.<br />

Über Spielverständnis<br />

und<br />

Spielübersicht<br />

verfügte sie<br />

sehr wohl. Über die nötige Athletik ebenso.<br />

Also sattelte Weiwers schon in jungen Jahren<br />

um und machte ihren ersten Schiedsrichterschein.<br />

„Ich bin auf die dunkle Seite gewechselt.<br />

Danach war ich das schwarze Schaf<br />

meiner Familie.“<br />

Eine Frau als Referee galt in ihrer Anfangszeit<br />

noch als Rarität. „Die ersten beiden Jahre<br />

genoss ich Welpenschutz, danach gab's ein<br />

bisschen Haue“, erinnert sie sich. Heutzutage<br />

wundern sich höchstens US-Amerikaner,<br />

die frisch nach Europa kommen, über<br />

den ungewohnten Anblick einer Schiedsrichterin.<br />

Die einheimischen Spieler sind mit ihr<br />

groß geworden. Die Frau mit der Pfeife, die<br />

selbst 1,72 Meter misst, hat sich den Respekt<br />

der Riesen erkämpft. „Ich bin inzwischen<br />

einer von den Jungs“, sagt sie. Nie vergessen<br />

wird sie ihr erstes nationales Herren-<br />

Pokalspiel oder ihren ersten internationalen<br />

Auftritt. Aber auch eine Partie, in der<br />

der Underdog den Favoriten mit zwei<br />

Punkten Unterschied schlug und der<br />

Kapitän des Verlierers zu ihr kam und ihr die<br />

Hand schüttelte. „Egal wie das hier ausgegangen<br />

ist“, sagte er. „Geil gepfiffen.“<br />

Im Nebenjob ständig auf Achse<br />

Die Spiele, in denen alles Spitz auf Knopf<br />

steht, in denen die Sportler „nicht mit<br />

Taschentüchern, sondern mit harten Bandagen<br />

hantieren“, sind<br />

ihr am liebsten. „Da<br />

bleibt die Konzentration<br />

hoch.“ Sie<br />

macht den Job inzwischen<br />

gewissermaßen<br />

nebenberuflich.<br />

Die Wochenenden<br />

gehen häufig ganz<br />

für Basketball<br />

drauf. Wenn sie<br />

nicht selbst pfeift,<br />

ist sie als Schiedsrichterbeobachterin<br />

unterwegs. Dreimal<br />

pro Woche stehen<br />

Trainingseinheiten<br />

auf dem Programm. Sie muss läuferisch mit<br />

athletischen 20-Jährigen mithalten. Im Sommer<br />

ist sie bei internationalen Turnieren<br />

zugange, diesen August verbrachte sie bei<br />

„Als Spielerin war ich relativ<br />

talentfrei. Also bin ich auf<br />

die dunkle Seite gewechselt.“<br />

Pascale Weiwers, Luxemburg<br />

der U16-Europameisterschaft der Mädchen im<br />

rumänischen Oradea.<br />

Episoden wie jene mit dem unterlegenen<br />

Mannschaftskapitän, der ihr zu ihrer Leistung<br />

gratulierte, sind die Ausnahme geblieben. Es<br />

ist wie in jeder Sportart: Der Unparteiische<br />

steht häufig im Fadenkreuz der Kritik. Er<br />

muss sich für vermeintliche<br />

Fehlentscheidungen<br />

rechtfertigen. Die<br />

Gilde europäischer<br />

Spitzenschiedsrichter<br />

arbeitet<br />

mit Sportpsychologen.<br />

Sie lehren<br />

Deeskalationstechniken<br />

und Aggressionsmanagement.<br />

„Wir müssen schon<br />

einiges einstecken.“<br />

Und reich ist sie<br />

durch den Sport<br />

auch nicht geworden.<br />

„Es ist ein kleiner, schlecht bezahlter<br />

Nebenjob.“ Doch das ändert nichts an der<br />

Liebe zu ihrem Hobby. Basketball und Pascale<br />

Weiwers – das gehört zusammen. ben

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